Der erste Linzer Frauenbericht bietet eine Fülle von Daten und Fakten zur aktuellen Lebenssituation der Linzerinnen. (Foto: KOMM)
Silvia Kremsner Erster Linzer Frauenbericht 49 Wissenschaftliche Studie ist ein Handlungsauftrag Im Frühjahr präsentierte das Institut für Frauen- und Geschlechterforschung an der Johannes Kepler Universität die Ergebnisse einer umfassenden Studie zur aktuellen Lebenssituation der Linzerinnen. Der österreichweit erste Frauenbericht ist die Basis, um gezielte und nachhaltige Maßnahmen setzen zu können. Im Mai des vergangenen Jahres hat das Institut für Frauen- und Geschlechterforschung an der Johannes Kepler Universität auf Initiative von Stadträtin Mag. a Eva Schobesberger mit der Erstellung des ersten Linzer Frauenberichtes begonnen. Drei wissenschaftliche Mitarbeiterinnen unter Leitung der Institutsvorständin Univ. Prof.in Mag. a Dr. in Gabriella Hauch waren beinahe ein Jahr mit dieser Studie beschäftigt, deren Ergebnisse vor kurzem vorgestellt wurden. Der erste Linzer Frauenbericht gibt anhand statistischer Daten einen umfassenden und vertiefenden Einblick in die diversen Lebensbedingungen und Lebensformen der Linzerinnen. Die gesammelten Daten wurden gemeinsam mit Linzer ExpertInnen analysiert und interpretiert. Vorschläge für konkrete Maßnahmen runden die wissenschaftliche Studie ab. Die im Linzer Frauenbericht festgeschriebenen Eckdaten bilden künftig die Grundlagen, um bedarfsorientiert Maßnahmen und Aktivitäten in Linz setzen zu können. Alle Mitglieder des Ausschusses für Frauen, Umwelt, Bildung und Naturschutz sind bereits eingeladen, Vorschläge für frauenpolitische Maßnahmen in Linz einzubringen. Zu den Themenschwerpunkten der Untersuchung zählten Demographie, Lebensformen, Geschlechterbeziehungen, Ausbildung, Erwerbssituation, Arbeitsmarktsituation, Einkommen, Transfers, Gesundheit, Alter, ethnische Herkunft, Beeinträchtigungen, Wohnen, Mobilität, Freizeitverhalten sowie soziokulturelle und politische Partizipation der Linzerinnen. Linzerinnen im Trend Der Frauenanteil von 52,4 Prozent in Linz liegt im Durchschnitt der österreichischen Städte. 60 Prozent der Frauen sind im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 60 Jahren. Die Lebensformen österreichischer Frauen und Männer sind im Laufe der letzten Jahrzehnte vielfältiger geworden. Dieser Wandel entspricht einem europaweiten Trend, Der Linzer Frauenbericht ist die Basis, um für die Bedürfnisse der Linzerinnen zugeschnittene Maßnahmen zu setzen. Nur so können Veränderungen in der bestehenden Geschlechterschieflage herbeigeführt und Ungerechtigkeiten zwischen Frauen und Männern beseitigt werden. Stadträtin Mag. a Eva Schobesberger Frauenreferentin der Stadt Linz
50 Erster Linzer Frauenbericht In Linz leben mehr Frauen als Männer: Über 52 Prozent der EinwohnerInnen sind weiblich. (Foto: KOMM) wie zum Beispiel das veränderte Heiratsverhalten, die Zunahme vorehelicher Lebensgemeinschaften oder die wachsende Scheidungshäufigkeit. Betrug das durchschnittliche Erstheiratsalter bei Frauen Mitte der 1970er-Jahre 21,4 Jahre, liegt es am Ende der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts bereits bei 28,9 Jahren. Bei Männern stieg es im selben Zeitraum von 24,4 Jahren auf 31,7 Jahren. Auch die Linzerinnen heiraten später und bekommen später ihr erstes Kind. Dabei hat sich der Anteil der unehelichen Kinder an allen Geburten seit 1970 mehr als verdoppelt. Von Scheidung betroffene Kinder werden weniger, es sind jedoch im Österreichvergleich mehr jüngere Kinder betroffen. Der Anteil der Alleinerzieherinnen beträgt in Linz 15 Prozent. Arbeitsmarktsituation An den Benachteiligungsstrukturen für Frauen hat sich trotz aller Gleichstellungsbekenntnisse und trotz aller politischen Maßnahmen in den vergangenen Jahrzehnten prinzipiell nichts Grundlegendes verändert. Führungsfunktionen sind, wie auch im Rest von Österreich, in Linz nach wie vor eine Männerdomäne. 48 Prozent der unselbständig Erwerbstätigen in Linz sind Frauen und auch Teilzeitarbeit ist in Linz weiblich: Insgesamt rund 41 Prozent aller erwerbstätigen Frauen sind teilzeitbeschäftigt. Die Teilzeitquote der Linzerinnen ist jedoch niedriger als jene in Oberösterreich oder jene der Salzburgerinnen und Grazerinnen. Der Beschäftigungszuwachs der Linzerinnen der vergangenen Jahre resultiert überwiegend
Erster Linzer Frauenbericht 51 70 Prozent aller unselbstständig erwerbstätigen Frauen arbeiten in Linz im Dienstleistungssektor. Frauen in Linz sind teilweise von größerer Bedrohung ihrer Existenzsicherung betroffen als Männer. (Fotos: KOMM) aus der Zunahme der Teilzeitbeschäftigung. 57 Prozent der Linzerinnen, aber 87 Prozent der Linzer haben einen Vollzeitarbeitsplatz. 70 Prozent aller unselbständig erwerbstätigen Frauen arbeiten in Linz im Dienstleistungssektor im engeren Sinn gegenüber 54 Prozent der Männer. Zusätzlich arbeiten noch 22 Prozent aller Frauen in Gebietskörperschaften und in Unterricht und Forschung. Nur zehn Prozent aller Frauen arbeiten im klassischen produzierenden Bereich gegenüber 36 Prozent der Männer. Existenzsicherung Frauen in Linz sind teilweise von größerer Bedrohung ihrer Existenzsicherung betroffen. Vor allem Linzerinnen in bestimmten
52 Erster Linzer Frauenbericht Frauen sind so gut ausgebildet wie noch nie, allerdings sind Führungsfunktionen nach wie vor Männersache. (Foto: KOMM) sozialen Lagen und Lebensphasen wie Alleinerzieherinnen, allein lebende Frauen, Frauen mit Migrationshintergrund oder Pensionistinnen sind von einem größeren Armutsrisiko oder von verstärkter Armut betroffen. Die traditionelle Geschlechterordnung verschärft die Existenzbedrohung von Linzerinnen: 16 Prozent der Linzerinnen im erwerbsfähigen Alter sind Hausfrauen. Der geschlechtsspezifische Lohngap in Linz beträgt 32 Prozent, je nach beruflichem Status wird er sogar noch größer. Die geschlechtsspezifische Einkommensdifferenz bei PensionistInnen ist nur noch in St. Pölten und in Innsbruck größer als in Linz, wo sie bei 42 Prozent liegt. Auch die Anzahl von Sozialhilfebezieherinnen ist in Linz stark steigend. Immer mehr Frauen sind außerdem von Obdachlosigkeit betroffen. Überschuldung von Linzerinnen ist ein wesentliches Problem, wobei Bürgschaften und Mithaftungen eine auffällig steigende Bedeutung haben. Bestens ausgebildet Derzeit spricht man von der bestausgebildeten Frauengeneration aller Zeiten. Das Qualifikationsniveau ist jedoch kein Garant dafür, dass dies auch in Einkommen und Karrieren umgesetzt werden kann. Nach wie vor sind Bildungs- und Ausbildungswahl traditionell geschlechtsspezifisch geprägt. Im Vergleich zu den Linzer Männern verfügen überdurchschnittlich viele Linzerinnen nur über einen Pflichtschulabschluss. Die Bildungsbeteiligung der jungen Linzerinnen steigt allerdings stetig und ist auch stärker als jene der jungen Linzer. Die jungen Linzerinnen wählen jedoch nach wie vor nahezu ungebrochen geschlechtsstereotype Schulausbildungen. Auch bei den Lehrausbildungen zeigt sich ein unverändertes Berufswahlverhalten: Von den 34 Prozent weiblicher Lehrlinge wählen nahezu zwei Drittel einen von 10 Berufen aus 260 möglichen Lehrberufen. Der Anteil weiblicher Lehrlinge in der Industrie beträgt 14,5 Prozent, im Gewerbe und Handwerk
Erster Linzer Frauenbericht 53 Die jungen Linzerinnen sollen dazu angeregt werden, weniger geschlechtsstereotype Schulausbildungen zu wählen. Die beliebtesten Ausbildungen für Frauen sind immer noch Verkäuferin, Friseurin oder Sekretärin. (Fotos: KOMM)
54 Erster Linzer Frauenbericht Frauentypische Berufe Seit den 1950er-Jahren hat sich also nicht viel geändert. Die beliebtesten Ausbildungen für junge Frauen sind immer noch Verkäuferin, Friseurin oder Sekretärin. 48 Prozent der weiblichen Lehrlinge in ganz Österreich wählen nur aus diesen drei Berufen. Mit ihrer Berufswahl nehmen junge Frauen in Kauf, dass mit den als frauentypisch bezeichneten Berufen unerfreulichere Einkommens- und Karrierechancen einhergehen. In Linz ist die Situation ähnlich wie im bundesweiten Trend. Als erste Aktion um den Linzer Frauenbericht für konkrete frauenpolitische Maßnahmen zu nutzen, startet auf Initiative von Frauenstadträtin Mag. a Eva Schobesberger ein Schulprojekt für Linzer Mädchen. Das Projekt MiT Mädchen in die Technik soll den Umgang mit Technik und modernen Technologien fördern. (Foto: KOMM) 21 Prozent und im Einzelhandel 73 Prozent. Bei den Erwachsenen dominieren Männer nach wie vor den technischen und naturwissenschaftlichen Sektor, während Frauen bei Sport, Ernährung und Gesundheit den Ton angeben. Allerdings werden in Linz frauenspezifische Bildungsangebote stark angenommen. MIT Mächen in die Technik Für die Berufsorientierung von Mädchen gibt es schon zahlreiche Projekte, die nach der Volksschule ansetzen. Unter Federführung der Johannes Kepler Universität startet im Herbst 2011 ein dreistufiges Technik- Projekt, das bereits im Volksschulalter ansetzt. MiT Mädchen in die Technik soll den Umgang mit Technik und modernen Technologien so früh wie möglich zu einem selbstverständlichen Erfahrungswert von Mädchen machen. Wichtig dabei ist es, VolksschullehrerInnen ins Boot zu holen, die gemeinsam mit ihren Schülerinnen an verschiedenen Projekten zum Thema Technik arbeiten. Das erste Modul umfasst einen dreitägigen Workshop, bei dem es in erster Linie darum geht, die Lehrpersonen zu sensibilisieren und über den theoretischen Hintergrund zu informieren. Das zweite Modul dient zur Gestaltung und Planung der aktiven Pro jektar beit in der Klasse. Die Abschlussveranstaltung ist in einem öffentlichen Rahmen geplant. Alle teilnehmenden LehrerInnen
Erster Linzer Frauenbericht 55 werden eingeladen, ihre Projekte mit den Schülerinnen zu präsentieren. Zukunftsperspektiven Mädchen und junge Frauen sind in den technischen Zukunftsbranchen unterrepräsentiert. Gründe dafür sind unter anderem, dass Frauen immer noch bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden, die sie besonders für frauentypische Berufe in der Pflege oder im sozialen Bereich geeignet erscheinen lassen. Diese stereotypen Geschlechterbilder sind trotz Gegensteuerung immer noch präsent. Sie beeinflussen das Denken und Handeln und letztendlich auch die Berufswahl von Mädchen und jungen Frauen. Der Volksschule als Bildungsinstitution kommt für die Veränderung traditioneller Geschlechterrollen eine wesentliche Bedeutung zu. Sie hat auch auf die spätere Berufswahl einen besonderen Einfluss. Technik-Projekte in der Schule bieten den Mädchen einen wichtigen konkreten Bezug zur Lebenswelt. Sie begegnen naturwissenschaftlichen und technischen Zusammenhängen und können selbst experimentieren. Berührungsängste können abgebaut und Interessen aufgebaut werden. Darüber hinaus ist es wichtig, umfassende Informationen über die Vielfalt und Bandbreite der Berufe im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich zu vermitteln. Umfassende Informationen über die Vielfalt der Berufe im technisch naturwissenschaftlichen Bereich sollen so bald wie möglich vermittelt werden. (Foto: KOMM)
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