Fachjournalismus Expertenwissen professionell vermitteln



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Transkript:

Deutscher Fachjournalisten-Verband (Hg.) Fachjournalismus Expertenwissen professionell vermitteln UVK Verlagsgesellschaft mbh

Praktischer Journalismus Band 58 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. ISSN 1617-3570 ISBN 3-89669-415-4 UVK Verlagsgesellschaft mbh, Konstanz 2004 UVK Verlagsgesellschaft mbh Schützenstr. 24 D-78462 Konstanz Tel.: 07531-9053-0 Fax: 07531-9053-98 www.uvk.de

Victor A. Tiberius / René Teichmann 1.1 Fachjournalismus: Definition und Abgrenzung zum Allround-Journalismus Fachjournalismus ist eine besondere Form des Journalismus. Allein sein rasches Wachstum in den vergangenen fünf Jahren 1 fordert dazu auf, sich näher mit dem Phänomen zu beschäftigen. Der erste Teil des vorliegenden einführenden Beitrags widmet sich einer ausführlichen Begriffsklärung. Dabei nähern wir uns dem Begriff aus verschiedenen Perspektiven: in Bezug auf die Tätigkeit, den Rezipienten sowie den Fachjournalisten selbst und dessen Eigenschaften. Dabei werden wir vier Arten des Fachjournalismus unterscheiden. Der zweite Teil des Beitrags widmet sich der These, dass sich Fachjournalismus tendenziell auf einem Wachstumspfad befindet, während sich der Allround-Journalismus gegenwärtig in einer Krise befindet. Hier wird insbesondere nach Gründen für dessen Krisensituation gesucht. Was ist Fachjournalismus? Dem Begriff nach zu urteilen, ist unter Fachjournalismus zunächst jene besondere Form des Journalismus zu verstehen, der fachlich auf ein bestimmtes Themengebiet spezialisiert ist. Im Umkehrschluss würde das 1 Wie die Studie Wissenschaftsjournalismus der Bertelsmann-Stiftung und der Universität Münster aus 2003 herausgefunden hat, wird der Bedarf an fach- bzw. wissenschaftsjournalistischer Berichterstattung in Zukunft weiter stark ansteigen. UVK Verlagsgesellschaft mbh, Konstanz 2004

16 Fachjournalismus im Überblick bedeuten, dass jede andere Form von Journalismus unspezialisiert bzw. unspezifisch ist. Sie soll daher nachfolgend zur Abgrenzung als Allround-Journalismus bezeichnet werden. So gesehen, liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen Fach- und Allround-Journalismus in seiner inhaltlichen Natur, genauer hängt er vom Grad der inhaltlichen Spezialisierung ab. Diese Überlegung ist jedoch zunächst noch irritierend. Ist nicht jeder Beitrag 2, der veröffentlicht wird, inhaltlich fokussiert? Beiträge, in denen gleichermaßen über die Fußball-Weltmeisterschaft wie auch über neue Erkenntnisse der Biotechnologie berichtet werden, sind kaum vorstellbar und auch alles andere als die Regel. Der Überlegung liegt noch eine konzeptionelle Ungenauigkeit zugrunde: Journalismus wurde als Sache betrachtet. Vielmehr handelt es sich dabei jedoch um eine Tätigkeit. An dieser Stelle kann bereits unterstellt werden, dass im eigentlichen Arbeitsablauf eines Fachjournalisten keine grundlegenden Unterschiede zum Allround-Journalismus bestehen: Beide beginnen mit einer Idee sei sie Ursprung persönlicher Kreativität oder von außen herangetragen, beide nehmen eine Stoffsammlung bzw. Recherche vor und schreiben und redigieren den Beitrag. Selbstverständlich existieren im Detail Unterschiede in den Teilprozessen. In der allgemeinen Tätigkeit im Sinne des Arbeitsprozesses besteht jedoch kein grundsätzlicher Unterschied. Nachdem wir bereits festgestellt haben, dass Journalismus eine Tätigkeit ist, lässt sich unsere Argumentation um einen Punkt ergänzen: Journalismus ist eine Tätigkeit, die von Personen ausgeführt wird. Bestehen folglich personale Unterschiede? Muss die ergänzende Frage also statt Was ist Fachjournalismus? zunächst nicht vielmehr lauten: 2 Im Folgenden wird der Einfachheit halber lediglich vom Schreiben eines Beitrags die Rede sein. Das Gesagte gilt stellvertretend für andere Darstellungsformen in anderen Medien. Analog steht der Leser stellvertretend für andere Rezipienten (Hörer, Zuschauer). Deutscher Fachjournalisten-Verband (Hg), Fachjournalismus

Definition und Abgrenzung zum Allround-Journalismus 17 Wer sind Fachjournalisten? Im Anschluss an das eben Gesagte lässt sich schlussfolgern, dass die fachliche Spezialisierung nicht an das Publizierte, sondern an die Person gebunden ist. Was ist damit gemeint? Wie dargestellt sind journalistische Beiträge als Ergebnis der Tätigkeit Journalismus grundsätzlich fachlich fokussiert, erstrecken sich also in aller Regel nicht auf mehrere voneinander unabhängige Fachgebiete. Fachjournalismus lässt sich also nicht anhand eines einzelnen geschriebenen Beitrags unterscheiden. Oder anders ausgedrückt: Ein Beitrag kann nicht fachjournalistisch oder allround-journalistisch sein. Vielmehr liegt die Unterscheidung in der Person, die regelmäßig Beiträge schreibt. Der Fachjournalist ist hier jemand, der stets über ein oder zumindest wenige verschiedene Fachgebiete schreibt, während der Allround-Journalist prinzipiell über alles schreibt. 3 Nähern wir uns dem Fachjournalismus noch von einer anderen Seite. Die Nachfrage nach Fachjournalismus Die Tätigkeit des Fachjournalisten erfolgt natürlich nicht zum Selbstzweck, sondern hat das Ziel, dass deren Ergebnis rezipiert werden soll. Einfacher ausgedrückt: Ein Beitrag soll gelesen, ein Radio-Feature gehört und eine Fernseh-Dokumentation gesehen und jeweils verstanden werden. Ein (fach-) journalistischer Beitrag richtet sich also an einen Leser. Aus der Marketing-Perspektive muss sich der (Fach-) Journalist demnach die Frage stellen, für wen er seinen Beitrag schreibt und was der Leser inhaltlich nachfragt. Wie sieht also die Nachfrage aus? Die Antwort auf diese Frage ist der Dreh- und Angelpunkt für den Aufstieg des Fachjournalismus: Der ständig wachsende Bedarf nach Wissen in der heutigen Wissensgesellschaft lässt nicht nur den Medienkonsum immens ansteigen, wie immer neue Fachmedien und steigende Leser- und Nutzerzahlen beweisen, sondern steigert insbesondere die Nachfrage nach fachspezifischem Expertenwissen. Dieses Fachwissen fehlt in der Regel bei hauptberuflich täti- 3 Eine Einschränkung wird in Kürze folgen. UVK Verlagsgesellschaft mbh, Konstanz 2004

18 Fachjournalismus im Überblick gen Allround-Journalisten, deren klassische Ausbildung auf Breite und nicht Tiefe ausgerichtet ist. Mit ihrem breit angelegten Allgemeinwissen können sie über viele Bereiche schreiben; ihre Grenzen liegen aber dort, wo ihre Allgemeinbildung endet. 4 Dagegen liegt die hohe fachliche Expertise in den wissensintensiven Berufen: Nur langjährige Experten ihres Wissensgebietes sind in der Lage, ihr fundiertes Wissen neben oder im Rahmen ihres Hauptberufs auch einem interessierten Publikum zu übermitteln. Fachjournalisten haben sich dementsprechend auf ein gegenstands- oder themenbezogenes Fachgebiet spezialisiert und sind Fachleute, die über Probleme und Ergebnisse in ihrem Arbeitsgebiet auch publizieren. Um die im deutschen Sprachgebrauch übliche Unterscheidung zwischen Profi und Amateur zu verwenden: Ein Profi erarbeitet sich sein Fachwissen zunächst im Rahmen seiner Ausbildung und danach lebenslang im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit (Profession). Der Amateur hingegen verlagert seinen Wissenszuwachs auf seine Freizeit; häufig mangelt es ihm an einer vorherigen systematischen Ausbildung in seinem Fachgebiet; sein Interesse hat den Charakter eines Hobbys. Die Wissensbasis des Amateurs muss dennoch nicht der des Profis nachstehen. Beide können prinzipiell Fachjournalisten sein. Die Unterscheidung zwischen Amateur und Profi stellt auf die Wissensherkunft ab. Fachjournalismus fragt jedoch nach der Wissensverwendung. Die Überlegung neben oder im Rahmen ihres Hauptberufs ist noch erklärungsbedürftig: Hohe fachliche Expertise benötigt Zeit, genauer: Der Experte muss sich lange und intensiv mit seinem Themenbzw. Fachgebiet auseinander setzen. Fachjournalismus erfolgt neben dem Hauptberuf, wenn das Publizieren von Fachbeiträgen kein Bestandteil des Hauptberufs ist. Die typischen Aufgabengebiete eines Ingenieurs oder eines Mediziners etwa liegen eindeutig außerhalb der publizistischen Tätigkeit. Die publizistische Tätigkeit erfolgt deshalb nur neben dem Hauptberuf, weil der Aufbau der Wissensbasis eines Experten die Tätigkeit im Hauptberuf erfordert. 4 Hier erfolgt nun die angekündigte Einschränkung dessen, worüber Allround-Journalisten schreiben können. Deutscher Fachjournalisten-Verband (Hg), Fachjournalismus

Definition und Abgrenzung zum Allround-Journalismus 19 Fachjournalismus im Rahmen des Hauptberufs ist dagegen eher eine Ausnahmeerscheinung: Hier ist das Publizieren Bestandteil des Hauptberufs. Die einzige Berufsgruppe, für die dies zutrifft, sind Berufswissenschaftler, also Doktoranden, Habilitanden und Professoren an Hochschulen sowie Wissenschaftler außerhalb des Hochschulbereichs in der staatlichen oder privatwirtschaftlichen Forschung. 5 Wenn Fachjournalisten im Sinne der beruflichen Doppelbetätigung als zweitberufliche Journalisten eingestuft werden, so nur in Abgrenzung zu Hauptberuflern, die ihr Einkommen ausschließlich durch journalistische Tätigkeit erwirtschaften. Weder in quantitativer und selbstverständlich noch weniger in qualitativer Hinsicht stehen Fachjournalisten Allroundern nach. Zwischenfazit: Eine Definition Nach der Annäherung an den Begriff Fachjournalismus aus verschiedenen Richtungen lässt sich als Zwischenfazit eine kurze Definition des Fachjournalisten wie folgt finden: Fachjournalisten sind Menschen, die ihr Expertenwissen neben oder im Rahmen ihres wissensintensiven Hauptberufs journalistisch verwerten. Fachjournalismus wäre nach diesem Verständnis die Tätigkeit eines Fachjournalisten. Arten des Fachjournalismus Fachjournalisten publizieren sowohl in Fach- wie auch in Publikumsmedien. Bei den Fachzeitschriften lassen sich wissenschaftliche und nicht-wissenschaftliche Fachzeitschriften unterscheiden. So unterschiedlich die Medien, deren Leser und deren Fachjournalisten sind, so unterschiedlich sind auch die Arten des Fachjournalismus. Bei dem Versuch, diese unterschiedlichen Arten gegeneinander abzugrenzen, stößt man noch auf ein begriffliches Vakuum. Allein der Begriff Wissenschaftsjournalismus, auf den gleich noch einzugehen sein wird, ist ein inzwischen feststehender Begriff. Für die übrigen Formen des Fachjournalismus haben sich noch keine einheitlichen Bezeichnun- 5 Eine Mittelstellung nehmen wissenschaftliche Gesellschaften wie die Fraunhofer- oder Max-Planck-Gesellschaft ein. UVK Verlagsgesellschaft mbh, Konstanz 2004

20 Fachjournalismus im Überblick gen durchgesetzt. Im Folgenden sollen dafür vier Vorschläge unterbreitet werden: Wissenschaftsjournalismus, wissenschaftlicher Journalismus, wissenschaftliches Publizieren und Fachjournalismus i. e. S. Wissenschaftsjournalismus Winfried Göpfert bezeichnet die Art des Journalismus, die sich mit dem Thema Wissenschaft beschäftigt, in seinem Beitrag in diesem Band als Wissenschaftsjournalismus. Dort finden sich sehr umfassende Ausführungen zu dieser Sparte des Fachjournalismus, so dass an dieser Stelle nur kurz darauf eingegangen werden soll, dass Wissenschaftsjournalismus i. d. R. als Journalismus über Wissenschaft verstanden wird. Hier schreiben Journalisten, die nicht Fachwissenschaftler sind, für Laien. Wissenschaftsjournalisten betreuen zumeist die unterschiedlichsten Fachwissenschaften, hauptsächlich die Naturwissenschaften. So gesehen sind sie nur halb spezialisiert: Sie sind zwar auf das Ressort Wissenschaft fokussiert, sind jedoch keine Experten wie es Fachwissenschaftler wären. Als Medien für den Wissenschaftsjournalismus kommen Publikumszeitschriften und Tageszeitungen in Frage, die über ein Ressort Wissenschaft verfügen. Es gibt auch Publikumszeitschriften, die sich auf das Ressort Wissenschaft spezialisiert haben: P. M., Bild der Wissenschaft und Spektrum der Wissenschaft können hier exemplarisch genannt werden. Wissenschaftlicher Journalismus Wenn Wissenschaftsjournalisten keine Fachwissenschaftler in dem Bereich sind, über den sie schreiben, liegt auf der Hand, dass ihre fachliche Kompetenz deutlich unterhalb der von solchen Wissenschaftlern liegt, die in diesem Bereich forschen und/oder lehren. Wenn es um die wirklich professionelle Vermittlung von Inhalten geht, bietet es sich an, einen Fachwissenschaftler zu Wort kommen zu lassen, der sich nicht nur mit Wissenschaften an sich auskennt, sondern langjähriger Experte in seiner Fachwissenschaft ist. Deutscher Fachjournalisten-Verband (Hg), Fachjournalismus

Definition und Abgrenzung zum Allround-Journalismus 21 Für diese Art des Fachjournalismus sei die Bezeichnung Wissenschaftlicher Journalismus vorgeschlagen. Auf den Namensbestandteil Wissenschaft lässt es sich natürlich nicht verzichten, da auch hier Wissenschaft thematisch im Vordergrund steht. Journalismus deutet im Gegensatz zum Publizieren darauf hin, dass die Zielgruppe aus Laien besteht, also Nicht-Wissenschaftlern, für die die Fachmaterie in allgemein verständliche Sprache übersetzt werden muss. So gesehen unterscheiden sich Wissenschaftsjournalismus und Wissenschaftlicher Journalismus in der Person des Fachjournalisten. Wenn die Wortspielerei erlaubt ist, ist er im ersten Fall eher Fachjournalist, im zweiten Fachjournalist. Anders ausgedrückt sind Wissenschaftsjournalisten den Allroundern sehr nah. Nochmals anders ausgedrückt ist wissenschaftlicher Journalismus im Vergleich zum Wissenschaftsjournalismus die wissenschaftlichere Variante, was sich so auch in der Bezeichnung widerspiegeln soll. Wissenschaftliches Publizieren Wenden sich Fachwissenschaftler an Berufskollegen, mit denen sie eine gemeinsame Sprache sprechen, wird dies als wissenschaftliches Publizieren bezeichnet. Hier ist in erster Linie an wissenschaftliche Publikationen zu denken, also neben Beiträgen in wissenschaftlichen Zeitschriften auch Beiträge in wissenschaftlichen Sammelwerken. Die Abgrenzung zwischen Zeitschrift und Sammelwerk ist nicht ganz eindeutig, da nicht wenige wissenschaftliche Zeitschriften von Format und Aufmachung eher an Bücher erinnern und oftmals auch mit einer ISB- neben einer ISS-Nummer 6 ausgestattet werden. Einen Grenzfall stellen wissenschaftliche Monographien dar. Der Unterschied zu Zeitschriftenund Sammelbandsbeiträgen beschränkt sich allein auf den quantitativen und medialen Aspekt: Das Publizierte ist umfangreicher und erscheint in der Regel in Buchform; der Text ist von einem Autor oder Autorenteam verfasst und besteht nicht aus mehreren voneinander unabhängigen Beiträgen. Bei Buchpublikationen wird der Urheber in 6 Internationale Standard-Buchnummer und Internationale Standard-Seriennummer: unverwechselbare Identifikationsmerkmale für Bücher und Periodika. UVK Verlagsgesellschaft mbh, Konstanz 2004

22 Fachjournalismus im Überblick der Regel als Autor und weniger als Journalist bezeichnet; seine Tätigkeit wird eher mit schreiben und publizieren denn als journalistisch tätig sein bezeichnet, wobei sich der Arbeitsablauf nicht drastisch voneinander unterscheidet. Nicht selten werden die Verfasser von wissenschaftlichen Zeitschriftenbeiträgen umgekehrt jedoch auch als Autoren bezeichnet. Da die Unterscheidung lediglich auf unterschiedliche Medien, nicht aber auf inhaltlich-qualitative Aspekte oder Differenzen im Arbeitsablauf abzielt, steht sie bei unseren Betrachtungen nicht im Vordergrund. Wesentlich ist die Erkenntnis, dass wissenschaftliches Publizieren trotz der begrifflichen Unterscheidung auch als eine Form des Fachjournalismus anzusehen ist. Fachjournalismus im engeren Sinne Die Art des Fachjournalismus, die wir als Fachjournalismus i. e. S. bezeichnen möchten, ähnelt am ehesten dem Wissenschaftlichen Journalismus: Der Kreis der Fachjournalisten setzt sich ebenfalls aus Experten in ihrem Wissensbereich zusammen, der allerdings einem praktischen Lebensbereich, häufig dem Berufsleben entstammt. 7 Idealtypisch ließe sich sagen, dass beim wissenschaftlichen Journalismus eher rein theoretische Themen, im Fall des Fachjournalismus i. e. S. eher praxisorientierte im Vordergrund stehen. 8 Ein Beispiel wäre eine Fachzeitschrift etwa über Callcenter. Die Inhalte der Zeitschrift wenden sich an Praktiker und werden von Praktikern verfasst. Der akademische Anspruch ist wesentlich geringer, liegt häufig bei null. Dennoch handelt es sich um eine Fachzeitschrift, da sich der Interessentenkreis auf Fachleute beschränkt. Es ist auch denkbar, dass Fachjournalisten i. e. S. auch für Fachressorts in Publikumszeitschriften schreiben. Noch dominieren in diesem Medium Allround-Journalisten, die wie ihre Leser Laien in ihren Wissensgebieten sind. Die Ressorts Wirtschaft, Politik, Kultur (bzw. Feuille- 7 Mit gewissem Wohlwollen lassen sich auch andere Lebensbereiche, etwa besondere Hobbys in diesen Bereich fassen. 8 Die Grenzen sind fließend. Häufig erheben auch wissenschaftliche Fachzeitschriften den Anspruch auf Praxisrelevanz. Deutscher Fachjournalisten-Verband (Hg), Fachjournalismus

Definition und Abgrenzung zum Allround-Journalismus 23 ton), Sport etc. werden jedoch zunehmend durch jeweils spezialisierte Fachjournalisten betreut. Fassen wir noch einmal zusammen: Wissenschaftsjournalismus ist mit anderen Worten also Journalismus über Wissenschaft, während wissenschaftliches Publizieren das Recherchieren, Schreiben und Publizieren in der Wissenschaft bezeichnet. Fachjournalismus i. e. S. ist Fachjournalismus, der zwar wissenschaftlich vorgeht, sich jedoch nicht primär an Wissenschaftler wendet. Wissenschaftsjournalisten sind Nicht-Fachwissenschaftler, die für Laien schreiben, während beim wissenschaftlichen Publizieren und beim Wissenschaftlichen Journalismus jeweils Fachwissenschaftler am Werk sind. Fachjournalismus i. w. S. Fachjournalist Leser Medium Fachjournalismus i. e. S. Laie oder Experte Experte (Wissenschaftler oder Nicht- Wissenschaftler) nicht-wissenschaftliche Fachzeitschrift, Publikumszeitschrift mit Fachressort Wissenschaftsjournalismus Laie Kein Fachwissenschaftler Publikumszeitschrift mit Ressort Wissenschaft Wissenschaftlicher Journalismus Laie Fachwissenschaftler Publikumszeitschrift mit Ressort Wissenschaft Wissenschaftliches Publizieren Fachwissenschaftler Fachwissenschaftler Wissenschaftliche Fachzeitschrift Abbildung 1: Arten des Fachjournalismus Wie sich an dieser Nomenklatur zeigt und oben bereits angedeutet wurde, wendet sich Journalismus stets an Nicht-Wissenschaftler, während das Schreiben für Wissenschaftskollegen als Publizieren bezeich- UVK Verlagsgesellschaft mbh, Konstanz 2004

24 Fachjournalismus im Überblick net wird. Nochmals sei jedoch darauf verwiesen, dass in der jeweiligen Tätigkeit jedoch keine grundlegenden Unterschiede bestehen, so dass alle vier Arten des Journalismus unter dem Oberbegriff Fachjournalismus (i. w. S.) subsumiert werden können. Die Überlegungen im Überblick zeigt nochmals Abbildung 1. Ausbildung von Fachjournalisten Fachjournalisten zeichnen sich durch eine fachliche und journalistische Doppelkompetenz aus, bei der erstere i. d. R. dominiert. Die journalistische Weiterbildung wird häufig entweder in komprimierter Form nachgeholt oder erfolgt sogar rein autodidaktisch. In jedem Fall sind Fachjournalisten Menschen, die die Erfordernis des lebenslangen Lernens erkannt haben und aufgrund der beruflichen Tätigkeit selbstgesteuerte Formen des Lernens (z. B. Fernstudium 9 oder Lektüre von Fachbüchern) bevorzugen. Halbwertszeit von Beiträgen Ein interessanter Aspekt zur Abgrenzung zwischen Allround- und Fachjournalismus ist weiterhin die Geltungsdauer des Publizierten: Die von Fachjournalisten vermittelten Inhalte sind ebenso aktuell, ihre Halbwertszeit ist jedoch höher als bei Allround-Journalisten. Oder anders ausgedrückt: Im Allround-Journalismus gibt es die Redensart: Nichts ist älter als die Zeitung von gestern. Bei fachjournalistischen Inhalten ist dies in der Regel nicht der Fall; hier können Inhalte noch Monate, manchmal noch Jahre später aktuell sein und nachgelesen, ggf. sogar zitiert werden. Umgekehrt basieren fachjournalistische Beiträge oftmals auch auf bestehendem Wissen, das nicht unbedingt hochaktuell sein muss. Vielleicht kann man es so auf einen Punkt bringen: Allround-Journalisten berichten ausschließlich über Neuigkeiten, Fachjournalisten über Erkenntnisse, die zwar auch neu sein können, aber nicht neu sein müssen. 9 Der Deutsche Fachjournalisten-Verband e. V. hat daher ab 2004 ein weiterbildendes Fernstudium für Fachjournalisten konzipiert, in der die journalistische Kompetenz komprimiert vermittelt wird. Deutscher Fachjournalisten-Verband (Hg), Fachjournalismus

Definition und Abgrenzung zum Allround-Journalismus 25 Rezipienteninteressen Eng mit den beiden vorgenannten Überlegungen hängt das Interesse der Leser zusammen. Gemeint ist damit das Motiv, den Beitrag zu lesen. So lässt sich im Falle des Fachjournalismus i. e. S. oder des wissenschaftlichen Publizierens die Wahrscheinlichkeit, dass der Leser Berufsinteressen beim Lesen des Beitrags verfolgt, als hoch einstufen. Im ersten Fall ist das Wissen für den Beruf gedacht, im zweiten Fall stellt das Fachwissen den Gegenstand des Berufs dar. Immerhin ist der Beitrag von einem Experten geschrieben und wendet sich an Experten. Im Fall des Allround-, Wissenschafts- oder wissenschaftlichen Journalismus wendet sich der Text an Laien, die sich aus unterschiedlichsten Gründen in ein neues Themengebiet einarbeiten wollen oder müssen. Häufig spielt der Aspekt des Edutainment eine Rolle, der auf Grundlage eines initialen Interesses gleichzeitig den Aspekt der Information, Weiterbildung und Unterhaltung aufgreift oder anspricht. Ein allround-journalistischer Text muss gezwungenermaßen thematisch an der Oberfläche bleiben. Wer heute über Sport, morgen über Politik schreibt, kann schlicht nicht tief in die Materie eindringen. Ähnlich muss auch das Interesse des Lesers gelagert sein: Er muss sich mit oberflächlichem Wissen zufrieden geben. Er möchte über das aktuelle gesellschaftliche Tagesgeschehen, also das Aktuelle aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport zusammengefasst bekommen. Sein Interesse ließe sich als Bürgerinteresse bezeichnen. Abbildung 2 gibt einen Überblick über die Unterschiede zwischen den beiden Journalismus-Formen. UVK Verlagsgesellschaft mbh, Konstanz 2004

26 Fachjournalismus im Überblick Ausbildung Wissensbasis Journalistische Tätigkeit Einkommen Medien Interesse der Rezipienten Inhaltliche Aktualität Darstellungsformen Informationsverarbeitung Allround-Journalist ausschließliche Journalisten-Ausbildung (einfache Kompetenz) breit, allgemein (Allgemeinwissen) Fachjournalist Ausbildung in einem wissensintensiven Beruf, komprimierte journalistische Weiterbildung (Doppelkompetenz) tief, spezialisiert auf Gegenstand oder Thema (Expertenwissen) hauptberuflich zweitberuflich, d. h. neben oder im Rahmen des Hauptberufs Gehalt (Redakteur) oder Honorar (Freier) Publikumsmedien in allen Ressorts Bürgerinteresse kurzfristig (täglich/ wöchentlich) informations- und meinungsbezogen nacherzählen, zusammenfassen Gehalt (im Hauptberuf) und Honorar (Fachjournalist) Wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Fachmedien und Publikumsmedien Berufsinteresse oder Edutainment bei Wissenschaftsjournalismus oder wissenschaftlichem Journalismus mittel- und langfristig Hauptsächlich informationsbezogen komprimiert erklären, interpretieren Abbildung 2: Unterschiede zwischen Allround- und Fachjournalisten Deutscher Fachjournalisten-Verband (Hg), Fachjournalismus

Definition und Abgrenzung zum Allround-Journalismus 27 Erfolg des Fachjournalismus und Krise des Allround-Journalismus Der Erfolg des Fachjournalismus wurde im ersten Teil auf die gestiegene und weiter steigende Nachfrage nach fachspezifischem Expertenwissen in der Wissens- bzw. Wissenschaftsgesellschaft zurückgeführt. Doch allein hierin lässt sich die Krise des Allround-Journalismus nicht begründen. Worin liegen also dessen Gründe? Krise des Allround-Journalismus Zwar ist die Nachfrage nach journalistischer Ausbildung und nach dem Einstieg in den Beruf Journalismus nach wie vor unter jungen Menschen, insbesondere Abiturienten und Hochschulabsolventen ungebrochen hoch oder anders ausgedrückt: Journalist ist nach wie vor einer der beliebtesten Berufe. Auf der anderen Seite jedoch haben Entlassungswellen aufgrund von Strukturveränderungen in den vergangenen Jahren zu einer Journalisten-Arbeitslosigkeit geführt, wie es sie in Deutschland weder absolut noch relativ gegeben hat. Statt sich mit der Arbeitslosigkeit abzufinden, ist die zweite Reaktion auf Entlassungen die Flucht nach vorn, genauer: sich als Ex-Redakteur selbstständig zu machen oder im Fachjargon: Freier zu werden. Freie Journalisten arbeiten allein oder in Redaktionsbüros und bieten ihre nicht selten auf Eigeninitiative beruhenden Storys verschiedenen Redaktionen an. Es besteht das übliche Marktrisiko, dass nämlich ggf. keine Nachfrage besteht. Zumindest bedeutet der Wandel vom Redakteur zum Freien eine erhebliche persönliche Umstellung, die häufig als drastische Verschlechterung wahrgenommen wird. Eine Sondergruppe stellen feste Freie dar. Sie arbeiten nur für eine Redaktion, nicht selten den ehemaligen Arbeitgeber. Der Unterschied ist, dass sie keinen festen Arbeitsvertrag mehr haben, und sie anstelle eines festen Gehalts nun ein schwankendes, meist aber deutlich niedrigeres Honorar erhalten. Die Krise zeigt sich nicht nur auf dem Arbeitsmarkt. Abzulesen sind die Trends auch im Mitgliederschwund bei herkömmlichen Journalis- UVK Verlagsgesellschaft mbh, Konstanz 2004

28 Fachjournalismus im Überblick tengewerkschaften bei gleichzeitigem Wachstum der fachjournalistischen Verbände. Gründe für die Krise des Allround-Journalismus Das häufigste Argument für die Krise des Journalismus ist die Gleichstellung mit der Krise der Medienwirtschaft. Genauer betrachtet steckt hinter dieser Argumentation der Einbruch der Werbeeinnahmen in konjunkturell schwachen Zeiten. Aufgrund dieser besteht seitens der Medienunternehmen die Erfordernis der Kostensenkung, die hauptsächlich den Produktionsfaktor Arbeit, d. h. die Journalisten trifft. Die Rezession muss bekanntermaßen auch für andere Branchen als schwarzer Peter hinhalten und dient allzu häufig wider besseres Wissen als Entschuldigung. Doch ist das alles? Wäre die schwache Konjunktur alleinige Ursache für die Krise des Allround-Journalismus, hätte der Arbeitsmarkt für Journalisten in den vergangenen Jahrzehnten bereits mehrmals einbrechen müssen, was jedoch in solcher Schärfe bisher nicht empirisch zu beobachten war. Es lohnt sich, den Markt für das eigentliche Produkt Journalismus näher zu betrachten: Allround-Journalismus berichtet hauptsächlich über Themen von grundsätzlichem Interesse. Dieses lässt sich (wie oben) auch als Bürgerinteresse bezeichnen. Es geht hier um das Informiertsein und Mitredenkönnen über aktuelle Neuigkeiten. Typische Gebiete sind hier Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport. 10 Das mediale Angebot zur Befriedigung dieses Interesses ist umfassend, etabliert und hat in den vergangenen Jahren auch zu Konzentrationserscheinungen geführt. Mit anderen Worten: Die Nachfrage seitens der Rezipienten bzw. Medienkonsumenten ist bestenfalls stabil. Es ließe sich auch vermuten, dass die Nachfrage nach medial verbreitetem Allroundwissen sogar rückläufig ist: Wie bereits erläutert, steigt in der Wissensgesellschaft insbesondere die Nachfrage nach Fachwissen. Die Entwicklung der Titelanzahl von wissenschaftlichen und popu- 10 Wobei auch in diesen Bereichen ernsthafter Fachjournalismus denkbar ist und praktiziert wird, wenn er über das Nacherzählen tagesaktueller Geschehnisse hinausgeht (s. o). Deutscher Fachjournalisten-Verband (Hg), Fachjournalismus

Definition und Abgrenzung zum Allround-Journalismus 29 lärwissenschaftlichen Fachzeitschriften in den letzten zwei Jahrzehnten belegt dies. Nimmt man nun zugegeben etwas modellhaft 11 an, dass der Medienkonsum konstant ist 12, geht der Nachfrageanstieg nach Fachwissen mit dem Nachfrageausfall nach Allroundwissen einher. Dies wiederum wirkt sich auf der Produktionsseite aus, sodass der Fachjournalismus in der Wissensgesellschaft den Allround- Journalismus verdrängt. Derart mechanisch und idealtypisch ist dieser Crowding-Out-Effekt in der Realität sicherlich nicht zu beobachten, zumal wir zwar heute von einer Informationsüberflutung sprechen, diese aber hauptsächlich auf einen Mangel an Ordnung bzw. Strukturierung der Informationen, nicht aber auf ihre Fülle zurückzuführen ist. Festzuhalten bleibt jedoch, dass die Nachfrage nach Allroundwissen und damit nach Allround-Journalismus bestenfalls konstant bleibt (wenn nicht sogar zurückgeht), während die Nachfrage nach fachspezifischem Expertenwissen und damit nach Fachjournalismus steigt. Die bereits angesprochenen Kostensenkungsbestrebungen der Medienunternehmungen haben in den vergangenen Jahren zu einem Phänomen geführt, das sich als Zentralisation von Redaktionen beschreiben ließe. Gemeint ist damit die Zusammenlegung etwa von mehreren Redaktionen kleinerer regionaler Zeitungen, um Personalkosten zu sparen. Anders ausgedrückt: Nachrichten werden zentral geschrieben und dann in unterschiedlichen Zeitschriften wörtlich oder nur mit marginalen Änderungen abgedruckt. Der Nachteil liegt auf der Hand: lokale Geschehnisse, die zwar objektiv betrachtet kaum erwähnenswert erscheinen, für den Leser dennoch schon wegen der Ortsgebundenheit (Stichwort: Kommunitarismus) einen hohen Wert darstellen, finden keinen Eingang mehr in das Lokalblatt. Das Blatt verliert seinen lokalen Bezug und damit ein wesentliches Qualitätskriterium. Dass es dadurch Leser verliert, liegt auf der Hand. Den Medienunternehmen ist mit der Zentralisation von Lokalredaktionen zwar die Kosten-, leider aber auch 11 In der Volkswirtschaftslehre ist es üblich, dass zur Beobachtung von zwei wahrscheinlich kausal verknüpften Variablen alle übrigen Variablen konstant gesetzt werden ( ceteris paribus ). 12 Die menschliche Informationsverarbeitung ist nach Aussagen der kognitiven Psychologie begrenzt. UVK Verlagsgesellschaft mbh, Konstanz 2004

30 Fachjournalismus im Überblick die Auflagen- und damit Umsatzsenkung gelungen, wodurch wiederum weitere Kostensenkungen erforderlich werden. Die Auswirkungen dieser nun langsam wieder rückgängig gemachten Entwicklung sind nicht zu unterschätzen und stellen personell gesehen einen doppelten Rückschlag für Allround-Journalisten dar. 1) Gesamtwirtschaftliche Rezession sinkende Werbeeinnahmen der Medien Kostensenkungserfordernis bei den Medienunternehmen Entlassungen von Journalisten 2) Nachfrageverschiebung von Allround- zum Fachjournalismus seitens der Rezipienten bzw. Medienkonsumenten 3) Qualitätseinbußen insbesondere beim Lokaljournalismus durch Redaktionszentralisation. Abbildung 3: Gründe für die Krise des Allround-Journalismus Mittelfristig ist zu erwarten, dass die Gründe 1 und 3 an Bedeutung verlieren, wenn eine konjunkturelle Wiederbelebung stattfindet und Managementfehler beseitigt werden. In Bezug auf den zweiten, im Rahmen dieses Beitrags sicherlich wesentlichen Grund kann vermutet werden, dass sich die Rolle des Fachjournalismus weiter ausdehnen wird. Insbesondere in den Fachressorts der Publikumszeitschriften steckt noch ein erhebliches Potenzial der fachlichen Professionalisierung, die durch den Allround-Journalismus schlicht nicht geleistet werden kann. Deutscher Fachjournalisten-Verband (Hg), Fachjournalismus