LÄNDERINFORMATION SPANIEN FORUM FÜR FACHFRAGEN Unterhaltsansprüche von in Deutschland lebenden Kindern können grundsätzlich gegenüber dem in Spanien lebenden unterhaltspflichtigen Elternteil geltend gemacht werden. Dies gilt auch für auf öffentliche Träger übergegangene Ansprüche I. Behördliche Verfahrenshilfe auf Grundlage der europäischen Unterhaltsverordnung (EuUnthVO, EG-VO Nr. 4/2009) Bei der Geltendmachung von Unterhaltsforderungen in Spanien können Berechtigte behördliche Verfahrenshilfe nach der Europäischen Unterhaltsverordnung Nr. 4/2009 vom 18. Dezember 2008 (EuUntVO) in Anspruch nehmen. Behördliche Verfahrenshilfe bedeutet, dass die Zentrale Behörde in Spanien Berechtigten bei der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen behilflich ist. Die spanische Behörde unternimmt im Rahmen dessen alle angemessenen Maßnahmen (Art. 51 Abs. 2 EuUntVO) um die Leistung von Unterhalt herbeizuführen. Hierzu gehört ua die Herbeiführung einer einvernehmlichen Regelung, die Gewährung von Prozesskostenhilfe, die Erhebung und Verfolgung einer Unterhaltsklage sowie die Vollstreckung eines vorhandenen Titels. Verfahrensablauf Um in den Genuss der behördlichen Verfahrenshilfe zu gelangen, muss zunächst ein Gesuch bei dem zuständigen Amtsgericht eingereicht werden. Die örtliche Zuständigkeit orientiert sich nun nach dem Oberlandesgerichtsbezirk, in welchem der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 1
In jedem Oberlandesgerichtsbezirk ist ein Amtsgericht aufgrund landesrechtlicher Regelung für die Entgegennahme der Anträge zuständig. Die Angaben und Anlagen, die das Gesuch enthalten muss, sind in Art. 57 EuUntVO sowie im Ausführungsgesetz AUG nf in 8 geregelt. Das Amtsgericht leitet das Gesuch nach einer Vorprüfung weiter an die deutsche Übermittlungsbehörde, die es wiederum der spanischen Empfangsbehörde übersendet. Nachdem die spanische Empfangsbehörde das Gesuch erhalten hat, setzt sie sich zunächst mit dem Schuldner in Verbindung und fordert diesen auf, freiwillig den geschuldeten Unterhalt zu zahlen. Ist er hierzu nicht bereit, muss der Unterhalt in Spanien zwangsweise im Wege der Vollstreckung durchgesetzt werden. Sofern noch kein Unterhaltstitel vorhanden ist und der Schuldner seine Unterhaltspflicht nicht freiwillig beurkunden lässt, hat Empfangsbehörde auf Antrag einen Unterhaltstitel zu erwirken. Einfacher und schneller ist es jedoch einen Titel in Deutschland zu schaffen und diesen in Spanien zu vollstrecken. Macht der öffentliche Träger auf ihn übergegangene Ansprüche geltend kann ebenfalls die Unterstützung der Zentralen Behörde nach der EuUntVO in Anspruch genommen werden. II. Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines deutschen Unterhaltstitels Vor Anwendbarkeit der EuUntVO am 18. Juni 2011 konnten deutsche Unterhaltstitel (mit Ausnahme der Europäischen Vollstreckungstitel) in Spanien erst vollstreckt werden, wenn sie dort förmlich für vollstreckbar erklärt worden sind. Das Verfahren der Vollstreckbarerklärung (Exequatur) wurde durch die EuUntVO für alle nach Inkraftreten der Verordnung in einem EU-Mitgliedstaat erlassenen Titel abgeschafft. Ein ab dem 18. Juni 2011 geschaffener Titel, der in seinem Ursprungsland vollstreckbar ist, ist nun auch in Spanien unmittelbar vollstreckbar. Die Anerkennung als einzige Voraussetzung der Vollstreckbarkeit erfolgt automatisch ohne gesondertes Zwischenverfahren. Titel, die vor dem 18. Juni 2011 geschaffen wurden (maßgeblich ist der Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens), müssen weiterhin in Spanien anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden, allerdings wurde das Verfahren durch die EuUntVO vereinfacht. Um das Vollstreckbarerklärungsverfahren kümmert sich die spanische Empfangsbehörde. Sie reicht bei dem zuständigen Gericht einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Titels ein. Die Vollstreckbarerklärung des deutschen Titels kann gemäß Art. 24 EuUntVO (wie bisher) nur aus bestimmten Gründen versagt werden. Häufige Versagungsgründe sind der Verstoß der Ent- 2
scheidung gegen den ordre public des Vollstreckungsstaats oder - bei Nichteinlassung des Beklagten/Antragsgegners auf das Erstverfahren - die Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die ist zb regelmäßig bei der öffentliche Zustellung des Titels nach 203 ff ZPO oder bei fehlerhafter Zustellung der Fall. Für Titel, die vor Inkrafttreten der EuGVO (Verordnung EG Nr. 44/2001) am 01.03.2002 geschaffen wurden gelten weiterhin die bisher geltenden Rechtsgrundlagen. Die Vollstreckung ist in Spanien aus allen deutschen Unterhaltstiteln möglich. Es ist unerheblich, ob es sich hierbei um ein Urteil, einen Unterhaltsfestsetzungsbeschluss, einen Vergleich oder eine Jugendamtsurkunde handelt. Irrelevant ist auch, ob es sich um einen Festbetragstitel oder einen dynamischen Unterhaltstitel handelt. III. Verfahrenskosten Die Geltendmachung von Kindesunterhalt in Spanien ist für den Berechtigten kostenfrei. Nach der EuUntVO sind die EU-Mitgliedsstaaten bei Inanspruchnahme der behördlichen Verfahrenshilfe zu unentgeltlicher Prozesskostenhilfe verpflichtet, sofern das unterhaltsberechtigte Kind das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (Art. 46). Kosten können für die Übersetzung des Formularantrags nebst Anlagen in die spanische Sprache entstehen. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass der Antragsteller von den Übersetzungskosten befreit wird, sofern er die Voraussetzungen einer ratenfreien Verfahrenskostenhilfe nach 113 FamFG ivm 115 ZPO erfüllt. Wird keine behördliche Verfahrenshilfe nach der genannten Verordnung in Anspruch genommen, muss ein spanischer Rechtsbeistand mit der Geltendmachung der Unterhaltsansprüche betraut werden. Bei dieser Vorgehensweise entstehen Rechtsanwalts-, Gerichts-, Übersetzungs- sowie später Vollstreckungskosten. Die Honorare von Rechtsanwälten in Spanien sind in der Regel relativ hoch. Es empfiehlt sich vorab die geforderten Honorare zu erfragen und erst dann zu entscheiden, ob der Rechtsanwalt beauftragt wird. Die spanische Anwaltschaft ist von einer Aufgabenteilung gekennzeichnet ist. Die sog. Abogados stehen dem Mandanten beratend zur Seite, während die Prozessvertretung dem sog. Procurador obliegt. Insofern können Kosten in nicht unerheblicher Höhe entstehen. Sofern im deutschen Verfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt wurde, ist nach Art. 47 Abs. 2 Eu- UntVO auch in Spanien ohne Bedürftigkeitsprüfung Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen. Ein Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe im Vollstreckungsverfahren besteht auch dann, wenn der Antragsteller erst nach Beendigung des Erstverfahrens bedürftig geworden ist. 3
IV. Zwangsvollstreckung Aus dem für vollstreckbar erklärten Unterhaltstitel sowie aus einem ab dem 18. Juni 2011 ergangenen Unterhaltstitel oder einem europäischen Vollstreckungstitel kann die Vollstreckung erfolgen. Die Zwangsvollstreckung wird auf Grundlage des spanischen Zwangsvollstreckungsrechts durchgeführt. In Frage kommen ähnlich wie in Deutschland Lohnpfändungen sowie Sachpfändungen in bewegliches und unbewegliches Vermögen. V. Ermittlung des Aufenthalts und der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltsschuldners Außerhalb des behördlichen Verfahrenshilfeverfahrens nach der EuUntVO bestehen ebenfalls Möglichkeiten die Anschrift von Unterhaltsschuldnern in Spanien zu ermitteln. Ist eine aktuelle Anschrift des Schuldners nicht bekannt, kann für die Überprüfung seiner Anschrift eine Internetrecherche in Betracht kommen. Als Suchmaschine steht etwa www.numberway.com zur Verfügung, die auch auf das spanische Telefonbuch verweist. Besteht gar keine Kenntnis über den Aufenthalt des Schuldners, kann der Aufenthalt durch das DIJuF beim Instituto Nacional de Estadistica in Madrid erfragt werden. Dort wird zu statistischen Zwecken eine Art Zentrales Melderegister geführt. Auskunft erhalten in der Regel nur Behörden oder Gerichte. Die Anfrage sollte auf Spanisch oder Englisch erfolgen. Die spanische Empfangsstelle hat nach der EuUntVO alle angemessenen Maßnahmen zu treffen, um die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu ermitteln (Art 51 Abs. 2 c). Es ist daher nun möglich einen entsprechenden Antrag über die deutsche zentrale Behörde an die spanische Empfangsstelle zu senden. Aufgrund von Datenschutzbestimmungen ist die deutsche zentrale Behörde jedoch nicht berechtigt, die Ergebnisse der Ermittlungen weiterzuleiten, dh als Ergebnis wird dann lediglich mitgeteilt, ob die Ermittlung erfolgreich war oder nicht. VI. Gesetzesmaterialien Die vollständigen Gesetzestexte der EuUntVO (Verordnung EG Nr. 4/2009 des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen) und des Ausführungsgesetzes AUG nf (Gesetz zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Verkehr mit ausländischen Staaten -Auslandunterhaltsgesetz) sind auf unserer Homepage unter www.dijuf.de unter Bundes- und Ländergesetze Materialien abrufbar 4
Stand: Juli 2011 5