Formale Semantik. Anke Assmann Heim & Kratzer 1998, Kap. 3. Universität Leipzig, Institut für Linguistik
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1 1 / 30 Formale Semantik Heim & Kratzer 1998, Kap. 3 Anke Assmann anke.assmann@uni-leipzig.de Universität Leipzig, Institut für Linguistik
2 2 / 30 Vorbemerkung Bisher gab es für jede syntaktische Konfiguration eine bestimmte Regel. Braucht man das, oder kann man das verallgemeinern? Ziel Nur die Denotationen lexikalischer Elemente müssen spezifiert werden. Die Kompositionsregeln sind nicht konstruktionsspezifisch.
3 3 / 30 Inhalt 1 Typengesteuerte Interpretation 2 Das bisschen Syntax macht sich von allein... 3 Wohlgeformtheit vs. Interpretabilität 4 Das Θ-Kriterium 5 Argumentstruktur und Linking
4 4 / 30 Inhalt 1 Typengesteuerte Interpretation 2 Das bisschen Syntax macht sich von allein... 3 Wohlgeformtheit vs. Interpretabilität 4 Das Θ-Kriterium 5 Argumentstruktur und Linking
5 5 / 30 3 allg. Prinzipien statt vieler spezifischer Regeln (1) Terminale Knoten (TK) (vgl. (10)) Wenn α ein terminaler Knoten ist, dann ist α im Lexikon spezifiziert. (2) Nicht-verzweigende Knoten (NK) (vgl. (11)) Wenn α ein nicht-verzweigender Knoten ist und β sein Tochterknoten ist, dann α = β. (3) Funktionale Applikation (FA) (vgl. (12)) Wenn α ein verzweigender Knoten ist, {β, γ} die Menge von α s Tochterknoten ist und β eine Funktion, deren Definitionsbereich γ ist, dann α = β ( γ ).
6 6 / 30 Typengesteuerte Interpretation Prinzip der typengesteuerten Interpretation (cf. Klein and Sag 1985) Der semantische Typ der Tochterknoten steuert die Berechnung der Bedeutung des Mutterknotens. Beispiel: (4) Zu beweisende Behauptung: Ann smokes or Ann loves Jan. = 1 gdw Ann raucht oder Ann liebt Jan.
7 7 / 30 Inhalt 1 Typengesteuerte Interpretation 2 Das bisschen Syntax macht sich von allein... 3 Wohlgeformtheit vs. Interpretabilität 4 Das Θ-Kriterium 5 Argumentstruktur und Linking
8 8 / 30 Input für die semantische Interpretation Input für die Semantik ist die Logische Form (LF), die durch transformationelle Derivationen gebildet wird (Chomsky 1981 et seq.). Strukturen auf der Logischen Form werden als Phrasenstrukturbäume dargestellt. Darin gibt es terminale Knoten, (nicht-terminale) nicht-verzweigende und verzweigende Knoten. Wichtig: Für die (hier entwickelte) Semantik spielen lineare Präzedenz und Labels von nicht-terminalen Knoten keine Rolle.
9 9 / 30 Labels Im folgenden werden Labels nur benutzt, um über Strukturen besser reden zu können: (5) XP α X X β γ wobei X {V, N, A, P, D, I, C} Bemerkung: Manchmal ersetzt das Label S das Label IP.
10 10 / that Ann went to a nice school (6) Phrasenstruktur?
11 11 / 30 Inhalt 1 Typengesteuerte Interpretation 2 Das bisschen Syntax macht sich von allein... 3 Wohlgeformtheit vs. Interpretabilität 4 Das Θ-Kriterium 5 Argumentstruktur und Linking
12 12 / 30 Ungrammatikalität Generell kann es viele Gründe für Ungrammatikalität geben. Es ist potentiell möglich, dass ein Satz zwar semantisch interpretiert werden kann, syntaktisch aber nicht wohlgeformt ist. (7) *[Ann [went [to [a [school nice]]]]]. Es ist auch möglich, dass ein Satz syntaktisch wohlgeformt ist, aber semantisch nicht interpretiert werden kann. (8) a. *[Ann [laughed Jan]]. b. *[It is not the case that [greeted Ann]].
13 13 / 30 Uninterpretierbarkeit Strukturen, die keine Denotation haben, sind uninterpretierbar (sind nicht im Definitionsbereich von ). Uninterpretierbarkeit kann zu Ungrammatikalität führen. (9) Prinzip der Interpretierbarkeit Alle Knoten in einem Phrasenstrukturbaum müssen im Definitionsbereich der Interpretationsfunktion sein.
14 Revidierte Prinzipien (10) Terminale Knoten (TK) (vgl. (1)) Wenn α ein terminaler Knoten ist, dann ist α im Definitionsbereich von, wenn α im Lexikon spezifiziert ist. (11) Nicht-verzweigende Knoten (NK) (vgl. (2)) Wenn α ein nicht-verzweigender Knoten ist und β sein Tochterknoten ist, dann ist α im Definitionsbereich von, wenn β im Definitionsbereich von ist. Dann ist α = β. (12) Funktionale Applikation (FA) (vgl. (3)) Wenn α ein verzweigender Knoten ist, {β, γ} die Menge von α s Tochterknoten ist, dann ist α im Definitionsbereich von, wenn sowohl β als auch γ im Definitionsbereich von sind und β eine Funktion ist, deren Definitionsbereich γ ist. Dann ist α = β ( γ ). 14 / 30
15 15 / 30 Inhalt 1 Typengesteuerte Interpretation 2 Das bisschen Syntax macht sich von allein... 3 Wohlgeformtheit vs. Interpretabilität 4 Das Θ-Kriterium 5 Argumentstruktur und Linking
16 16 / 30 Alternativen um (8-a) und (8-b) auszuschließen? (13) Θ-Kriterium (Chomsky 1981) Jedes Argument trägt genau eine Θ-Rolle und jede Θ-Rolle wird an genau ein Argument vergeben. Was sind Θ-Rollen? Wofür steht Θ? Was sind spezifische Θ-Rollen? Was sind generelle Θ-Rollen? Wichtig: Für (13) sind nur spezifische Θ-Rollen relevant. Wie kann (13) (8-a) und (8-b) ausschließen?
17 17 / 30 Leisten (13) und (9) dasselbe? (14) This e is a barn <e,t>. Argument Θ-Rolle (15) the <<e,t>,e> barn <e,t> Θ-Rolle (16) S NP VP Ann VP sings and VP dances (17) and = λf D <e,t>.[λg D <e,t>.[λx D e.f(x) = g(x) = 1]]
18 18 / 30 Inhalt 1 Typengesteuerte Interpretation 2 Das bisschen Syntax macht sich von allein... 3 Wohlgeformtheit vs. Interpretabilität 4 Das Θ-Kriterium 5 Argumentstruktur und Linking
19 19 / 30 Argumentstrukturen In einigen syntaktischen Frameworks wird angenommen, dass der Lexikoneintrag von Verben auch eine Argumentstruktur enthält. Die Argumentstruktur gibt an, wieviele Argumente ein Verb hat und wie die Argumente des Verbs mit Positionen im Baum verbunden sind. (18) Beispiel introduce (agent(goal(theme))) Bemerkung: agent, goal, theme sind nur Labels; sie haben keinen theoretischen Status
20 20 / 30 Braucht man Argumentstrukturen? Wie viel Information steckt in der hier entwickelten Denotation von Verben? (19) λx D e.[λy D e.[λz D e.z stellt x y vor ]] (20) introduce (agent(goal(theme))) Beide Repräsentationen beinhalten wie viele Argumente das Verb nimmt in welcher hierarchischen Ordnung sie stehen mit welchen Positionen im Baum die Argumente assoziiert sind
21 21 / 30 Gleiche Struktur aber unterschiedliche Bedeutung? (21) S (23) S NP VP act NP VP pass N V NP N V NP Ann loves N Ann loves N Jan (22) (21) = 1 gdw Ann liebt Jan. Jan (24) (23) = 1 gdw Jan liebt Ann.
22 22 / 30 Interpretationsregeln (25)Wenn α die Form VP act hat, dann α = β ( γ ). β γ (26)Wenn α die Form VP pass β γ hat, dann α = λx D e. β (x)( γ ).
23 23 / 30 Anwendung: VP act (27) VP act = [λy D e.[λz D e.z liebt y]](jan) =??? (28) (21) = VP act (Ann) = 1 gdw Ann liebt Jan. (21) =??? = 1 gdw Ann liebt Jan.
24 24 / 30 Anwendung: VP pass (29) VP pass = [λx D e.[λy D e.[λz D e.z liebt y]](x)(jan)] =??? (30) (23) = VP pass (Ann) = 1 gdw Jan liebt Ann. (23) =??? = 1 gdw Jan liebt Ann.
25 25 / 30 Gleiche Struktur aber unterschiedliche Bedeutung? Viele syntaktische Frameworks wollen so etwas wie (21) und (23) ausschließen. (31) The Uniformity of Theta Assignment Hypothesis (Baker 1988): Identical thematic relationships between items are represented by identical structural relationships. Schwache Version: spezifische thematische Rolle Strikte Version: generelle thematische Rolle
26 26 / 30 Braucht man die UTAH? Regeln wie (25) und (26) wurden durch die allgemeine Regel der Funktionalen Applikation in (12) ersetzt. Sind dann gleiche Strukturen aber unterschiedliche Bedeutung möglich? (32) VP act =??? (33) (21) = VP act (Ann) = 1 gdw Ann liebt Jan. (21) =??? = 1 gdw Ann liebt Jan. (34) VP pass =??? (35) (23) = VP pass (Ann) = 1 gdw Jan liebt Ann. (23) =??? = 1 gdw Jan liebt Ann. Gelten die Resultate auch allgemein (d.h. gleichermaßen für spezifische wie für generelle Θ-Rollen)? Was ist die Alternative zur UTAH?
27 27 / 30 Warum trotzdem Argumentstruktur und Linking? (36) a. Unakkusative Verben: die = λx D e.x stirbt b. Unergative Verben: work = λx D e.x arbeitet (37) a. Transitive agentive Verben: greet = λx D e.[λy D e.y grüßt x] b. Transitive Experiencer-Verben: worry = λx D e.[λy D e.y sorgt x]
28 28 / 30 Semantisch gleich, aber syntaktisch? (38) S VP V NP die N x (39) S NP VP N V x work
29 29 / 30 Semantisch gleich, aber syntaktisch? (40) S NP VP N y V greet NP N x (41) S VP NP V N V y worry NP N x
30 30 / 30 Literatur Baker, Mark (1988): Incorporation: A Theory of Grammatical Function Changing. University of Chicago Press, Chicago. Chomsky, Noam (1981): Lectures on Government and Binding: The Pisa Lectures. 7 edn, Mouton de Gruyter, Berlin. Klein, Ewan H. and Ivan Sag (1985): Type-Driven Translation, Linguistics and Philosophy 8,
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