Taschenbuch Qualitätsmanagement Der praxisorientierte Leitfaden für Ingenieure und Techniker von Franz J. Brunner, Karl Werner Wagner 3. Auflage Hanser München 2004 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 446 22830 6 Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG
Taschenbuch Qualitätsmanagement Franz J. Brunner, Karl Werner Wagner Der praxisorientierte Leitfaden für Ingenieure und Techniker ISBN 3-446-22830-6 Leseprobe Weitere Informationen oder Bestellungen unter http://www.hanser.de/3-446-22830-6 sowie im Buchhandel
6.6 Prozessmanagement 65 6.6 Prozessmanagement 6.6.1 Funktionsorientierte Sichtweise des Unternehmens Auf die Frage Können Sie mir ein Bild von ihrem Unternehmen geben? wird von der Geschäftsleitung eines Unternehmens vielfach die Aufbauorganisation in Form eines Organigramms präsentiert. Kaufm. Direktor 2 Sekretariat Kapitalbeziehungen 3 Mitarbeiter Strateg. Planung 1 Ass. d. D. 2 Mitarbeiter Finanzierung Controlling Human Ressource (1) Informatik (1) Marketing Verkauf Einkauf Transport 2 Mitarbeiter FIBU Arbeit+Löhne 6 Mitarbeiter Inland 3 Mitarbeiter 2 Mitarbeiter 5 Mitarbeiter 4 Mitarbeiter Ausland 19 Mitarbeiter Lagerwirtschaft 18 Schleppe 2 MA Betr. BH Lohnbuchh. 2 techn. Dienstleist. Export 4 Mitarbeiter 12 Be- u. Entladen 2 MA Controlling Inlandsmarketing 4 Mitarbeiter 5 Autotransport Personalabteilung 5 Mitarbeiter Werbung Organis.+Training Küche 10 Mitarbeiter Bild 6-8: Organigramm Die Ausbeute an Informationen, die sich aus einem Organigramm extrahieren lässt, hat, ohne jede Frage, ihre Berechtigung, aber bietet doch nur sehr wenig Aussagekraft über die Funktionsweise des Unternehmens. Erstens fehlt der Kunde in diesem Bild. Zweitens sind weder Produkte noch Dienstleistungen ersichtlich und drittens gibt das Organigramm keine Vorstellung darüber, wie der Arbeitsfluss vor sich geht, aufgrund dessen die Produkte und Dienstleistungen zustande kommen. Durch ein Organigramm verschafft man sich zwar ein gutes Bild darüber, wie effizient sich die Entscheidungsstrukturen darstellen und schließt damit wiederum auf die Entscheidungsgeschwindigkeiten und die Flexibilität des Unternehmens. Weiteres erfährt man aus dem Organigramm, welche Abteilungen im Unternehmen existieren. Aber das beantwortet die Frage zur Funktionsweise des Unternehmens wohl nur rudimentär. Denn man hat nur Informationen über das WAS gewonnen, nicht aber über das WIE. Die Organisation eines Unternehmens stellt nur einen, wenn auch wichtigen, Bauteil des Gesamtkomplexes Unternehmen dar. Die Organisationsstruktur gibt keine Auskunft darüber, mit welchen Abläufen, Tätigkeiten und Aufgaben, das Unternehmen seine Leistung erbringt. Sie sagt nichts darüber aus, welche Prozesse
66 6 Einführung eines QM-Systems die Leistungserbringung steuern und ebenso wenig, welche Prozesse dazu beitragen, die Leistungserbringung zu unterstützen und zu verbessern. Und vor allem stellt ein Organigramm keinen Bezug zu den Kunden sowie zu den Lieferanten her. In diesem Zusammenhang ist es fraglich, ob der Geschäftsführer selbst über sein Unternehmen richtig informiert ist. Um Entscheidungen richtig zu treffen, reicht es nicht aus, zu wissen, welche Abteilungen es gibt und wie diese hierarchisch verbunden sind, sondern es ist wichtig zu wissen, wie die einzelnen Abteilungen bei der Aneinanderreihung ihrer Leistungen ineinander greifen und damit zur Endleistung beitragen. Das Problem erstreckt sich natürlich auf alle hierarchischen Ebenen: Ist auch jedem Mitarbeiter der Abteilungen klar, wie er als Individuum an der Leistungserstellung beteiligt ist? Oder enden die Erkenntnisse der Zusammenhänge der einzelnen Tätigkeiten an der Abteilungsgrenze. Ist jedem Mitarbeiter klar, was die im Ablauf folgende Abteilung wirklich wünscht? Und sind die Schnittstellen der Tätigkeiten, Abläufe, Aufgaben, also kurz Prozesse, soweit definiert und festgelegt, dass die Übergänge keine Quelle der Fehlerentstehung mehr sind. 6.6.2 Prozessorientierte Sichtweise eines Unternehmens Ausgehend von den an die Kunden gelieferten Produkten und für die Kunden erbrachten Leistungen stellt sich die Frage, welche Aktivitäten sind innerhalb des Unternehmens hierfür erforderlich. Diese Frage führt uns zu den Prozessen eines Unternehmens. Zu den Prozessen, die als Abfolge von Tätigkeiten zu verstehen sind und zu konkreten Ergebnissen (Output) führen. Ganz allgemein ist ein Prozess eine Tätigkeit, die einen zeitlichen Beginn und ein Ende hat. Ein Prozess ist aber nicht nur zeitlich abgegrenzt, sondern auch inhaltlich. Um die sogenannten Schnittstellen zu definieren ist für jeden Prozess festzuhalten, welches Gut in welcher Form vom vorhergehenden Prozess übergeben wird, wie dieses Gut weiterverarbeitet wird, und in welcher Form das weiterverarbeitete Gut an den anschließenden Prozess weitergegeben wird. Das hier betrachtete Gut muss aber nicht unbedingt materieller Konsistenz (Produkte, Werkstoffe, Halbfertigprodukte, etc.) sein, es kann sich ohne weiteres auch um Informationen, Dienstleistungen o.ä. handeln. Anhand des nachfolgenden Prozessmodells kann die Bedeutung dieser Sichtweise beispielsweise anhand eines Servicehotline-Prozesses gezeigt werden. 6.6.3 Grundlagen der Prozessorientierung Unter Prozessorientierung wird die Grundhaltung verstanden, bei der das gesamte betriebliche Handeln als Kombination von Prozesse bzw. Prozessketten betrachtet wird. Ziel ist die Steigerung von Qualität und Produktivität im Unternehmen durch eine ständige Verbesserung der Prozesse. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Ausrichtung auf die Wünsche und Anforderungen der Kunden sowie die Einbeziehung aller Mitarbeiter auf allen Hierarchieebenen.
6.6 Prozessmanagement 67 Geschäftsführung Controlling QM Sekretari at ED V Verkauf Leistungserstellung Einkauf Logistik Bild 6-9: Weg eines Auftrags Instanzenzug des Kunden Durch die Prozessorientierung kommt man weg vom Denken in Silos, dem Arbeiten innerhalb der Kompetenzbereiche, die über Jahre aufgebaut wurden und deren oberste Maxime die eigene Budget-Erreichung ist. Auch wenn das auf Kosten anderer Unternehmensbereiche geht. Erfahrungen und Studien beweisen, dass von der Gesamtdurchlaufzeit eines Auftrages zwischen 75% bis 80% auf nicht wertschöpfende Tätigkeiten entfallen. Viele der Zeitverluste sind an den Schnittstellen, den Mauern zwischen den einzelnen Abteilungen/Bereichen festzustellen. Bild 6-10: Prinzipdarstellung: Funktionsorientierung versus Prozessorientierung Ein Prozess ist grundsätzlich als eine Folge von wiederholt ablaufenden Aktivitäten mit messbarer Eingabe (Input), messbarer Wertschöpfung und messbarer Ausgabe (Output) zu verstehen. Gekennzeichnet wird ein Prozess durch das ge-
68 6 Einführung eines QM-Systems ordnete Zusammenwirken von Menschen, Maschinen, Materialien und Methoden entlang der Wertschöpfungskette zur Erreichung eines Ziels (z.b. vollständige Erfassung des Kundenwunsches, sichere Montage eines Bauteils, verlustlose Sicherung von Daten, erfolgreiche Operation, gelungene Sortimentsgestaltung, etc.). Prozess-Team Evaluierung Ziele Vergleich mit Meßwerten Vorgaben Messung Input Prozess Output Bild 6-11: Prozessmodell Entscheidend ist dabei die Abkehr von der Trennung der Tätigkeiten und Abläufe im Sinne strenger Arbeitsteilung. Prozessorientierung bedeutet auch, dass nicht die Ergebnisse, sondern die Prozesse im Vordergrund stehen. Die Qualität der Ergebnisse wird als natürliche Folge der Prozessqualität angesehen. Diese Tatsache wurde von W.E. Deming beispielhaft formuliert: Ausschließliche Ergebnisorientierung im Management käme einem Autofahrer gleich, der sein Fahrzeug zu lenken versucht, indem er nur den Blick in den Rückspiegel richtet. 6.7 Dokumentation des QM-Systems Dieses Kapitel beschreibt die Vorgehensweise zur Erstellung der Dokumentation des Qualitätsmanagement-Systems, bestehend aus dem QM-Handbuch (QM-HB), den QM-Prozessbeschreibungen sowie den Arbeits-, Prüfanweisungen, Checklisten und Formularen.