Die Aussichten der Schweiz inmitten der Eurozone



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Transkript:

Die Aussichten der Schweiz inmitten der Eurozone Referat von Dr. Jean-Pierre Roth Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank Wirtschaftsforum Graubünden Chur Dienstag, 12. Februar 2002

Einleitung Sehr geehrte Damen und Herren An Graubünden fasziniert allein schon die geographische Form: eine kleine Schweiz in der Schweiz. Dazu passen die Mehrsprachigkeit, die Rhätische Bahn, und starke, auf Autonomie bedachte Gemeinden. Auf wirtschaftlichem Gebiet gibt es allerdings auch Unterschiede. Vor allem fehlt die Währungsautonomie! Im Vergleich zur Gesamtschweiz sind in Graubünden drei Wirtschaftszweige von überdurchschnittlicher Bedeutung: Der Tourismus, die Stromwirtschaft und die Landwirtschaft. Alle drei Bereiche sind im Umbruch und stellen Ihren Kanton vor grosse Herausforderungen. Zentral ist vor allem der Tourismus. Gemessen an den Logiernächten ist Graubünden mit Abstand der erste Tourismuskanton der Schweiz. Das Gastgewerbe und die Hotellerie machen 15% der Betriebsstätten aus und beschäftigen 17% der Arbeitnehmer. Im weiteren Sinn generiert der Tourismus über die Hälfte der Wertschöpfung im Kanton. Der Tourismus ist auch die wichtigste Exportbranche Graubündens. Mehr als die Hälfte der Gäste kommt aus dem Ausland, der überwiegende Teil davon aus der Eurozone. Das Euro-Bargeld wird deshalb rascher als anderswo ein vertrauter Anblick werden. Und dass Graubünden auch verkehrsmässig mit dem europäischen Binnenmarkt verbunden ist, zeigte sich spätestens während der Sperrung des Gotthard-Tunnels im letzten Herbst. Die Ereignisse des letzten Jahres haben einmal mehr vor Augen geführt, wir stark die Schweiz mit der Weltwirtschaft und Europa verflochten ist. Lassen Sie mich heute abend die gegenwärtige Lage und die Aussichten der Schweizer Wirtschaft diskutieren. Wo stehen wir? Wie sehen die Perspektiven aus und was kann die Wirtschaft von der Nationalbank erwarten? 1. Globale Konjunkturabflachung Der vier Jahre dauernde Konjunkturaufschwung in der Schweiz ist 2001 ins Stocken gekommen. Im Jahresdurchschnitt wird das reale Wirtschaftswachstum nur knapp 1,5% erreichen. Damit fiel die konjunkturelle Abflachung um einiges stärker aus, als wir vor einem Jahr prognostiziert hatten.

Die Schweiz steht mit dieser Entwicklung nicht allein. Insgesamt dürfte die Wirtschaft des OECD-Raums im letzten Jahr lediglich um etwa 1% gewachsen sein, d.h. nur etwa einen Viertel so stark wie im Vorjahr. Diese unerwartet starke Bremsung wurde durch global wirkende Störungen verursacht. Sie führten dazu, dass der Abschwung in vielen Ländern fast gleichzeitig einsetzte und die Konjunktur praktisch synchron verlief. Eindrücklich waren die Folgen für den Welthandel: Hatte er im Jahre 2000 noch um 13% zugenommen, so stagnierte er im Jahre 2001 zum ersten Mal seit fast zwanzig Jahren. Welches waren die Bremsfaktoren? Ein erstes Element war die massive Verteuerung des Erdöls im Jahre 1999 und 2000, nicht zuletzt begünstigt durch den kräftigen Aufschwung in den Industrieländern selbst. Sie schmälerte in den Verbraucherländern das real verfügbare Einkommen der Haushalte und bewirkte einen deutlichen Anstieg der Inflation. Konjunkturdämpfend wirkte auch die Straffung der Geldpolitik durch die Zentralbanken. Der letzte nach oben gerichtete Zinsschritt der amerikanischen Notenbank, der Nationalbank und der europäischen Zentralbank erfolgte im Mai und Juni bzw. im Oktober 2000. Eine Erhöhung der Zinssätze war damals nötig. Ohne sie wäre die Wirtschaft in den USA wie in Europa zu rasch gewachsen. Die Überlastung der Kapazitäten hätte zu einer inflationären Überhitzung geführt mit all den negativen Folgen wie steigenden Inflationserwartungen und höheren langfristigen Nominalzinsen. Unter normalen Umständen hätten die Preishausse beim Erdöl und die recht moderate Straffung der Geldpolitik kaum ausgereicht, um eine so starke Konjunkturabkühlung auszulösen, wie wir sie dann tatsächlich erlebten. Entscheidend war, dass die ungestüme Entwicklung im Sektor der Informationstechnologie einen kräftigen Rückschlag erlitt. Nach der rasanten Expansionsphase begannen die Finanzmärkte den Wandel zur Informationsgesellschaft skeptischer zu beurteilen. Die Aktien kamen ins Rutschen und die Unternehmer revidierten ihre Investitionspläne nach unten. Hätten die Zentralbanken diese Gefahr berücksichtigen und auf Zinserhöhungen verzichten sollen? Dies wäre eine gefährliche Strategie gewesen, denn mit Zuwarten hätten die Zentralbanken das Vertrauen in die Geldpolitik aufs Spiel gesetzt, Inflationsbefürchtungen geschürt und die Spekulation weiter angeheizt. Nach den Übertreibungen Ende der neunziger Jahre war eine Korrektur überfällig. Auch kann niemand behaupten, die Zentralbanken vor allem das amerikanische Fed hätten vor den Risiken der exzessiven Börsenentwicklung nicht gewarnt.

Ein letzter Faktor waren die Terroranschläge vom 11. September. Sie trafen eine Weltwirtschaft, die sich bereits im Abschwung befand und versetzten ihr einen weiteren Schlag. Von der allgemeinen Verunsicherung unmittelbar betroffen war die Luftfahrt. Gift waren die Terrorattacken aber auch für weitere Wirtschaftszweige, darunter die Hotellerie und der gesamte Tourismus: Die Freude am Reisen war schlagartig weg. Auf der anderen Seite war die Widerstandskraft der hoch technisierten und verflochtenen internationalen Finanzmärkte bemerkenswert. Trotz der enormen Verluste in New York kam es zu keinen kritischen Situationen. Dies zeugt zuerst von der hohen Professionalität der Finanzindustrie. Weniger als befürchtet litt auch der private Konsum. Obschon sich die Konsumentenstimmung in den USA wie in Europa verschlechterte, nahmen die Konsumausgaben weiter zu. Eine wichtige Rolle spielten die Zentralbanken. Mit der raschen Lockerung der Geldpolitik nach dem 11. September verhinderten sie panische Reaktionen der Haushalte, Unternehmer und Investoren und trugen damit entscheidend zur Stabilisierung der Lage auf den Finanzmärkten bei. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Weltwirtschaft langfristig nicht doch Schaden genommen hat. Höhere Kosten für Sicherheit, Versicherungen und Transportleistungen könnten die Investitionstätigkeit und den Welthandel beeinträchtigen und das Wirtschaftswachstum in den Industrieländern über eine längere Zeit hinweg bremsen. 2. Die Schweiz im Sog der europäischen Konjunktur Der globale Abschwung traf die Schweizer Wirtschaft empfindlich. Von besonderer Bedeutung war die deutliche Konjunkturabschwächung in der Eurozone. Die Wirtschaft der Eurozone wuchs im letzten Jahr gemäss ersten Schätzungen lediglich um 1,5%, nach einem Zuwachs von 3,5% im Vorjahr. Unter der Konjunkturflaute litten besonders die Investitionen, die nach einem substanziellen Wachstum im Jahre 2000 stagnierten. Aber auch die Exporte und die Importe der Euroländer verloren im Laufe des Jahres stark an Dynamik. Die stagnierende Nachfrage in Europa traf unsere stark exportorientierte Investitionsgüterindustrie empfindlich. Die realen Ausfuhren von Ausrüstungsgütern lagen im vierten Quartal deutlich unter dem Vorjahresstand. Dazu kam, dass nach Jahren starken Wachstums auch die inländischen Unternehmen mit Investitionen zurückhielten. Der Geschäftsgang in der Metall-, Maschinen- und Elektroindustrie bildete sich in der Folge deutlich zurück. Produktion und Kapazitätsauslastung nahmen ab und eine

beträchtliche Anzahl von Betrieben musste erstmals nach längerer Zeit wieder Kurzarbeit verhängen. Neben der Exportindustrie erlitten auch die Banken und der Tourismus empfindliche Einbussen. Den Banken machte vor allem das schlechte Börsenjahr zu schaffen, dem Tourismus das Wegbleiben der Gäste aus Übersee. Ihren Kanton, der hauptsächlich auf europäische Gäste ausgerichtet ist, betraf dies etwas weniger. Mehr Sorgen dürfte Ihnen dafür die Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro bereitet haben. Sie bringt vor allem gegenüber den Destinationen in Österreich und Italien einen Wettbewerbsnachteil. Glücklicherweise erwies sich der private Konsum auch in der Schweiz als bemerkenswert robust. Zusammen mit der weiterhin leicht wachsenden Bautätigkeit wirkte er damit als wichtige Konjunkturstütze. Gleichwohl blieb die konjunkturelle Abschwächung für den Arbeitsmarkt nicht ohne Folgen. Im zweiten Halbjahr 2001 dürfte die Beschäftigung stagniert haben. Bis zum Januar dieses Jahres stieg die Arbeitslosenquote saisonbereinigt um mehr als einen halben Prozentpunkt auf 2,3%. Besonders betroffen waren wiederum die Metall-, Maschinen- und Elektroindustrie, aber auch das Gastgewerbe und die Banken. 3. Der starke Franken als zusätzliche Belastung Es besteht kein Zweifel, dass die globalen Störungen, insbesondere der weltweite Einbruch bei den Investitionen, Europa erheblich zusetzten. Dieser Entwicklung konnte sich das grosse, in sich relativ geschlossene Wirtschaftsgebiet der Eurozone nicht entziehen. Noch weniger vermochte dies die kleine und offene Schweiz mit ihrem viel höheren Aussenwirtschaftsanteil. Eine zusätzliche Erschwernis für die Schweizer Wirtschaft brachte die Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro. Dieses Thema emotionslos zu diskutieren, ist nicht ganz einfach. Die Nationalbank hat volles Verständnis dafür, dass die Betroffenen auf ihre Probleme und Sorgen hinweisen. Wenn wir dennoch unsere Sichtweise einbringen, so bedeutet dies keineswegs Gleichgültigkeit. Dass uns die Wechselkursentwicklung nicht kalt lässt, zeigt unsere Geldpolitik im vergangenen Jahr. Die rasche Aufwärtsbewegung des realen Frankenkurses im letzten September löste auch bei uns Befürchtungen aus. Sie untergrub unsere Bemühungen, die Geldpolitik zu lockern. Aus diesem Grund senkten wir unser Zielband für den Dreimonate- Libor am 24. September ein zweites Mal innerhalb einer Woche um einen halben Prozentpunkt. Anfang Dezember folgte ein dritter Zinsschritt in gleicher Höhe, so dass der

Dreimonate-Libor heute bei 1,75% liegt. Innerhalb eines Jahres haben wir damit den Leitzins halbiert. Die Rolle, die der Wechselkurs in unserem geldpolitischen Konzept spielt, zeigt sich vor allem in zweierlei Hinsicht. Erstens geht der Wechselkurs als wichtiges Element in unsere vierteljährliche Lageanalyse ein. Damit berücksichtigen wir, dass er neben dem Erdölpreis, der Weltkonjunktur und anderen Faktoren einen bedeutenden Einfluss auf die schweizerische Konjunktur und die Inflation hat. Wie Sie vielleicht wissen, mündet die Lagebeurteilung in einer mittelfristigen Inflationsprognose, welche die Grundlage für die Festlegung des Zielbandes für den Dreimonate-Libor bildet. Der Wechselkurs wird also grundsätzlich in dem Masse berücksichtigt, als er die Inflationsprognose beeinflusst. Zweitens haben wir für unseren Leitzins, den Dreimonate-Libor, ein Zielband von einem Prozentpunkt gewählt. Dies verschafft uns einen gewissen Spielraum, um temporären Störungen auf den Geld- und Devisenmärkten entgegenzuwirken. Obschon wir die Bedeutung des Wechselkurses für unsere Geldpolitik heute direkter kommunizieren als früher, bedeutet dies nicht, dass alle mit unserer Geldpolitik zufrieden sind. Denn heute wie früher müssen wir die geldpolitischen Entscheide letztlich im Hinblick auf die Erhaltung der Geldwertstabilität fällen. Dies war auch im vergangenen Jahr unsere Richtschnur. Wir sahen, dass das Risiko einer deflationären Entwicklung bestand. Dementsprechend senkten wir den Zinssatz. Aus Sicht der Exportbranchen, die sich einer sinkenden Auslastung, Preisdruck und rückläufigen Margen gegenüber sehen, mag es in Zeiten eines starken Frankens nicht viel zu überlegen geben. Oft wird direkt ein Kursziel gefordert, das die Nationalbank anvisieren sollte, sei es durch weitere Zinssenkungen oder durch Interventionen am Devisenmarkt. Konfrontiert mit solchen Forderungen, sehen wir uns jeweils gezwungen, auf die Folgen einer auf ein bestimmtes Wechselkursziel ausgerichteten Geldpolitik hinzuweisen. Der Wechselkurs wird durch Marktkräfte bestimmt, die nicht ohne weiteres in die eine oder andere Richtung gelenkt werden können. So hat die Erfahrung gezeigt, dass Interventionen am Devisenmarkt ohne entsprechende Anpassung der Frankenliquidität nicht den erwünschten Erfolg bringen. Ebenso wenig lässt sich der Wechselkurs auf die Dauer durch blosses Zureden beeinflussen. Um einen bestimmten Wechselkurs durchzusetzen, muss die Zentralbank letztlich bereit sein, die Frankenliquidität und damit die kurzfristigen Zinssätze so lange zu erhöhen oder zu senken, bis sich der gewünschte Wechselkurs einstellt. Sie verliert damit die Kontrolle über die Liquiditätsversorgung der Wirtschaft und gefährdet die Preisstabilität. Was kurzfristig gewonnen wurde, geht damit

langfristig wieder verloren. Das Verfolgen eines bestimmten Wechselkursziels kann deshalb nur ein letzter Ausweg sein. In der heutigen Situation wäre eine solch einschneidende Massnahme Fehl am Platz gewesen. Die Schweizer Wirtschaft blieb trotz der unbestrittenen Abkühlung insgesamt gesund. Vor allem aber sind die Aussichten auf eine Erholung in diesem Jahr günstig. Dies deshalb, weil im letzten Jahr die Zentralbanken die Geldpolitik deutlich lockerten und damit der Weltwirtschaft starke Impulse verliehen. Lassen Sie mich damit zu den Konjunkturaussichten übergehen. 4. Wann kommt der Konjunkturaufschwung? Wir erwarten für dieses Jahr ein Wachstum des realen Bruttoinlandprodukts von 1%. Dies ist etwa gleich viel wie für die Eurozone prognostiziert wird. Im ersten Halbjahr dürfte die Konjunktur noch flach verlaufen. Bis zum Ende des Jahres sollte das Jahreswachstum aber 2% erreichen und die Zahl der Arbeitslosen wieder zurückgehen. Für die Teuerung erwarten wir einen Durchschnittswert von 0,9%, d.h. weiterhin Preisstabilität. Hinter dieser Prognose stecken wie immer eine ganze Reihe von Annahmen. Dazu gehört, dass die Konjunktur in den USA und in Europa spätestens in der zweiten Jahreshälfte wieder Tritt fassen wird. Auch rechnen wir nicht mit einem neuen Preisschub beim Erdöl. Und vor allem schliessen wir in unserem Hauptszenario natürlich aus, dass der Dollarkurs plötzlich massiv an Wert verlieren und der Franken-Euro-Kurs für die Wirtschaft untragbar werden wird. Bis heute gibt es keinen Grund, an unserem Szenario zu zweifeln. Die Stimmung hat sich in den letzten Wochen weltweit aufgehellt. Dazu trugen sowohl die positiveren Nachrichten aus den USA als auch aus der Eurozone bei. Eine Konjunkturwende tritt allerdings nicht schlagartig ein. Die Abwärtsbewegung verliert zunächst an Dynamik und die Erwartungen richten sich wieder nach oben. Erst später folgen die handfesten Indikatoren wie die Auftragsentwicklung, die Produktion und die Beschäftigung. Soweit sind wir heute noch nicht. Positive Signale gibt es auch in der Schweiz. Für das vierte Quartal 2001 und das erste Quartal dieses Jahres müssen wir zwar nochmals mit einer schwachen Entwicklung des realen Bruttoinlandprodukts rechnen. Dafür sprechen unter anderem der bis zuletzt rückläufige Geschäftsgang in der Industrie, sinkende Ausrüstungsinvestitionen und abnehmende Güterexporte. Der kräftige private Konsum und die positiven Meldungen zur

Wintersaison aus den Tourismusgebieten werden diese negativen Tendenzen kaum wett machen können. Einige Indikatoren zeigen aber inzwischen, dass sich die Lage nicht mehr weiter verschlechtert hat. Die rezessiven Kräfte scheinen nachzulassen. Allerdings gibt es Risiken. Für die schweizerische Exportindustrie hängt einiges davon ab, wie rasch und stark die Investitionstätigkeit in den USA und in Europa wieder anziehen wird. In einigen Bereichen, vor allem im IT- und im Transportsektor bestehen erhebliche Überkapazitäten. Der Abbau dieser Überkapazitäten, aber auch eine tiefer sitzende Unsicherheit der Unternehmen könnte die Erholung hinauszögern. Auf der anderen Seite müssen gerade Technologiegüter in kürzester Zeit abgeschrieben werden, was rasch wieder neue Nachfrage generieren sollte. Der private Konsum wird zwar auch dieses Jahr durch die günstige Einkommensentwicklung, stabile Preise und tiefe Zinssätze gestützt. In einigen Bereichen ist jedoch die Arbeitsmarktsituation schwieriger geworden. Die Konsumenten könnten deshalb gerade bei grösseren Anschaffungen vorsichtiger werden. Als Hauptrisiko für die Schweizer Wirtschaft sehen viele die weitere Entwicklung des Wechselkurses gegenüber dem Euro. An sich besteht kein Grund, weshalb der Franken gegenüber dem Euro stärker werden sollte. Die schweizerischen Zinssätze sind im Vergleich zu den europäischen Sätzen unattraktiv. Auch das Argument der Schweiz als sicherer Hafen hat mit der politischen Beruhigung an Bedeutung verloren. Beide Faktoren sprechen im Grunde für eine Erstarkung des Euro gegenüber dem Franken. Nun ist es aber so, dass der Wechselkurs in der kurzen Frist volatil ist und viele seiner Bestimmungsgründe nicht beobachtbar sind. Fest steht damit lediglich, dass die Nationalbank seine Entwicklung weiterhin aufmerksam verfolgen und nötigenfalls ihre Geldpolitik anpassen wird. 5. Schlussbemerkungen Letztes Jahr blies der Schweizer Wirtschaft ein scharfer Wind entgegen. Die Abkühlung der Weltkonjunktur hinterliess in vielen Branchen, aber auch auf dem Arbeitsmarkt deutliche Spuren. Die Chancen einer konjunkturellen Besserung sind jedoch intakt. Entwickelt sich die Wirtschaft in diesem Jahr gemäss unseren Vorstellungen, so hätte sie das schwierige Jahr 2001 glimpflich überstanden. Besonders gefordert wurden die Exportbranchen die Industrie wie der Tourismus. Dank den grossen Anstrengungen in den neunziger Jahren hat sich insbesondere die

Wettbewerbsfähigkeit der schweizerischen Industrie deutlich verbessert. Konfrontiert mit der raschen realen Aufwertung des Frankens im zweiten Halbjahr, sahen die Unternehmen diese Bemühungen gefährdet. Nach dem glänzenden Jahr 2000 musste auch der Schweizer Tourismus Einbussen hinnehmen. Zwar fielen sie dank der kräftigen Nachfrage aus dem Inland weniger stark aus, als zunächst befürchtet werden musste. Auch für diesen Wirtschaftszweig bedeutete die Höherbewertung des Frankens indessen eine zusätzliche Belastung. Sie erfolgte zu einer Zeit, in der der Schweizer Tourismus bemüht ist, im Hinblick auf die längerfristigen Herausforderungen die Strukturen zu verbessern. Der Ruf der Exportbranchen nach einem schwächeren Franken war angesichts des schwierigen Konjunkturumfeldes und des starken internationalen Wettbewerbs, dem sie tagtäglich ausgesetzt sind, verständlich. Aber auch aus Sicht der Nationalbank bedeutete die Höherbewertung des Frankens eine Verschärfung der Rahmenbedingungen, die vor dem Hintergrund der konjunkturellen Verlangsamung unerwünscht war. Die Nationalbank hat entsprechend mit der Geldpolitik reagiert. Die substanzielle Lockerung der Geldpolitik im zweiten Halbjahr entschärfte die Wechselkurslage. Dank tiefen Zinsen, stabilen Preisen und der in vielen Branchen wieder gewonnenen Flexibilität hat die Wirtschaft gute Chancen, vom erwarteten Aufschwung der Weltkonjunktur voll zu profitieren. Für Graubünden und das Wallis hat der nun endlich gekommene Schnee Erleichterung gebracht noch lieber hätten Sie ihn vermutlich früher gehabt. Doch für das Wetter ist die Nationalbank nicht zuständig, auch wenn ich mir das selbst manchmal wünschen würde.