Antworten der Parteien SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Grüne, FDP, Linkspartei.PDS zu den Wahlprüfsteinen zur Bundestagswahl 2005 Gestärkte Verbraucher, starke Wirtschaft Bewegung für unser Land Plädoyer für eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik für die Legislaturperiode 2005 bis 2009 des Verbraucherzentrale Bundesverbandes - vzbv Hier nehmen die Parteien zu den Wahlprüfsteinen und den einzelnen Handlungsfeldern Stellung. Punkt für Punkt und Tag für Tag werden die Positionen zu den 33 Handlungsfeldern im Vergleich mit den anderen Parteien dargestellt. Verbraucherzentrale Bundesverband Markgrafenstr. 66 10969 Berlin www.vzbv.de presse@vzbv.de Link zu den Wahlprüfsteinen: http://www.vzbv.de/go/dokumente/413/1/2/index.html
Kapitalmärkte: Anleger müssen wieder Vertrauen fassen Die Ausgangslage: Das Vertrauen der Privatanleger in Aktien und Aktienfonds ist seit dem Börsencrash gestört. Die Aussichten, mit diesen Wertpapieren mittel- und langfristig am Unternehmenserfolg partizipieren und sie als zuverlässige Geldanlage auch für die Altersvorsorge einsetzen zu können, erscheinen vielen Privatanlegern zu unsicher. Vor allem fürchten die Anleger, in Fällen betrügerischen Verhaltens und bewusster Falschinformation auf den Schäden sitzen zu bleiben. Diese Furcht ist berechtigt, weil derzeit Schadensersatzansprüche aufgrund der mangelnden gesetzlichen Rechte, der oftmals schwierigen Beweislage und der kurzen Verjährungsfristen kaum durchgesetzt werden können. Überdies tragen die Leitungsorgane börsennotierter Unternehmen für falsche Kapitalmarktinformationen nur selten persönlich Verantwortung, so dass die Sorgfalt und das Verantwortungsbewusstsein im Hinblick auf diese Informationen teilweise unzureichend sind. Die Konsequenz ist ein anhaltender Vertrauensverlust. Die aktuellen Zahlen des Deutschen Aktieninstituts belegen: Die in Deutschland ohnehin geringe Zahl der Aktionäre ist in den vergangenen vier Jahren um ein Viertel gesunken. Von 6,2 Millionen Bundesbürgern im Jahr 2000 auf 4,6 Millionen Mitte 2004. Bei Aktienfonds ist das Bild ähnlich: Nach dem Boom 2001 mit 7,1 Millionen Fondsinhabern erfolgte ein starker Rückgang auf rund 5,2 Millionen 2004. Das Leistungspotential der Kapitalmärkte, ihr Beitrag zur Schaffung gesamtwirtschaftlichen Wohlstands wird daher weniger als möglich in Anspruch genommen. Die Anleger verschenken aus Furcht vor unkalkulierbaren Risiken Anlagemöglichkeiten. Zum Beispiel: Telekom-Aktionäre unter Verjährungsdruck Beim dritten Börsengang der Deutschen Telekom im Jahr 2000 fand eine strittige Bewertung der Immobilien ihren Niederschlag in der Bilanz und spielte beim Börsenprospekt eine wichtige Rolle. 2001 hat die Deutsche Telekom Wertberichtigungen von drei Milliarden Euro auf ihr Immobilienvermögen vorgenommen. Seit dem dritten Börsengang hat sich der Wert der Telekom- Aktie auf etwa ein Viertel (!) des damaligen Ausgabepreises reduziert. In der Folge nahmen die Strafverfolgungsbehörden Ermittlungen auf. Da die Anleger nicht an die unternehmensinternen Informationen gelangten und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Auskünfte auf Grund ihrer Verschwiegenheitspflicht verweigerte, waren schnelle Ergebnisse der Ermittlungsverfahren für die geschädigten Anleger von besonderer Bedeutung. Diese Ergebnisse ließen jedoch auf sich warten, so dass viele Anleger im Mai 2004 trotz fehlender Informationen Klage gegen die Deutsche Telekom erheben mussten, da ihre Ansprüche ansonsten verjährt wären. Unterdessen wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt. Den sechs Beschuldigten wurde auferlegt, Geldbeträge zwischen 20.000 und 250.000 Euro an die Staatskasse zu zahlen. Die Deutsche Telekom zahlte 5 Millionen Euro an eine gemeinnützige Einrichtung. Die Anleger gingen leer aus.
Der Handlungsbedarf: Bundesregierung und Bundestag müssen die bisher unternommenen Maßnahmen zur Verbesserung des Anlegerschutzes fortführen und intensivieren. Zu den wichtigsten Punkten zählen: Die Klagemöglichkeiten der Aktionäre sind zu verbessern. Hierzu sind die Verjährungsfristen zu verlängern und die Beweislastregeln zugunsten der Anleger zu ändern. Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder börsennotierter Gesellschaften müssen persönlich für Falschinformationen über die Verhältnisse der Gesellschaft haften. Zur Verbesserung der Information von Anlegern im Schadensfall ist die Verschwiegenheitspflicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu lockern. Gesicherte Ermittlungserkenntnisse der Aufsicht müssen Anlegern zur Verfügung stehen.
Antworten der SPD auf die Wahlprüfsteine des vzbv Viele Verbraucherinnen und Verbraucher verfolgen den deutschen Aktienmarkt mit Zurückhaltung und Misstrauen. Dies liegt weder im Interesse der Verbraucher, noch im Interesse der Wirtschaft und ist auch auf fehlerhafte, unterlassene oder intransparente Unternehmenskommunikation zurückzuführen. Um diese Entwicklung zu ändern, ist ein Mehr an Transparenz der Geschäfte und ein besserer Schutz der Anleger notwendig. Mit dem Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes hat die Bundesregierung bereits wichtige Schritte eingeleitet. Neben der Umsetzung der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie über Insidergeschäfte und Marktmanipulation enthält das Gesetz Maßnahmen zur Verbesserung des Anlegerschutzes im Bereich des so genannten Grauen Kapitalmarktes. Dazu trägt insbesondere die seit Juli 2005 geltende Prospektpflicht bei. Wir wollen weitere Maßnahmen zur Verbesserung des Anlegerschutzes auf den Weg bringen. Zum Beispiel ist es das Ziel des geplanten Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes (KapMuG), die Bündelung von kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten durch Führung eines Musterverfahrens zu ermöglichen und eine Verfahrenskanalisation der Rechtsstreite durch Einführung eines ausschließlichen Gerichtsstands zu erreichen. Durch die Einführung des Musterverfahrens werden die Zivilgerichte entlastet. Komplexe gleichgelagerte Beweisaufnahmen in einer Vielzahl von Verfahren können durch Zusammenfassung in einem Musterverfahren vermieden werden. Der einzelne Anleger kann so seinen Schadensersatzanspruch effektiv durchsetzen. Das Prozesskostenrisiko für den einzelnen Anleger wird deutlich gesenkt. Die SPD unterstützt die Forderung nach einer persönlichen Haftung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern für Falschinformationen. Eine Verbesserung der Klagemöglichkeiten insbesondere von Kleinanlegern wollen wir prüfen.
ANTWORT DER CDU/CSU-BUNDESTAGSFRAKTION AUF DIE WAHLPRÜFSTEINE DES VZBV Im Bereich des Anlegerschutzes sind die Informations- und Beratungsangebote zu verbessern und Transparenz- und Offenlegungspflichten zu verstärken. Das von vielen Verbrauchern verlorene Vertrauen in verschiedene Anlageformen, nicht zuletzt durch die Erfahrungen vieler Verbraucher mit Schrottimmobilien, muss wieder aufgebaut werden. Gesetzliche Regelungen sollten jedoch auf europäischer Ebene und einheitlich gestaltet werden.
Antworten von Bündnis 90/Die Grünen auf die Wahlprüfsteine des vzbv Beim Anlegerschutz haben wir für die Einführung einer Prospektpflicht für öffentlich angebotene Kapitalanlagen und umfassende Informationspflichten über die Gesellschaft, ihre Geschäftstätigkeit und ihre Finanzlage gesorgt. Auch bei Investmentfonds haben wir mehr Transparenz geschaffen. Nach unserer Überzeugung sollen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder gegenüber Anlegern für vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschinformationen persönlich haften. Wir wollen die Interessen der privaten Anleger auch weiter verbessern. Wir GRÜNEN setzen uns dafür ein, dass die Klagemöglichkeiten für Anleger verbessert werden. So sollen die Verjährungsfristen für Ansprüche bei falschen oder unrichtigen Angaben im Verkaufsprospekt an die normalen zivilrechtlichen Regeln im Bürgerlichen Gesetzbuch angepasst werden. Anleger sollen bei festgestelltem Fehlverhalten Zugang zu den Akten der Aufsichtsbehörden erhalten.
Antworten der FDP auf die Wahlprüfsteine des vzbv Das Vertrauen der Anleger in den Börsenmarkt ist tief erschüttert worden und erholt sich nur langsam. Die FDP tritt für gesetzlich mögliche und auch sinnvolle Maßnahmen ein, die dieses Vertrauen wiederherstellen können. Betrügerisches Verhalten und Gewinnmitnahmen aufgrund bewusster Falschinformation des Kapitalmarktes müssen verfolgt und durch entsprechende Regelungen sanktioniert werden. Die FDP setzt sich diesbezüglich dafür ein, dass die schwarzen Schafe am Kapitalmarkt hart bestraft werden. Durch das Mannesmann-Urteil wurden Lücken und Unklarheiten im Straf- und Aktienrecht offenbart. Der Straftatbestand der Untreue hat sich als schwammig und unbestimmt erwiesen. Deswegen ist eine verfassungsgemäße Überarbeitung der des Straftatbestands der Untreue insbesondere im Bezug auf strafrechtlich zu erfassendes Verhalten von Managern geboten. Die FDP unterstützt die Forderung nach einer persönlichen Haftung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder nicht in vollem Umfang. Durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz wurden bereits 2002 im WpHG neue Tatbestände für Schadensersatzansprüche des Anlegers gegen den Emittenten aus vorsätzlichen bzw. grob fahrlässig unterbliebenen oder fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen geschaffen. Es ist unbestreitbar, dass schwere Managementfehler Konsequenzen nach sich ziehen müssen. Eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen den Organen darf jedoch durch drohende Haftungsfallen nicht gefährdet werden. Die Verbesserung des Anlegerschutzes darf nicht zu einer Überregulierung des Marktes und mehr Bürokratie führen. Entscheidungen, die den Kapitalmarkt betreffen, dürfen nicht unverhältnismäßig verrechtlicht werden. Dies schadet nach Ansicht der FDP dem Kapitalmarkt in noch stärkerem Maße. Manager müssen mit hohem Verantwortungsbewusstsein ihre Entscheidungen fällen, neue Regelungen dürfen aber nicht zu einem uneinschätzbaren Risiko für die Manager werden. Durch das UMAG, welches im Juni 2005 vom Deutschen Bundestag mit Zustimmung der FDP verabschiedet wurde, wurde es Aktionärsminderheiten erleichtert, Schadensersatzklagen gegen Vorstandsmitglieder und Aufsichtsräte zugunsten der Unternehmenskasse einzureichen. Eine Verlängerung der Verjährungsfristen ist erst nach der Evaluierung der neuen Regelungen zur Schadensersatzklagen zu diskutieren. Auch die Beweislastregeln wurden durch das UMAG zugunsten der Anleger auf die Business Judgement Rule ausgeweitet. Hier ist ebenfalls vor einer Änderung der Beweislastregeln die Evaluierung abzuwarten. Grundsätzlich ist an den zivilprozessualen Regeln der Beweislastverteilung festzuhalten. Durch das Bilanzkontrollgesetz, das von der FDP mitgetragen wurde, wurden die Kontrollrechte der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht deutlich erweitert. Die Ermittlungserkenntnisse der BaFin mögen für die Anleger von Interesse sein. Die Verschwiegenheitspflicht der BaFin ist jedoch aufrechtzuerhalten. Von der FDP wird diesbezüglich derzeit eine weitergehende Transparenz der Unternehmen gegenüber ihren Aktionären geprüft. Eine direkte Transparenz des Unternehmens gegenüber seinen Anteileignern im Idealfall auf Freiwilligkeit des Unternehmens basierend dient den Aktionären mehr als die Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht der BaFin. Die FDP tritt für eine deutliche Stärkung der Eigentümerrechte und der Aufsichtsräte ein. Dafür sieht sie unter anderem folgende Maßnahmen für notwendig an: Die starren Regelungen im Aktienrecht, die deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb einschränken, sollen durch flexible Regelungen im Sinne von Satzungsbeschlüssen der Hauptversammlung ersetzt werden. Den verschiedenen Größen und Strukturen der Aktiengesellschaften in Deutschland werden dispositive Regelungen
besser gerecht. Aktionären werden durch eine Ausdehnung der Satzungsautonomie mehr Gestaltungsfreiräume, Mitspracherechte und Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft eingeräumt. Die FDP setzt sich dafür ein, dass formale Mitwirkungsrechte der Hauptversammlung ihre Wirkung entfalten. Als Sanktion der Nichtentlastung und zum Schutz des Unternehmens und der Aktionäre sieht die FDP vor, dass ein Aufsichtsratsmitglied, das während seiner fünfjährigen Amtszeit einmalig oder wiederholt nicht entlastet wird, für den Zeitraum seiner verbleibenden Amtszeit kein herausgehobenes Amt im Aufsichtsrat wie Vorsitzender, stellvertretender Vorsitzender oder Ausschussmitglied mehr bekleiden darf. Ferner muss nach seiner Amtszeit eine Wiederwahl in den Aufsichtsrat des Unternehmens ausgeschlossen sein. Die Firmenkontrolle muss verbessert werden, um Missbräuche einzudämmen. Die FDP sieht deshalb die Aufsichtsräte in der Verpflichtung, nicht mehr als maximal fünf Mandate zu übernehmen. Sollte dies nicht auf freiwilliger Basis umgesetzt werden, ist über eine entsprechende gesetzliche Regelung zu diskutieren. Der automatische Wechsel von der Position des Vorstandsvorsitzes in die Position des Aufsichtsratsvorsitzes belastet, beeinträchtigt und schwächt die Überwachungs-, Steuerungs- und Kontrollfunktion des Aufsichtsrates. Nach Ansicht der FDP darf deswegen die Wahl des früheren Vorstandsvorsitzenden zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates erst nach einer Schamfrist von drei Jahren möglich sein. Die FDP setzte sich für eine Professionalisierung der Arbeitsweise des Aufsichtsrates zur Stärkung der Kontroll- und Überwachungsfunktion des Aufsichtsrates und Herstellung von Waffengleichheit mit dem Vorstand ein. Es ist die ausreichende Versorgung der Aufsichtsräte mit allen relevanten und vom Vorstand unbeeinflussten Informationen zum Beispiel durch ein geeignetes Sekretariatssystem oder eine hauptberufliche Tätigkeit eines Aufsichtsratsassistenten zu gewährleisten.
Antworten der Linkspartei.PDS auf die Wahlprüfsteine des vzbv Die Vorschläge zum besseren Schutz von Anlegern verdienen Unterstützung, insbesondere die persönliche Haftung Verantwortlicher und die Einbeziehung der Finanzdienstleistungsaufsicht unmittelbar in den Verbraucherschutz. Darüber hinaus sollte auch geprüft werden, wie ein Zusammenwirken von Anlegern und Unternehmensvertretern zum Nachteil der Unternehmen und der anderen Anleger, insbesondere im Zusammenhang mit Immobilienfonds, verhindert werden kann.