Erdgassicherheit im internationalen Vergleich am Beispiel der PSI Studie Comparative Assessment of Natural Gas Accident Risks

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Transkript:

Erdgassicherheit im internationalen Vergleich am Beispiel der PSI Studie Comparative Assessment of Natural Gas Accident Risks Dr. Peter Burgherr Paul Scherrer Institut gat 2005 Leipzig, 8.-9. November 2005

Inhalt Zielsetzung und Vorgehen Methodischer Ansatz des PSI PSI Datenbank ENSAD (Energy-related Severe Accident Database) Vergleichende Analysen: verschiedene Energieketten innerhalb der Erdgaskette Schwachstellenanalyse für Deutschland (DVGW-Statistiken) Anwendungen und Limiten vergleichender Analysen Schlussfolgerungen

Zielsetzung und Vorgehen Untersuchung der Unfallrisiken im Energiesektor unter besonderer Berücksichtigung der Erdgaskette Auswertungen in drei Phasen Phase Daten Unfalltyp Zeitraum Vergleichende Analyse der verschiedenen Energieträger Spezifische Analyse der Erdgaskette Schwachstellenanalyse der deutschen Erdgaskette PSI / ENSAD PSI / ENSAD DVGW schwer 1969-2000 schwer 1969-2000 schwer & klein 1981-2002

Definition schwerer Unfall Mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt: 1. Mindestens 5 Todesfälle 2. Mindestens 10 Verletzte 3. Mindestens 200 evakuierte Personen 4. Umfassendes Verbot zum Verzehr von Nahrungsmitteln 5. Freisetzung von mehr als 10 000 t Kohlenwasserstoffen 6. Erforderliche Reinigung einer Fläche von mindestens 25 km 2 7. Ökonomischer Schaden von mindestens 5 Millionen USD

Grundlegende Annahmen und Methodik Definition eines schweren Erdgaskette Unfalls, die konsistent auf verschiedene Energieträger anwendbar ist. Erkundung Betrachtung sämtlicher Glieder einer Energiekette. Förderung & Verarbeitung Auswertung historischer Unfalldaten für die fossilen Ferntransport Energieträger (Kohle, Transport Öl, Gas) (Pipeline) und Wasserkraft. Anwendung der probabilistischen Verteilung (regionale Sicherheitsanalyse & lokal) (PSA) für die Kernenergie. Strom- und Wärmenutzung (Kraftwerk)

Grundlegende Annahmen und Methodik (Forts.) Vergleich verschiedener Energieketten anhand normalisierter Indikatoren Schadensausmass pro Nutzen Todesfälle pro GW e yr Berücksichtigte Schäden: Gesundheitsschäden: Todesfälle, Verletzte Umweltschäden: Kontaminierung von Ökosystemen (z.b. Tankerunfall) Ökonomische Schäden: Beeinträchtigung oder Zerstörung von Eigentum Soziale Auswirkungen: Evakuierung

Schwere Unfälle mit 5 Todesfällen (1969-2000) OECD EU-15 Nicht-OECD Energiekette Unfälle Todesfälle Unfälle Todesfälle Unfälle Todesfälle Kohle 75 2259 11 234 102 1044 (a) 4831 18'017 (a) Öl 165 3789 58 1141 232 16'494 Erdgas 90 1043 24 230 45 1000 LPG 59 1905 19 515 46 2016 Wasserkraft 1 14 0 0 10 29'924 (b) Nuklear - - - - 1 31 (c) (a) (b) (c) Erste Zeile: Kohle Nicht-OECD ohne China; zweite Zeile: Kohle China Banqiao & Shimantan Dammbruch resultierte in 26 000 Todesfällen Latente Todesfälle separat behandelt Burgherr & Hirschberg, 2005

Vergleich der verschiedenen Energieketten (ENSAD, schwere Unfälle, 1969-2000)

Maximale Konsequenzen: unmittelbare Todesfälle Burgherr & Hirschberg, 2005

Aggregierte Indikatoren: unmittelbare Todesfälle pro GW e yr Burgherr & Hirschberg, 2005

Häufigkeits-Schadensausmass-Kurven: OECD 1.E+0 Häufigkeit der Unfälle mit X oder mehr Todesfällen pro GWeyr 1.E-1 1.E-2 1.E-3 1.E-4 1.E-5 1.E-6 Flüssiggas(LPG) Kernenergie (PSA, latente Todesfälle) Wasserkraft Kohle Erdgas Erdöl 1.E-7 1 10 100 1000 10000 Todesfälle, X Burgherr & Hirschberg, 2005

Vergleiche innerhalb der Erdgaskette (ENSAD, schwere Unfälle, 1969-2000)

Aggregierte Indikatoren: unmittelbare Todesfälle pro GW e yr (CH, DE, NL, GB, BE, DK) Burgherr & Hirschberg, 2005

Häufigkeits-Schadensausmass-Kurven: Erdgaskette 40 Tote USA, 1973 58 Tote 1993 Mexiko, 1978 92 Tote 1993 Japan, 1970 1982 1989 22 Tote Belgien, 1981 27 Tote Italien, 1994 100 Tote Georgien, 1984 109 Tote Korea, 1995 Burgherr & Hirschberg, 2005

Schwachstellenanalyse der Erdgaskette in Deutschland (DVGW, schwere und kleine Unfälle, 1981-2002)

Übersicht DVGW-Unfallstatistiken Zeitraum 1981-2002; seit 1991 inkl. neue Bundesländer Kategorien Kundenanlagen (UK) und Eigenanlagen (UE) Unfälle mit Stadtgas, Flüssiggas und ohne Angaben zum Gastyp wurden nicht berücksichtigt. Unfälle Todesfälle Verletzte Schweregrad der Unfälle Kundenanlagen 837 314 943 0.7% der Unfälle mit 5 Todesfällen, was 11.8% aller Toten entspricht 73.8% der Unfälle ohne Todesopfer Eigenanlagen 500 73 671 0.4% der Unfälle mit 5 Todesfällen, was 23.3% aller Toten entspricht 90.4% der Unfälle ohne Todesopfer

Unfälle bei Kundenanlagen: Unfallarten Mehrheit der Unfälle sind den Kategorien Explosion (27%), Verpuffung (31%) und Abgasvergiftung (29%) zurechenbar. Burgherr & Hirschberg, 2005

Unfälle bei Kundenanlagen: Unfallursachen Burgherr & Hirschberg, 2005 Gesamthaft ist menschliches Fehlverhalten die häufigste Unfallursache. Im Untersuchungszeitraum konnten jedoch kontinuierliche Verbesserungen erreicht werden.

Normalisierte Gesamtunfallraten: Kundenanlagen Dünne Linien: gleitende 5-Jahres-Durchschnittswerte Burgherr & Hirschberg, 2005

Normalisierte Gesamtunfallraten: Eigenanlagen Dünne Linien: gleitende 5-Jahres-Durchschnittswerte Burgherr & Hirschberg, 2005

Anwendungen und Limiten vergleichender Analysen Extrapolation auf kleine Unfälle nur bedingt möglich, da detaillierte Statistiken für diesen Bereich meist nicht verfügbar. Problem: Sprung im Übergangsbereich. Selektionskriterien und untere Schadensgrenzen beeinflussen Vergleiche von Unfallstatistiken Burgherr & Hirschberg, 2005

Schlussfolgerungen: Vergleich Energieketten Energiebezogene Unfallrisiken in der OECD sind deutlich tiefer als in der Nicht-OECD. Erdgas weist die tiefsten erwarteten Todesfallraten aller fossilen Energieträger auf. Die historischen Unfalldaten zeigen, dass die erfahrungsbasierten maximal möglichen Konsequenzen für Erdgas klar am tiefsten von allen fossilen Energieträgern sind. Westliche Wasserkraft- und Kernkraftwerke haben zwar noch tiefere Todesfallraten, die maximal möglichen Konsequenzen können jedoch sehr gross sein.

Schlussfolgerungen: Erdgaskette Die durchschnittliche Anzahl Todesopfer war in der OECD in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich tiefer als in der Nicht-OECD. Die aggregierten Todesfallraten sind am tiefsten für Zentraleuropa gefolgt von EU15 und OECD, wohingegen die Nicht-OECD den höchsten Wert aufweist. Auch die erfahrungsbasierten maximal möglichen Konsequenzen sind für Zentraleuropa und die EU15 tiefer als für die OECD und Nicht-OECD.

Schlussfolgerungen: Schwachstellenanalyse Deutschland Menschliches Fehlverhalten ist die dominante Unfallursache von Unfällen bei Kunden- und Eigenanlagen. Kundenanlagen: vorsätzliche Eingriffe (z.b. Suizidvorbereitungen) Eigenanlagen: mechanische Fremdeinwirkung (Baggerschäden) verstärkte Manipulationssicherheit, Schulung Bedienpersonal Die normalisierten Gesamtunfallraten nahmen im Zeitraum 1981-2002 stetig ab. Dies kann als Hinweis für die kontinuierlichen Verbesserungen der Sicherheit in der Gasindustrie interpretiert werden. Die aus den DVGW-Unfalldaten gewonnen Erkenntnisse sind auch für die Verhältnisse in der Schweiz repräsentativ Die grössten Unfälle in Deutschland (12 Todesfälle) und der Schweiz (5) sind deutlich weniger schwer als für Zentraleuropa (22) und EU15 (27).