Modul: Sprachtheorie 10. Veranstaltung Klassifikation der Sprachen Christine Römer Universität Jena Institut für germanistische Sprachwissenschaft E-Mail: Christine.Roemer@uni-jena.de http://www.personal.uni-jena.de/~xcr/v2/?start 6.1. 2012 Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 1 / 24 Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 3 / 24 Gliederung Anzahl der Sprachen Anzahl der Sprachen Anzahl der? Frage schwierig zu beantworten. Dialekte (keine klare Grenzlinie zwischen Sprache und Dialekt, z. B. Plattdeutsch ein dt. Dialekt aber Niederländisch nicht); viele Soziolekte; politische Aspekte hineinspielen. Zahl der Sprachen zwischen 4000 und 6000. Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 2 / 24 Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 4 / 24
Sprachenklassifikationen Anzahl der Sprachen Europa und Nahost stellen nur 4 Prozent der Sprachen. Nord- und Südamerika 15 Prozent. 83 Prozent aller Sprachen sind in nur 23 Prozent der Länder beheimatet. 200 bis 250 Sprachen werden von mehr als einer Million Menschen gesprochen. (Spektrum der Wissenschaft (Dossier): Die Evolution der Sprache (4/2001), S. 98) Sprachenklassifikationen (Historisch) vergleichende Sprachwissenschaft: Klassifizierungsprinzipien: genealogisch (nach Verwandtschaft), - zweige; typologisch (nach Sprachbau) ; territorial (Sprachkontakte) Sprachbünde. Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 5 / 24 Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 7 / 24 Das Das Eine Gruppe von deutschen Linguistinnen und Linguisten hat im November 1997 zusammen mit den Mitgliedern der Arbeitsgruppe Bedrohte Sprachen der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft in Köln die eigenständige Gesellschaft für bedrohte Sprachen e.v. gegründet. Ein Drittel der ca. 6500 Sprachen, die zur Zeit noch weltweit gesprochen werden, wird innerhalb der nächsten Jahrzehnte aussterben. St. R. Fischer A History of Language : in den kommenden 300 Jahren werden von den derzeit noch etwa 5000 gesprochenen Sprachen wohl nur Mandarin, Spanisch und Englisch überleben. Ähnlichkeiten in der Lexik der indoeuropäischen Sprachen hatten zu der Auffassung der gemeinsamen Herkunft geführt. = Sprachen, die auf eine gemeinsame Ursprache ( Protosprache ) zurückgehen. Beispiel Zahlwörter deutsch gotisch lateinisch griech.... (japanisch) einer ains unus heis... hitotsu zwei twai duo dyo... futatsu drei threis tres dyo... mittsu... Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 6 / 24 Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 8 / 24
Stammbaum der Stammbaum der Unterfamilien Germanische Sprachzweige Ausschnitt aus Sprachen-Stammbaum von August Schleicher (1821 1868) Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 9 / 24 Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 11 / 24 Unterfamilien Anzahl der nicht bekannt bzw. umstritten (zwischen 30 und 200). Die ältesten Protosprachen werden auf die Zeit vor etwa 7000 Jahren datiert. Besonders gut erforscht die indoeuropäischen Sprachfamilie. Nicht in einzuordnen sind, wie der Name schon sagt, isolierte Sprachen. Ferner entziehen sich die Kreolsprachen völlig dem Konzept der genetischen Sprachverwandtschaft. Stammbaum der Unterfamilien Germanische Sprachzweige Indoeuropäische Sprachzweige Romanisch Germanisch Slawisch Griechisch Keltisch Baltisch Armenisch Albanisch Iranisch Indisch (Altindisch = Sanskrit) Anatolisch (keine Nachkommen ) Tocharisch (keine Nachkommen ) Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 10 / 24 Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 12 / 24
Germanische Sprachzweige Stammbaum der Unterfamilien Germanische Sprachzweige Ostgermanische Sprachen (Gotisch, durch die Bibelübersetzung des Ulfilas (388 v.u.z. ) gut überliefert. Alle Sprachen ausgestorben.) Nordgermanische Sprachen (auch skandinavische Gruppe genannt. Geht auf das Altnordische aus der Wikingerzeit zurück.) Westgermanische Sprachen (Überlieferung setzt im 8. Jahrhundert ein.) angelsächsische Gruppe friesische Gruppe deutsche Gruppe r Sprachbau: Die syntaktischen Beziehungen im Satz werden durch morphologische Markierungen am Wort angezeigt (Unterklassen: agglutinierend, flektierend, polysynthetisch). Analytischer Sprachbau: Die syntaktischen Beziehungen im Satz werden nicht durch morphologische Mittel am Wort sondern außerhalb des Wortes durch grammatische Hilfswörter oder die Wortstellung ausgedrückt (z.b. im ). Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 13 / 24 Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 15 / 24 Angenommene gehen auf August Wilhelm Schlegel (1818) und Wilhelm von Humboldt (1830) zurück. Sprachen (morphologisch) synthetische analytische agglutinierende flektierende polysynthetische isolierende Flektierende Sprachen: Latein, Altgriechisch, Deutsch zum Teil,... Flexion = Beugung ; Wortformen werden gebildet, um Beziehungen zu anderen Wörtern oder Satzteilen zu kennzeichnen. Er lachte sie aus.:... -te: 3. Person Singular, Präteritum, Aktiv, Indikativ. Agglutinierende Sprachen: Türkisch, Ungarisch, Finnisch,... Agglutination = Anleimen ; Affixe mit je einem Bedeutungsmerkmal werden nacheinander angeleimt. Polysynthetische Sprachen: Irokesisch,... Ein Wort (z. B. das Verb) inkorporiert mehrere Wortstämme. Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 14 / 24 Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 16 / 24
Argumente gegen die traditionelle Einteilung Zum Teil mit nationalistischen philosophischen Implikationen versehen. Typen sind nur Idealtypen. Kriterien der Einteilung und ihre Gewichtung problematisch. Dominant von der Schriftsprache abgeleitet; phonetisch-phonologische Seite kaum berücksichtigt (das Chinesische, meistgesprochene Sprache der Welt, ist eine Tonsprachen). /ma/ 1. /ma/ eine halbe Sekunde lang einen hohen Ton singen = Mutter 2. /ma/ wie bei einer Frage die Stimme heben = Krautpflanze 3. /ma/ wie bei einer Zustimmung die Stimme senken und heben = Pferd 4. /ma/ wie bei einem Ausruf (z.b. au beim Schmerzempfinden ) = schimpfen Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 17 / 24 Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 19 / 24 1. 1. Ton (hoher Ton): Die Tonhöhe ist konstant und hoch, der Ton fast gesungen anstatt gesprochen. 2. 2. Ton (steigender Ton): Die Tonhöhe steigt von der unteren bis mittleren in die hohe Tonlage, ähnlich der Intonation einer Frage im Deutschen. 3. 3. Ton (niedriger oder niedrig-fallend-steigender Ton): Die Tonhöhe sinkt aus mittlerem Niveau nach unten und steigt in der Regel wieder in das mittlere Niveau. 4. 4. Ton (fallender Ton): Die Tonhöhe fällt scharf nach unten und die Silbe wird kürzer mit mehr Affekt ausgesprochen, vergleichbar mit der deutschen Betonung eines Befehles (z.b. Komm!) (Quelle: Wickipedia) /ma/ ohne Betonung wandelt einen Aussagesatz in einen Fragesatz um. Aus diesen vier Wörtern kann man einen Satz bilden: /ma/ /ma/ /ma/ = Die Mutter schimpft Als Fragesatz müßte es heißen: /ma/ /ma/ /ma/ /ma/ = Schimpft die Mutter? Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 18 / 24 Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 20 / 24
Neuere Versuche der Theoriebildung Beispiel: Balkansprachen Neuere Versuche der Theoriebildung Sprachbünde Beispiel: Balkansprachen Vennemann (1982): Berücksichtigung von formalen, funktionalen und semantischen Parametern. Greenberg (1963): Syntaktische Parameter (Wortstellungstypologie). These von der Monogenese der Sprache: Illitsch-Switisch; Dolgopolsky (eine Ursprache das Nostratische ); Greenberg (wenige Superfamilien). Kombination von genetischer und linguistischer Analyse (Cavalli-Sforza: Geschichte der Gene und Geschichte der Sprache verläuft im wesentlichen parallel). Neuere Versuche der Theoriebildung Sprachbünde Beispiel: Balkansprachen Vor allem Albanisch, Rumänisch (eine romanische Sprache) sowie Bulgarisch und Mazedonisch (slawische Sprachen); auch das Neugriechische. Gemeinsame Merkmale: nachgestellte (postponierte) Artikel, das Fehlen der Kategorie Infinitiv, das Futur wird mit dem jeweiligen Verb für wollen umschrieben. Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 21 / 24 Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 23 / 24 Sprachbünde Durch Sprachkontakte, durch das Benutzen mehrerer Sprachen auf dem gleichen Territorium kommt es zu strukturtypologischen Veränderungen. Areallinguistik untersucht diese Kontakte. [1] Die Evolution der Sprache. Spektrum der Wissenschaft (Dossier): 4/2001 [2] H. J. Störig: Abenteuer Sprache. Taschenbuch Verlag: Berlin 2002; Einleitung + Kap. 12 Neuere Versuche der Theoriebildung Sprachbünde Beispiel: Balkansprachen [3] (J. Lyons: Die Sprache. Verlag C.H. Beck: München 1994; Kap. 2.2) Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 22 / 24 Ch. Römer Sprachtheorie WS 2011/12 24 / 24