Neues rund um die Eignungsprüfung bei IT-Vergaben



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Transkript:

Fachtagung IT-Beschaffung 2013 Fachforum 1 Referent: RiOLG Herbert Summa Oberlandesgericht Koblenz Neues rund um die Eignungsprüfung bei IT-Vergaben Moderation: RA Günther Pinkenburg, LL.M. INFORA Rechtsanwaltsgesellschaft mbh München

Grundlagen der Eignungsprüfung 1 97 Abs. 4 Satz 1 GWB: Aufträge werden an fachkundige, leistungsfähige sowie gesetzestreue und zuverlässige Unternehmen vergeben. Art. 44 Abs. 1 VKR: Der Auftraggeber prüft die Eignung nach den Kriterien der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit sowie der beruflichen und technischen Fachkunde. 2

Grundlagen der Eignungsprüfung 2 Eignungskriterien nach dem Unionsrecht sind also der wirtschaftliche Background und das Know How. Eine gesonderte Prüfung der allgemeinen Zuverlässigkeit und der Gesetzestreue sieht das Unionsrecht nicht vor. Nach Art. 48 Abs. 5 VKR ist die Zuverlässigkeit ein Element der technischen/beruflichen Leistungsfähigkeit und somit nicht allgemein, sondern bezogen auf den konkreten Auftrag zu prüfen. Daneben kennt das Unionsrecht einige zwingende bzw. fakultative Ausschlussgründe, die nach nationalem Verständnis an Umstände anknüpfen, die die Unzuverlässigkeit begründen. 3

Grundlagen der Eignungsprüfung 3 Das Unionsrecht kennt also folgende Prüfungsschritte, was auch in 6, 7 EG weitgehend ihren Niederschlag gefunden hat: 1. zwingende Ausschlussgründe wegen Vorstrafen ( 6 Abs. 4 EG VOL/A) 2. fakultative Ausschlussgründe z.b. wegen wirtschaftlicher Probleme ( 6 Abs. 6 lit. a) EG VOL/A: Insolvenz) oder wegen Unzuverlässigkeit ( 6 Abs. 6 lit. c) EG VOL/A: schwere Verfehlung) Hinweis: Diese Ausschlussgründe gelten in jeder Lage des Verfahrens, d.h. einem vorbestraften Unternehmen kann bereits die Überlassung der Vergabeunterlagen verweigert werden. 4

Grundlagen der Eignungsprüfung 4 3. Befugnis/Befähigung zur Berufsausübung (Gewerberecht, Handwerksrecht u. Ä.; Art 46 VKR) 4. wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit ( 7 Abs. 2 EG VOL/A) 5. technische und/oder berufliche Leistungsfähigkeit ( 7 Abs. 3 VOL/A) 5

Ausschlussgründe ausgewählte Probleme 1 6 Abs. 4 Nr. 1 Satz 3 EG VOL/A: Ein Verhalten einer rechtskräftig verurteilten Person ist einem Unternehmen zuzurechnen, wenn sie für dieses Unternehmen bei der Führung der Geschäfte selbst verantwortlich gehandelt hat oder ein Aufsichts- oder Organisationsverschulden gemäß 130 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) einer Person im Hinblick auf das Verhalten einer anderen für das Unternehmen handelnden, rechtskräftig verurteilten Person vorliegt. 6

Ausschlussgründe ausgewählte Probleme 1 Die 2. Alternative ist m.e. nicht mit dem Unionsrecht zu vereinbaren und darf deshalb nicht angewendet werden. Das Unionsrecht verlangt, dass der Täter selbst Leitungs-, Vertretungs-, Entscheidungs- oder Kontrollbefugnisse hat (derzeit noch versteckt in Art. 45 Abs. 1 Unterabs. 3 Satz 3 VKR). Unmissverständlich: Art. 55 Abs. 1 Unterabs. 2 des Entwurfs einer neuen Richtlinie bestimmt, dass die rechtskräftige Verurteilung Unternehmensleiter oder andere Personen mit Vertretungs-, Beschluss- oder Kontrollbefugnissen im Hinblick auf den Bewerber oder Bieter betraf. 7

Ausschlussgründe ausgewählte Probleme 2 Feste Auftragssperren sind m.e. nicht mit dem Unionsrecht zu vereinbaren. Das Vergabeverfahren ist kein Strafverfahren; es dient auch nicht der künftigen Ächtung eines Unternehmens. Es geht allein um die Frage, welchen Einfluss ein Fehlverhalten in der Vergangenheit auf die Zuverlässigkeit zum Zeitpunkt der Auftragsausführung hat. Ist diese durch Selbstreinigung wieder hergestellt, gibt es für eine Auftragssperre keinen sachlichen Grund mehr. Andererseits wird die Unzuverlässigkeit eines Unternehmens, das sich einer Selbstreinigung verweigert, nicht allein dadurch wieder hergestellt, dass 12, 24 oder 36 Monate vergangen sind, aber immer noch dieselben Kriminellen das Sagen haben. 8

Ausschlussgründe ausgewählte Probleme 3 Das Unionsrecht und 6 Abs. 6 lit. c EG VOB/A (schwere Verfehlung) knüpfen an eine bereits begangene Verfehlung an. Gleiches gilt z.b. auch für 21 SchwarzArbG. Es ist deshalb unzulässig, die Unzuverlässigkeit allein mit der Befürchtung zu begründen, ein Unternehmen werde im Zusammenhang mit der Ausführung des anstehenden Auftrags eine schwere Verfehlung begehen. 9

Ausschlussgründe ausgewählte Probleme 4 7 Abs. 7 Satz 1 EG VOL/A: Die Auftraggeber können von den Bewerbern oder Bietern entsprechende Bescheinigungen der zuständigen Stellen oder Erklärungen darüber verlangen, dass die in 6 EG Absatz 6 genannten Ausschlussgründe auf sie nicht zutreffen. Das Auskunftsverlangen bezieht sich also nur auf die fakultativen Ausschlussgründe, nicht auf die zwingenden des Abs. 4. Bei 6 Abs. 6 lit. c) EG VOL/A ist die Eigenerklärung im Grunde genommen Unfug ( Ich habe möglicherweise eine Verfehlung begangen, die ich aber nicht für schwer halte, und wenn sie doch schwer sein sollte, kann man sie mir nicht nachweisen. ) 10

Ausschlussgründe ausgewählte Probleme 4 Das geltende Recht sieht nicht vor, dass jedes Unternehmen unter den Generalverdacht der Vorbestraftheit gestellt wird, den es vorbeugend entkräften muss. Vielmehr soll der Auftraggeber nur tätig werden, wenn er konkrete Informationen über eine mögliche Vorstrafe hat. Über diesen Verdacht muss er das betroffene Unternehmen informieren; dieses hat dann, wie es in 7 Abs. 7 EG VOL/A geregelt ist, die Möglichkeit nachzuweisen, dass die Informationen des Auftraggebers falsch sind. Ebenso sollte der Auftraggeber beim Verdacht einer schweren Verfehlung verfahren. 11

Ausschlussgründe ausgewählte Probleme 5 Die Nachweis im Sinne des 6 Abs. 6 lit. c) EG VOL/A setzt keine rechtskräftige gerichtliche Feststellung voraus. Die Unschuldsvermutung gilt im Vergabeverfahren nicht. Es genügt, dass der Auftraggeber auf der Grundlage der Informationen, die er sich mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln beschaffen kann, redlicherweise zu der Überzeugung gelangen darf, der Bieter habe die Verfehlung begangen. Eine Verfehlung kann als nachgewiesen angesehen werden, wenn gegen den Vorstand oder Geschäftsführer eines Bieters ein Haftbefehl besteht (OLG München v. 22.11.2012 - Verg 22/12). Die gilt auch, wenn der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt ist. 12

Ausschlussgründe ausgewählte Probleme 5 Eine Verfehlung im Sinne des 6 Abs. 6 lit. c) EG VOL/A liegt nur vor, wenn sie geeignet ist, die auftragsbezogene Zuverlässigkeit in Frage zu stellen. Bei einer Straftat nach 266a StGB ist dies m.e. entgegen der Auffassung des OLG München zweifelhaft, weil die Solidargemeinschaft der Versicherten geschützt werden soll. Deshalb: lit. d): Verstoß gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Abgaben usw. Hinweis: 266a StGB ist ein sog. Krisendelikt, d.h. es wird in der Regel nur begangen, wenn es dem Unternehmen wirtschaftlich sehr schlecht geht 13

Ausschlussgründe ausgewählte Probleme 5 Das Angebot eines Bieters ist auszuschließen, wenn der öffentliche Auftraggeber eine nachweislich schwere Verfehlung des Bieters festgestellt hat und wegen dieser schweren Verfehlung die Zuverlässigkeit des Bieters nicht bejaht werden kann. Der Auftraggeber kann diesen Bieter also nicht im Wege der Ermessensausübung doch im Rennen um den Auftrag blieben lassen. 14

Ausschlussgründe ausgewählte Probleme 6 Selbstreinigung: Gemeint sind Maßnahmen präventiver und wiedergutmachender Art im organisatorischen und personellen Bereich getroffen, mit denen die Zuverlässigkeit wieder hergestellt wird ( Aufräumen ): Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung Wiedergutmachung für einen durch die Verfehlung entstandenen Schadens personelle Konsequenzen (Problem: Bewährungsstrafe) präventive strukturelle und organisatorische Veränderungen 15

Ausschlussgründe ausgewählte Probleme 7 Insolvenz ( 6 Abs. 6 lit. a) EG VOL/A Es erscheint widersprüchlich, wenn ein Auftraggeber einerseits gründlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens prüfen soll, andererseits aber die Insolvenz kein zwingender Ausschlussgrund ist. Aber: Ziel des Insolvenzverfahrens ist die Erhaltung des Unternehmens. Das soll der Staat nicht dadurch unterlaufen, dass er sich selbst als Geschäftspartner verabschiedet. 16

Ausschlussgründe ausgewählte Probleme 7 Insolvenz ist nur ein potentieller Eignungsmangel. Der Auftraggeber muss trotz Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, der Stellung eines entsprechenden Antrags oder der Ablehnung eines solchen Antrags mangels Masse in eine Einzelfallprüfung eintreten (OLG Celle v. 18.02.2013-13 Verg 1/13; OLG Schleswig v. 30.05.2012-1 Verg 2/12 - VergabeR 2012, 900). Entscheidend ist, ob trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten eine Vertragserfüllung nach menschlichem Ermessen gesichert ist. Es kommt nicht darauf an, ob die Rettung des Unternehmens gesichert ist. 17

Ausschlussgründe ausgewählte Probleme 7 Tipp: Der Insolvenzverwalter ist vor einer Entscheidung über die Fortführung des Schuldnerunternehmens zu einer realistischen Einschätzung der Wirtschaftskraft verpflichtet. Also: Gemäß 18 EG VOL/A von dem Insolvenzverwalter unter Fristsetzung Aufklärung über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens und damit der Leistungsfähigkeit (Eignung) verlangen. 18

Eignungsprofil 1 Der Auftragnehmer muss vor der Bekanntmachung für sich das auftragsbezogene Eignungsprofil festlegen, um sich auf dessen Grundlage zu überlegen, was er eigentlich von den Bewerbern/Bietern erwartet und welche Nachweise vorgelegt werden sollen. In 7 Abs. 2, 3 EG VOL/A sind die Unterlagen und Erklärungen aufgeführt, mit deren Hilfe ein am Auftrag interessiertes Unternehmen seine Eignung nachweisen kann. Notwendig ist eine auftragsbezogene Auswahl insbesondere mit Blick auf das Know How (Art. 48 Abs. 2 VKR: je nach Art, Menge oder Umfang und Verwendungszweck der Bauleistungen, der zu liefernden Erzeugnisse oder der Dienstleistungen 19

Eignungsprofil 2 Es ist nicht sinnvoll und u.u. sogar vergaberechtswidrig, alles an Unterlagen zu verlangen, was die Vergabeordnung hergibt. Fragen Sie sich z.b. selbstkritisch, ob Sie Bilanzen brauchen ( Kann jemand bei uns Bilanzen lesen? ) ob Sie Umsatzzahlen brauchen (Schlecker machte auch Umsatz) ob nicht eine Eigenerklärung mit wenigen wirtschaftlichen Eckdaten und eine Auskunft von Creditreform o.ä. für Ihre Zwecke ausreichen ob Sie wirklich wissen müssen, wie viele Arbeitnehmer ein Bieter vor drei Jahren hatte. 20

Mindestanforderungen 1 7 Abs. 2 lit. d) EG VOL/A: Verlangt werden kann die Vorlage einer Erklärung über den Gesamtumsatz des Unternehmens sowie den Umsatz bezüglich der besonderen Leistungsart, die Gegenstand der Vergabe ist, jeweils bezogen auf die letzten drei Geschäftsjahre. 21

Mindestanforderungen 2 Zum Vergleich Art 47 Abs. 1 lit. c) VKR: Verlangt werden kann eine Erklärung über den Gesamtumsatz und gegebenenfalls den Umsatz für den Tätigkeitsbereich, der Gegenstand der Ausschreibung ist, höchstens in den letzten drei Geschäftsjahren, entsprechend dem Gründungsdatum oder dem Datum der Tätigkeitsaufnahme des Wirtschaftsteilnehmers, sofern entsprechende Angaben verfügbar sind. 22

Mindestanforderungen 3 Die Absätze 2 und 3 des 7 EG VOL/A regeln keine Mindestanforderungen an die Eignung. Folglich bedeutet beispielsweise das Abschreiben des 7 Abs. 2 lit. d) EG VOL/A nicht, dass ein Unternehmen bereits mindestens 3 Jahre existiert haben muss, um überhaupt als geeignet in Betracht zu kommen (OLG Koblenz v. 25.09.2012-1 Verg 5/12 - VergabeR 2013, 90). 23

Mindestanforderungen 4 Mindestanforderungen müssen in der Bekanntmachung als solche bezeichnet werden. Das zwingend zu verwendende Standardformular 2 enthält dafür gesonderte Spalten. 24

Mindestanforderungen 5 Der Auftraggeber ist berechtigt, das auftragsbezogene Eignungsprofil über Mindestanforderungen an die Leistungsfähigkeit zu definieren. Ein Bieter, der den Mindestanforderungen nicht genügt, kommt mangels Eignung nicht als Auftragnehmer in Frage. Bei der Festlegung des auftragsbezogenen Eignungsprofils ist der Auftraggeber weitgehend frei. 25

Mindestanforderungen 6 Die Grenze zur Rechtswidrigkeit ist überschritten, wenn eine Forderung unzumutbar ist nicht mehr der Befriedigung eines mit Blick auf das konkrete Beschaffungsvorhaben berechtigten Informations- und/oder Prüfungsbedürfnisses dient, ohne jeden sachlichen Grund ausgrenzend und damit wettbewerbsbeschränkend wirkt. Der Auftraggeber darf nicht zugunsten einzelner Bieter auf die Erfüllung seiner Vorgaben verzichten (OLG Koblenz v. 13.06.2012-1 Verg 2/12 - VergabeR 2012, 897). 26

Referenzen 1 In der Regel wird die Vorlage unternehmensbezogener Referenzen (Bezeichnung von Referenzobjekten und/oder Referenzschreiben) gefordert. Das kann sich als Fehler herausstellen, wenn sich ein neues Unternehmen ohne Referenzen bewirbt, das aber von alten Hasen geleitet wird. Engen Sie den Ihnen zustehenden Beurteilungsspielraum nicht von vorn herein freiwillig durch ein (zu) enges Eignungskorsett ein. Ungeschickt: eine Referenz aus jedem der drei letzten Jahre Besser: Referenzen zu Objekten, die in den letzten drei Jahren abgeschlossen wurden 27

Referenzen 2 Tipp: Halten Sie sich alles offen, indem Sie z.b. schreiben: Sofern Sie (noch) nicht über hinreichende Referenzen im Bereich verfügen, können Sie darlegen, warum Sie sich/ihr Unternehmen trotzdem für ausreichend fachkundig und leistungsfähig für die Erbringung der ausgeschriebenen Leistungen halten. Dafür können Sie als Anlage weitere geeignete Unterlagen, Bescheinigungen usw. beifügen. Der Auftraggeber wird insbesondere prüfen, ob vorgelegte persönliche Referenzen für die Person(en), die für die Durchführung des Auftrages verantwortlich sein soll(en), geeignet sind, unternehmensbezogenen Referenzen zu ergänzen oder zu ersetzen. 28

Rechtsgrundlagen der Eignungsleihe 7 Abs. 9 EG VOL/A: Ein Unternehmen kann sich, auch als Mitglied einer Bietergemeinschaft, zum Nachweis der Leistungsfähigkeit und Fachkunde der Fähigkeiten anderer Unternehmen bedienen, ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen. Es muss in diesem Fall dem Auftraggeber nachweisen, dass ihm die erforderlichen Mittel bei der Erfüllung des Auftrags zur Verfügung stehen, indem es beispielsweise eine entsprechende Verpflichtungserklärung dieser Unternehmen vorlegt. 29

Konzept der Eignungsleihe 1 Ein Bewerber/Bieter muss die Anforderungen des Auftraggebers an die Leistungsfähigkeit nicht im eigenen Betrieb erfüllen. Vielmehr kann er eigene Eignungsdefizite durch Kooperation mit anderen Unternehmen ausgleichen. Die Kooperation setzt kein bestimmtes Rechtsverhältnis voraus. Die Bildung einer Bietergemeinschaft und die Hinzuziehung eines Nachunternehmers sind zwar gängige, aber nicht die einzigen Erscheinungsformen der Eignungsleihe. Es kommt allein darauf an, ob die Kombination Bewerber/Bieter - Dritter als geeignet angesehen werden kann. 30

Konzept der Eignungsleihe 2 Verlangt der Auftraggeber die Vorlage von Eignungsnachweisen, muss der Bewerber/Bieter, der sich ganz oder teilweise auf die Kapazitäten eines Dritten beruft, die entsprechenden Eignungsnachweise für den Dritten vorlegen. Die Vorlage muss ohne besondere Aufforderungen zu dem Zeitpunkt erfolgen, die der Auftraggeber für die Bewerber/Bieter selbst vorgegeben hat. Zusätzlich muss Bewerber/Bieter eventuell zu einem späteren Zeitpunkt (siehe auch 6 Abs. 8 Satz 3 EG VOB/A) den Nachweis führen, dass die Kapazitäten des Dritten auch zur Verfügung stehen, wenn sie gebraucht werden. 31

Konzept der Eignungsleihe 3 Wenn und soweit der Auftraggeber keine Eignungsnachweise fordert, muss der Bewerber/Bieter auch keine erfolgreiche Eignungsleihe nachweisen. Wenn und soweit der Bewerber/Bieter glaubt, seine Eignung allein durch Berufung auf eigene Kapazitäten belegen zu können, muss er ebenfalls keine erfolgreiche Eignungsleihe nachweisen. 32

Konzept der Eignungsleihe 4 Die Verpflichtungserklärung des Dritten muss immer zum Eignungsdefizit des Bieters passen. Eine Erklärung, die dem Bieter z.b. den Zugriff auf das Personal und/oder die technische Ausrüstung des Dritten garantiert, ist nicht geeignet, ein Defizit des Bieters bei der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu kompensieren. Umgekehrt bezieht sich eine sog. Patronatserklärung in der Regel nur auf den wirtschaftlichen Background und nicht auf die technische Leistungsfähigkeit. 33

Nachforderung von Eignungsnachweisen 1 Grundsatz: Ein Angebot ist unvollständig, wenn Unterlagen fehlen, die innerhalb der Angebotsfrist vorzulegen waren ( 13 Abs. 3, 16 Abs. 3 EG VOL/A). Dies gilt auch für Eignungsnachweise. Unvollständige Angebote sind zwingend auszuschließen ( 16 Abs. 3 lit. a), 19 Abs. 3 lit. a) EG VOL/A). 34

Nachforderung von Eignungsnachweisen 2 Ausnahme: Der Auftraggeber kann den Ausschluss mit dem Ziel der Vermeidung hinausschieben, indem er dem säumigen Bieter die Möglichkeit gibt, sein Angebot zu vervollständigen ( 16 Abs. 2 Satz 1, 19 Abs. 2 Satz 1 EG VOL/A). Wichtig: Es geht um die formale Prüfung der Angebote auf Vollständigkeit ( liegt vor oder liegt nicht vor ). Eine inhaltliche Prüfung der vorgelegten Erklärungen usw. findet noch nicht statt. 16 Abs. 2 Satz 1, 19 Abs. 2 Satz 1 EG VOL/A ermöglichen deshalb nicht die Ersetzung einer inhaltlich unzureichenden Erklärung durch eine aussagekräftigere (OLG Düsseldorf v. 17.12.2012 - VII-Verg 47/12 - VergabeR 2013, 550). 35

Nachforderung von Eignungsnachweisen 3 Nach 9 Abs. 4 EG müssen alle Unterlagen einschließlich der Eignungsnachweise, die mit dem Angebot vorzulegen sind, in einer gesonderten Checkliste aufgeführt werden. Ohne eine solche Checkliste ist nichts wirksam gefordert; ein Fehlen ist somit kein Ausschlussgrund (OLG Düsseldorf v. 03.08.2011 - VII-Verg 30/11, VergabeR 2011, 868). In einem solchen Fall ist 19 Abs. 2 Satz 1 EG VOL/A nicht anwendbar. Vielmehr gilt dann 18 EG VOL/A (OLG Naumburg v. 02.08.2012-2 Verg 3/12 - VergabeR 2013, 123). 36

Nachforderung von Eignungsnachweisen 4 Problem Ermessen (Entschließungsermessen) Die bloße Entscheidung, nicht nachzufordern, lässt eine Ermessensausübung nicht erkennen. Legt sich der Auftraggeber bereits in den Vergabeunterlagen dahingehend fest, auf keine Fall nachzufordern, handelt es sich in der Regel nicht um eine grundsätzlich zulässige vorweggenommene Ermessensausübung, sondern um einen anfechtbaren Ermessensnichtgebrauch. 37

Nachforderung von Eignungsnachweisen 5 Es ist in 16 Abs. 2 Satz 1, 19 Abs. 2 Satz 1 EG VOL/A angelegt, dass weniger sorgfältige Bieter eine zweite Chance erhalten. Folglich kann insoweit das Gleichbehandlungsgebot keine Besserstellung säumiger Bieter kein tragender Gesichtspunkt für ein Absehen von einer Nachforderung sein (a. A. Brandenburgisches OLG v. 20.09.2011 - Verg W 11/11 - VergabeR 2012, 110). Man kann auch nicht an Zahl oder Wichtigkeit anknüpfen, denn Nachweise oder Erklärungen, deren Fehlen zwingend den Angebotsausschluss nach sich zieht, sind zwangsläufig alle gleich wichtig (a. A. VK Hessen v. 27.09.2011-69d-VK-30/2011; OLG Karlsruhe v. 23.03.2011-15 Verg 2/11 - ZfBR 2012, 301, das den m.e. absurden Grundsatz aufstellt: Je wichtiger die Erklärung, desto weniger kommt eine Nachforderung in Betracht). 38

Nachforderung von Eignungsnachweisen 6 Hinweis: Nach 40 VwVfG, dessen Rechtsgedanke auch im Vergabeverfahren gilt, ist das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben. Zweck der Regelungen über die Nachforderung ist es, Angebotsausschlüsse wegen Unvollständigkeit so weit wie möglich zu verhindern. Deshalb: Bei denen, die bei unterstellter Vollständigkeit in die engere Wahl kämen, nachfordern. Die Frist sollte eine Woche nicht übersteigen. Legen Sie auch eine Uhrzeit fest, die noch in die Dienstzeit fällt (sonst: Nachtbriefkasten oder nächtliche Stallwache ) 39

Fragen, Antworten, Diskussion 40

Fachtagung IT-Beschaffung 2013 Fachforum 1 Referent: RiOLG Herbert Summa Oberlandesgericht Koblenz Moderation: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! RA Günther Pinkenburg, LL.M. INFORA Rechtsanwaltsgesellschaft mbh München