Frei von Medikamenten geht das?

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Frei von Medikamenten geht das? Dr. Annette Reißmann, Halle Die chronisch entzündlichen Darmkrankheiten Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind bis heute in ihrer Entstehung unklare, meist schubweise verlaufende Erkrankungen. Da die wirklich auslösenden Ursachen (noch) unbekannt sind, kann eine medikamentöse Heilung bisher nicht erfolgen. Durch den medizinischen Fortschritt haben Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung mittlerweile jedoch dieselbe Lebenserwartung wie die Allgemeinbevölkerung. Hauptziel der medikamentösen ist heute die Beseitigung oder zumindest Eindämmung der bestehenden Entzündung und die Verhinderung neuer Krankheitsschübe. Aber auch Komplikationen wie Fisteln bei Morbus Crohn, Haut- und Augenentzündungen oder Schmerzen bzw. Osteoporose (krankheits- oder therapiebedingt) sind Angriffspunkte der medikamentösen Therapie. Letztlich wird durch die erfolgreiche medikamentöse die Lebensqualität der Patienten gesteigert und wer möchte nicht mit einer CED ein weitgehend normales Leben führen? Medikamente Medikamente sind definitionsgemäß pflanzliche, tierische oder synthetische Stoffe, welche in der Lage sind, Funktionen oder Zustände des menschlichen Körpers zu beeinflussen. Sie dienen weiterhin als Ersatz für einen Mangel an normalerweise im Körper erzeugten oder aus dem Darm aufgenommenen Wirkstoffen (z.b. Vitamine). Des weiteren sind sie bei der Vernichtung von Krankheits erregern oder der Beseitigung von körperfremden Stoffen hilfreich. Die zu Beginn überwiegend pflanzliche oder tierische Herkunft der Medikamente hat sich zugunsten synthetisch erzeugter Stoffe verändert. Damit eröffneten sich der Medizin zahlreiche Möglichkeiten und vorher unheilbare Erkrankungen wurden nun therapierbar. 20 Therapieziele

Einen Durchbruch in der Akuttherapie der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen stellt der Einsatz von Cortison dar. Im Jahr 1955 setzte Professor Sidney Truelove dieses Medikament erstmals im akuten Schub einer Colitis ulcerosa ein und bewies seine Wirksamkeit in einer der ersten randomisierten, kontrollierten Therapiestudien, die in der Medizin überhaupt durchgeführt wurden. Bis heute ist Cortison ein unverzichtbares Medikament zur der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Ein weiteres bedeutsames Therapeutikum ist die 5-Aminosalizylsäure. Dabei handelt es sich ursprünglich um eine Kombination aus Acetylsalizylsäure und einem Sulfonamid. 1942 erschien ein erster Bericht der schwedischen Entdeckerin Nana Svartz über die erfolgreiche der Colitis ulcerosa mit diesem Medikament. Immunsuppressiva wie Azathioprin, 6-Mercaptopurin und Methotrexat vervollständigen die medikamentösen Möglichkeiten. In den letzten Jahren wurden schließlich gegen einzelne Entzündungsstoffe gerichtete Antikörper entwickelt (z.b. Infliximab). Aber auch Antibiotika und Probiotika (gesunde Keime) bereichern die Therapie. Ziele der medikamentösen Alle Anstrengungen der medikamentösen Therapie sind auf die Beseitigung von Symptomen und Beschwerden und damit auf die Steigerung der Lebensqualität des Patienten gerichtet. Weder ein auffälliger Laborbefund, noch eine symptomlose endoskopische Entzündung oder ein Röntgenbild allein sollten Anlass einer therapeutischen Entscheidung sein. Die wichtigste Frage ist: Welche Symptome stören den Patienten und was erwartet der Patient von der medikamentösen? Daher ist die Lebensqualität der Maßstab für den Erfolg oder Misserfolg einer Therapie. Um für CED-Patienten die geeignetste auszuwählen, gibt es Leitlinien. Sie helfen dem Arzt, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, die für seinen Patienten optimale Therapie festzulegen. In kurzen Abständen (etwa alle drei Jahre) werden die neuen Forschungsergebnisse in so genannten Konsensuskonferenzen gesichtet, diskutiert und gegebenenfalls die bisherigen Empfehlungen geändert oder um neue Aspekte ergänzt. So kann sich der behandelnde Arzt jederzeit über die aktuellen sstrategien informieren. Therapieziele der medikamentösen im akuten Schub Wer sich aufgrund eines akuten Schubes einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung in ärztliche begibt, erwartet eine möglichst rasche Besserung der Krankheitssymptome. Vor Beginn der müssen das Ausmaß und der Schweregrad der Entzündung bekannt sein. Bei einem geringen Prozentsatz der Patienten (v.a. bei geringer Entzündungsaktivität) klingt der Krankheitsschub auch ohne Gabe von Medikamenten ab. Ob eine abwartende Haltung möglich ist, muss im Einzelfall unter Berücksichtigung des Patientenwunsches entschieden werden. Wirksame Medikamente zur Schubbehandlung stellen die Aminosalizylate dar (insbesondere für die Patienten mit Colitis ulcerosa oder Patienten mit Morbus Crohn mit überwiegendem Kolonbefall und bis mäßiggradiger Krankheitsaktivität). Bei höhergradiger Entzündungsaktivität sind Kortikosteroide ( Kortison ) nicht zu umgehen. Je nach Befallsmuster können diese Medikamente als Tabletten, Granulat, Einläufe, Zäpfchen oder Schaum verordnet werden. Therapieziele 21

Allgemeine Therapieziele der medikamentösen 1. Heilung (Beseitigung der Krankheitsursache) 2. Überleben (Lebenserwartung an Normalbevölkerung angleichen) 3. Lebensqualität (Krankheitserscheinungen und Krankheitsfolgen beseitigen, Rückfälle verhindern) 4. Linderung (Krankheitserscheinungen und Krankheitsfolgen abschwächen) Weitere medikamentöse Alternativen stehen im Einzelfall zur Verfügung (Immunsuppressiva, Antikörper, Antibiotika). Therapieziele zur des chronisch aktiven Verlaufes bei CED Von einem chronisch aktiven Verlauf spricht man bei einem Weiterbestehen (Persistenz) der Krankheitssymptome trotz Standardtherapie über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten. Bei chronisch aktivem Verlauf sind Azathioprin oder sein aktiver Metabolit 6-Mercaptopurin zur Therapie der Colitis ulcerosa und bei Morbus Crohn wirksam. Bei guter Wirksamkeit empfiehlt sich für die Colitis ulcerosa eine Therapiedauer von mindestens drei Jahren und für den Morbus Crohn von mindestens vier bis fünf Jahren. Im Anschluss daran können in Absprache mit dem Patienten Auslassversuche unternommen werden. Nach Absetzen der Immunsuppression kann ein Rückfall auftreten, so dass gegebenenfalls eine Wiederaufnahme der sinnvoll ist. Therapieziele der medikamentösen zum Remissionserhalt bei CED Der Eintritt der Remission (Ruhephase der Erkrankung) wird durch das Verschwinden der Krankheitssymptome definiert. Bei Colitis ulcerosa sollte nach einem Schub unbedingt eine remissionserhaltende Therapie begonnen werden. Dabei sind Aminosalizylate Mittel der ersten Wahl. Bleibt die medikamentöse nach dem akuten Schub aus, ist der nächste Krankheitsschub meist vorprogrammiert. Die remissionserhaltende Therapie sollte über eine Zeitspanne von mindestens zwei Jahren durchgeführt werden. Eine Alternative, vor allem für Patienten, die 5-ASA- Präparate nicht vertragen, stellt der apathogene E. coli Stamm Nissle 1917 dar. Für Patienten mit Morbus Crohn gibt es derzeit keine Empfehlung, generell eine remissionserhaltende Therapie mit 5-ASA-Präparaten durchzuführen. Die Indikation zur remissionserhaltenden Therapie wird individuell getroffen und hängt vom bisherigen Verlauf der Erkrankung ab. Azathioprin/6-Mercaptopurin sind in der Remissionserhaltung am besten wirksam. Bei Patienten mit chronisch aktivem Krankheitsverlauf, die auf die Initialtherapie mit dem Immunsuppressivum ansprachen, ist die langfristige Gabe unabdingbar. 22 Therapieziele

Risiken der medikamentösen Therapie In den bisherigen Ausführungen wird vorwiegend über die Notwendigkeit und die Möglichkeiten der medikamentösen gesprochen. Aber was ist mit den Nebenwirkungen? Oft verunsichern die Beipackzettel der Medikamente den Patienten. Für die Schilderung der Anwendungsgebiete reichen wenige Zeilen, aber die Aufzählung möglicher Nebenwirkungen umfasst nicht selten mehrere Seiten. Wie soll man vor diesem Hintergrund als Patient mit gutem Gefühl die verordneten Medikamente einnehmen? Hier kann nur ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt helfen, den Sinn der Verordnung zu verstehen und zu begreifen, dass der eventuelle Schaden einer nicht unterdrückten Darmentzündung viel schwerer wiegt als die möglichen und zum Teil sehr seltenen Nebenwirkungen der Medikamente. Ziel der medikamentösen Aus meinem Alltag in einer universitären Ambulanz für Patienten mit chronisch entzündlichen Darmkrankheiten erinnere ich mich an Krankheitsverläufe, die ganz wesentlich durch die Einnahme oder Nichteinnahme von Medikamenten bestimmt waren. So stellte sich im April eine 23-jährige Patientin mit Morbus Crohn in unserer CED- Ambulanz vor. Sie wurde von der Mutter im Rollstuhl gefahren. Sie besuchte das Gymnasium, als sie mit 14 Jahren erstmals erkrankte. Ein schwerer Dickdarmbefall und ausgeprägte Fistelungen um den Schließmuskel, eine Abwehrschwäche und Fieber brachten diese Patientin im Sommer 2003 als Notfall auf eine Intensivstation. Im Unterbauch waren große Teile des Dünn- und Dickdarmes durch die Entzündung miteinander verbacken (so genannter Konglomerattumor). Es musste ein Ileostoma (künstlicher Darmausgang) angelegt werden, dessen Rückverlagerung aller Voraussicht nach unmöglich ist, da die Fisteln den Schließmuskel völlig zerstört haben. Ziel der medikamentösen Viel Wirkung Geringe Nebenwirkungen MEDIKAMENTE Therapieziele 23

Die Patientin hatte in den vorausgegangenen vier Jahren keine Untersuchung zugelassen und nahm nur sehr unregelmäßig Medikamente ein. Das Wissen über die Krankheit und die Therapiemöglichkeiten war minimal. Wir haben nach diagnostischen Untersuchungen eine wirksame antientzündliche und immunsuppressive Therapie begonnen. Momentan denken wir in kleinen Schritten und hoffen, dass die junge Frau nach muskulärer Kräftigung wieder laufen lernt. Die Patientin und die Familie haben gelernt, dass die Chance auf Besserung nur besteht, wenn die konsequent durchgeführt wird. Der Traum einer Berufsausbildung und eines eigenständigen Lebens wartet auf die Verwirklichung! Eine weitere Krankengeschichte betrifft eine inzwischen 29-jährige Patientin. Sie litt an einem ausgedehnten Morbus Crohn des Dünndarms mit Blutarmut (Anämie), Durchfällen und täglichen Bauchkrämpfen durch Kurzschlussverbindungen zwischen den Dünndarmschlingen (so genannte interenterische Fisteln). Der Befund bei der Erstvorstellung in unserer Ambulanz war so ausgeprägt, dass eine Operation nahezu die gesamte Entfernung des Dünndarmes erfordert hätte. Arbeitsfähig war die Patientin schon lange nicht mehr. Drei Jahre später wies die Patientin völlig normale Laborwerte auf, war normgewichtig, arbeitsfähig, lebte in einer festen Partnerschaft und plante die Gründung einer Familie. Von dem einst ausgedehnten Dünndarmbefall mit Fisteln waren röntgenologisch lediglich narbige Veränderungen ohne Fistel zu sehen. Möglich wurde dieser Befundrückgang durch eine langfristige immunsuppressive mit Azathioprin. Fazit Zusammenfassend kann es für Patienten mit CED auch Zeiten ohne Medikamente geben. Letztlich müssen Patient und Arzt gemeinsam entscheiden, ob und in welchem Umfang eine medikamentöse Therapie erforderlich ist. Manchmal müssen Auslassversuche gewagt werden, um zu ermitteln, ob das einzunehmende Medikament tatsächlich (noch) gebraucht wird. Andererseits sollte sich der Patient auch auf eine vorgeschlagene einlassen, um dadurch in eine Ruhephase der Krankheit zu gelangen, damit ein großes Stück Lebensqualität zu gewinnen und sie gegebenenfalls durch eine mit dem behandelnden Arzt abgesprochene längerfristige Erhaltungstherapie auch zu behalten. Dr. Annette Reißmann ist seit 1995 Assistenzärztin an der Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin I der Martin-Luther-Universität in Halle/Saale und betreut die Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. E-Mail: annette.reissmann@medizin.uni-halle.de 24 Therapieziele