Syntax III WS 2009 22.10.2009 Kapitel 2: Minimalistische Zweifel Methodologische und substantielle Ökonomie führen zu erneutem Überlegen der theoretischen Grundannahmen in G&B. PF und LF sind mit Form und Bedeutung verbunden und sind daher unbedenklich (und unumgänglich). D-Struktur und S-Struktur sind dies nicht. S-Struktur Die Begründung für S-Struktur ist empirisch, nicht konzeptuell. Was würden wir verlieren, wenn wir S-Struktur abschaffen würden? Kasustheorie Kasus- und Bindungstheorie. γ-markierung. Die Unterscheidung zwischen overter und koverter Syntax. (Sehr wichtig, da in G&B viel Sprachvariation auf diese Weise beschrieben wird.) Andere Phänomene, wie z.b. Lizensierung von parasitären Lücken. G&B: Jede NP muss Kasus zugewiesen bekommen. Kasus muss in der overten Syntax zugewiesen werden, denn er ist für LF und PF relevant. Kasus kann nicht auf D-Struktur zugewiesen werden, wie Passiv und Raising zeigen. Kasus kann nicht auf LF zugewiesen werden, denn dann wäre er auf PF nicht sichtbar. 1
Kasus kann nicht auf PF zugewiesen werden wegen der Visibility Condition: eine DP ist auf LF nur dann sichtbar, wenn sie Kasus hat: (1) a. I met the man [OP i that Mary believed t i to be a genius.] b. *I met the man [OP i that it was believed t i to be a genius.] Dieser Schluss folgt aber nur dann, wenn angenommen wird, dass Kasus zugewiesen wird. Wenn wir annehmen, dass Kasus überprüft wird, können wir sagen, dass Kasusüberprüfung auf LF stattfindet. Bindungstheorie (2) a. *He i greeted Mary after John i walked in. b. After John i walked in, he i greeted Mary. Wenn Prinzip C der Bindungstheorie auf S-Struktur oder LF gilt, wird der Kontrast in (2) erklärt. (3) Which picture that Harry i bought did he i like? (4) *He i liked this picture that Harry i bought. (5) a. *Which man said he i liked which picture that Harry i bought? b. S-Struktur: *which man said he i liked which picture that Harry i bought? c. LF: [which picture that Harry bought]+[which man] said he i liked? Nur wenn Bindungtheorie auf S-Struktur appliziert, wird die richtige Vorhersage gemacht. Wir können aber annehmen, dass koverte wh-bewegung nur das w-wort bewegt, nicht die ganze Phrase: (6) which+[which man] said he i liked picture that Harry i bought. Diese Annahme wird auf verschiedene Weisen gestützt: Ökonomie. 2
Partielle w-bewegung im Französischen und Deutschen. Englische Beispiele wie (7): (7) a. Which portrait that Harry i likes did he i buy? b. *Which portrait did he i buy that Harry i liked? Cross-linguistische Variation wh-in situ vs. wh-bewegung. Alle Sprachen sind auf LF gleich; Manche Operationen können je nach Sprache vor oder nach Spell-out stattfinden, je nachdem, ob die betreffende Morphologie stark oder schwach ist. Eine Alternative bietet Procrastinate (ein Ökonomieprinzip): Angenommen, Bewegung wird ausgelöst durch Merkmalsüberprüfung. Angenommen, starke Merkmale sind uninterpretierbar auf PF. Starke Merkmale müssen also vor Spell-out überprüft werden. Die Überprüfung von schwachen Merkmalen kann bis nach Spell-out verschoben werden. Bemerke: Spell-out ist nicht eine verkappte Form von S-Struktur. D-Struktur Thetatheorie und X -Struktur applizieren auf D-Struktur. Außerdem ist D-Struktur die Ebene der syntaktischen Rekursion und die Ebene, auf der jede Derivation anfängt. Rekursion D-Struktur ist nicht notwendig, um Rekursion zu beschreiben. Merge: Merge baut Strukturen, indem es zwei Elemente verbindet. Das neu entstandene, komplexe Element kann wiederum mit einem weiteren Element verbunden werden. 3
Control vs. Raising (8) a. Mary hoped to kiss John b. Mary seemed to kiss John Control und Raising sind oberflächlich ähnlich, haben aber unterschiedliche Eigenschaften: Ein Raisingsubjekt bekommt keine semantische Rolle vom Matrixverb. Das Subjekt eines Raisingverbs kann ein Expletivum sein. Raising ist transparent für Idiome. Raising ist transparent für Passivierung. Diese Unterschiede lassen sich einfach erklären, wenn wir unterschiedliche D- Strukturen annehmen: (9) a. Mary hoped [PRO to kiss John] b. e seemed [Mary to kiss John] Zwei Annahmen ermöglichen es uns, diese Daten ohne D-Struktur zu erklären: Das Thetakriterium appliziert auf LF. Theta Role Assignment Principle: Thetarollen können nur über Merge zugewiesen werden. Tough-Movement Tough-Movement stellt ein großes Problem dar für D-Struktur. (10) Moby Dick is hard for Bill to read. Einerseits ist Moby Dick das Matrixsubjekt (vgl. These books are/*is hard for Bill to read). Andererseits ist Moby Dick thematisch ein Argument von read (vgl. It is hard for Bill to read Moby Dick). A-Bewegung kann nicht stattgefunden haben, denn dafür ist die Entfernung zu groß (die A-Spur wird nicht lokal gebunden) und es liegt kein Auslöser vor (die Objektsposition von read ist einen Kasusposition). 4
Chomsky schlägt die Analyse in (11) vor: (11) Moby Dick is [hard [OP i [for Bill to read t i ]]] Die Operatorbewegung in (11) erzeugt ein komplexes Prädikat (vgl. Relativsätze). Die Matrixsubjektsposition wird dadurch eine Thetaposition. Die Matrixsubjektsposition wird erst eine Thetaposition nach der Operatorbewegung. Zwei grundlegende Annahmen über D-Struktur: Alle Thetapositionen sind auf D-Struktur gefüllt. D-Struktur ist die Repräsentation vor jeder Bewegung. Diese beiden Annahmen sind unverträglich mit Chomskys Analyse von Tough- Movement. Extension Condition In der neuen Analyse ohne D-Struktur können Merge und Bewegung mit einander verflochten auftreten. In G&B galt, dass Merge vor Bewegung stattfindet: Erst wird D-Struktur aufgebaut, dann werden durch Bewegung S-Struktur und LF abgeleitet. Bewegung muss dabei sukzessiv-zyklisch ablaufen. In einem Modell ohne D-Struktur und S-Struktur, in dem Bewegung und Merge verflochten sind, muss die Extension Condition angenommen werden: (12) Extension Condition: Overte Applizierung von Merge und Move muss immer die Wurzel der Baumstruktur als Ziel nehmen. Die Numeration D-Struktur ist auch der Anfang jeder Derivation: Sie entscheidet, welche lexikalische Elemente überhaupt in der Derivation vorkommen. Auf diese Weise ist automatisch klar, wann eine Derivation beendet ist und wird vermieden, dass während der Derivation (z.b. in der koverten Syntax) noch lexikalische Elemente hinzugefügt werden. 5
Als Startpunkt für eine Derivation ist D-Struktur aber überqualifiziert. Wir bräuchten nur eine Liste von lexikalischen Elementen, keine Ebene der Repräsentation. Eine solche Liste wird Numeration genannt: Eine Liste von Paaren (LI, i). Das Bild bis jetzt Minimalistisches T-Modell: Numeration. Merge & Move bis Spell-out. Spell-out: Verzweigung nach LF und PF. Merge & Move bis LF. PF-Derivation nach eigenen (phonologischen) Prinzipien. Die Numeration muss erschöpft sein. Wenn auf PF starke Merkmale übrig sind, crasht die Derivation. Zwei Derivationen können nur dann aufgrund ihres derivationellen Aufwands verglichen werden, wenn sie beide konvergieren und mit derselben Numeration anfangen. Zwei Konditionen beschränken die minimalistische Theorie: (13) a. Inclusiveness Condition Ein LF-Objekt darf nur aus den Merkmalen der Elemente in der Numeration aufgebaut sein. b. Uniformity Condition Die Operationen in der overten Syntax sind die gleichen, als die in der koverten Syntax. 6