3. Augsburger Forum für Medizinprodukterecht Marktüberwachung und Vigilanz im Umbruch 12. Oktober 2007 Grundlagen der Überwachung und des Vigilanzsystems Hans-Georg Will, Remagen H.-G. Will 01
Gliederung Stellenwert der Überwachung bei New Approach Richtlinien Auftrag und Zielsetzung der behördlichen Überwachung Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus europäischem Recht Überwachungsvorschriften des Medizinproduktegesetzes Anzeigepflichten und EUDAMED Vigilanzsystem als besondere Form der Überwachung Zuständige Behörden in Deutschland Zusammenfassung und Schlussbemerkungen H.-G. Will 02
Stellenwert der Überwachung in New Approach - Richtlinien CE Kennzeichnung = Freie Verkehrsfähigkeit im EWR, widerlegbare Konformitätsvermutung CE Kennzeichnung Generelle Fehlerfreiheit der Medizinprodukte Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Organisation und Durchführung einer kontinuierlichen Marktüberwachung Marktüberwachung = Zentrales Element der New Approach Richtlinien (s. auch Blue Guide ) Besondere Relevanz im Bereich der Medizinprodukte! H.-G. Will 03
Auftrag und Zielsetzung der behördlichen Überwachung Auftrag Verifizierung der Übereinstimmung oder Feststellung von Verstößen Ggf. Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter oder Verhütung künftiger Verstöße Zielsetzung Gesundheitsschutz / Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus Glaubwürdigkeit / Vertrauen in das regulatorische System Faire Wettbewerbsbedingungen für die Marktbeteiligten H.-G. Will 04
Relevante europäische Regelungen zur Überwachung EGV: Verpflichtung der Mitgliedstaaten, dem Gemeinschaftsrecht Geltung zu verschaffen Richtlinie 93/42/EWG (beispielhaft) Art. 2: Verpflichtung zur allgemeinen Art. 15: Klinische Prüfung Marktkontrolle Art. 8: Schutzklausel Art. 16: Benannte Stellen Art. 10: Vigilanzsystem Art. 18: Unrechtmäßige Art. 14: Anzeigepflichten CE Kennzeichnung Art. 14a: Europäische Datenbank Art. 20: Vertraulichkeit und (EUDAMED) Informationsaustausch Art. 14b: Besondere Gesundheits- Art. 20a: Zusammenarbeit überwachungsmaßnahmen (neu)..... H.-G. Will 05
Überwachungsverpflichtungen gemäß europäischem Recht Allgemeine Marktüberwachung Überwachung klinischer Prüfungen Vigilanzsystem Aufsicht über die Benannten Stellen Zusammenarbeit und Informationsaustausch H.-G. Will 06
Überwachungsvorschriften des Medizinproduktegesetzes 25, 18, 20, 24, 30 MPG: Anzeigepflichten 26 MPG: Durchführung der Überwachung 27 MPG: Verfahren bei unrechtmäßiger oder unzulässiger CE Kennzeichnung 28 MPG: Verfahren zum Schutz vor Risiken 29 MPG (i.v.m. MPSV): Vigilanzsystem 33 MPG (i.v.m. DIMDIV): Datenbanken 36 MPG: Zusammenarbeit der Behörden und Benannten Stellen im EWR 15, 16 MPG: Überwachung der Benannten Stellen..... H.-G. Will 07
Paradigmenwechsel durch das 2. MPG Änderungsgesetz Geänderte Vorgaben zum Umfang der allgemeinen Marktüberwachung Aktuelle Vorschrift ( 26 Abs. 2 Satz 2 MPG): Sie (die zuständige Behörde) prüft in angemessenem Umfang unter besonderer Berücksichtigung möglicher Risiken der Medizinprodukte, ob die Voraussetzungen zum Inverkehrbringen und zur Inbetriebnahme erfüllt sind. Vorherige Regelung ( 26 Abs. 3 MPG a. F.): Die zuständige Behörde geht bei Medizinprodukten, die mit einer CE Kennzeichnung versehen sind, davon aus, dass sie den Voraussetzungen der 4 bis 10 entsprechen. Sie prüft durch Stichproben, ob die Voraussetzungen zum Inverkehrbringen und zur Inbetriebnahme erfüllt sind. Notwendigkeit einer proaktiven, systematischen und risikogestuften Marktüberwachung durch die zuständigen Behörden H.-G. Will 08
Anzeigepflichten und EUDAMED Konzeption von EUDAMED / Vorgesehene Datenbewegungen EUDAMED BfArM / PEI Andere EWR- Behörden DIMDI - Datenbanken ZLG/ZLS Landesbehörden Nomenklatur: GMDN Blau = Hersteller und Produkte Grün = Zertifikate Violett = Klinische Prüfungen Rot = Vigilanzdaten Verantwortliche Inverkehrbringer in D / Sponsoren klin. Prüf. Betreiber, Anwender, Benannte Stellen in D Vetriebskette Regelung näherer Einzelheiten im Komitologie-Verfahren! H.-G. Will 09
Vigilanzsystem als besondere Form der Überwachung Vigilanzsystem = Mandatory reporting system for adverse events involving all medical devices (TGA, Australien) System for the notification and evaluation of adverse incidents (MEDDEV 2.12-1) System zu Erfassung und Untersuchung von schwerwiegenden Vorkommnissen (Scuntaro, Swissmedic) Reaktives, auf die Erkennung und Abwehr von Risiken fokussiertes Konzept der Marktkontrolle (Will in Anhalt / Dieners, Handbuch des Medizinprodukterechts) H.-G. Will 10
Wesentliche Elemente des Medizinprodukte Vigilanzsystems Risikoidentifizierung für Produkte im Markt durch Hersteller o. a. Akteure Meldung schwerwiegender Produktprobleme an die zuständige Behörde Zentrale Erfassung und behördliche Risikobewertung (zus. mit Hersteller/ Bev.) Durchführung notwendiger korrektiver Maßnahmen/ Überwachung ggf. Anordnung Risikokommunikation, behördlicher Informationsaustausch H.-G. Will 11
Vigilanzsystem: Beteiligte und deren Aufgaben Sonstige Personen/Stellen Zuständige Behörden Zentrale Erfassung und Bewertung von Risiken Überwachung, ggf. Anordnung korrektiver Maßnahmen Informationsaustausch, Risikokommunikation Hersteller, Bevollmächtigte, Vertreiber Produktbeobachtung im Markt Meldung schwerwiegender Probleme Durchführung korrektiver Maßnahmen Händler u. sonstige Inverkehrbringer Meldung schwerwiegender Probleme Mitwirkung an korrektiven Maßnahmen Betreiber und Anwender Meldung schwerwiegender Probleme Mitwirkung an korrektiven Maßnahmen H.-G. Will 12
Vigilanzsystem: Relevante Definitionen (MPSV) Vorkommnis Produktfehler oder Fehlfunktion (Möglicher) Kausalzusammenhang Gravierende medizinische Folgen (auch potentiell) Funktionsstörungen / Ausfälle Änderung der Merkmale / Leistung Defizite in Kennzeichnung / Gebrauchsinformation Tod oder schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustandes Korrektive Maßnahme (umfasst Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen) Rückruf (weit gefasste Definition analog EN 46001): Korrektive Maßnahme, mit der die Rücksendung, der Austausch, die Um- oder Nachrüstung, die Aussonderung oder Vernichtung eines Medizinprodukts veranlasst wird Maßnahmenempfehlung (des Verantwortlichen nach 5 MPG!) H.-G. Will 13
Vigilanzsystem: Meldepflichten und Meldewege Zuständige Behörden in anderen EWR-Staaten Zuständige Bundesoberbehörde (BfArM / PEI) (2) (1) (3) Arzneimittelkommissionen (5) Verantwortliche nach 5 MPG (ggf. Vertreiber) (4) Zwischenstufen der Vertriebskette (Professionelle) Betreiber und Anwender = Vorgeschriebene Meldungen / Mitteilungen = Eingangsbestätigungen (1) Vorkommnisse und Rückrufe in Deutschland, ggf. Vorkommnisse in Drittländern (2) Vorkommnisse und Rückrufe in anderen EWR-Staaten, ggf. Vorkommnisse in Drittländern (3) Vorkommnisse mit an Laienanwender abgegebenen Produkten (4) Sonstige mitgeteilte Vorkommnisse (5) Alle aufgetretenen bzw. im Rahmen der Behandlung bekannt gewordene Vorkommnisse H.-G. Will 14
Vigilanzsystem: Ablauf der behördlichen Risikobewertung Erfassung relevanter Informationen aus anderen Quellen Meldungen von Verantwortlichen nach 5 MPG oder - (beauftragten) Vertreibern Sonstige Meldungen (Betreiber, Anwender, Vertriebskette) Erfassung / Vorprüfung, admin. Bearbeitung, Information der LB u.a. Behörden (via DIMDI) NEIN Risikobewertung einschließlich Diskussion notwendiger Maßnahmen Notwendigkeit korrektiver Maßnahmen? JA Verantwortliche nach 5 MPG / Vertreiber (Stellungnahmen, Abschluss-, ggf. Zwischenbericht), ggf. weitere Beteiligungen (Betreiber / Anwender, Sachverständige, Benannte Stellen, andere Behörden etc.) Abschluss des Vorgangs, Mitteilung des Bewertungsergebnisses (wie vorgesehen) JA Ausreichende eigenverantwortliche Maßnahmen? NEIN Abschluss des Vorgangs, Mitteilung v. Bewertungsergebnis u. Maßnahmen (wie vorgesehen) Empfehlung der Anordnung von Maßnahmen an LB oder zuständige ausländ. Behörde H.-G. Will 15
Vigilanzsystem: Korrektive Maßnahmen Maßnahmenhierarchie (Reihenfolge nicht zwingend) 1. Stufe: Eigenverantwortliche Maßnahmen des Verantwortlichen nach 5 MPG (ggf. des Vertreibers in D), Überwachung durch die zuständige (Landes-) Behörde 2. Stufe: Behördliche Maßnahmen gegen den Verantwortlichen nach 5 MPG oder den Vertreiber in D und Überwachung des Vollzugs durch die anordnende Behörde 3. Stufe: Behördliche Maßnahmen gegen Betreiber und Anwender und Überwachung des Vollzugs durch die zuständige(n) Landesbehörde(n) H.-G. Will 16
Vigilanzsystem: Anforderungen an Maßnahmenempfehlungen Vorgeschriebene Mindestangaben (schriftlich und in deutscher Sprache) Kontaktperson (mit Hinweisen zur Erreichbarkeit) Eindeutige Bezeichnung der betroffenen Produkte und Produktchargen Beschreibung des Mangels / der Fehlfunktion und deren Ursache (soweit bekannt) Ausführliche Darstellung des Risikos (einschließlich der der Bewertung zugrunde liegenden Tatsachen und Überlegungen) Unmissverständliche Angabe der erforderlichen korrektiven Maßnahmen Zulässigkeit weiterer Angaben (soweit zweckdienlich) Unzulässige Aufmachungen und Ausführungen Verharmlosung des Risikos Aussagen werblichen Charakters H.-G. Will 17
Vigilanzsystem: Information über Risiken durch das BfArM / PEI Ausländische Behörden Internat. Organisationen DIMDI (Vigilanz-Datenbank) BMG (Fachaufsicht) Routine-/ Sondersitzungen BfArM / PEI BMU (Strahlenschutz) RKI (Desinfektionsmittel) MDS / DKG/... Landesbehörden BMVg ZLS / ZLG Fachöffentlichkeit (Ergebnisse der wiss. Aufarbeitung) = Aktive Unterrichtung Benannte Stellen = Unterrichtung durch Gewährung des Zugriffs auf Datenbank = Unterrichtung auf Anfrage oder nach Zweckmäßigkeit + BfArM- Information über korrektive Maßnahmen via Internet (siehe www.bfarm.de) H.-G. Will 18
Zuständige Behörden in Deutschland Politische Ebene Bundesbehörden Ministerien, insbesondere BMG Landesbehörden Oberste Landesbehörden BfArM PEI DIMDI RKI PTB BfS Vigilanzbehörden Datenbanken Metrologie Infektionsschutz Strahlenschutz Vollzugsebene Überwachungsbehörden der Länder (ZLS) ZLG Kunden Hersteller, Bevollmächtigte, Vertreiber, Händler (Professionelle) Betreiber und Anwender Benannte Stellen H.-G. Will 19
Zusammenfassung und Schlussbemerkungen Die Marktüberwachung ist ein wichtiges Element der New Approach Richtlinien und eine Verpflichtung aus europäischem Recht. Sie obliegt den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und muss in effektiver Weise organisiert und durchgeführt werden. Bei den Medizinprodukten gibt es besondere Erfordernisse und Formen der Überwachung (Überwachung klinischer Prüfungen und das Vigilanzsystem). Im nationalen Recht ist die Überwachung auf weitere Bereiche ausgedehnt worden (z. B. Betreiben und Anwenden und die Aufbereitung von Medizinprodukten). Problematisch stellt sich insbesondere die Strategie der allgemeinen Marktüberwachung im Spannungsfeld zwischen freiem Warenverkehr und Gesundheitsschutz dar; das MPG fordert eine Überprüfung der Verkehrsfähigkeit in angemessenem Umfang in Abhängigkeit vom Risiko der Produkte. Das Vigilanzsystem ist dagegen gut etabliert. Gleiches gilt für die Kontrolle der Benannten Stellen. Allgemein wird die Überwachung in Deutschland durch komplexe Zuständigkeitsverhältnisse erschwert. Auf europäischer Ebene bestehen Defizite insbesondere bezüglich der Handhabung des Schutzklauselverfahrens, der europäischen Datenbank EUDAMED sowie der Zusammenarbeit und der Abstimmung eines einheitlichen Vorgehens zwischen den Mitgliedstaaten. Die neue Richtlinie 2007/47/EG enthält auch eine Reihe von Regelungen, die zur Verbesserung der behördlichen Überwachung beitragen sollen. H.-G. Will 20