Grundlagen der Betriebsratsarbeit



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Grundlagen der Betriebsratsarbeit Workshop für (Ersatz-)BetriebsrätInnen und KandidatInnen von BR alternativ Wien, Jänner/Februar 2011 1

Inhalt Rechtsstellung der BR-Mitglieder Grundsätze der Mandatsausübung, Freizeitgewährung, Freistellung, Kündigungs- und Entlassungsschutz, Bildungsfreistellung Pflichten des BRs Mittel der Mitbestimmung Informations-, Überwachungs-, Beratungs-, Interventionsrecht Betriebsvereinbarung Gebiete der Mitbestimmung soziale, personelle, wirtschaftliche Angelegenheiten, per Gesetz Betriebsratswahl 2

Gegensatz der Interessen In unserer Gesellschaftsordnung besteht ein grundsätzlicher Interessensgegensatz zwischen Kapital und Arbeit: Kapital Die KapitalseignerInnen oder VerwalterInnen haben Interesse daran, das Kapital zu vergrößern oder zumindest zu erhalten, d.h. die Kosten der Produktion möglichst niedrig zu halten. Arbeit Die Interessen der Arbeitenden zielen darauf ab, ihr Arbeitseinkommen zu erhöhen oder zumindest ihre Kaufkraft zu erhalten und gleichzeitig ihren Input, d.h. die Verausgabung ihrer Arbeitskraft, zu begrenzen. Diese unterschiedlichen Interessen haben Konflikte zur Folge. Das Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) ist das elementare Gesetz, um den grundsätzlichen Interessenskonflikt zwischen Arbeit und Kapital abzufedern. Der Interessensgegensatz zwischen Arbeit und Kapital kann zwar nicht durch das ArbVG überwunden werden, aber die Austragung dieser Gegensätze kann in geordnete Bahnen gelenkt werden. 3

Rechtsstellung der Betriebsratsmitglieder 115 bis 122 ArbVG Von den Aufgaben und Befugnissen, die der gesamten ArbeitnehmerInnenschaft zustehen und in erster Linie vom Betriebsrat (als Kollegialorgan) ausgeübt werden, sind die Rechte und Pflichten der einzelnen Betriebsratsmitglieder zu unterscheiden. Das Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) stellt Grundsätze für die Ausübung des Betriebsratsmandats auf und enthält eine Reihe von Bestimmungen, die dem einzelnen Betriebsratsmitglied die wirksame Ausübung seiner Funktion ermöglichen. 4

Grundsätze der Mandatsausübung Das Betriebsratsmandat ist ein Ehrenamt, das im Allgemeinen neben den Berufspflichten auszuüben ist. Barauslagen, die den Betriebsratsmitgliedern erwachsen, sind ihnen aus dem Betriebsratsfonds zu ersetzen. Andere finanzielle Ansprüche bestehen weder gegenüber dem/der BetriebsinhaberIn noch gegenüber dem Betriebsratsfonds. Ist das Betriebsratsmitglied aber von der Arbeitsleistung freigestellt, so hat es Anspruch auf Weiterzahlung seines Entgelts. 5

Grundsätze der Mandatsausübung Das Betriebsratsmandat ist ein freies Mandat. Die Betriebsratsmitglieder sind bei Ausübung ihrer Tätigkeit an keinerlei Weisungen gebunden, weder seitens des Betriebsinhabers/der Betriebsinhaberin noch seitens der ArbeitnehmerInnen. Sie sind bloß gegenüber der Betriebsversammlung verantwortlich, durch die nur der gesamte Betriebsrat, nicht jedoch das einzelne Betriebsratsmitglied, von seiner Funktion enthoben werden könnte. Diese Verantwortlichkeit kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass der Betriebsrat der Betriebsversammlung regelmäßig über seine Tätigkeit zu berichten hat. Trotz des Grundsatzes der freien Mandatsausübung sind aber die Betriebsratsbeschlüsse einzuhalten und durchzuführen. 6

Grundsätze der Mandatsausübung Neben der allgemeinen Vorschrift, dass die ArbeitnehmerInnen in der Ausübung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse nicht beschränkt und aus diesem Grund nicht benachteiligt werden dürfen ( 37 ArbVG), gilt für die Mitglieder des Betriebsrats ein besonderes Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot. Sie dürfen einerseits in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht beschränkt werden, andererseits darf diese Tätigkeit als BelegschaftsvertreterIn den Betriebsratsmitgliedern, insbesondere hinsichtlich des Entgelts und der Aufstiegsmöglichkeiten, nicht zum Nachteil gereichen. Der Hinweis auf das Entgelt und die Aufstiegsmöglichkeiten bedeutet, dass vor allem auch von der Arbeitsleistung freigestellte Betriebsratsmitglieder bezüglich der Bezahlung und ihrer beruflichen Entwicklung nicht schlechter behandelt werden dürfen als andere vergleichbare ArbeitnehmerInnen. 7

Grundsätze der Mandatsausübung Auch hinsichtlich der Versetzung eines Betriebsratsmitglieds kommt dieses Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot zum Tragen. So ist z. B. eine Versetzung in einen anderen Betrieb, die den Verlust der zu betreuenden ArbeitnehmerInnen zur Folge hätte, grundsätzlich unzulässig, weil dadurch die weitere Ausübung des Betriebsratsmandats zur Gänze erschwert oder unmöglich würde. Im Übrigen gilt auch für Betriebsratsmitglieder der allgemeine Versetzungsschutz gemäß 101 ArbVG. Betriebsratsmitglieder genießen somit einen doppelten Versetzungsschutz. Das Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot ist auf Kündigungen und Entlassungen von Betriebsratsmitgliedern nicht anwendbar. Das ergibt sich daraus, dass diese Materie in 120 ff separat und speziell geregelt ist. 8

Grundsätze der Mandatsausübung Die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Betriebsrats unterliegen einer besonders hervorgehobenen gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht. Diese bezieht sich aber nicht auf alle vom/von der BetriebsinhaberIn als geheim oder vertraulich bezeichneten Angelegenheiten, sondern nur auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die ihnen in Ausübung ihres Amtes bekannt geworden sind. Insbesondere über die ihnen als geheim bezeichneten technischen Einrichtungen, Verfahren und Eigentümlichkeiten des Betriebes haben sie Verschwiegenheit zu bewahren. Werden im Zuge der Mitwirkung in personellen Angelegenheiten (z. B. durch Einsicht in Gehaltslisten oder den Personalakt) Mitgliedern des Betriebsrats persönliche Verhältnisse oder Angelegenheiten von ArbeitnehmerInnen bekannt, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, so haben sie hierüber ebenfalls Verschwiegenheit zu bewahren. Die solcherart erlangten und als vertraulich einzustufenden Informationen dürfen weder an außenstehende Personen noch an die übrigen ArbeitnehmerInnen weitergegeben werden. Zulässig ist jedoch grundsätzlich der Informationsaustausch innerhalb des Belegschaftsorgans selbst. In jedem Fall ist aber zu berücksichtigen, dass der Betriebsrat die Interessen der ArbeitnehmerInnen zu vertreten hat und zur Erfüllung dieser Aufgabe Information und Beratung in verschiedener Form notwendig ist. 9

Grundsätze der Mandatsausübung Verletzt ein/e BelegschaftsvertreterIn diese Verschwiegenheitspflicht, so könnte dies einen Entlassungsgrund im Sinne des 122 Abs 1 Z 4 ArbVG darstellen. Das Arbeits- und Sozialgericht muss jedoch die Zustimmung zur Entlassung verweigern, wenn das Betriebsratsmitglied in Ausübung seines Mandats als VertreterIn der ArbeitnehmerInneninteressen gehandelt hat und sein/ihr Verhalten unter Abwägung aller Umstände entschuldbar war. Eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht kann auch von der zuständigen Verwaltungsbehörde auf Antrag des Betriebsinhabers/der inhaberin als Verwaltungsübertretung geahndet werden (siehe 160 Abs 1 und 2 ArbVG). 10

Freizeitgewährung ( 116 ArbVG) Den Mitgliedern des Betriebsrates ist, unbeschadet einer Bildungsfreistellung nach 118 ArbVG, die zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten (z. B. für Betriebsratssitzungen oder die Teilnahme an einer Betriebsversammlung bzw. einem arbeitsgerichtlichen Verfahren) erforderliche Freizeit unter Fortzahlung des Entgeltes zu gewähren. Das Betriebsratsmitglied ist nicht verpflichtet, dem/der BetriebsinhaberIn Rechenschaft über die Verwendung dieser Freizeit zu geben. Der/Die BetriebsinhaberIn muss nur die Möglichkeit haben zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Freizeit für die Erfüllung der Betriebsratsaufgaben gegeben sind. Demnach hat das Betriebsratsmitglied zumindest in groben Zügen mitzuteilen, zu welchem Zweck die Freizeit in Anspruch genommen wird und wie lange die Arbeitsverhinderung voraussichtlich dauern wird. Diese Information hat tunlichst im Vorhinein zu erfolgen. 11

Freizeitgewährung Eine ausdrückliche Bewilligung durch den/die BetriebsinhaberIn ist jedenfalls nicht erforderlich. Dieser Freizeitanspruch zur Erfüllung der allgemeinen Obliegenheiten besteht auch dann, wenn ein anderes Betriebsratsmitglied von der Arbeit völlig freigestellt ist. Im Streitfall kann das Arbeits- und Sozialgericht sowohl zur Feststellung des Anspruchs auf Freizeitgewährung als auch gegebenenfalls zur Durchsetzung des Entgelts wenn der/die BetriebsinhaberIn die Zahlung verweigert angerufen werden. Die Höhe der Entgeltfortzahlung während der Freistellung richtet sich nach dem Ausfallprinzip. Es ist dem Betriebsratsmitglied jenes Entgelt zu ersetzen, das ihm gebührt hätte, wenn keine Arbeitsverhinderung eingetreten wäre. Bei leistungsbezogenen Prämien oder Entgelten (z. B. Überstunden, Zulagen in wechselnder Höhe) ist der Durchschnitt der letzten voll gearbeiteten 13 Wochen zu berücksichtigen. 12

Freistellung ( 117 ArbVG) Unter bestimmten Voraussetzungen sieht das Gesetz eine völlige Freistellung des Betriebsrats von der Arbeitspflicht vor. Auf Antrag des Betriebsrats ist in Betrieben mit mehr als 150 ArbeitnehmerInnen ein Betriebsratsmitglied, mit mehr als 700 ArbeitnehmerInnen zwei Betriebsratsmitglieder, mit mehr als 3.000 ArbeitnehmerInnen drei Betriebsratsmitglieder für je weitere 3.000 ArbeitnehmerInnen ein weiteres Betriebsratsmitglied von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung des Entgelts freizustellen. In Betrieben, in denen getrennte Betriebsräte der Arbeiter und Angestellten zu wählen sind, gelten die angeführten Zahlen für die betreffenden ArbeitnehmerInnengruppen. 13

Freistellung ( 117 ArbVG) Wenn in einem Unternehmen mehr als 400 ArbeitnehmerInnen beschäftigt sind, jedoch ein Freistellungsanspruch wegen zu geringer ArbeitnehmerInnenzahlen in den einzelnen Betrieben nicht gegeben ist, ist auf Antrag des Zentralbetriebsrates ein Mitglied desselben unter Fortzahlung des Entgelts von der Arbeitsleistung freizustellen. Ist in einem Konzern mit mehr als 400 ArbeitnehmerInnen eine Konzernvertretung errichtet und eine Freistellung des Betriebsrats weder im Betrieb noch im Unternehmen möglich, so kann die Konzernvertretung beschließen, dass ein in der Konzernvertretung vertretener Betriebsrat (Zentralbetriebsrat) für eines seiner Mitglieder die Freistellung von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung des Entgelts in Anspruch nehmen kann. 14

Freistellung ( 117 ArbVG) Entscheidend für den Freistellungsanspruch ist die Beschäftigtenzahl zur Zeit der Antragstellung. Durch ein dauerndes oder längere Zeit anhaltendes Absinken der Beschäftigtenzahl unter die erforderliche Grenze geht der Freistellungsanspruch verloren. Ein bloß vorübergehendes oder geringfügiges Absinken beeinflusst den Freistellungsanspruch hingegen nicht. Sinkt im Zuge einer rechtlichen Verselbstständigung die Anzahl der ArbeitnehmerInnen unter die für den Freistellungsanspruch erforderliche Anzahl, so bleibt die Freistellung bis zum Ablauf der Tätigkeitsdauer des Betriebsrates, dem der/die Freigestellte angehört, aufrecht. Die Freistellung endet jedoch, wenn ein Betriebsratsmitglied auf Grund des speziellen Freistellungsanspruches in Konzernen freigestellt wird. Wenn die erforderliche Anzahl von Beschäftigten gegeben ist, ist dem Antrag auf Freistellung von der Arbeitsleistung stattzugeben. Eine Prüfung, wieweit diese Freizeit tatsächlich zur Erfüllung der betriebsrätlichen Aufgaben erforderlich ist, hat nicht durchgeführt zu werden. 15

Qualifikation: Aus- und Weiterbildung, Bildungsfreistellung Bedeutung der Weiterbildung für BetriebsrätInnen Betriebsratsmitglieder haben gegenüber ArbeitgeberInnen eine schlechtere Ausgangsposition. Denn sie müssen sich das Wissen für ihre Arbeit nach und nach aneignen, während ArbeitgeberInnen und MitarbeiterInnen des Managements jahrelang für ihre Tätigkeit qualifiziert wurden und auch Gelegenheit zur Weiterbildung erhalten. Niemand wird parallel dazu zum Betriebsrat ausgebildet. Obwohl für die praktische Arbeit eine Reihe spezifischer Fähigkeiten notwendig sind. Die Mitglieder des Betriebsrats müssen die rechtlichen Möglichkeiten kennen lernen und sich in der betrieblichen Praxis damit vertraut machen. Der Besuch von BetriebsrätInnenseminaren ist unverzichtbar, um gegenüber dem/der ArbeitgeberIn effektive Durchsetzungsstrategien entwickeln zu können. Daher hat jedes Betriebsratsmitglied Anspruch auf Bildungsfreistellung unter Fortzahlung des Entgelts ( 118 ArbVG). 16

Qualifikation: Aus- und Weiterbildung, Bildungsfreistellung Dauer der Bildungsfreistellung 118 Abs.1 ArbVG legt fest: Der Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung für Schulungs- und Bildungsveranstaltungen beträgt maximal 3 Wochen innerhalb einer Funktionsperiode unter Fortzahlung des Entgelts. Der/die ArbeitgeberIn muss auch die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen von zusammenhängender mehrtägiger Dauer gewähren, wenn die Schulungen von einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft der ArbeitnehmerInnen oder der ArbeitgeberInnen veranstaltet werden oder von diesen übereinstimmend als geeignet anerkannt werden ( 33 Abs.1 BRGO). Verlängerte Bildungsfreistellung Die Bildungsfreistellung kann in Ausnahmefällen auf bis zu 5 Wochen ausgedehnt werden. Dieses Interesse muss allerdings gerechtfertigt sein ( 118 Abs.2 ArbVG sowie 33 Abs.4 BRGO). Aus der Praxis: Eine Ausbildung in Arbeitstechnik und Unfallschutz kann z.b. eine verlängerte Bildungsfreistellung rechtfertigen. Spezielles Interesse im Bereich der Datenverarbeitung wird vor allem dann die verlängerte Bildungsfreistellung rechtfertigen, wenn im Betrieb EDV-Einrichtungen bestehen, bezüglich derer der Betriebsrat ein Überwachungs- und Informationsrecht hat. 17

Qualifikation: Aus- und Weiterbildung, Bildungsfreistellung Sonderregeln für große Betriebe Betriebe über 200 MitarbeiterInnen: In Betrieben mit mehr als 200 ArbeitnehmerInnen kann der Betriebsrat zusätzlich zur normalen Bildungsfreistellung (nach 118 ArbVG) beantragen, dass ein weiteres Betriebsratsmitglied für Schulungs- und Bildungsveranstaltungen bis maximal ein Jahr gegen Entfall des Entgeltes freigestellt wird ( 119 Abs. 1 ArbVG). Antrag für Bildungsfreistellung Das Mitglied des Betriebsrats, welches eine Bildungsfreistellung in Anspruch nimmt, muss an den/die BetriebsinhaberIn einen schriftlichen Antrag stellen. Aus diesem Antrag muss die Art, der Gegenstand, der Beginn und die Dauer der Veranstaltung, sowie die in Aussicht gestellte Teilnahme hervorgehen ( 33 Abs. 2 BRGO). Ebenso ist der Antrag auf erweiterte Bildungsfreistellung gemäß 119 ArbVG vom Betriebsrat bei der oder dem BetriebsinhaberIn zu stellen ( 34 BRGO). Der Betriebsrat hat den/die BetriebsinhaberIn spätestens 4 Wochen vor der gewünschten Freistellung zu informieren ( 33 Abs. 5 BRGO). Innerhalb von 10 Tagen ab Erhalt der Verständigung muss über die Freistellung beraten werden ( 33 Abs. 6 BRGO). Kommt es zwischen Betriebsratsmitglied und BetriebsinhaberIn zu keiner Einigung, so entscheidet das Gericht ( 33 Abs. 7 BRGO). 18

Schutz u. Rechte d. Betriebsrats: Kündigungsschutz Bei der Ausübung des Amtes kann es leicht zu Konflikten kommen. Daher stellt das Gesetz Betriebsratsmitglieder unter besonderen Schutz. 120 Abs.1 ArbVG legt fest, dass die Mitglieder des Betriebsrates nur mit Zustimmung des Gerichts gekündigt oder entlassen werden können. 19

Kündigungsschutz: Gründe für erlaubte Kündigung eines Betriebsratsmitglieds 121 Abs. 1-3 ArbVG führt jene Fälle an, bei denen das Gericht der Kündigung trotz der besonderen Schutzbedürftigkeit (nach 120 ArbVG) zustimmen darf: Dauernde Betriebseinstellung oder Einschränkung Der Betrieb wird dauernd eingestellt oder eingeschränkt oder einzelne Betriebsabteilungen werden geschlossen und der/die BetriebsinhaberIn erbringt den Nachweis, dass er/sie das Betriebsratmitglied trotz dessen/deren Verlangen nicht auf einem anderen Arbeitsplatz (allenfalls auch in einem anderen Betrieb des Unternehmens) ohne erheblichen Schaden weiterbeschäftigen kann. Arbeitsunfähigkeit Das Betriebsratsmitglied wird unfähig, die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten. Die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Dem/der Betriebsinhaber/in ist die Weiterbeschäftigung nicht zumutbar. Beharrliche Pflichtverletzung Das Betriebsratsmitglied verletzt beharrlich seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis (z.b. wiederholtes Fernbleiben von der Arbeit). Dem/der Betriebsinhaber/in ist die Weiterbeschäftigung aus Gründen der Arbeitsdisziplin nicht zumutbar. 20

Entlassungsschutz: Gründe für erlaubte Entlassung eines BR-Mitglieds 122 Abs. 1-3 ArbVG führt jene Fälle an, bei denen das Gericht trotz der besonderen Schutzbedürftigkeit einer Entlassung zustimmen darf: Absichtliche Irreführung Das Betriebsratsmitglied hat bereits beim Abschluss des Arbeitsvertrages den/die BetriebsinhaberIn absichtlich in Irrtum geführt über Umstände, die für den Vertragsabschluss oder die Arbeitstätigkeit wesentlich sind (z.b. durch ein gefälschtes Zeugnis). Strafbare Handlung Vorsätzliche Begehung einer mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten gerichtlich strafbaren Handlung. Die strafbare Handlung muss nicht im Zusammenhang mit der Beschäftigung stehen. Oder Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung mit Bereicherungsvorsatz, z.b. Diebstahl, Betrug, Unterschlagung. Tätlichkeiten und Ehrverletzungen wenn sie von erheblicher Bedeutung sind und sich gegen den/die BetriebsinhaberIn, dessen/deren im Betrieb tätige oder anwesende Familienangehörige oder ArbeitnehmerInnen des Betriebes richten. Verrat eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses (vgl. auch 115 Abs. 4 ArbVG sowie 35 BRGO zur Verschwiegenheitspflicht) Es ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Weitergabe vertraulicher oder geheimer Betriebsangelegenheiten im Rahmen der Betriebsratstätigkeit zulässig war. Untreue und Schmiergeldannahme, wenn sie vorsätzlich begangen wurden. Verbotene Nebenbeschäftigungen z.b., wenn das Betriebsratsmitglied durch seine Nebenbeschäftigung den Betrieb, in dem es beschäftigt ist, konkurrenziert. 21

Pflichten des Betriebsrats Grundsätzlich sollen die Mitglieder des Betriebsrats ihr Amt "unentgeltlich als Ehrenamt" ausüben, neben den Arbeitspflichten ( 115 Abs. 1 ArbVG). Die Betriebsratstätigkeit ist also kein Beruf, sondern eine Berufung! Friedenspflicht Verschwiegenheitspflicht Kooperationspflicht Interessenwahrnehmungspflicht 22

Pflichten des Betriebsrats Daher können wir alleine keinen Streik beschließen! Friedenspflicht Der Betriebsrat soll seine Aufgaben mit Bedacht auf das Wohl des Betriebes erfüllen und seine Tätigkeit tunlichst ohne Störung des Betriebs vollziehen ( 39 Abs. 3 ArbVG). Dies ist als Friedenspflicht zu verstehen. Die Betriebsführung ist nicht Angelegenheit des Betriebsrates. Der Betriebsrat darf nicht durch selbstständige Anordnungen in die Führung und den Gang des Betriebes eingreifen. Verschwiegenheitspflicht Alle Betriebsratsmitglieder unterliegen einer Verschwiegenheitspflicht ( 115 Abs.4 ArbVG sowie 35 BRGO). Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse oder vertrauliche persönliche Angelegenheiten der ArbeitnehmerInnen, die sie in ihrem Amt erfahren, dürfen sie weder an außenstehende Personen noch an die übrigen ArbeitnehmerInnen weitergeben. Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist ein Entlassungsgrund. Aus der Praxis: Die Verschwiegenheitspflicht über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse wird zum Problem, wenn sie mit betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben, insbesondere mit der Information der Belegschaft in einer Betriebsversammlung, kollidiert. Nur weil bestimmte Angelegenheiten als Betriebsgeheimnis bezeichnet werden, muss nicht automatisch die Verschwiegenheitspflicht dafür gelten. Der Betriebsrat muss eine Interessenabwägung vornehmen, ob durch die Informationsweitergabe ein Schaden für den Betrieb eintreten könnte. 23

Daher können wir uns von der Gewerkschaft das OK für einen Streik holen Kooperationspflicht Betriebsvertretung und Gewerkschaft sollen miteinander kooperieren, wie der Gesetzgeber unterstreicht ( 39 Abs.2 ArbVG). Betriebsräte und Betriebsrätinnen sollen vor grundsätzlichen Entscheidungen den Rat und gegebenenfalls die Unterstützung der Gewerkschaften einholen. Pflichten des Betriebsrats Interessenwahrnehmungspflicht Nach 37 Abs.2 ArbVG hat der/die einzelne ArbeitnehmerIn das Recht, Anfragen, Wünsche, Beschwerden, Anzeigen oder Anregungen beim Betriebsrat vorzubringen. Der Betriebsrat hat die Pflicht, diese Anliegen anzuhören. Der Betriebsrat soll die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der ArbeitnehmerInnen wahrnehmen und fördern ( 38 ArbVG). 24