Die neue Rolle der Zeitarbeit in Deutschland



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Transkript:

Die neue Rolle der Zeitarbeit in Deutschland

Beiträge zur Flexibilisierung (Band 3) Herausgegeben von Ricarda B. Bouncken, Manfred Bornewasser und Lutz Bellmann Prof. Dr. Ricarda B. Bouncken Lehrstuhl für Strategisches Management und Organisation Universität Bayreuth Universitätsstraße 30 D - 95440 Bayreuth Prof. Dr. Manfred Bornewasser Lehrstuhl für Sozialpsychologie, Arbeits- und Organisationspsychologie Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Franz-Mehring-Str. 47 D - 17487 Greifswald Prof. Dr. Lutz Bellmann Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Arbeitsökonomie Universität Erlangen-Nürnberg Lange Gasse 20 90403 Nürnberg Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Regensburger Straße 104 D - 90478 Nürnberg

Ricarda B. Bouncken, Manfred Bornewasser & Lutz Bellmann (Hrsg.) Die neue Rolle der Zeitarbeit in Deutschland Rainer Hampp Verlag München und Mering 2012

Diese Schriftenreihe vereint Beiträge zur Verbreitung von Forschungsergebnissen des Projektes Flex4Work. Flex4Work Flexible Arbeit, Fokus Zeitarbeit ist ein Forschungsprojekt der Universitäten Bayreuth und Greifswald. Das Vorhaben wird unter dem Förderkennzeichen 01FH09161 aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und aus dem Europäischen Sozialfonds der Europäischen Union gefördert. Der Europäische Sozialfonds ist das zentrale arbeitsmarktpolitische Förderinstrument der Europäischen Union. Er leistet einen Beitrag zur Entwicklung der Beschäftigung durch Förderung der Beschäftigungsfähigkeit, des Unternehmergeistes, der Anpassungsfähigkeit sowie der Chancengleichheit und der Investition in die Humanressourcen. Weitere Informationen finden Sie unter: www.flex4work.de. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-86618-686-6 (print) ISBN 978-3-86618-786-3 (e-book) Beiträge zur Flexibilisierung: ISSN 2191-9062 DOI 10.1688/9783866187863 1. Auflage, 2012 2012 Rainer Hampp Verlag München und Mering Marktplatz 5 D 86415 Mering www.hampp-verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen, Übersetzungen und die Einspeicherung in elektronische Systeme. Dieses Buch ist auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Liebe Leserinnen und Leser! Wir wollen Ihnen ein gutes Buch liefern. Wenn Sie aus irgendwelchen Gründen nicht zufrieden sind, wenden Sie sich bitte an uns.

Vorwort der Herausgeber Zeitarbeit hat sich, nicht erst seit 2004, zu einem wichtigen Flexibilisierungsinstrument für die deutsche Wirtschaft entwickelt. Mittlerweile verfügt die Branche über ebenso viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte wie das Gastgewerbe oder der IT- und Telekommunikationssektor. Trotz ihrer zunehmenden Bedeutung besteht über die Rolle dieser flexibilitätsfreundlichen Beschäftigungsform kein Konsens in Wissenschaft und Praxis: Während in der öffentlichen Diskussion die schwarzen Schafe und das Schmuddelimage der Branche im Vordergrund stehen, sehen Unternehmen und Teile der Politik Zeitarbeit als ein Erfolgsmodell für den Standort Deutschland an. Dies zeigt einmal mehr, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema Zeitarbeit zunächst einmal eine Frage der Perspektive ist. Genau so differenziert wie die Meinungen über die Branche ist auch die Zeitarbeit selbst. Waren bis vor einigen Jahren Kostensenkung und numerische Flexibilisierung die Haupteinsatzgründe für die Zeitarbeit, sind mittlerweile die Auslagerung von Personalfunktionen, die Gewinnung neuer Kompetenzen und eine Verringerung des Beschäftigungsrisikos ebenso wichtige Motive der Einleihbetriebe bei der Nutzung von Zeitarbeit. Gleichzeitig steigt der Anteil der so genannten Intensivnutzer, also von Unternehmen, in denen mehr als jeder vierte Beschäftigte ein Zeitarbeitnehmer ist, kontinuierlich an. Zeitarbeit wird dort nicht mehr nur temporär und in Ergänzung zu anderen Flexiblisierungsinstrumenten wie Überstunden oder Befristungen genutzt, sondern ist ein wichtiges, dauerhaft eingesetztes Mittel zur Erfüllung der Personalnachfrage. Um die Vielfalt der Perspektiven und Ausprägungen der Zeitarbeit in einem wissenschaftlichen Rahmen zu vereinen, veranstalteten die Herausgeber im Dezember 2011 am Nürnberger Instutut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung das 1. Interdisziplinäre Forum Zeitarbeit. Ehrgeiziges Ziel der Veranstaltung war es, mit namhaften Vertretern aus Wissenschaft und Praxis aktuelle Entwicklungen der Zeitarbeit und deren Auswirkungen auf Beschäftigte, Unternehmen, Arbeitsmarkt und Gesellschaft zu diskutieren. Der Titel des aus der Veranstaltung entstandene Tagungsbandes Die neue Rolle der Zeitarbeit in Deutschland verspricht, dieses anspruchsvolle Ziel durch eine breit gefächerte Darstellung von Ansätzen und Perspektiven in zweifacher Hinsicht zu realisieren: es wird gezeigt, dass Zeitarbeit eine Rolle spielt und dass diese Rolle durchaus auch Neuigkeitswert hat. So geben die vorliegenden 13 Beiträge nicht nur ein umfassendes und aktuelles Bild der Zeitarbeit nach Ende der Wirtschafts- und Finanzkrise wider, sondern bieten Einblicke in und Lösungsansätze für die maßgeblichen Herausforderungen eines weiteren Wachstums der Branche. Ulrich Walwei und Kerstin Ziegler behandeln in ihrem einführenden Beitrag die Rolle der Zeitarbeit für den Arbeitsmarkt. Neben einer Beschreibung des für die Zeitarbeit konstitutiven Dreiecksverhältnisses zwischen Verleiher, Entleiher und Zeitarbeitnehmer geben sie Einblick in die rasante Entwicklung der Branche seit 2004, setzen diese ins Verhältnis zu anderen atypischen Beschäftigungsformen und gehen im Anschluss auf die besondere Beschäftigten- und Beschäftigungsstruktur der Branche ein. Wer nutzt Zeitarbeit und warum? Dies sind die zentralen Fragestellungen des Beitrages von Lutz Bellmann, Andreas Crimmann und Susanne Kohaut. Die Verfasser zeigen auf Grundlage von Daten des IAB-Betriebspanels die Vielfalt der Nutzungs-

motive von Zeitarbeit in Entleihbetrieben auf und geben Einblicke in die Beschäftigungsdynamik der Branche vor, während und nach der Wirtschafts- und Finanzkrise. Der Beitrag von Jörg Kunkel setzt sich kritisch mit der Zeitarbeit auseinander und stellt aus Sicht der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie die Schattenseiten der Zeitarbeit dar. Pointiert gibt der Autor zu verstehen, dass Zeitarbeit für viele Unternehmen trotz vorhandener Alternativen der Weg des geringsten Widerstands ist und schlägt vor, Zeitarbeit auf ihre ursprünglichen Funktionen zu reduzieren: die Bewältigung von Auftragsspitzen und den Ausgleich kurzfristiger Personalausfälle. Katalin Evers greift die im Beitrag von Bellmann et al. genannten Einsatzgründe der Zeitarbeit vertiefend auf und leitet aus den einzelnen Einsatzgründen fünf Strategien der Zeitarbeitsnutzung in Entleihbetrieben ab. Sowohl der beschreibende als auch der statistisch anspruchsvolle, multivariate Teil der Untersuchung betritt wissenschaftliches Neuland und kann als aussichtsreicher Ansatz einer empirisch gestützten Segmentierung der Branche angesehen werden. Obgleich ihre wachsende Bedeutung unumstritten ist, wissen wir insgesamt zu wenig über die so genannten Intensivnutzer der Zeitarbeit. Christian Lehmann und Gudrun Haseloh nehmen sich in ihrer Fallstudie dieser Problematik an und schildern die Praxis eines Unternehmens, in dem fast jeder zweite Beschäftigte ein Zeitarbeitnehmer ist. Der Beitrag gibt Einblick in die Einsatzlogik der Zeitarbeit eines Intensivnutzers und zeigt auf, was die Zeitarbeit für das Unternehmen alternativlos macht. Vielfach wird der Diskurs über Zeitarbeit über die Köpfe der eigentlich für dieses Thema Verantwortlichen hinweg geführt. Ingrid Hofmann ist Inhaberin und geschäftsführende Gesellschafterin eines der größten deutschen Zeitarbeitsunternehmen. Ihr Beitrag zeigt, dass die Personaldienstleister keineswegs nur willfährige Dienstleister großer Industrieunternehmen sind, sondern eigene Strategien verfolgen und sich vielfach besser und intensiver um ihre Mitarbeiter bemühen, als man gemeinhin annimmt. Flexibilität ist eine Ressource, die ihren Preis hat. So ließe sich das Ergebnis der Studie von Andreas Crimmann und Christian Lehmann zusammenfassen. Die Autoren vergleichen die Nutzung von Zeitarbeit mit einer Anstellung im Entleihbetrieb und weisen nach, dass aufgrund der Restriktionen des Kündigungsschutzes für Entleihunternehmen bei eigenen Mitarbeitern erhebliche Transaktionskosten entstehen. Diese Kosten werden bei Nutzung von Überlassungen eingespart und müssen folglich in jede Preiskalkulation einbezogen werden. Der Ansatz zur Berechnung dieser Kosten ist wissenschaftlich neu und von gesellschaftlicher Brisanz. In Wissenschaft und Praxis existieren vielfältige Erkenntnisse zu den Auswirkungen der Zeitarbeit auf das Befinden der Zeitarbeitnehmer. Kern der vorherrschenden Argumentation ist eine Trennung in Kern- und Randbelegschaften. Manfred Bornewasser fasst in seinem Beitrag nicht nur den Stand der Forschung zusammen, sondern weist auch auf die Bedeutung zweier neuer Aspekte hin: ein Führungsproblem, das sich aus der Verantwortungsdiffusion gegenüber dem Zeitarbeitnehmer ergibt und die nicht zu unterschätzenden Auswirkungen eines umfassenden Zeitarbeitseinsatzes auf die Stammbelegschaft.

Die Mitarbeiterperspektive ist auch Gegenstand des Beitrages von Cynthia Sende, Nathalie Galais, Evelyn Knubben und Klaus Moser. Die VerfasserInnen illustrieren an drei Beispielen die Praxis der Zeitarbeit und deren Konsequenzen für die dort Beschäftigten. Behandelt werden das schlechte Image der Branche bei höher Qualifizierten, die Rolle von Symbolen wie einer unterschiedlichen Arbeitskleidung für die Integration von Zeitarbeitnehmern und die Konsequenzen der vergleichsweise dürftigen Arbeitszeugnisse von Personaldienstleistern für die Chancen der Zeitarbeitnehmer, außerhalb der Branche Fuß zu fassen. Zeitarbeit verursacht Stress Stammbeschäftigung auch. Jedoch erleben Zeitarbeitnehmer im Vergleich zu Beschäftigten in Normalarbeitsverhältnissen ihre Tätigkeit als teils mehr und teils weniger belastend. Auch hier besteht Differenzierungsbedarf. Mit diesem Fazit schließt der Beitrag von Sandra Lemanski. Die Autorin stellt dar, was Stress ist, welche Rolle er für Gesundheit und Leistung von Arbeitnehmern spielt und wie Ver- und Entleihbetriebe Rahmenbedingungen gestalten können, um Zeitarbeitnehmer vor einer der größten Krankheitsursachen zu schützen. Alexander Spermann ist Vertreter der Zeitarbeitsbranche und Arbeitsmarktforscher zugleich. Aus dieser interessanten Konstellation heraus zeigt er in seinem Beitrag auf, dass die in Großunternehmen bestehenden Budgetregelungen den Einsatz von Zeitarbeit systematisch fördern. Im Anschluss weist der Autor auf methodische Unstimmigkeiten bei der Ermittlung der oft zitierten Brücken-, Klebe- und Übernahmequoten hin. Die im letzten Abschnitt behandelten bildungspolitischen Aspekte der Zeitarbeit zeugen von der wachsenden Bedeutung der Qualifizierung in der Zeitarbeit. Michel Mattoug stellt sich der Frage, ob die auch als Tagelöhnermodell bezeichnete französische Form der Zeitarbeit auf Deutschland übertragbar sei. Sein Fazit ist ebenso kurz wie ernüchternd für all jene, die ausschließlich auf die vergleichsweise hohen Löhne französischer Zeitarbeitnehmer schauen. Dass Joachim Möller mit seinem Beitrag diesen Band beschließt, erweist sich für die Herausgeber als glückliche Fügung, da sie diesen und den Lesern dieses Buches eine ebenso packende wie gehaltvolle Zusammenfassung der Thematik bietet. Der Beitrag vereint nicht nur die verschiedenen Einzelperspektiven, sondern beleuchtet sowohl die nützlichen Funktionen der Zeitarbeit als auch ihre Schattenseiten. Spätestens am Ende eines jeden Vorworts ist der Zeitpunkt gekommen, Dank zu sagen. Unser Dank gebührt den umsichtigen Organisatoren vor Ort in Nürnberg, den vielen Helfern während der Tagung und den wissenschaftlichen Mitarbeitern Christian Lehmann, Martin Ratzmann und Andreas Crimmann, die im Hintergrund die Fäden jederzeit in der Hand hatten und die auch für die Erstellung dieses Bandes unermüdlich gesorgt haben. Sodann möchten wir den Blick nach vorn richten und Sie schon heute auf das 2. Interdisziplinäre Forum zur Zeitarbeit im Dezember 2012 in Nürnberg aufmerksam machen. Ricarda Bouncken, Manfred Bornewasser und Lutz Bellmann

Beiträge Die Bedeutung der Zeitarbeit für den Arbeitsmarkt........................11 Ulrich Walwei & Kerstin Ziegler Zeitarbeit aus betrieblicher Perspektive........................27 Lutz Bellmann, Andreas Crimmann & Susanne Kohaut Die Rolle der Leiharbeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt........................39 Jörg Kunkel Zeitarbeit: Gründe - Strategien - Intensität........................55 Katalin Evers Zeitarbeit aus Sicht eines Intensivnutzers........................75 Christian Lehmann & Gudrun Haseloh Zeitarbeit ein Erfolgsmodell und doch umstritten........................93 Ingrid Hofmann Der Preis der Flexibilität: Was darf Zeitarbeit kosten?........................103 Andreas Crimmann & Christian Lehmann Auswirkungen der Zeitarbeit auf Beschäftigte: Eine sozialwissenschaftliche Betrachtung........................137 Manfred Bornewasser Zeitarbeit aus Mitarbeitersicht........................161 Cynthia Sende, Nathalie Galais, Evelyn Knubben und Klaus Moser Zeitarbeit und Gesundheit........................181 Sandra Lemanski Die neue Rolle der Zeitarbeit für den Arbeitsmarkt........................203 Alexander Spermann Das französische Modell der Zeitarbeit. Ein Modell für wen?.................... 225 Michel Mattoug Zeitarbeit: Fluch oder Segen für den deutschen Arbeitsmarkt?................. 235 Joachim Möller

Kapitel 1 Die Bedeutung der Zeitarbeit für den Arbeitsmarkt Ulrich Walwei & Kerstin Ziegler 1. Einleitung... 12 2. Was ist Zeitarbeit und welche Rolle spielt sie am Arbeitsmarkt?... 12 3. Entwicklung in der Zeitarbeit... 14 4. Entwicklung der Erwerbsformen... 15 5. Welche Merkmale haben die Leiharbeitnehmer?... 17 6. Stabilität der Beschäftigung und Übergänge... 21 7. Fazit und Perspektiven... 23 Literatur... 25 Dr. Ulrich Walwei ist Vizedirektor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg. Kerstin Ziegler ist Referentin des Vizedirektors des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.

12 WALWEI & ZIEGLER 1. Einleitung Galt das Normalarbeitsverhältnis am deutschen Arbeitsmarkt lange als Standard, zeigt sich in den letzten Jahren eine Tendenz hin zu veränderten Arbeitsformen, welche gegenüber dem Normalarbeitsverhältnis vielfältige Flexibilitätsmerkmale aufweisen. Flexibilität ist dabei mehrdimensional zu verstehen: die Dimensionen sind Arbeitszeit, Lohn und Beschäftigung. Aus betrieblicher Sicht ist im Wesentlichen zwischen interner und externer Flexibilität zu unterscheiden. Interne Flexibilisierung liegt vor, wenn betriebliche Anpassungsmaßnahmen innerhalb eines existierenden, stabilen Beschäftigungsverhältnisses erfolgen. Dies können Überstundenregelungen oder flexible Arbeitszeitmodelle, aber auch funktionale Anpassungen der Arbeitsaufgaben sein. Dagegen wird mit der Fremdvergabe von Aufträgen oder der Deckung des Personalbedarfs durch Freiberufler oder durch Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen eine externe Flexibilisierung erreicht (Hohendanner und Bellmann, 2006). So stellt die Zeitarbeit eine ad-hoc abrufbare, überbetriebliche Personalreserve dar. Unternehmen können mittels der Zeitarbeit kurzfristig Schwankungen bei Aufträgen und Kapazität abdecken, sowie eine unsichere Auftragslage abfedern. Der vorliegende Artikel widmet sich der Frage, welche Funktion der Zeitarbeit in einer immer mehr vom technischen Fortschritt und der Globalisierung geprägten Welt zukommt, in der es für Unternehmen wichtiger wird, schnell auf Nachfrageimpulse oder Produktionsänderungen reagieren zu können. Während andere Beiträge in diesem Tagungsband sich in erster Linie mit der betrieblichen Perspektive auseinandersetzen (z.b. Zeitarbeit in Unternehmen von Bellmann oder auch Einsatzlogik der Zeitarbeit am Beispiel eines Intensivnutzers von Christian Lehmann und Gudrun Haseloh) soll hier näher beleuchtet werden, wer sich in dieser Beschäftigungsform findet und welcher Situation sich die Betroffenen gegenübersehen. Für wettbewerbsschwächere Arbeitnehmer kann Leiharbeit eine Einstiegsmöglichkeit in den Arbeitsmarkt darstellen. Aus arbeitsmarktpolitischer Perspektive gilt es, eine möglichst ausgewogene Balance an Einstiegsmöglichkeiten in den Arbeitsmarkt einerseits sowie Stabilität und sozialer Sicherheit für die Betroffenen andererseits herzustellen. 2. Was ist Zeitarbeit und welche Rolle spielt sie am Arbeitsmarkt? Werfen wir zunächst einen Blick auf die Protagonisten bei der Zeitarbeit. Bei der Zeitarbeit haben wir es mit drei Akteuren zu tun: Überlässt ein Arbeitgeber (Verleiher) einen Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) einem Dritten (Entleiher) zur Arbeitsleistung, so handelt es sich um Arbeitnehmerüberlassung, im allgemeinen Sprachgebrauch meist als Zeitarbeit oder Leiharbeit bezeichnet. Juristisch ist damit der Arbeitgeber zwar die Zeitarbeitsfirma, faktisch jedoch wird die Arbeitsleistung im Einsatzbetrieb erbracht, welcher für die Einsatzdauer gegenüber dem Leiharbeitnehmer das Weisungs- und Direktionsrecht hat (Bolder et al., 2005). Aufgrund dieses Dreiecksverhältnisses unterscheidet sich die Arbeitnehmerüberlassung maßgeblich von anderen flexiblen Beschäftigungsformen. Im Gegensatz zum Normalarbeitsverhältnis oder anderen flexiblen Beschäftigungsformen wie befristeten Beschäftigungsverhältnissen existiert demnach zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher kein Arbeitsvertrag. Zwischen diesen beiden Akteuren greifen folglich auch keine Kündigungsschutz-

DIE BEDEUTUNG DER ZEITARBEIT FÜR DEN ARBEITSMARKT 13 regelungen. Entlassungs- und damit verbundene Kostenrisiken werden auf den Verleiher abgewälzt, so dass der Entleiher unmittelbar auf einen Rückgang des Arbeitskräftebedarfs mit dem Abbau des Leiharbeitskräftebestands reagieren kann. Verleiher Arbeitnehmerüberlassungsvertrag Vergütung Entleiher (Einsatzbetrieb) Arbeitsvertrag Entgelt Leiharbeitnehmer Arbeitsleistung Weisungsbefugnis Abbildung 1: Dreiecksverhältnis der Arbeitnehmerüberlassung (eigene Darstellung) Neben der reinen Notwendigkeit Flexibilität zu schaffen, werden bei der Entscheidung für oder gegen den Einsatz bestimmter Erwerbsformen letztlich die direkten Kosten und die kalkulatorischen Risiken eines Instruments sowie die Opportunitätskosten von Alternativen ins Kalkül gezogen. Kostenvorteile können sich bei Entleihern durch eine Einsparung von Rekrutierungs-, Such- und Ausbildungskosten ergeben. So kann die Deckung des betrieblichen Qualifikationsbedarfs durch Leiharbeitskräfte kostengünstiger sein, als benötigte Qualifikationen intern zu generieren oder über den Arbeitsmarkt zu akkumulieren. Gleiches gilt auch für temporär eng begrenzte Einsätze. Oftmals ist es für Betriebe schlichtweg praktikabler, einfache und damit schnell anzulernende Hilfstätigkeiten für ein paar Tage oder Wochen durch Leiharbeitnehmer verrichten zu lassen, als dafür selbst Personal zu rekrutieren. Tatsächlich anfallende Kosten für die Nutzung der Zeitarbeit sind meist auch einfacher zu kalkulieren als bei anderen Flexibilisierungsformen. Direkt beobachtbar sind zum Beispiel Bruttolöhne und Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung. Vor allem sind übliche Arbeitgeberrisiken wie Kündigungskosten und Ausfallzeiten im Stundenverrechnungssatz bereits einkalkuliert und damit auf das Zeitarbeitsunternehmen verlagert. Besteht a priori Unsicherheit über die Leistungsfähigkeit von potenziellen Mitarbeitern und über die Kontinuität der Arbeitsleistung von Beschäftigten spielen gegebenenfalls auch Wiederbesetzungskosten eine Rolle. Für die Opportunitätskostenbetrachtung sind nicht nur die Kosten personalpolitischer Maßnahmen im Vergleich zu Alternativen von Bedeutung, sondern auch die dadurch realisierbaren und entgangenen Beiträge zum betrieblichen Erfolg. Eine rationale Entscheidung für den Einsatz von Zeitarbeit basiert letztlich auf komparativen Kostenvorteilen. Zugegebenermaßen können gerade beim Einsatz der Zeitarbeit unternehmensintern spezifische Probleme auftreten und die reinen Kostenvorteile überlagern. Der Einsatz von Leiharbeitskräften birgt das Risiko einer Spaltung in eine Zwei-Klassengesellschaft des im Betrieb eingesetzten Personals. Dies kann zu Produktivitätseinbußen führen, wenn Leiharbeitskräfte sozial ausgegrenzt werden oder gar eine Abwanderung von Stammarbeitskräften infolge von subjektiv gestiegener Arbeitsplatzunsicherheit auslöst. Demzufolge kann der Einsatz von Leiharbeitnehmern die betriebliche Durchschnittsproduktivität senken, weil Leiharbeiter typischerweise weniger betriebsspezifisches Humankapital akkumuliert haben als die Kernbelegschaft

14 WALWEI & ZIEGLER und somit weniger produktiv sind. Möglich ist aber auch, dass die Loyalität von Leiharbeitern zum Entleihbetrieb gering ist und deshalb die Produktivität abfällt. Und schließlich ist denkbar, dass der Einsatz von Leiharbeitern negativ auf die Motivation von Stammarbeitskräften wirkt oder sich Reibungsverluste zwischen Kern- und Randbelegschaft ergeben. Der These sinkender Produktivität durch den Einsatz von Zeitarbeit steht die These gegenüber, dass die Produktivität gesteigert werden kann, weil durch höhere Flexibilität Personalfriktionen abnehmen und sich Leiharbeitnehmer stärker anstrengen, weil sie sich Hoffnung auf Übernahme machen. Zeitarbeit wirkt dann wie eine Siebvorrichtung (screening device), die die besten Arbeitnehmer aussondert. Empirische Ergebnisse (Hirsch und Müller, 2011) weisen auf einen nicht-linearen Zusammenhang zwischen der Produktivität und dem Umfang der Nutzung von Zeitarbeit hin: Bei wachsender Nutzungsintensität kommt es zunächst zu Produktivitätssteigerungen, die aber bei sehr intensiver Nutzung wieder zurückfallen. 3. Entwicklung in der Zeitarbeit Seit der weitgehenden Deregulierung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) im Rahmen der Hartz-Reformen erhöhte sich zum 1. Januar 2004 die Attraktivität der Arbeitnehmerüberlassung für Arbeitgeber wesentlich. Mit Inkrafttreten der Reform 2004 konnte die Zeitarbeit in den Folgejahren sogar durchweg Zuwachsraten im zweistelligen Bereich verbuchen, allein im Jahr 2006 wuchs die Zahl der Leiharbeitnehmer im Vergleich zum Vorjahr um immerhin ein Drittel an. Die Gesetzesnovellierung erhöhte die Anreize der Personaldienstleister Leiharbeitskräfte einzustellen, vereinfachte aber auch beispielsweise durch den Wegfall des Synchronisationsverbots diese Arbeitnehmer gegebenenfalls wieder freizusetzen und darüber hinaus durch den Wegfall des Wiedereinstellungsverbots erneut zu akquirieren. Dabei ist zu beachten, dass die zunehmende Nutzung der Zeitarbeit nicht ausschließlich auf veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen zurückzuführen ist, sondern in besonderem Maße von dem seit dieser Zeit stärkerem Wirtschaftwachstum getrieben wird. Abbildung 2 veranschaulicht, dass die Entwicklung in der Leiharbeit ab 2004 von einer starken Dynamik geprägt war. Ausgehend von 326.000 Leiharbeitnehmern im Januar 2004 hatte sich der monatliche Bestand bis Oktober 2006 bereits mehr als verdoppelt. Mit 823.000 Leiharbeitnehmern wurde im Juli 2008 bis zur Wirtschaftskrise der vorübergehend höchste Stand in der Arbeitnehmerüberlassung erreicht. Während sich anschließend der starke Einbruch des Bruttoinlandsprodukts als Folge der globalen Wirtschaftskrise insgesamt nur moderat auf Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit auswirkte, brach die Beschäftigung in der Arbeitnehmerüberlassung in der schweren Rezession rapide ein. Bereits zu Beginn des Abschwungs ging ab April 2008 die Zahl der Leiharbeitnehmer saisonbereinigt leicht zurück. Dieser Rückgang verstärkte sich ab dem letzten Quartal 2008, und bis April 2009 schrumpfte die Zahl der Leiharbeitnehmer auf 582.000. 1 Damit beendete die 1 Alle angegebenen Werte aus der Arbeitnehmerüberlassungsstatistik (ANÜSTAT), saisonbereinigter Rückgang bezieht sich auf die Beschäftigtenstatistik.

DIE BEDEUTUNG DER ZEITARBEIT FÜR DEN ARBEITSMARKT 15 Krise zunächst einmal den Boom in der Zeitarbeit. Seither hat sich die Branche mit der besseren Konjunktur wieder erholt und zuletzt mit ca. 910.000 Leiharbeitnehmern wurde das Vorkrisenniveau sogar übertroffen. Neben dem aufwärtsgerichteten Trend ist also die besondere Konjunktursensitivität der Leiharbeit hervorzuheben. Dies impliziert, dass die Beschäftigungsentwicklung in der Leiharbeit inzwischen als ein guter Frühindikator für die konjunkturelle Entwicklung am Arbeitsmarkt gesehen werden kann. 1.000.000 900.000 800.000 700.000 600.000 500.000 400.000 300.000 200.000 100.000 0 +7,0 +5,0 +3,0 +1,0 1,0 3,0 5,0 Veränderung BIP (ggü. Vorquartal) Leiharbeitnehmer Beschäftigtenstatistik Saisonbereinigte Werte Leiharbeitnehmer Beschäftigtenstatistik Ursprungswerte Arbeitnehmerüberlassungsstatistik Abbildung 2: Entwicklung in der Arbeitnehmerüberlassung; Quelle: Arbeitnehmerüberlassungsstatistik Januar 2004 Juni 2011, Beschäftigtenstatistik Januar 2004 Oktober 2011 4. Entwicklung der Erwerbsformen Neben der Leiharbeit haben auch andere Formen flexibler Beschäftigungsverhältnisse an Bedeutung gewonnen. Um die Entwicklung in der Zeitarbeit richtig einzuordnen, ist also ein Blick über den Tellerrand in Richtung der Veränderung anderer Erwerbsformen dringend angeraten. In der Fachliteratur wird üblicherweise zwischen sogenannten Normalarbeitsverhältnissen und sogenannten atypischen Beschäftigungsformen unterschieden (Mückenberger, 1985) und dienen für diese Unternehmen in der einen oder anderen Form als atmende Reserve. Normalarbeitsverhältnisse sind demnach sozialversicherungspflichtig, vollzeitnahe und unbefristete Beschäftigungen mit klarer Zuordnung zu einem Arbeitgeber. Abweichungen davon sind folglich die atypischen Beschäftigungsverhältnisse, wie Leiharbeitsverhältnisse, befristete Beschäftigungen, auch Teilzeitbeschäftigungen (mit 20 oder weniger Stunden wöchentlicher Arbeitszeit) und geringfügige Beschäftigungen (Statistisches Bundesamt, 2008).