Die Verletzung gewerblicher Schutzrechte im europäischen internationalen Privat- und Verfahrensrecht. Hausmann, Rainer



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Transkript:

Hausmann, Rainer Die Verletzung gewerblicher Schutzrechte im europäischen internationalen Privat- und Verfahrensrecht The European Legal Forum (D) 5/6, 2003, 278-287 2003 IPR Verlag GmbH München The European Legal Forum - Internet Portal Literatur Dok.-Nr. 441 www.european-legal-forum.com

278 Heft 5/6-2003 The European Legal Forum INTERNATIONALES UND EUROPÄISCHES VERFAHRENSRECHT Die Verletzung gewerblicher Schutzrechte im europäischen internationalen Privat- und Verfahrensrecht Prof. Dr. Rainer Hausmann * ** A. Zur Reichweite von Art. 5 Nr. 3 EuGVO bei der grenzüberschreitenden Verletzung von gewerblichen Schutzrechten I. Normzweck Charakteristisch für unerlaubte Handlungen ist es, dass das Opfer unvorhergesehen von jemandem geschädigt wird, der möglicherweise weit entfernt vom Tatort wohnt. Daher wäre es i.d.r. unbillig, den Geschädigten auf den allgemeinen Gerichtsstand des Schädigers zu verweisen. Andererseits wäre es schon im Hinblick auf mögliche Rechtfertigungsgründe o- der mangelndes Verschulden des Schädigers auch nicht gerechtfertigt, für unerlaubte Handlungen einen allgemeinen Klägergerichtsstand einzuführen. Den hier gebotenen Interessenausgleich schafft der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung, 1 der den Rechtsordnungen der meisten EG-Mitgliedstaaten bekannt ist. Daher hatte bereits das Brüsseler Übereinkommen von 1968 2 diesen Gerichtsstand, der sich durch besondere Sach- und Beweisnähe auszeichnet, in Art. 5 Nr. 3 kodifiziert. Die EG-Verordnung Nr. 44/2001 ( Brüssel I ) vom 22. 12. 2000 3 hat den Gerichtsstand mit einer geringfügigen Änderung übernommen. Danach ist für Ansprüche aus einer unerlaubten Handlung das Gericht des Ortes international zuständig, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Wie der hiernach maßgebende Tatort im Falle der Verletzung dieser Rechte zu bestimmen ist, ist allerdings wegen des für gewerbliche Schutzrechte geltenden Territorialitätsprinzips bis heute umstritten und vom EuGH bisher nicht geklärt. II. Begriff der unerlaubten Handlung Die in Art. 5 Nr. 3 EuGVO verwendeten Begriffe unerlaubte Handlung bzw. Handlung, die einer unerlaubten * Der Autor ist o. Professor an der Universität Konstanz (D). ** Vortrag im Rahmen der AEA-Konferenz Association Européenne d Avocats Intellectual Property and Accession Treaty in Warschau, 3.-4. 10. 2003. 1 Zur ratio des forum delicti commissi statt vieler, Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 4. Aufl., Köln, 2001, Rn. 1497. 2 Brüsseler EWG-Übereinkommen vom 27. 9. 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, (BGBl. 1972 II 773). 3 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, (ABl. EG 2001, Nr. L 12). Handlung gleichgestellt ist, müssen ebenso wie der Begriff des Vertrages in Art. 5 Nr. 1 EuGVO 4 autonom bestimmt werden. 5 Diese Begriffe sind also nicht als bloße Verweisungen auf das innerstaatliche Recht eines der beteiligten Staaten zu verstehen, wie etwa auf die lex fori oder die lex causae. 6 Für eine autonome Qualifikation spricht auch hier, dass nur sie die Entstehung möglichst gleicher und einheitlicher Rechte und Pflichten für die betroffenen Personen in allen Mitgliedstaaten sicherstellt. Unter Berücksichtigung der Systematik und der Zielsetzung des Übereinkommens hat der EuGH den Begriff der unerlaubten Handlung dahin definiert, dass er sich auf alle Klagen bezieht, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 anknüpfen. 7 Es besteht daher weitgehende Einigkeit darüber, dass auch die Verletzung gewerblicher Schutzrechte und sonstiger Immaterialgüterrechte vom Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 3 EuGVO erfasst wird. 8 Insoweit ist der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nicht nur für Zahlungsansprüche auf Schadensersatz, sondern auch für Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche eröffnet. 9 Da der Geschädigte häufig bei Klageerhebung noch nicht übersieht, in welchem Umfang der Beklagte ein gewerbliches Schutzrecht verletzt hat, werden ihm nach dem materiellen Recht der meisten Mitgliedstaaten Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung zugebilligt; auch 4 5 6 7 8 9 Zur autonomen Auslegung des Vertragsbegriffs in Art. 5 Nr. 1 EuG- VO vgl. EuGH 3. 8. 1988-9/87 - Arcado/Havilland, Slg. 1988, 1539/1544, Rn. 10 f. = RIW 1988, 987 m. Anm. Schlosser RIW 1989, 139; EuGH 17. 6. 1992 - C-26/91 - Handte/TMCS, Slg. 1992 I, 3990/3993 (Rn. 10) = JZ 1995, 90 m. Anm. Pfeiffer; EuGH 27. 10. 1998 - C-51/97 - Réunion européenne SA/Spliethoff s, Slg. 1998 I, 6511/6542, Rn. 15 = IPRax 2000, 210 m. Anm. Koch; EuGH 11. 7. 2002 - C-96/00 - R. Gabriel, Slg. 2002 I, 6367 = EuLF 2002, 308 = IPRax 2003, 50 m. Anm. Leible. EuGH 27. 9. 1988 189/87 - Kalfelis/Schröder, Slg. 1988, 5565/5584 f., Rn. 15 f. = NJW 1988, 3088 m. Anm. Geimer = IPRax 1989, 288 m. Anm. Gottwald 272; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl 2002, Art. 5 Rn. 65; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, München 1997, Art. 5 Rn. 146; MünchKomm- ZPO/Gottwald, 2. Aufl. 2001, Art. 5 Rn. 36. So die früher h.m., vgl. noch BGHZ 98, 263/274 = NJW 1987, 592; Schlosser, IPRax 1984, 60 f. m.w.nachw. EuGH 27. 9. 1988 (Fn. 5), Rn. 15 f. Stauder, Die Anwendung des EWG-Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens auf Klagen im gewerblichen Rechtschutz und Urheberrecht, GRUR Int. 1976, 465/473 ff.; Kropholler (Fn. 5), Art. 5 Rn. 66; Geimer/Schütze (Fn. 5), Art. 5 Rn. 154; Wieczorek/Schütze/Hausmann, Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. 1994, Anh. I zu 40 ZPO, Art. 5 Rn. 51. Geimer/Schütze (Fn. 5), Art. 5 Rn. 158.

The European Legal Forum Heft 5/6-2003 279 diese Nebenansprüche können richtigerweise im Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVO geltend gemacht werden. 10 Demgegenüber können Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung grundsätzlich nicht im Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVO verfolgt werden. Dies gilt auch für Ansprüche auf Herausgabe der durch die Benutzung eines fremden gewerblichen Schutzrechts erlangten Vorteile; insoweit ist der Geschädigte vielmehr grundsätzlich auf den allgemeinen Gerichtsstand nach Art. 2 EuGVO verwiesen. 11 Etwas anderes folgt auch nicht aus dem engen Sachzusammenhang zwischen den Ansprüchen des Geschädigten auf Schadensersatz und auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Denn im Falle der Anspruchskonkurrenz ist das für die Deliktsklage zuständige Gericht nicht auch zuständig, über die Klage unter anderen nicht-deliktischen Gesichtspunkten, z.b. über Ansprüche aus Vertrag, ungerechtfertiger Bereicherung etc. zu entscheiden. Dies hat der EuGH bereits im Jahre 1988 im Wege der autonomen Interpretation des Brüsseler Übereinkommens festgestellt. 12 Zur Begründung hat er insbesondere darauf hingewiesen, dass die in Art. 5 EuGVÜ aufgezählten besonderen Zuständigkeiten als Ausnahmen vom Grundsatz der Wohnsitzzuständigkeit einschränkend auszulegen seien. Der Gerichtshof räumt zwar ein, dass eine Aufsplitterung von Zuständigkeiten für einzelne Aspekte ein und desselben Rechtsstreits nach Möglichkeit vermieden werden sollte. 13 Indes habe der Kläger stets die Möglichkeit, seine Klage unter sämtlichen Gesichtspunkten vor das Wohnsitzgericht des Beklagten zu bringen. Ferner ermögliche Art. 22 EuGVÜ (= Art. 28 EuGVO) dem zuerst angerufenen Gericht, unter bestimmten Umständen über den gesamten Rechtsstreit zu befinden, wenn zwischen den vor verschiedenen Gerichten erhobenen Klagen ein hinreichender Zusammenhang bestehe. 14 Der Wortlaut von Art. 5 Nr. 3 des Brüsseler Übereinkommens setzte eine bereits eingetretene unerlaubte Handlung voraus. Daraus wurde zum Teil geschlossen, dass vorbeugende Unterlassungsklagen, mit denen z.b. der Handel mit Waren verboten werden sollte, die unter Verletzung von Vorschriften des gewerblichen Rechtsschutzes hergestellt oder angeboten wurden, im forum delicti nicht erhoben werden könnten. 15 10 11 12 13 14 15 LG Düsseldorf 25. 8. 1999, GRUR Int. 1999, 455/457 Schlussfadengreifer; Grabinski, Zur Bedeutung des Europäischen Gerichtsstandsund Vollstreckungsübereinkommens (Brüsseler Übereinkommens) und des Lugano-Übereinkommens in Rechtsstreitigkeiten über Patentverletzungen, GRUR Int. 2001, 199/203; Brinkhof, Geht das grenzüberschreitende Verletzungsrecht im niederländischen einstweiligen Verfügungsverfahren zu weit?, GRUR Int. 1997, 489/490; Wieczorek/Schütze/Hausmann (Fn. 8), Art. 5 Rn. 51. Kropholler (Fn. 5), Art. 5 Rn. 67; Geimer/Schütze (Fn. 5), Art. 5 Rn. 165. Wieczorek/Schütze/Hausmann (Fn. 8), Art. 5 Rn. 53. Ansprüche auf Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr oder auf Gewinnherausgabe als Formen des abstrakten Schadensersatzes werden hingegen von Art. 5 Nr. 3 erfasst; vgl. MünchKomm/Gottwald (Fn. 5) Art. 5 Rn. 37. EuGH 27. 9. 1988 EuGH 27. 9. 1988 189/87 - Kalfelis/Schröder, (Fn. 5), Slg. 1988, 5565/5585, Rn. 16 ff. = NJW 1988, 3088. Vgl. in diesem Sinne auch schon EuGH 22. 3. 1983 C-34/82 - Peters, Slg. 1983, 987/1003, Rn. 17 = IPRax 1984, 85 m. Anm. Schlosser 65; zust. House of Lords [1998] International Liligation Practice 850. Kritisch zu dieser Begründung Geimer, NJW 1988, 3090; Gottwald, IPRax 1989, 272 ff.. Für eine Annexzuständigkeit des Tatortgerichts zur Entscheidung über konkurrierende vertragliche oder außervertragliche Ansprüche insbes. Geimer, IPRax 1986, 80 ff.; Geimer/Schütze (Fn. 5) Art. 5 Rn. 163; Mansel, ZvglRWiss 86 (1987) 1 ff., 22. So z.b. OLG Bremen 17.10.1991, RIW 1992, 231/233; Cass. (Italien) Die Gegenauffassung setzte sich über den engen Wortlaut des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ unter Hinweis auf den Sinn und Zweck der Vorschrift hinweg und ließ Klagen zur Unterbindung eines drohenden Delikts im Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ zu. 16 Diese zutreffende Auffassung hat sich auch im Zuge der Überführung des Brüsseler Übereinkommens in die Verordnung Nr. 44/2001 durchgesetzt. Diese eröffnet nunmehr ausdrücklich den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung auch an dem Ort, an dem das schädigende Ereignis erst einzutreten droht. 17 III. Bestimmung des Verletzungsorts Als Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, wird im Falle von Distanzdelikten nach der Auslegung des EuGH in der Entscheidung Mines de Potasse 18 der Ort all derjenigen Akte angesehen, die zur Tatbestandsverwirklichung notwendig sind; dies ist jedenfalls sowohl der Ort des ursächlichen Geschehens (Handlungsort) als auch der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolges (Erfolgsort). Der Kläger kann daher nach seiner Wahl entweder vor dem Gericht des Ortes klagen, an dem in seine Rechtsgüter eingegriffen worden ist, oder vor dem Gericht des Ortes, an dem der Schädiger gehandelt hat (alternative Zuständigkeit). Zu jedem dieser beiden Orte kann nach Ansicht des EuGH eine besonders enge Beziehung bestehen, die aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und der sachgerechten Gestaltung des Prozesses eine Gerichtszuständigkeit rechtfertigt. Die für die Zwecke der kollisionsrechtlichen Anknüpfung einer unerlaubten Handlung erforderliche Entscheidung für den einen unter Ausschluss des anderen Anknüpfungspunktes hält der EuGH im Recht der internationalen Zuständigkeit für nicht wünschenswert, zumal sich Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ auf sehr vielfältige Typen von unerlaubten Handlungen erstrecke. 19 Dieser Grundsatzentscheidung des EuGH zum Verletzungsort lag freilich kein Fall aus dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes zugrunde; vielmehr handelte es sich um eine Wasserverschmutzung mit grenzüberschreitender Schädigung des Gewerbebetriebs des Klägers. Fraglich ist daher, inwieweit der vom EuGH aufgestellte Grundsatz der alternativen Zuständigkeit der Gerichte am Handlungs- und Erfolgsort auch auf territorial gebundene gewerbliche Schutzrechte anwendbar ist. Insoweit muss richtigerweise zwischen dem Erfolgsort und dem Handlungsort unterschieden werden. 1. Erfolgsort Aus dem für die Wirkung von gewerblichen Schutzrechten weithin anerkannten Territorialitätsprinzip folgt, dass der Erfolg der Schutzrechtsverletzung nur dort eintreten kann, wo 8. 8. 1989, n. 3657, Riv. dir. int. priv. proc. 1990, 685. 16 So LG Düsseldorf 25. 3. 1999, GRUR Int. 1999, 775/777 f.; Schlosser- Bericht Nr. 134; Behr, GRUR Int. 1992, 607; Wieczorek/Schütze/Hausmann (Fn. 8), Art. 5 Rn. 54; MünchKomm- ZPO/Gottwald (Fn. 5), Art. 5 Rn. 40. 17 Vgl. dazu Hausmann, Die Revision des EuGVÜ, EuLF 2000/01, 40/48. 18 EuGH 30. 11. 1976 21/26 - Bier/Mines de Potasse d Alsace, Slg. 1976, 1735 = NJW 1977, 493. 19 Zust. die ganz h.m., vgl. statt vieler Kropholler (Fn. 5), Art. 5 Rn. 73; Geimer/Schütze (Fn. 5), Art. 5 Rn. 179 f.

280 Heft 5/6-2003 The European Legal Forum das Schutzrecht belegen ist. 20 Insbesondere wird ein Gerichtsstand nicht an solchen Orten eröffnet, an denen ein nur mittelbarer (Vermögens-) Schaden eintritt. Erleidet also die deutsche Tochtergesellschaft eines französischen Unternehmens durch die Schutzrechtsverletzung eines deutschen Unternehmens einen unmittelbaren Schaden, so kann die französische Muttergesellschaft, bei welcher der Schaden mittelbar zu Buche schlägt, gegen den deutschen Schädiger nicht etwa an ihrem eigenen Sitz in Frankreich mit der Begründung klagen, erst dort seien die ihr eigenes Vermögen betreffenden schädigenden finanziellen Folgen eingetreten. Vielmehr ist für die Ermittlung des Erfolgsorts allein auf die primär geschädigte Tochtergesellschaft abzustellen. 21 Das an deren Sitz begründete Deliktsforum steht dann allerdings auch der mittelbar geschädigten Muttergesellschaft offen. 22 Der Erfolgsort ist ferner zu unterscheiden vom sog. Schadensort, d.h. dem Ort, an dem der Geschädigte einen (weiteren) Vermögensschaden als Folge eines in einem anderen Mitgliedstaat erlittenen Erstschadens erleidet. 23 Denn andernfalls würde der Grundsatz actor sequitur forum rei nach Art. 2 EuGVO ausgehöhlt und Art. 5 Nr. 3 EuGVO einem Klägergerichtstand stark angenähert. Die Bestimmung des Erfolgsorts ist wie der EuGH 24 betont auch unabhängig von dem in der Sache anwendbaren System der zivilrechtlichen Haftung. Der Ort, an dem bloße Folgeschäden eingetreten sind, begründet deshalb auch dann keine internationale Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 EuGVO, wenn das anwendbare nationale Deliktsrecht anders als das deutsche Recht nach 823 Abs. 1 BGB Schadensersatz unabhängig von einer konkreten Rechtsgutsverletzung gewährt (wie zb Art. 1382 frz. Code civil oder Art. 2043 it. Codice civile). Für die Verletzung gewerblicher Schutzrechte bedeutet dies, dass ein Erfolgsort isv. Art. 5 Nr. 3 EuGVO nur im jeweiligen Schutzland liegen kann. Verletzungsfolgen die außerhalb des Schutzstaates eintreten, können eine Gerichtspflichtigkeit des Schädigers am Ort des jeweiligen Schadenseintritts nicht rechtfertigen. 25 2. Handlungsort Auch für die Bestimmung des Handlungsortes herrschte im Falle der Verletzung gewerblicher Schutzrechte lange Zeit nahezu unangefochten die Meinung vor, dieser müsse immer im Gebiet des Schutzstaates liegen, Handlungsort und Erfolgsort müssten mithin stets zusammenfallen. Das vom EuGH im Rahmen von Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ grundsätzlich eingeräumte 20 21 22 23 24 25 Pansch, Der Gerichsstand der unerlaubten Handlung bei der grenzüberschreitenden Verletzung gewerblicher Schutzrechte, EuLF 2000/01, 353/354. EuGH 11. 1. 1990 220/88 Dumez France/Hessische Landesbank, Slg. 1990 I, 49/80, Rn. 22 = NJW 1991, 631. Kropholler (Fn. 5) Art. 5 Rn. 80; Wieczorek/Schütze/Hausmann (Fn. 8) Art. 5 Rn. 60. Vgl. EuGH 19. 9. 1995 C-364/93 - Marinari/Lloyd s Bank, Slg. 1995 I 2719, Rn. 16 ff. = JZ 1995, 1107 m. Anm. Geimer = IPRax 1997, 331 m. Anm. Hohloch 312. Vgl. EuGH 19. 9. 1995 C-364/93 - Marinari/Lloyd s Bank (vorige Fn.), Rn. 22 ff. OLG Düsseldorf 22. 7. 1999, IPRax 2001, 336; a.a. Otte, Internationale Zuständigkeit und Territorialitätsprinzip Wo liegen die Grenzen der Deliktszuständigkeit bei Verletzung eines europäischen Patents?, IPRax 2001, 315 ff. Wahlrecht zwischen Handlungs- und Erfolgsort finde daher auf die Verletzung gewerblicher Schutzrechte keine Anwendung. 26 Erst in jüngerer Zeit mehren sich die Stimmen, die auch bei Verletzung von gewerblichen Schutzrechten einen Handlungsort außerhalb des jeweiligen Schutzlandes für möglich halten. 27 Dieser Vorschlag ist im Hinblick auf die zunehmende Internationalität der Wirtschaftsbeziehungen im globalen Wettbewerb grundsätzlich zu begrüßen. Die Eröffnung einer internationalen Zuständigkeit im Inland für Klagen wegen der Verletzung eines ausländischen Schutzrechts bedeutet insbesondere keinen Eingriff in eine fremde Gebietshoheit. Denn dem Schutzrecht wird auf diese Weise keine Wirkung für das Inland verliehen. Dieses ist vielmehr Streitgegenstand vor dem deutschen Gericht nur insoweit, als es um seine Verletzung im Ausland geht, wo es allein Schutz entfaltet. Demgemäß hat die Feststellung einer Schutzrechtsverletzung durch das deutsche Gericht ausschließlich nach Maßgabe der ausländischen lex loci protectionis zu erfolgen. Hiervon geht auch die bisherige Praxis ohne weiteres aus, wenn der Verletzer in seinem vom Schutzland verschiedenen Wohnsitzstaat nach Art. 2 Abs. 1 EuGVO in Anspruch genommen wird. Aus diesem Grunde kann aber auch die Inanspruchnahme einer internationalen Zuständigkeit an einem vom Erfolgsort abweichenden Handlungsort außerhalb des Schutzlandes nicht als Eingriff in eine fremde Hoheitsgewalt begriffen werden, zumal die Anerkennung des am Handlungsort ergehenden Urteils im Schutzland in jedem Falle der Kontrolle nach Maßgabe der Art. 33 ff. EuGVO unterliegt. 28 Bei der Forderung nach einem zuständigkeitsrechtlich relevanten Handlungsort außerhalb des Schutzlandes handelt es sich auch nicht um ein rein theoretisches Problem. Dies zeigt etwa die durchaus praxisnahe Fallgestaltung, dass ein französisches Unternehmen mit Sitz in Frankreich dort ein Produkt herstellt, das in Deutschland Patentschutz genießt. Hier liegt nach traditioneller Auffassung die Verletzungshandlung erst in der Einfuhr des in Frankreich hergestellten Produkts nach 26 27 28 Vgl. zuerst Stauder (Fn. 8), GRUR Int. 1976, 465/474; Tetzner, Die Verfolgung der Verletzung ausländischer Patente vor deutschen Gerichten unter Berücksichtigung des EWG-Gerichtsstands- und Vollstreckungsabkommens, GRUR 1976, 669 m.w.nachw. Aus dem neueren Schrifttum etwa Meibom/Pitz, Grenzüberschreitende Verfügungen im internationalen Patentverfahren, Mitt. 1996, 181/182; Brinkhof (Fn. 10), GRUR Int. 1997, 489/491; Grabinski (Fn. 10), GRUR Int. 2001, 199/204 ff.; Kieninger, Internationale Zuständigkeit bei der Verletzung ausländischer Immaterialgüterrechte, Common Law auf dem Prüfstand des EuGVÜ, GRUR Int. 1998, 280/282; Bettinger/Thum, Territoriales Markenrecht im Global Village, GRUR Int. 1999, 659/663; Otte (vorige Fn.), IPRax 2001, 315/316; Schricker/Kastenberger, Urheberrecht, 2. Aufl. 1999, Vor 120 ff. Rn. 130; Hulmann/Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, 6. Aufl. 1998, 7 II 3; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl. 2003, Einl. UWG Rn. 192 b. Aus der Rechtsprechung zust. LG Düsseldorf 25. 8. 1998, GRUR Int. 1999, 455 ff., bestätigt durch OLG Düsseldorf 22. 7. 1999 (vorige Fn.); dazu Meier-Beck, GRUR 1999, 381 und 2000, 355. Lange, Der internationale Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach dem EuGVÜ bei Verletzung nationaler Kennzeichen, WRP 2000, 940/945; Pansch (Fn. 20), EuLF 2000/01, 353/354 ff.; zust. Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 5. Auf. 2002, S. 107. Ebenso für die Anknüpfung des Immaterialgüterstatuts Staudinger/Fezer, Internationales Wirtschaftsrecht (2000) Rn. 718 ff.; ders., Markenrecht, 3. Aufl 2001, Einl. Rn. 186 ff., 227. Vgl. dazu demnächst ausführlich Laubinger, Internationale Zuständigkeit für Patentstreitigkeiten (Diss. Konstanz 2004). Zutr. Pansch (Fn. 20), EuLF 2000/01, 353/355.

The European Legal Forum Heft 5/6-2003 281 Deutschland. 29 Nur deutsche Gerichte wären daher international für eine Verletzungsklage zuständig. Problematisch erscheint dies vor allem dann, wenn das in Frankreich hergestellten Produkt aufgrund der geltenden Vorschriften nur in Deutschland absetzbar ist, also nachweislich nur zum Zweck des Exports in das Schutzland gefertigt wird. Soll auch in einem solchen Fall der Handlungsort ausschließlich in Deutschland liegen und soll deshalb eine Klage gegen den Hersteller in Frankreich gänzlich ausgeschlossen sein, wenn nicht er selbst, sondern ein Dritter das Produkt nach Deutschland eingeführt hat? Richtig ist zwar, dass der Verletzungserfolg erst beim Überqueren der deutschen Grenze eintritt. Zweifelhaft erscheint es aber, auch in diesem Fall einen Handlungsort nur in Deutschland anzunehmen, obwohl der Hersteller dort überhaupt nicht handelt. Die Ablehnung eines französischen Gerichtsstands erscheint vor allem dann wenig überzeugend, wenn die für den Nachweis der Patentverletzung wesentlichen Informationen am Sitz des französischen Herstellers beschafft werden müssten. Denn in einem solchen Fall tritt die Einfuhr des patentverletzenden Produkts in seiner Bedeutung für den zu führenden Prozess und die Beweiserhebung hinter die Herstellung im Ausland vollständig zurück. 30 Noch deutlicher wird dies, wenn Produkte unter Verletzung gewerblicher Schutzrechte über das Internet vertrieben werden. 31 Hier liegt es eher fern, die Verletzungshandlung erst im Abruf der Website durch den potentiellen Abnehmer zu sehen. Demgemäß wird als Handlungsort bei Distanzdelikten im Internet, die zu einer Verletzung nationaler Kennzeichenoder Urheberrechte führen, schon heute überwiegend der Ort angesehen, an dem die Inhalte in das Netz eingespeist werden, also idr der Wohnsitzstaat des Verkäufers. 32 Auch wenn man den Begriff des Handlungsortes in der hier vorgeschlagenen Weise erweitert, bleibt es freilich dabei, dass die Herstellung im Nichtschutzstaat gerade nicht verboten ist und die Schutzrechtsverletzung frühestens mit der Einfuhr in den Schutzstaat vollendet wird. Daraus folgt, dass dem in einem Nicht-Schutzland Handelnden ein Verletzungserfolg nur unter eingeschränkten Voraussetzungen zugerechnet werden kann. In Anlehnung an die Rechtsprechung zu Persönlichkeitsverletzungen durch Presseerzeugnisse 33 wird man deshalb auch für territoriale Schutzrechte fordern müssen, dass die Verletzungshandlung zielgerichtet auf den Schutzstaat vorgenommen worden ist. 34 In die gleiche Richtung weist auch die Neuregelung der internationalen Zuständigkeit für Verbrauchersachen in Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVO, die nur begründet ist, wenn der Vertragspartner des Verbrauchers seine berufli- 29 30 31 32 33 34 Vgl. die Nachw. in Fn. 26. So im Erg. auch Pansch (Fn. 20), EuLF 2000/01, 353/355. Praktische Bedeutung hat die Frage insbesondere für Software-Patente; vgl. dazu BPatG 9. 1. 1997, CR 1997, 532 ff.; 22. 1. 1998, GRUR 1998, 656. Sack, Das internationale Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht nach der EGBGB-Novelle, WRP 2000, 269/277; Mankowski, Das Internet im internationalen Vertrags- und Deliktsrecht, RabelsZ 63 (1999) 203/257 ff.; Koch, Internationale Gerichtszuständigkeit und Internet, CR 1999, 121/123. Vgl. BGH 23. 10. 1970, GRUR 1971, 154; Wieczorek/Schütze/Hausmann (Fn. 8), Art. 5 Rn. 59 a.e. Vgl. ids. auch Koch (Fn. 32), CR 1999, 121/129; Pansch (Fn. 20), EuLF 2000/01, 353/355 f. che oder gewerbliche Tätigkeit insbesondere seine Internet- Werbung auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichtet hat. 35 Zu beachten ist ferner, dass es bei der Auslegung des Handlungsorts im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVO gerade nicht darum geht, den Ort zu ermitteln, an dem die Verletzung des gewerblichen Schutzrechts vollendet wurde. Der Handlungsort ist vielmehr nach der Rechtsprechung des EuGH der Ort des ursächlichen Geschehens. 36 Er ist insoweit vom Erfolgsort als dem Ort, an dem in das Schutzrecht eingegriffen wurde, zu unterscheiden. Zwar reichen bloße Vorbereitungshandlungen für eine Schutzrechtsverletzung und damit auch für die Begründung eines Erfolgsorts im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVO nicht aus. 37 Sie können jedoch sehr wohl zur Begründung eines für die Gerichtszuständigkeit maßgebenden Handlungsorts im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVO herangezogen werden. Denn das dem Kläger eingeräumte Wahlrecht zwischen dem Gerichtsstand am Erfolgsort und demjenigen am Handlungsort soll gerade dazu dienen, den Prozess im Interesse einer geordneten Rechtspflege dort zu führen, wo die für den Nachweis der Schutzrechtsverletzung maßgebenden Beweise am besten zugänglich sind. Der Frage der Beweissicherung kommt aber gerade in Patentverletzungsstreitigkeiten erhebliche praktische Bedeutung zu. 38 Besonderes Gewicht kommt der Eröffnung eines deliktischen Gerichtsstands außerhalb des Schutzlandes vor allem auf dem Gebiet des einstweiligen und vorbeugenden Rechtsschutzes zu. In dem oben gebildeten Beispielsfall von in Deutschland patentgeschützten Produkten, die in Frankreich gezielt für den Export auf den deutschen Markt hergestellt werden, wird dem deutschen Patentinhaber damit die Möglichkeit eröffnet, im Wege der einstweiligen Verfügung oder der vorbeugenden Unterlassungsklage gegen die drohende Patentverletzung bereits am französischen Handlungsort vorzugehen. Im Ergebnis ist mithin die zwingende Anbindung des Handlungsortes an den Erfolgsort bei der Verletzung gewerblicher Schutzrechte abzulehnen; sie kann insbesondere nicht aus dem Territorialitätsprinzip hergeleitet werden. 39 Der Geschädigte hat vielmehr auch auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes die Möglichkeit, zwischen einer Klage am Erfolgsort und an dem in einem anderen Land begründeten Handlungsort zu wählen. Entscheidet er sich für einen außerhalb des Schutzlandes gelegenen Handlungsort, so berührt dies allerdings die Frage des vom Gericht anzuwendenden Rechts nicht. Maßgebend bleibt insoweit vielmehr nach den in 35 36 37 38 39 Vgl. dazu Hausmann (Fn. 17), EuLF 2000/01, 40/45; ferner Teuber, Die internationale Zuständigkeit in Verbraucherstreitigkeiten (2003) S. 101 ff.; Kropholler (Fn. 5), Art. 15 Rn. 23 f. EuGH 30. 11. 1976 (Fn. 18). Geimer/Schütze (Fn. 5), Art. 5 Rn. 187; Lange (Fn. 27), WRP 2000, 940/941. Der im autonomen deutschen Recht anerkannte Grundsatz, dass bereits die Verwirklichung eines Teilakts der unerlaubten Handlung im Inland z.b. die Durchfuhr von Waren zum Zweck des verbotenen Absatzes im Ausland zur Begründung der internationalen Zuständigkeit nach 32 ZPO ausreicht (vgl. BGH 24. 7. 1957, GRUR 1958, 189/197 m. zust. Anm. Hefermehl 198; Geimer [Fn. 1], Rn. 1500), sollte daher auch in das europäische Zivilprozessrecht übernommen werden. Zust. mit anderer Begründung auch Staudinger/Fezer (Fn. 27) Rn. 778.

282 Heft 5/6-2003 The European Legal Forum allen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft anerkannten Anknüpfungsgrundsätzen das Recht des Schutzlandes. IV. Territoriale Reichweite von Entscheidungen In Ermangelung einer klarstellenden Entscheidung des EuGH bestehen schließlich auch über die territoriale Reichweite von Entscheidungen (einstweiligen Verfügungen wie Endurteilen), die im Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVO aus Anlass der (bevorstehenden) Verletzung gewerblicher Schutzrechte ergangen sind, unterschiedliche Auffassungen. Namentlich Inhaber paralleler nationaler Bündel- Schutzrechte haben häufig ein Interesse daran, dass die Verletzung in möglichst vielen Schutzländern gleichzeitig untersagt wird, um sich eine Vielzahl von Parallelprozessen zu ersparen, die nicht nur eine erhebliche Kostenbelastung mit sich bringen, sondern auch zu einander widersprechenden Entscheidungen führen können. 1. Traditionelle Auffassung Während vor allem niederländische Gerichte bis zu einer einschränkenden Entscheidung des Gerichtshof Den Haag 40 dazu tendierten, im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung einstweilige Verfügungen mit extraterritorialen Wirkungen zu erlassen, 41 steht die überwiegende Praxis der mitgliedstaatlichen Gerichte 42 wie auch die Literatur 43 einer solchen Ausweitung der Urteilswirkungen zurückhaltend gegenüber. Danach können Klagen im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nur insoweit erhoben werden, als sie auf die Verletzung eines für den Gerichtsstaat verliehenen gewerblichen Schutzrechts gestützt werden können. 44 Nur für diesen Teil des Streitverhältnisses sei das angerufene Gericht am besten geeignet, das Vorliegen einer Schutzrechtsverletzung zu beurteilen und den Umfang des Schadens zu bestimmen. Für die Entscheidung über die Verletzung paralleler Schutzrechte in anderen Staaten sei das Gericht hingegen international nicht zuständig, weil es an einer hinreichenden Nähe zum Gegenstand des Rechtsstreits fehle, der überdies nach Maßgabe der ausländischen lex protectionis zu entscheiden sei. Dem anerkennenswerten Interesse des Klägers, die Verletzung paralleler gewerblicher Schutzrechte vor einem einzigen Gericht geltend machen zu können, werde hinreichend durch die Möglichkeit Rechnung getragen, die Klage am allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten nach Art. 2 EuGVO zu erheben; nur ein dort ergangenes 40 41 42 43 44 Gerechtshof Den Haag 23. 4. 1998, EIPR 1988 Nr. 132 = GRUR Int. 1998, 737 (zu Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ). Vgl. dazu die ausf. Nachw. bei Bertrams, Das grenzüberschreitende Verletzungsverbot im niederländischen Patentrecht, GRUR Int. 1995, 193/200; Brinkhof (Fn. 10), GRUR Int. 1997, 489 ff; Pansch (Fn 20), EuLF 2000/01, 353 ff.; ders., Die einstweilige Verfügung zum Schutze des geistigen Eigentums im grenzüberschreitenden Verkehr (2003) S. 50 ff. m. w. Nachw. Vgl. LG Düsseldorf 25. 3. 1999, GRUR Int. 1999, 777; zur ausländischen Rechtsprechung Meibom/Pitz, Die europäische Transboarderrechtsprechung stößt an ihre Grenzen, GRUR Int. 1998, 765 ff.; Tilman/Falck, EU-Patentrechtsharmonisierung II: Forum Shopping und Torpedo, GRUR 2000, 579 ff. Bertrams (Fn. 41), GRUR Int. 1995, 193/197 ff.; Brinkhof (Fn. 10), GRUR Int. 1997, 489/491; Pansch (Fn. 20), EuLF 2000/01, 353/356 f. m. ausf. Nachw. OLG Düsseldorf 22. 7. 1999, IPRax 2001, 336/337 f. Urteil könne extra-territoriale Reichweite entfalten. 2. Auswirkungen der Shevill-Entscheidung des EuGH für die internationale Zuständigkeit auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes? Der EuGH hat in seiner bekannten Shevill-Entscheidung 45 die Zuständigkeit von Gerichten am Erfolgsort auf die Entscheidung über die in diesem Staat entstandenen Schäden beschränkt, während er den Gerichten am Handlungsort die Befugnis zugebilligt hat, über den Ersatz des gesamten durch die unerlaubte Handlung verursachten (Welt-) Schadens zu befinden. Indessen ist zu berücksichtigen, dass sich die Shevill- Entscheidung des EuGH nur auf Ehrverletzungen durch Veröffentlichungen in der Presse bezieht. Anders als ein gewerbliches Schutzrecht genießt die Ehre aber nicht nur in bestimmten Schutzländern, sondern ohne territoriale Beschränkungen unfassenden Schutz. Die Grundsätze dieser Entscheidung lassen sich daher auf die Verletzung gewerblicher Schutzrechte nicht ohne weiteres übertragen. Etwas anderes könnte freilich dann gelten, wenn man der hier vertretenen Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVO folgt, derzufolge der Handlungsort bei Verletzung gewerblicher Schutzrechte nicht stets und notwendig mit dem Erfolgsort zusammenfällt. Für eine Übertragung der in der Shevill-Entscheidung für die Verletzung des territorial nicht gebundenen Persönlichkeitsrechts entwickelten Grundsätze auf die grenzüberschreitende Verletzung gewerblicher Schutzrechte hat sich Pansch 46 ausgesprochen. Danach soll das am Erfolgsort angerufene Gericht darauf beschränkt sein, über die im Gerichtsstaat entstandenen Schäden zu befinden. Dies soll gleichermaßen für die Verletzung der im Gerichtsstaat selbst bestehenden Schutzrechte wie auch für die Beurteilung von Folgeschäden gelten, die infolge der Verletzung eines parallelen ausländischen Schutzrechts im Gerichtsstaat eingetreten sind. Keine Zuständigkeit bestehe hingegen für die Beurteilung von Schäden, die infolge der Verletzung eines im Gerichtsstaat bestehenden Schutzrechts in anderen Staaten eingetreten sind. Diese Beschränkung der Entscheidungszuständigkeit der Gerichte am Erfolgsort wird damit gerechtfertigt, dass diese Gerichte nur bzgl. der in ihrem eigenen Territorium entstandenen Schäden über die hinreichende Sachnähe verfügen, nicht hingegen bzgl. der Beurteilung der Verletzungshandlung am ausländischen Handlungsort sowie hinsichtlich der in anderen Staaten entstandenen Schäden. 47 Eine entsprechende Anwendung der Grundsätze der Shevill-Entscheidung auf die Verletzung von gewerblichen Schutzrechten würde indessen voraussetzen, dass im Gerichtsstaat allein ein schädigender Erfolg eingetreten ist, ohne dass in diesem Staat zugleich gehandelt worden wäre. Dies ist jedoch nur denkbar, wenn man als Erfolgsort isv. Art. 5 Nr. EuGVO auch den bloßen Schadensort, d.h. den Ort anerkennen würde, an dem außerhalb des Schutzlandes gewichtige 45 EuGH 7. 3. 1995 C-68/93 - Fiona Shevill./. Presse Alliance; Slg. 1995 I, 415, Rn. 25 = IPRax 1997, 111 m. Anm. Kreuzer/Klötgen 90 = ZZP Int. 1996, 145 m. Anm. Rauscher. 46 Pansch (Fn. 20), EuLF 2000/01, 353/361. 47 Pansch aao (vorige Fn.).

The European Legal Forum Heft 5/6-2003 283 Folgeschäden der Schutzrechtsverletzung eingetreten sind. 48 Beschränkt man hingegen den Begriff des Erfolgsorts auf den Ort, an dem in das Schutzrecht eingegriffen wurde, so fallen Erfolgsort und Handlungsort zwangsläufig zusammen, weil es eine Rechtsgutsverletzung im Schutzland ohne dortige Handlung nicht geben kann. Umgekehrt gilt dieser Grundsatz hingegen nach der hier vertretenen Auffassung nicht, d.h. ein Handlungsort außerhalb des Schutzlandes neben dem im Schutzland stets gegebenen Handlungsort ist durchaus anzuerkennen, wenn dort Handlungen vorgenommen werden, die den Rahmen einer bloßen Vorbereitung der in einem anderen Staat geplanten Schutzrechtsverletzung überschreiten. Auch die Gerichte an einem solchen außerhalb des Schutzlandes begründeten weiteren Handlungsort sind dann insoweit in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Shevill-Entscheidung des EuGH 49 berechtigt, für jeden aus der Verletzungshandlung erwachsenen Schaden Ersatz zuzusprechen, mag dieser Schaden auch nicht im Gerichtsstaat selbst, sondern in einem anderen Staat eingetreten sein. 50 Damit wird nicht etwa dem Schadensersatz zusprechenden Urteil extraterritoriale Wirkung beigelegt. Denn dieses knüpft allein an die Verletzungshandlung im Gerichtsstaat an; dies allerdings auch insoweit, als Verletzungsfolgen dieser Handlung erst im Ausland (einschließlich des Schutzlandes) eingetreten sind. Keine Zuständigkeit besteht hingegen für die Beurteilung gleichartiger Handlungen in anderen Staaten und die hierauf gestützten Schadensersatzansprüche. 51 Die vorgenannten Grundsätze zur internationalen Zuständigkeit für Schadensersatzklagen wegen Verletzung gewerblicher Schutzrechte gelten entsprechend für Unterlassungsklagen, 52 hingegen nur eingeschränkt für negative Feststellungsklagen. 53 B. Die Kollisionsregeln des Vorschlags für eine Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ( Rom II ) vom 22. 7. 2003 in Bezug auf die Verletzung von gewerblichen Schutzrechten I. Einführung Obwohl das Recht des gewerblichen Rechtsschutzes zu den Gebieten gehört, auf denen das Recht innerhalb der Europäischen Union in weiterem Umfang vereinheitlicht ist als auf anderen Gebieten, umfasst der acquis communautaire auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtschutzes nicht die Rechts- 48 49 50 51 52 53 Vgl. ids. Otte (Fn 26), IPRax 2001, 315 ff. EuGH 7. 3. 1995 (Fn. 45). Pansch (Fn. 20), EuLF 2000/01, 353/358. Weitergehend Pansch (Fn. 20), EuLF 2000/01, 353/360 f., der die internationale Zuständigkeit am Handlungsort auch für die Beurteilung von Schäden bejaht, die aus der Verletzung paralleler (Bündel-) Schutzrechte durch gleichartige Handlungen im Ausland folgen. Vgl. zur extraterritorialen Wirkung von Unterlassungsurteilen auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes näher Pansch (Fn. 20), EuLF 2000/01, 353/358 ff., 361 f. Vgl. dazu zuletzt die Entscheidung der Rechtsbank van eerste aanleg te Brussel 12.5.2000, GRUR Int. 2001, 170/172; a.a. Grabinski (Fn. 10), GRUR Int. 2001, 199/203. folgen einer Verletzung. Dies gilt auch für einheitliche Gemeinschaftsrechte, wie Gemeinschaftsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster, weil die entsprechenden Verordnungen, soweit es um die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen geht, auf das Recht der Mitgliedstaaten einschließlich von deren internationalem Privatrecht verweisen. 54 Die Bedeutung des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten und deshalb auch die Bedeutung von Kollisionsnormen wird auch mit der Umsetzung der EG-Richtlinie über die Maßnahmen und Verfahren zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum, die von der Kommission am 30. 1. 2003 vorgeschlagen worden ist, 55 nicht wesentlich abnehmen. Zwar wird diese Richtlinie einige zentrale Probleme der außervertraglichen Haftung auf dem Gebiet des Urheberrechts und des gewerblichen Rechtschutzes harmonisieren, wie z.b. die Bemessung von Schadensersatzansprüchen in Art. 17. Dennoch werden beträchtliche Unterschiede zwischen den Rechten der Mitgliedstaaten bestehen bleiben, weil diesen ein weiterer Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung der neuen Richtlinie eingeräumt wird. Darüber hinaus werden zahlreiche Fragen der außervertraglichen Haftung durch die Richtlinie überhaupt nicht geregelt, sondern bleiben weiterhin dem nationalen Haftungsrecht der Mitgliedstaaten überlassen. Während das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht für die Europäische Union bereits durch das Ü- bereinkommen von Rom vom 19. 6. 1980 vereinheitlicht wurde, 56 machten die Bemühungen der Kommission um eine parallele Vereinheitlichung des auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendenden Rechts, die bereits Ende der 60-iger Jahre des vorigen Jahrhunderts begonnen hatten, zunächst nur geringen Fortschritt. Erst nach dem Inkrafttreten des Vertrages von Maastricht, der den Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in Art. K 1 Nr. 6 als Angelegenheit von gemeinsame Interesse der Mitgliedstaaten der Europäischen Union eingestuft hatte, wurden die Arbeiten an einem Übereinkommen über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht im Jahre 1998 wieder aufgenommen und führten zu einem von der Europäischen Gruppe für Internationales Privatrecht vorgelegten ersten Entwurf. Durch den Vertrag von Amsterdam vom 2. 10. 1997, 57 der am 1. 5. 1999 in Kraft trat, wurde der Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen vergemeinschaftet. In einem Aktionsplan des Europäischen Rates und der Kommission zur bestmöglichen Umsetzung der Bestimmungen des Amsterdamer Vertrages über den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts 58 wird daran erinnert, dass Rechtssicherheit und gleicher Zugang zum Recht unter anderem eine eindeutige Festlegung des anwendbaren Rechts voraussetzen. Aus diesem Grunde sollte binnen zwei Jahren nach In- 54 55 56 57 58 Vgl. Art. 98 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 vom 20. 12. 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994 Nr. L 11, S. 1) und Art. 89 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1 über Gemeinschaftsgeschmacksmuster. KOM (2003) 46 endg. Konsolidierte Fassung des Übereinkommens unter Berücksichtigung der verschiedenen Beitrittsübereinkommen, Erklärungen und der als Anhang beigefügten Protokolle abgedruckt im ABl. 1998, Nr. C 27, S. 34. ABl. 1997, Nr. C 340 = BGBl. 198 II, 386. ABl. 1999 Nr. C 19, S. 1.

284 Heft 5/6-2003 The European Legal Forum krafttreten des Vertrages neben anderen Maßnahmen ein Rechtsakt betreffend das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ( Rom II ) erstellt werden. Am 3. 5. 2002 leitete die Kommission eine Konsultation aller interessierten Kreise über einen ersten von der Generaldirektion Justiz und Inneres ausgearbeiteten Vorentwurf für eine Verordnung Rom II ein. Diese Konsultation fand ein großes Echo mit rund 80 schriftlichen Beiträgen, die der Kommission aus den Mitgliedstaaten, Hochschulen, Wirtschaftsund Verbraucherverbänden zugingen. Die Konsultationen wurden am 7. 1. 2003 mit einer Anhörung in Brüssel abgeschlossen. Am 22. 7. 2003 hat die Kommission dann den Vorschlag für eine Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vorgelegt, der die eingegangenen Kommentare gebührend berücksichtigt. II. Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Verordnung 1. Sachlicher Anwendungsbereich Die Verordnung soll nach Art. 1 Abs. 1 des Vorschlags für außervertragliche zivil- und handelsrechtliche Schuldverhältnisse gelten, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufwiesen. Die außervertraglichen Schuldverhältnisse lassen sich in zwei große Gruppen einteilen: Schuldverhältnisse aus unerlaubter Handlung und sonstige außervertragliche Schuldverhältnisse. Die zweite Kategorie von außervertraglichen Schuldverhältnissen umfasst die in manchen Rechtsordnungen als quasideliktisch, in anderen auch als quasivertraglich qualifizierten Schuldverhältnisse, insbesondere solche aus ungerechtfertigter Bereicherung und Geschäftsführung ohne Auftrag. Die Trennungslinie zwischen vertraglichen und delkitischen Schuldverhältnissen verläuft freilich nicht in allen Mitgliedstaaten parallel, so dass mitunter zweifelhaft sein kann, ob auf einen bestimmten Rechtsstreit die Kollisionsnormen des Übereinkommens von Rom oder jene der künftigen Verordnung anzuwenden sind. Als Beispiele nennt die Begründung des Vorschlags etwa die culpa in contrahendo oder die sog. action paulienne des französischen Rechts. Zur Lösung dieser schwierigen Qualifikationsfragen im Grenzbereich zwischen Vertrags- und Deliktsrecht ist an die Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs zur Abgrenzung zwischen Art. 5 Nr. 1 und Art. 5 Nr. 3 des Brüsseler Übereinkommens anzuknüpfen. Danach umfasst der Begriff der unerlaubten Handlung nur solche Haftungsansprüche, die nicht an einen Schuldvertrag anknüpfen. 59 Insoweit geht der EuGH freilich von einem engen Begriff des Vertrages aus, der nur Verpflichtungen umfasst, die von dem Schuldner freiwillig eingegangen worden sind. 60 In Übereinstimmung mit dem Brüsseler Übereinkommen und der Verordnung Brüssel I (EuGVO) beschränkt der 59 60 EuGH 22. 3. 1983 34/82 - Martin Peters, Slg. 1983 I, 987. Vgl. zur Produkthaftung EuGH 17. 6. 1992 C-26/91 Jakob Handte, Slg. 1992 I, 3697; zur culpa in contrahendo EuGH 17. 9. 2002 C- 334/00 FOM Tacconi, SpA./. HWS GmbH, EuLF 2002, 306 f. = IPRax 2003, 143 m. Anm. Mankowski 127. Vorschlag den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung auf zivil- und handelsrechtliche Schuldverhältnisse. Auch insoweit knüpft die Verordnung an den vom EuGH zu Art. 1 Abs. 1 des Brüsseler Übereinkommens entwickelten autonomen Begriff der Zivil- und Handelssachen an. 61 Damit soll verdeutlicht werden, dass die EuGVO, das Übereinkommen von Rom und der vorliegende Verordnungsvorschlag eine Paketlösung bilden, durch die das internationale Privatund Verfahrensrecht auf dem Gebiet der zivil- und handelsrechtlichen Schuldverhältnisse in der Europäischen Union umfassend geregelt werden soll. 62 In Art. 1 Abs. 2 des Vorschlags werden gewisse außervertragliche Schuldverhältnisse aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen. Dieser Ausschlusskatalog, der sich an Art. 1 Abs. 2 des Übereinkommens von Rom orientiert, umfasst insbesondere außervertragliche Schuldverhältnisse, die auf einem Familienverhältnis (einschließlich Unterhaltspflichten) beruhen oder sich aus dem ehelichen Güterrecht bzw. Erbrecht ergeben. Nicht anwendbar ist die Verordnung ferner auf außervertragliche Schuldverhältnisse auf dem Gebiet des Wertpapierrechts sowie auf die gesetzliche Haftung der Gesellschafter und Organe für die Schulden einer Gesellschaft sowie auf die Haftung der Buchprüfer. Sowohl Schadensersatz- wie Bereicherungsansprüche, die als Rechtsfolge der Verletzung von Immaterialgüterrechten, z.b. Patenten, Marken- oder Urheberrechten, geltend gemacht werden, fallen demgegenüber eindeutig in den sachlichen Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Verordnung. 2. Allseitige Anwendung Das von der Verordnung bezeichnete Recht ist gemäß Art. 2 des Vorschlags auch dann anzuwenden, wenn es nicht das Recht eines Mitgliedsstaats ist. Damit kommt der Verordnung universaler Charakter in dem Sinne zu, dass ihre Kollisionsnormen das nationale IPR nicht nur insoweit verdrängen, als auf das Recht eines Mitgliedstaats verwiesen wird; sie gelten vielmehr auch dann, wenn das Recht eines Drittstaats zur Anwendung berufen ist, so dass für nationales Kollisionsrecht im sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung kein Raum verbleibt. Mit Inkrafttreten der vorgeschlagenen Verordnung werden daher in Deutschland die erst durch Gesetz vom 21. 5. 1999 63 neu in das EGBGB eingefügten Kollisionsnormen der Art. 38-42 obsolet. Dieser universale Charakter des Verordnungsvorschlags ist aufgrund seiner Komplementarität zur EuGVO nach Ansicht der Kommission für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts unerlässlich, weil nur auf diese Weise Wettbewerbsverzerrungen ausgeschlossen werden können. 64 Zwar unterscheidet die EuGVO nach ihren Art. 2 und 4 grundsätzlich zwischen Fällen, in denen der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat und Fällen, in denen 61 Vgl. EuGH 14. 10. 1970 29/79 - LTU/Eurocontrol, Slg. 1976, 1541/1550, Rn. 3 = NJW 1971, 489 m. Anm. Geimer; EuGH 21. 4. 1993 C-172/91 Sonntag, Weidmann, Slg. 1993 I, 1963 = IPRax 1994, 37 m. Anm. Heß 10. 62 Vgl. den Erwägungsgrund (50) zum Verordnungsvorschlag. 63 BGBl. I S. 1026. 64 Vgl. Erwägungsgrund (6) zum Verordnungsvorschlag.

The European Legal Forum Heft 5/6-2003 285 er in einem Drittstaat ansässig ist. Dieser Grundsatz wird jedoch bereits auf dem Gebiet der internationalen Zuständigkeit in vielfältiger Hinsicht durchbrochen. 65 Ferner gelten die Regeln der EuGVO über das vereinfachte Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren unabhängig davon, ob der Entscheidung des Recht eins Mitgliedstaats oder das Recht eines Drittstaats zugrundegelegt wurde. Da somit die EuGVO keineswegs auf innergemeinschaftliche Sachverhalte beschränkt ist, strebt der Verordnungsvorschlag eine Vereinheitlichung des Kollisionsrechts auch in den Fällen an, in denen der Sachverhalt keine Berührung zu einem weiteren Mitgliedstaat, sondern nur zu einem Drittstaat aufweist. In diesem Zusammenhang verweist die Kommission auch darauf, dass das internationale Privatrecht in der Praxis von Richtern wie Rechtsanwälten als eine besonders komplexe Materie angesehen werde. Diese Schwierigkeiten würden aber noch verstärkt, wenn der Verordnungsvorschlag nur für innergemeinschaftliche Sachverhalte neue Kollisionsnormen einführen würde, die neben die fortgeltenden nationalen Kollisionsnormen in Sachverhalten mit Drittstaatsberührung treten würden. Der universale Charakter der vorgeschlagenen Kollisionsnormen entspricht daher dem Ziel der Verordnung, nämlich Rechtssicherheit und Transparenz auf diesem Gebiet in der Europäischen Union zu stärken. III. Allgemeine Regeln Die allgemeinen Kollisionsregeln zur Bestimmung des anwendbaren Rechts auf außervertragliche Schuldverhältnisse, die ihren Grund in einer unerlaubten Handlung haben, sind in Art. 3 des Verordnungsvorschlags niedergelegt; diese Vorschrift erfasst alle außervertraglichen Schuldverhältnisse aus unerlaubter Handlung, für die in den nachfolgenden Art. 4-8 keine Sonderregeln aufgestellt werden. Bei der Konkretisierung der lex loci delicti commissi hat sich die Kommission einerseits von ihrem Streben nach Rechtssicherheit, andererseits von der Suche nach einem angemessenen Interessenausgleich zwischen Schädiger und Geschädigtem leiten lassen. 1. Lex loci delicti commissi Nach Art. 3 Abs. 1 ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung grundsätzlich das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt oder einzutreten droht. Dies gilt unabhängig davon, in welchem Staat das schädigende Ereignis eintritt und in welchem Staat oder welchen Staaten die indirekten Schadensfolgen festzustellen sind. Damit hat sich der europäische Gesetzgeber in Übereinstimmung mit dem englischen, französischen, niederländischen und Schweizer Recht aber entgegen dem bisherigen deutschen Recht 66 für eine Anknüpfung von Distanzdelikten an den Erfolgsort und gegen eine Anknüpfung an den Handlungsort entschieden. Eine alternative Anknüpfung sowohl an den Handlungs- wie an den Erfolgsort, wie sie der EuGH für 65 Vgl. Art. 22-24 EuGVO. 66 Vgl. Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB. Art. 5 Nr. 3 EuGVO befürwortet, 67 wird zwar den besonderen Anforderungen auf dem Gebiet der internationalen Gerichtszuständigkeit gerecht; sie erlaubt es den Parteien jedoch nicht, das auf eine unerlaubte Handlung anwendbare Recht mit hinreichender Sicherheit vorherzusehen und scheidet deshalb als Lösung für die kollisionsrechtliche Anknüpfung aus. Darüber hinaus verfolgt die Grundregel in Art. 3 Abs. 1 des Verordnungsvorschlags das Ziel, zu einem angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien zu gelangen. Aus diesem Grunde wurde die im deutschen Recht geltende Regelung verworfen, die dem Geschädigten das Recht einräumt, zwischen dem Recht am Handlungsort und dem Recht am Erfolgsort zu wählen. 68 Die Einführung einer solchen am Günstigkeitsprinzip orientierten Lösung würde nach Ansicht der Kommission über die berechtigten Erwartungen des Geschädigten hinausgehen und zudem ein Element der Rechtsunsicherheit einführen. Die Grundregel in Art. 3 Abs. 1 versteht sich damit als Kompromiss zwischen einer Anknüpfung an das für die schadensbegründende Handlung maßgebende Recht einerseits und ein einseitiges Bestimmungsrecht des Geschädigten andererseits. Der Ort oder die Orte, an denen lediglich indirekte Schadensfolgen eintreten, sind hingegen für die Bestimmung des Deliktsstatus nicht maßgebend. Insoweit knüpft der Verordnungsvorschlag ausdrücklich an die Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung von Art. 5 Nr. 3 EuGVO an. 69 Ebenso wenig wie für die internationale Zuständigkeit kommt es daher für die Ermittlung des auf eine unerlaubte Handlung anwendbaren Rechts darauf an, dass der Geschädigte infolge des in einem Staat erlittenen Erstschadens Folgeschäden in anderen Staaten erlitten hat. Art. 3 Abs. 1 erfordert eine objektive Verbindung zwischen dem eingetretenen Schaden und dem anzuwendenden Recht; die Vorschrift entspricht damit der modernen Konzeption der zivilrechtlichen Haftung, die anderes als in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht mehr auf die Bestrafung eines schuldhaften Verhaltens ausgerichtet ist, sondern auch Tatbestände der schuldunabhängigen Gefährdungshaftung einschließt. Die Anwendung der Grundregel kann sich freilich als ungeeignet erweisen, wenn der Sachverhalt nur einen schwachen Bezug zu dem Staat aufweist, in dem der Schaden eingetreten ist. Aus diesem Grund sehen die nachfolgenden Absätze der Vorschrift Sonderanknüpfungen vor. 2. Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts Haben der Schädiger und der Geschädigte zum Zeitpunkt des Schadenseintritt ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat, so unterliegt das außervertragliche Schuldverhältnis nach Art. 3 Abs. 2 des Verordnungsvorschlags dem Recht dieses Staates. Diese Sonderanknüpfung entspricht nicht nur dem deutschen Recht, 70 sondern ist auch im interna- 67 68 69 70 EuGH 30. 11. 1976 21/76 Bier./. Mines de Potasse d Alsaee, Slg. 1976, 1735; dazu näher oben A III. Vgl. Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB. Vgl. EuGH 19. 9. 1995 C-364/93 Marinari/Lloyd s Bank, Slg. 1995 I, 2719; dazu näher oben A III. 1. Vgl. Art. 40 Abs. 2 EGBGB.

286 Heft 5/6-2003 The European Legal Forum tionalen Deliktsrecht der meisten anderen Mitgliedsstaaten als spezielle Kollisionsnorm oder als Konkretisierung der engsten Verbindung durch die Rechtsprechung bekannt. Sie entspricht i.d.r. auch den berechtigten Erwartungen beider Parteien. 3. Ausweichklausel und sekundäre Anknüpfung Nach dem Vorbild von Art. 4 Abs. 5 S. 2 des Übereinkommens von Rom sieht Art. 3 Abs. 3 eine allgemeine Ausweichklausel vor. Danach kann das Gericht im Einzelfall von den starren Kollisionsregeln der Absätze 1 und 2 abweichen, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass das außervertragliche Schuldverhältnis eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat aufweist. Auch diese Regelung findet ihre Entsprechung im geltenden deutschen IPR der außervertraglichen Schuldverhältnisse. 71 Da die Ausweichklausel zu einer gewissen Unsicherheit in Bezug auf das anwendbare Recht führt, soll sie allerdings nur in Ausnahmefällen zum Zuge kommen. Die Erfahrungen mit Art. 4 des Rom-Übereinkommens von 1980 haben gezeigt, dass die Gerichte in manchen Mitgliedstaaten sich über die Vermutungen in Art. 4 Abs. 2-4 dieses Übereinkommens 72 vorschnell hinwegsetzen und das anwendbare Recht nicht ausnahmsweise, sondern als Regel mit Hilfe der Schwerpunktbetrachtung des Art. 4 Abs. 5 ermitteln. Aus diesem Grunde hat die Kommission darauf verzichtet, die Regelanknüpfungen in Art. 3 Abs. 1 und 2 des Verordnungsvorschlags als bloße Vermutungen zu formulieren. Der Ausnahmecharakter der Ausweichklausel in Art. 3 Abs. 3 wird ferner dadurch hervorgehoben, dass ihre Anwendung auf Fälle beschränkt wird, in denen eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat besteht. Regelbeispiel für eine derartige offensichtlich engere Verbindung des außervertraglichen Schuldverhältnisses mit einem anderen Staat ist nach Art. 3 Abs. 3 S. 2 des Vorschlags ein bereits bestehendes Rechtsverhältnis zwischen den Parteien, für das ein von Art. 3 Abs. 1 und 2 abweichendes Recht gilt. Eine akzessorische Anknüpfung des Deliktsstatuts an ein zwischen Schädiger und Geschädigtem bestehendes Rechtsverhältnis erfolgt freilich nicht automatisch, sondern setzt voraus, dass das Gericht im Einzelfall eine hinreichend enge Beziehung zwischen beiden Rechtsverhältnissen feststellt. Als praktisch wichtigsten Anwendungsfall für ein solches Rechtsverhältnis nennt Art. 3 Abs. 3 ausdrücklich einen Vertrag, der mit der unerlaubten Handlung in enger Verbindung steht. Die vertragsakzessorische Anknüpfung unerlaubter Handlungen erlangt insbesondere Bedeutung für Rechtsordnungen, die wie das deutsche Recht eine Kumulierung der vertraglichen und der außervertraglichen Haftung zulassen. Die Formulierung der Ausweichklausel ist jedoch hinreichend offen, um auch vor- oder nachvertragliche Rechtsbeziehungen zu erfassen (z.b. den Abbruch der Vertragsverhandlungen o- der Rechtsbeziehungen, die sich aus der Auflösung eines Vertrages oder eines Familienverhältnisses ergeben). Durch die 71 Vgl. Art. 41 Abs. 1 EGBGB. 72 Vgl. im deutschen Recht Art. 28 Abs. 2-4 EGBGB. akzessorische Anknüpfung des Deliktsstatuts an das jeweilige Vertragsstatut wird eine einheitliche Beurteilung aller Ansprüche erreicht, die aus der Verletzung gleichgelagerter Verhaltenspflichten entspringen. IV. Sonderregeln für die Verletzung der Rechte an geistigem Eigentum 1. Lex loci protectionis In Art. 4-7 enthält der Verordnungsvorschlag spezielle Kollisionsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse auf dem Gebiet der Produkthaftung, des unlauteren Wettbewerbs, der Verletzung der Privatsphäre und der Persönlichkeitsrechte sowie der Umweltschädigung. Darüber hinaus ist abweichend vom Vorentwurf in Art. 8 eine besondere Kollisionsregel für die Verletzung von Rechten an geistigem Eigentum aufgenommen worden. Der Begriff Rechte an geistigem Eigentum umfasst dabei sowohl Urheberrechte, wie verwandte Schutzrechte, Schutzrechte an Datenbanken und gewerbliche Schutzrechte. 73 Die kollisionsrechtliche Behandlung der Rechte an geistigem Eigentum im Rahmen der Verordnung ist bei den von der Kommission organisierten Konsultationen eingehend erörtert worden. Dabei wurde in zahlreichen Beiträgen darauf hingewiesen, dass es in diesem Bereich mit dem bekannten Prinzip der lex loci protectionis bereits eine allgemein anerkannte Kollisionsregel gebe. Die Anknüpfung der Verletzung von Rechten an geistigem Eigentum an das Recht des Landes, in dem der Schutz beansprucht wird, liegt etwa der Berner Übereinkunft von 1886 zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst sowie der Pariser Verbandsübereinkunft von 1883 zum Schutz des gewerblichen Eigentums zugrunde. Nach diesem Schutzlandprinzip, das eng mit dem im Immaterialgüterrecht vorherrschenden Territorialitätsprinzip zusammenhängt, unterliegt die Verletzung eines gewerblichen Schutzrechts dem Recht des Staates, für welches das betreffende Recht begründet, also das Patent erteilt, das Warenzeichen oder Geschmacksmuster eingetragen wurde. Für Urheberrechte gilt das Recht des Landes, in dem die Verletzungshandlung begangen worden ist. Durch diese Lösung wird die Unabhängigkeit der Rechte, die ihr Inhaber in jedem Land genießt, sichergestellt. Die Grundsatzanknüpfung von unerlaubten Handlungen an den Erfolgs- bzw. Schadensort in Art. 3 Abs. 1 des Verordnungsvorschlags wird den besonderen Anforderungen im Bereich der Verletzung von Immaterialgüterrechten nicht gerecht. Um die hier auftretenden Spannungen auszuräumen, wurden bei den Vorarbeiten für den Verordnungsvorschlag zwei unterschiedliche Lösungsansätze diskutiert: Eine Möglichkeit hätte darin bestanden, die Verletzung von Rechten an geistigem Eigentum insgesamt aus dem sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung auszuklammern, und zwar entweder ausdrücklich in Art. 1 oder über Art. 25, nach dem die Anwendung geltender internationaler Übereinkünfte unberührt bleibt. Die Kommission hat sich jedoch schließlich für den zweiten Weg entschieden, nämlich die Einführung einer 73 Vgl. Erwägungsgrund (14) zum Verordnungsvorschlag.

The European Legal Forum Heft 5/6-2003 287 speziellen Kollisionsnorm für die Verletzung von Immaterialgüterrechten in Art. 8. Insoweit bestätigt Art. 8 Abs. 1 zunächst den Grundsatz der lex loci protectionis. Danach ist in Übereinstimmung mit den bestehenden internationalen Übereinkünften auf außervertragliche Schuldverhältnisse, die aus der Verletzung von Rechten an geistigem Eigentum entstanden sind, das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schutz beansprucht wird. 2. Verletzung von gemeinschaftlichen Schutzrechten Demgegenüber enthält Art. 8 Abs. 2 des Verordnungsvorschlags eine besondere Regelung für die Verletzung von gewerblichen Schutzrechten, die wie z.b. Gemeinschaftsmarken, Gemeinschaftsgeschmacksmustern oder das künftige Gemeinschaftspatent, 74 einheitlich für das gesamte Gebiet der Europäischen Gemeinschaft eingeräumt werden. Auf außervertragliche Schuldverhältnisse, die aus der Verletzung eines solchen einheitlichen gewerblichen Schutzrechts entstehen, ist danach unmittelbar das einschlägige Gemeinschaftsrecht anzuwenden. Ergänzend bestimmt Art. 8 Abs. 2 S. 2, dass auf alle Fragen, die im Gemeinschaftsrecht ungeregelt bleiben, das Recht desjenigen Mitgliedstaat anwendbar ist, in dem die Verletzungshandlung begangen worden ist. 3. Ausschluss der Rechtswahl Nach Art. 10 Abs. 1 des Verordnungsvorschlags können die Parteien grundsätzlich nach Eintritt des Ereignisses, durch das ein außervertragliches Schuldverhältnis zwischen ihnen entstanden ist, das Recht wählen, dem es unterliegen soll. Diese Wahl muss ebenso wie im internationalen Vertragsrecht (Art. 3 Abs. 1 Rom-Übereinkommen) entweder ausdrücklich erfolgen oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falles ergeben und darf die Rechte Dritter nicht berühren. Mit der Anerkennung der nachträglichen Rechtswahl folgt der Verordnungsvorschlag den jüngsten Entwicklungen im nationalen IPR der Mitgliedstaaten, die 74 75 Vgl. dazu den Verordnungsvorschlag der Kommission vom 1. 8. 2000, Amtsblatt 2000 Nr. C 337 E. S. 278. Vgl. Art. 6 des niederländischen Gesetzes vom 11. 4. 2001 und Art. 42 EGBGB. von einer Tendenz zur Verstärkung der Parteiautonomie auch im außervertraglichen Schuldrecht gekennzeichnet ist. 75 Auf dem Gebiet des geistigen Eigentums ist für den Grundsatz der Parteiautonomie allerdings kein Raum. Aus diesem Grunde schließt Art. 10 Abs. 1 des Verordnungsvorschlags eine Rechtswahl bei außervertraglichen Schuldverhältnissen, für die Art. 8 maßgebend ist, ausdrücklich aus. Dieser Ausschluss der Rechtswahl auf dem Gebiet der Immaterialgüterrechte ist eine notwendige Folge des Territorialitätsprinzips; den Parteien kann es nicht gestattet sein, als Deliktsstatut etwa das Recht eines Landes zu wählen, in dem das verletzte Recht keinen Schutz genießt. Allerdings besteht kein Bedürfnis, die Parteiautonomie auch bei Verletzungen von Gemeinschaftsrechten vollständig auszuschließen; denn dem Territorialitätsprinzip wird bereits dadurch genügt, dass nur überhaupt das Recht eines Mitgliedstaates zur Anwendung kommt. Ist dies sichergestellt, so besteht für eine weitergehende Einschränkung der Rechtswahlfreiheit keine Notwendigkeit. Verletzt etwa ein Textilfabrikant durch die Produktion und den Vertrieb von Markenjeans in mehreren Mitgliedstaaten eine Gemeinschaftsmarke, so ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum die Parteien daran gehindert sein sollten, für die umfassende Regelung der Verletzungsfolgen das Recht eines dieser Mitgliedstaaten zu wählen. 4. Multi state -Verletzungen Schließlich wäre zu überlegen, ob Art. 8 Abs. 3 nicht durch eine Kollisionsnorm für sog. multi state -Verletzungen von Gemeinschafts-Schutz-Rechten ergänzt werden sollte. In Anlehnung an die Grundsätze der Shevill-Entscheidung des EuGH 76 sollte der Geschädigte die Möglichkeit haben, zumindest an einem Gericht innerhalb der Gemeinschaft seinen gesamten Schaden nach einem Recht zu liquidieren. Als Anknüpfungspunkt bietet sich hierfür das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Schädigers an; auf diese Weise wäre auch der Gleichlauf mit der Gerichtsstandsregel in Art. 2 EuGVO gewährleistet. 76 EuGH 7. 3. 1995 C-68/93 Shevill./. Presse Alliance S.A., Slg. 1995 I, 415; dazu oben A IV. 2. Grenzüberschreitende Verletzungen auf dem Gebiet Europäischer Patente Prof. Dr. Dieter Stauder * ** Nach traditioneller Auffassung hatten die Gerichte des Patentamts des Schutzsstaates grundsätzlich die ausschließliche Gerichtsbarkeit für Patenverletzungen. Die Verletzung des europäischen Patents in mehreren Vertragsstaaten zwang den Patentinhaber in der Regel zu jeweils gesonderten Verletzungsprozessen in den Vertragsstaaten. Seit Beginn der 90-er Jahre zeichnet sich unter Führung der Praxis und Lehre in den Niederlanden eine neue Entwicklung ab, die sich auf EG- Recht stützt. Es geht um die Frage, wann ein Gericht zuständig ist, um über im Ausland begangene Patentverletzungen zu entscheiden. Innerhalb der EU richtet sich die Zuständigkeit für Verletzungsverfahren nach der EU-Verordnung Nr. 44/2001/EG 1 * Leiter der Internationalen Abteilung der CEIPI, Université Robert Schuman, Straßburg; Mitglied des EPA; Prof. associé an der Université Robert Schuman.