Jahresbericht 2005. In europäischer Mission. In nationaler und regionaler Mission. Euro-Info-Verbraucher e.v. Rehfusplatz 11 77694 Kehl



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Transkript:

Jahresbericht 2005 In europäischer Mission Euro-Info-Verbraucher e.v. Rehfusplatz 11 77694 Kehl www.euroinfo-kehl.com In nationaler und regionaler Mission

Sie sind Europa!... 3 In europäischer Mission Das Netzwerk der Europäischen Verbraucherzentren ECC-Net... 5 Das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) Frankreich... 7 Das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) Deutschland - Kehl... 16 Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit... 22 Synergie-Effekte und gemeinsame Aktivitäten... 27 In nationaler Mission Die ecommerce-verbindungsstelle... 32 In regionaler Mission Der grenzüberschreitende Vor-Ort-Service... 38 Das Projekt Grenzüberschreitende medizinische Leistungen aus Sicht der Verbraucher in Europa... 47 In regionaler und internationaler Mission Kooperation im Rahmen des Kompetenzzentrums für grenzüberschreitende und europäische Fragen... 50 Veranstaltungen, Arbeitstreffen und Vorträge 2005... 52 Das Team... 58 Gewinn- und Verlustrechnung 2005... 60 Abstract... 61 2 Jahresbericht 2005

Editorial Sie sind Europa! Es gibt ihn, den europäischen Verbraucher. Selbstverständlich. Und das Recht, das ihn schützt, hat seinen Ursprung meist bei der Europäischen Union. Wer DVDs, Flugreisen oder Speicherchips für Digitalkameras auf der Webseite eines Online-Anbieters im EU-Ausland bestellt, für den haben Landesgrenzen nur wenig oder gar keine Bedeutung. Geht bei der Vertragsabwicklung etwas schief, verhilft eine europäische Vorschrift Betroffenen zu ihrem Recht. Wer einen günstigen Gebrauchtwagen im Nachbarland ersteht, der freut sich über sein Schnäppchen, ohne sich zu scheren, dass das Geschäft, das er abschließt, ein grenzüberschreitendes ist. Tritt an dem Fahrzeug ein Mangel auf, ist der Käufer durch EU-Recht geschützt. Das gleiche gilt für Mitbringsel aus dem Urlaub im EU-Ausland, seien es Schuhe oder Schmuck. Und wer in einem anderen Land der EU zu einem Facharzt geht, um eine geplante ambulante Behandlung in Anspruch zu nehmen, der stützt sich auf die europäische Rechtsprechung, ohne dass es ihm vielleicht bewusst wäre. Alle diese Verbraucher gestalten Europa, sind Europa. Und das Netzwerk der Europäischen Verbraucherzentren hilft ihnen bei allen Fragen und Problemen in grenzüberschreitenden Fällen. Das Netzwerk bietet die Anlaufstellen, die die Rechte von Verbrauchern klären und auch durchzusetzen helfen unabhängig davon, welche Sprache Verbraucher und Unternehmer sprechen und welches nationale Recht im Einzelnen gilt. Lesen Sie in diesem Jahresbericht die Bilanzen der Europäischen Verbraucherzentren (EVZ) Frankreich und Deutschland - Kehl, die gemeinsam bei Euro-Info-Verbraucher e.v. zu Hause sind, unter ein und dem selben Dach. Auch auf welche Resonanz die Arbeit der ecommerce-verbindungsstelle gestoßen ist, die ebenfalls in Kehl angesiedelt ist, und was der grenzüberschreitende Vor-Ort-Service von Euro-Info-Verbraucher e.v. für die Bürger in der Region geleistet hat, lesen Sie in diesem Bericht. * * * Das EVZ Frankreich verzeichnete 2004 - in seinem ersten Jahr am Standort Kehl - über 4.000 Kontakte mit einzelnen Verbrauchern, die Zugriffe auf die neu gestalteten Internetseiten nicht mitgerechnet. Die Fragen der Verbraucher begannen bei A wie Autokauf und Autoimport und reichten bis S für SMS- Abonnement. Bemerkenswert der Anstieg der Verbraucherrechtsstreitigkeiten auf französischer Seite: Nach 242 im Vorjahr waren nun ganze 654 Streitfälle zu verzeichnen. Mit anderen Worten: Das EVZ Frankreich hat mehr als zwei ein halb Mal so viele Streitfälle bearbeitet wie im Jahr 2004 das Centre d échanges extrajudiciaire, aus dem es zu Jahresbeginn hervorgegangen ist. Die Verbraucherrechtsstreitigkeiten, in denen das EVZ Deutschland - Kehl intervenierte, betrafen 2005 in allein 50 Fällen Flugreisen. Dies trug mit dazu bei, dass die Zahl der Streitigkeiten insgesamt ebenfalls noch einmal höher lag als am Vorjahr. Hier ergab sich ein Anstieg um bald ein Viertel (23,1 Prozent). Nachdem im Februar eine Verordnung des Europäischen Parlaments zu Fluggastrechten in Kraft getreten war, hatten die Juristen in Kehl zwischenzeitlich erwartet, dass die Fluggesellschaften Streitfälle selbstverständlicher eigenständig und unbürokratisch zur Zufriedenheit ihrer Kunden behandeln. Das Gegenteil war der Fall: Auch für Fluggäste war und bleibt die Hilfe von Schlichtungsexperten unverzichtbar. Verbraucherschutz immerhin heißt, dass Verbraucher die Rechte, die ihnen zustehen, auch ausüben können. Jahresbericht 2005 3

Das betrifft auch medizinische Dienstleistungen. Immer häufiger nehmen Patienten sie auch im EU- Ausland in Anspruch. Fragen rund um die Gesundheitsversorgung jedenfalls haben deutlich an Bedeutung gewonnen und wurden von beiden Seiten des Rheins registriert. Verbraucherschutz beginnt also damit, dass Verbraucher umfassend und zuverlässig über ihre Rechte informiert werden, und wo nötig Rat und Hilfe erfahren, um zu Recht zu kommen. Euro-Info-Verbraucher e.v. hat sich darüber hinaus politisch eingesetzt - zum Beispiel für die Interessen der Patienten am Oberrhein. Hier wie in zahlreichen anderen Fragen zahlen sich die guten Verbindungen des Vereins nach Paris, Berlin, Brüssel und natürlich Straßburg aus. Dass sich politische Entscheidungsträger auch von sich aus an Euro-Info-Verbraucher e.v. wenden, wenn sie sich ein Bild von den Belangen und Problemen der Verbraucher in Europa machen wollen das ist sicherlich einer der positiven Effekte, zu denen die immer noch einzigartige Zusammenarbeit der beiden Länder, Deutschland und Frankreich, im europäischen Verbraucherschutz führt. Für das Vertrauen, das die Finanzpartner den deutschen und französischen Juristen in Kehl entgegen bringen, spricht nicht zuletzt die Aufstockung der ecommerce-verbindungsstelle, die ebenfalls bei Euro- Info-Verbraucher e.v. zu Hause ist. Seit dem 1. Mai 2005 steht statt einer 50-Prozent-Teilzeit- eine Vollzeit-Stelle zur Verfügung, um Internetnutzer und Anbieter kompetent über Rechte, Pflichten sowie Beschwerdemöglichkeiten zu informieren. * * * Wen wundert s, dass wir auch in Zukunft nicht locker lassen wollen. Für 2006 wurde dem EVZ Kehl die Koordinatoren-Rolle für Deutschland übertragen - das heißt: gegenüber der Europäischen Kommission und dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, in Mitverantwortung für die anderen beiden Standorte Düsseldorf und Kiel. Das Projekt grenzüberschreitende Patientenberatung, das uns - ebenfalls zu Beginn des Jahres 2005 - das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg anvertraut hat, gibt uns Gelegenheit, die zwingend gebotene grenzüberschreitende Kooperation bei der Gesundheitsversorgung voran zu bringen. Ein wichtiges Signal dafür hat die Gründung des Eurodistrikts Straßburg-Ortenau gesetzt, der am 17. Oktober 2005 ins Leben gerufen wurde. Impulse soll es auch für die Schlichtung im Banken- und Versicherungssektor geben. Eine für Mai anberaumte internationale Konferenz will Vertreter von Banken, Schiedsleute, Verbraucherschützer und Politiker an einen Tisch bringen, um Vertrauen zu schaffen für einen Markt, der bislang nicht viel mehr ist als graue Theorie: den grenzüberschreitenden Kapitalmarkt. Wenn Verbraucher sich weiter wenig um Landesgrenzen scheren und die Politik Verbraucherschutz und Binnenmarkt will, wird es auch im nächsten Jahr genug Spannendes zu berichten, und Sie lesen wieder von uns, wenn Sie wollen. Denn: Sie sind Europa! Kehl im April 2006 Dr. Martine Mérigeau Geschäftsführerin Emmanuelle Vierling-Kovar Vorsitzende des Vorstands 4 Jahresbericht 2005

In europäischer Mission Das Netzwerk der Europäischen Verbraucherzentren ECC-Net Zu Beginn des Jahres 2005 hat das Europäische Verbraucherzentrum Frankreich seine Arbeit in Kehl aufgenommen. Die bereits seit März 2004 in Kehl ansässige französische Clearingstelle ist nun im Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) Frankreich am selben Ort aufgegangen. Das heißt, dass hier nunmehr alle Funktionen eines EVZ ausgeübt werden: Information und Beratung sowie die Hilfe bei der außergerichtlichen Beilegung von grenzüberschreitenden Verbraucherrechtsstreitigkeiten. Dies betrifft die französische Seite. Anders sieht es auf deutscher Seite aus. Die bereits seit 2002 in Kehl ansässige deutsche Clearingstelle ist nun ebenfalls Europäisches Verbraucherzentrum: das EVZ Deutschland - Kehl. Dieses verfügt jedoch noch über zwei weitere Standorte, zwischen denen eine Aufgabenteilung besteht, so dass auf deutscher Seite die Funktionen für Kehl beschränkt bleiben auf die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten. Gleichwohl erhalten Verbraucher beim EVZ Deutschland Kehl auch Informationen und Beratung, und zwar dann, wenn ihre Informationsanfrage deutsch-französische Verbraucherrechtsfragen betrifft. Für Information und Aufklärung in europäischen Verbraucherrechtsfragen sind historisch bedingt die anderen beiden Standorte Düsseldorf und Kiel zuständig (www.evz.de). Aus zwei Netzwerken wurde eins. Mit der Erweiterung der Kompetenzen auf französischer Seite ging die Verschmelzung zweier bis dato voneinander unabhängiger Netzwerke auf europäischer Ebene einher. Das neue Netzwerk, englisch kurz ECC-Net genannt, ist zu Beginn des Jahres 2005 entstanden und hervorgegangen zum einen aus dem Netzwerk der so genannten Euroguichets, zum anderen aus dem europäischen Netzwerk zur außergerichtlichen Streitbeilegung, dem EEJ-Net. Das zuerst genannte Netzwerk der Euroguichets war Anfang der 1990er Jahre gegründet worden, um im entstehenden Binnenmarkt Sorge zu tragen für den europäischen Verbraucherschutz - dies vor allem durch eine umfassende Information und Aufklärung über die Rechte der Verbraucher. Zu dem als zweites genannten Netzwerk, dem EEJ-Net, das 2001 gegründet wurde und damit etwas jünger ist, hatten die beiden Clearingstellen gehört, die nacheinander bei Euro-Info-Verbraucher e.v. angesiedelt worden waren: die deutsche und die französische (vgl. Jahresbericht 2004). Wie zuvor: Arbeit in Kehl unter einem Dach. Bei der Kooperation Tür an Tür ist es geblieben. Bedingt durch die Verschmelzung der genannten Netzwerke ist nun auf beiden Seiten von Europäischen Verbraucherzentren die Rede. Sie arbeiten zudem unter dem selben europäischen Dach, eben dem Dach des ECC-Net. Das EVZ Deutschland - Kehl ist schon auf Grund der Ansiedlung am selben Ort privilegierter Partner an der Seite des EVZ Frankreich. Dennoch ist zu beachten, dass der Umfang der Aufgaben wie erläutert jeweils unterschiedlich ist. Jahresbericht 2005 5

24 Europäische Verbraucherzentren europaweit. Das neu entstandene Netzwerk umfasste Ende 2005 bereits 24 Zentren in den EU-Mitgliedstaaten sowie in Norwegen und Island. Neue EU-Mitglieder wie Ungarn, Slowenien und die Slowakei wollen nachziehen. Für Polen hat das EVZ Deutschland in der Gründungsphase eine Patenschaft übernommen. Das Netzwerk stützt sich auf die einzelnen Zentren, die im Dienste der Verbraucher kooperieren. Es ist online erreichbar unter: http://europa.eu.int/comm/consumers/redress/ecc_network/index_en.htm Vermittlung von Schlichtung europaweit. Das Netzwerk bietet Verbrauchern neben Informationen zu allen Fragen des europäischen Verbraucherrechts Hilfe bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten mit Unternehmern, also aus allen Teilen Europas. In Fällen, in denen sich unzufriedene Kunden von Händlern oder Dienstleistern aus dem EU-Ausland Rat suchend z.b. an das EVZ Deutschland Kehl wenden, können die dort arbeitenden Juristen auf mehrfache Art und Weise reagieren. Sie nehmen nach einer juristischen Prüfung des Falles und der vorgebrachten Beschwerden - in der Regel Kontakt zum EVZ des Landes auf, in dem der betreffende Unternehmer seinen Sitz hat. Jenes Zentrum sorgt dafür, dass gegebenenfalls unter Zuhilfenahme einer anerkannten Schlichtungsstelle der Branche im betreffenden Land eine Einigung erzielt werden kann, die Verbraucher und Unternehmer zufrieden stellt. Diese Art der Zusammenarbeit greift auch in umgekehrter Richtung. Das heißt: Verbrauchern aus anderen Ländern der EU, die Kontakt mit dem Europäischen Verbraucherzentrum ihres Landes aufnehmen, steht letztlich das EVZ im Land des betreffenden Unternehmers genauso zur Seite. Findet sich keine passende Schlichtungsstelle, sorgt ein EVZ übrigens auch im direkten Kontakt mit dem Unternehmer dafür, dass eine einvernehmliche Lösung des Streitfalls erreicht werden kann. Die Juristen bereiten den Fall in der Regel auf Englisch auf und klären außerdem die Frage, welches Recht anwendbar ist. Ziel dieses Einsatzes: das Vertrauen der Verbraucher in den Binnenmarkt zu festigen bzw. zurück zu gewinnen. Kurze Wege zwischen Frankreich und Deutschland. Während im übrigen Europa die Kommunikation dank Telefon und der Übertragung von Dokumenten per email bereits denkbar schnell ist, wird die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich zusätzlich dadurch erleichtert, dass jederzeit problemlos eine unmittelbare Rücksprache zu einem Fall möglich ist: Die Juristen brauchen dazu nur über den Flur zu gehen. Hinzu kommt, dass sich mit dieser Art der Kooperation eine juristische Kompetenz herausgebildet hat, die den Verbraucherschutz in beiden Ländern und in Europa insgesamt umfasst. Dieses Know-how, das tagtäglich betroffenen Verbrauchern zu Gute kommt, wird auch von Fachkreisen gern zu Rate gezogen. Nach außen sichtbar wird die enge Zusammenarbeit der Europäischen Verbraucherzentren Frankreich und Deutschland in Kehl schon durch den gemeinsamen Internetauftritt unter www.euroinfo-kehl.com. Begleitausschuss der Mitgliedstaaten. Zwei Mal jährlich kommt auf Einladung der Europäischen Kommission, namentlich der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz, der so genannte Begleitausschuss der Mitgliedstaaten zusammen. Deutschland entsendet einen Vertreter des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), unterstützt vom Bundesministerium der Justiz. Frankreich ist durch die beim Wirtschaftsministerium angesiedelte Abteilung für Wettbewerb, Verbraucherschutz und Betrugsbekämpfung (DGCCRF) vertreten. Koordinator Europäische Kommission. Die Europäische Kommission bringt außerdem vier Mal jährlich die Leiter der Europäischen Verbraucherzentren zusammen, um ihre Aktivitäten aufeinander abzustimmen und den Rahmen für die Zusammenarbeit für die Praxis abzustecken. Hinsichtlich der Koordinatorenfunktion gegenüber der Europäischen Kommission zeichnete sich Ende 2005 für das EVZ Deutschland bereits ab, dass diese bislang vom Standort Düsseldorf wahrgenommene Funktion für die drei Standorte insgesamt auf Kehl übertragen wird. 6 Jahresbericht 2005

In europäischer Mission Das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) Frankreich Gut eingebettet in eine bereits grenzüberschreitend ausgerichtete Verbraucherschutzeinrichtung in Kehl und aufbauend auf ein Team, das wie gesehen - vor allem in Schlichtungsfragen bereits eingespielt war, konnte das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) Frankreich reibungslos in sein erstes Jahr am neuen Standort Kehl starten. Dass sich die Entscheidung der französischen Regierung, das EVZ Frankreich beim deutsch-französischen Trägerverein Euro-Info-Verbraucher e.v. anzusiedeln, für die Verbraucher ausbezahlt - diesen Anspruch hatten sich die Juristen des Zentrums vom ersten Moment an gesetzt. Ihre Bilanz für das erste Jahr liest sich so: -Betreuung von gut 650 Verbraucherrechtsstreitigkeiten, von knapp 1.200 Beschwerden und von deutlich über 2.200 Informationsanfragen, -einvernehmliche Lösungen zwischen Verbrauchern und Unternehmern in vier von fünf betreuten Streitfällen, bei denen insgesamt ein Streitwert von knapp 270.000 Euro auf dem Spiel stand, -eine nachhaltige Netzwerkarbeit, die dem EVZ Frankreich seine gefestigte Position auf europäischer Ebene eingetragen hat, -eine erfolgreiche Kooperation mit dem französischen Wirtschaftsministerium und weiteren, für den Verbraucherschutz in Europa zuständigen Einrichtungen, sowie schließlich -eine professionelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, die alle Interessierten auf einer völlig überarbeiteten Internetseite und mit einer neu gestalteten Broschürenreihe über wichtige Themen informiert. Jahresbericht 2005 7

Über 4.000 Kontakte mit einzelnen Verbrauchern. Auf Seiten des EVZ Frankreich kamen auf Grund von Informationsanfragen, Beschwerden und Streitfällen zusammen exakt 4.076 Kontakte mit Verbrauchern zustande. Die Verteilung nach Kategorien ist aus der Tabelle ersichtlich. Gesamtzahl der Kontakte 4.076 Informationsanfragen 2.231 Beschwerden 1.191 Streitfälle 654 Informationsanfrage, Beschwerde, Streitfall drei Paar Schuhe. Von einer Informationsanfrage sprechen wir dann, wenn eine Verbraucherin oder ein Verbraucher allgemeine oder konkrete Auskünfte zum jeweils im EU-Ausland geltenden Verbraucherrecht bei unseren Juristen einholt. Beschwerden betreffen ein bereits entstandenes Problem mit einem Anbieter von Waren oder Dienstleistungen im EU- Ausland, das der betroffene Verbraucher mit Hilfe der Einschätzungen oder Ratschläge unserer Juristen eigenständig lösen kann. Ist über die Erstanalyse des konkreten Problems und über die Beratung hinaus ein direktes Eingreifen unserer Juristen vonnöten, klassifizieren wir den Fall als Streitfall. Dann wird eine Akte angelegt, es werden Dokumente zusammen gestellt und zur Vermittlung in der Streitsache aufbereitet. Einsatz aller Kräfte bei eingeschränktem Budget. Die dargestellte Arbeitsdichte konnte das fünfköpfige Team nur unter Einsatz aller Kräfte bewältigen. Sie musste noch dazu unter der erschwerten Bedingung eines Budgets gemeistert werden, das auf 361.700 Euro limitiert war. Zum Vergleich: Das Budget zahlreicher anderer Zentren beläuft sich auf 500.000 Euro. Zahlreiche Kosten konnte sich das EVZ Frankreich mit dem EVZ Deutschland in Kehl teilen. 435 Streitfälle von Verbrauchern selbst gemeldet. In seinem ersten Jahr in Kehl betreute das EVZ Frankreich über 400 Fälle, die von betroffenen Verbrauchern selbst gemeldet wurden. Das ist insofern bemerkenswert, als es für die erreichte Bekanntheit des Netzwerks der Europäischen Verbraucherzentren spricht. Zudem hat sicherlich die Einbindung des EVZ Frankreich in dieses Netzwerk seinen Anteil daran, dass die Zahl der Streitfälle von 242 im Vorjahr auf nun insgesamt 654 gestiegen ist. Nur für 50 Fälle war eine Schlichtungsstelle verfügbar. Zwar wurde die im Arbeitsprogramm für das EVZ Frankreich angegebene Quote von 50 Streitfällen, die für ein Verfahren bei einer Schlichtungsstelle vorgesehen waren, erfüllt. Für die restlichen 604 ebenfalls bearbeiteten Fälle jedoch ließ sich keine geeignete Schlichtungsstelle finden. In diesen Fällen konnte eine einvernehmliche Lösung also nur durch direkten Kontakt mit dem Unternehmer erzielt werden. Zufriedenheit bei im Schnitt vier von fünf Streitfällen. Insgesamt wurde eine Zufriedenheitsquote von 81 % erreicht. Das bedeutet: in vier von fünf Fällen Zufriedenheit auf beiden Seiten. Von den eben genannten Streitfällen, in denen eine Schlichtungsstelle eingeschaltet werden konnte, wurden sogar neun von zehn zur Zufriedenheit der beteiligten Verbraucher und Unternehmer beigelegt. Rasche Bearbeitung ist gute Regel. Auch wenn in vielen Fällen wiederholte Interventionen gegenüber den Unternehmern notwendig sind und zahlreiche Unterlagen übersetzt aufbereitet werden müssen, konnten die Juristen im Jahr 2005 dafür sorgen, dass die Streitfälle nach durchschnittlich acht Wochen beigelegt waren. Streitwerte: keine Peanuts. In 95 Prozent aller Streitfälle lag der Streitwert bei mindestens 500 Euro. Für die allermeisten betroffenen Verbraucher handelte es sich somit nicht um Bagatellen. Die Summe aller Streitwerte betrug insgesamt 267.012,87 Euro. Auch 29 Betrugsfälle sind zu verzeichnen. Sie wurden den dafür zuständigen Behörden zur Kenntnis gebracht. 8 Jahresbericht 2005

Streitwert über 500 Euro 95% 200-500 Euro bis 200 Euro 4% 1% Warenkäufe häufigster Anlass für Streitfälle. Der Grund dafür, dass Warenkäufe vor allen anderen Kategorien für Streitfälle sorgten, ist nach unserer Beobachtung die stark gestiegene Nutzung des Internet für Onlineeinkäufe. In allein 123 solcher Fälle beklagten sich Verbraucher darüber, dass die gelieferte Ware nicht dem von ihnen bestellten Produkt entsprach. In 120 anderen solcher Fälle gab es ein Lieferproblem. Gewährleistung ausgebliebene_lieferung unzufrieden_stellende_dl Rücktritt_vom_Vertrag Vertrag_AGB unberechtigte_kosten ausgebliebene_dl Fluggepäck Art_der_Bezahlung verspätet_erbrachte_dl unvollständige_lieferung Bürgschaft_Kaution Anmeldung_Kfz annulierter_flug verspäteter_flug Kostenerstattung_med_DL Mehrwertsteuer überbuchter_flug sonstige_ursache 20 13 13 13 12 11 8 7 7 6 2 36 35 30 44 123 120 79 75 Ursache der Streitigkeit Besonders häufig beruhten Streitfälle nach Beobachtung der französischen Juristen in Kehl auf mangelnder Vorsicht auf Seiten der Verbraucher. Ebenso häufig war mangelndes Engagement auf Seiten der Onlineshop-Betreiber zu beobachten. Grundsätzlich sind deren Seiten außerdem häufig nicht verständlich genug aufgebaut - zumal für Verbraucher aus dem Ausland nicht. Dennoch interessieren auch sie sich freilich für preisgünstige Angebote auf ausländischen Webseiten. Mal wird auch das Mitbringsel aus dem Urlaub zum Problem, weil ein erst später entdeckter Mangel nicht ohne weiteres beanstandet werden kann. Sprachbarrieren stehen dann schon der Beschwerde im Weg, erst recht der Streitbeilegung. In vielen anderen Fällen ist Verbrauchern unklar, an wen sie sich in Frankreich wenden können, wenn sie zum Beispiel mit der Unterkunft auf einer Reise nicht zufrieden sind. Das gilt insbesondere dann, wenn sie diese Reise in einem Onlinereisebüro buchten. Jahresbericht 2005 9

Tourismus Kfz Immobilien sonstige_dl Telekommunikation Transport Finanzdienstleistungen Adressverzeichnisse Gesundheit Versicherungen Gewinnspiele Timesharing Steuern sonstige_themen 1 5 3 35 27 27 20 21 14 13 11 15 66 118 Weitere Themenbereiche Erhöhter Arbeitsaufwand mangels Schlichtungsstellen. Ungeachtet der erfreulichen Entstehung von Schlichtungsstellen in mehreren Branchen wie dem Médiateur du Net für ecommerce-fälle - muss konstatiert werden, dass es in zahlreichen anderen Branchen keine landesweite Abdeckung gibt. So haben zwar auch Reisebüros Schlichtungsstellen eingerichtet. Das sind die Commissions de Conciliation des Agences de Voyages. Solche gibt es jedoch nur in Paris und in Lyon, und sie sind auch nur für dort ansässige Unternehmen zuständig. Reise- und Tourismussektor an zweiter Stelle. Hotelaufenthalte und die Inanspruchnahme von zahlreichen Dienstleistungen im Zusammenhang mit Reisen führten besonders häufig zu Beschwerden und Streitfällen. Gerade hier aber fehlen Schlichtungsstellen. Dies bringt für das EVZ Frankreich insofern einen größeren Arbeitsaufwand mit sich, als die Juristen in vielen Fällen direkt beim Unternehmen im Sinne der Verbraucher intervenieren müssen. Hervorzuheben sind hier aus französischer Sicht die Fluggesellschaften. Hier ging es darum, die in einer neuen EU-Verordnung geregelten Fluggastrechte zur Geltung zu bringen. Dies war in beinahe allen Fällen schwierig, wenn nicht unmöglich. Mit der EU-Verordnung ist die am 17. Februar 2005 in Kraft getretene Verordnung 261/2004 gemeint. Sie bestimmt Erstattungsansprüche bei zum Beispiel Verspätungen, Flugausfällen oder Überbuchung. Auch im Bankensektor nicht alles zum Besten bestellt. Zwar muss jede Bank in Frankreich inzwischen dafür Sorge tragen, einen eigenen, internen médiateur, also Schlichter, zu haben. Dieser ist in der Regel dem Kundendienst angegliedert, der zunächst kontaktiert werden muss, bevor überhaupt ein Schlichtungsverfahren in Gang kommen kann. Zudem scheitert die Vermittlung an eine Bankenschiedsstelle häufig daran, dass diese nur eingeschränkt, etwa für Girokonten, zuständig ist. Médiateur du Net könnte Vorbild werden. Der im Herbst 2004 vom Forum des droits sur l internet ins Leben gerufene französische Internet-Ombudsmann hat seit seinem Bestehen für eine beispielhafte Bilanz gesorgt. Von September 2004 bis Dezember 2005 wurden diesem Médiateur du Net allein 5.400 Informationsanfragen zur Beantwortung vorgelegt. Außerdem wurden 3.200 Streitfälle bearbeitet, davon 89 Prozent zur Zufriedenheit beider beteiligter Parteien, Anbietern wie Kunden. Die Hoffnung der Juristen in Kehl besteht darin, dass sich andere Branchen, allen voran die Fluggesellschaften, von dieser Erfolgsstory inspirieren lassen, um auch im französischen Reise- und Tourimussektor auf dem Wege der Schlichtung für mehr Verbrauchervertrauen zu sorgen. 10 Jahresbericht 2005

Netzwerkarbeit des EVZ Frankreich. Neben der juristischen Fallarbeit ist die Zusammenarbeit mit den anderen Europäischen Verbraucherzentren hinsichtlich des Informations- und Erfahrungsaustauschs von besonderem Nutzen. Damit ist nicht allein die privilegierte Partnerschaft des EVZ Frankreich mit seiner Schwesterorganisation, dem EVZ Deutschland in Kehl, gemeint, die für kurze Wege bei der Fallbearbeitung sorgt. Zum Beispiel konnte ein Arbeitsbesuch der Kolleginnen des EVZ Madrid Anfang Oktober 2005 in Kehl dazu beitragen, dass französisch-spanische Fälle künftig noch effizienter und noch zügiger bearbeitet werden können. Darüber hinaus hat sich von Seiten des EVZ Frankreich auch mit den Zentren von Belgien und Luxemburg eine enge Zusammenarbeit entwickelt, das EVZ Deutschland Kehl jeweils mit eingeschlossen. Zur Fallarbeit im Netzwerk ist folgendes zu sagen: Von den 654 betreuten Rechtsstreitigkeiten hat das EVZ Frankreich 380 an andere Europäische Verbraucherzentren zur Bearbeitung übertragen. In diesen Fällen hatte ein französischer Verbraucher eine Ware oder Dienstleistung bei einem Unternehmer im EU- Ausland gekauft oder in Anspruch genommen, mit der er in der Folge nicht zufrieden war. Hier half das EVZ im Land des Unternehmers weiter. In umgekehrter Richtung hat das EVZ Frankreich 274 Verbrauchern aus dem EU-Ausland weiter geholfen. Diese und fünf weitere aus dem nichteuropäischen Ausland, denen ebenfalls geholfen wurde, hatten eine Ware oder Dienstleistung bei einem Unternehmer in Frankreich gekauft oder in Anspruch genommen, was in der Folge zu einem Streitfall geführt hatte. 260 französisch-deutsche Fälle. Was die Fallarbeit anbelangt, ist die auffallend hohe Zahl von 260 französisch-deutschen Verbraucherrechtsstreitigkeiten zu nennen, zu denen es auf Grund der engen Wirtschaftsbeziehungen beider Länder zueinander kommt. Die beiden Grafiken verdeutlichen das. Herkunftsland der Verbraucher Herkunftsland der Unternehmer France Germany Spain United Kingdom Belgium Poland Sweden 70 66 29 29 9 8 383 France Germany Belgium United Kingdom Spain Italy 42 37 33 16 190 273 Ireland Greece Luxemburg Austria The Netherlands Portugal Finland Other European Countries 8 8 7 7 6 6 5 13 Austria The Netherlands Ireland Luxemburg Greece Outside Europe Other European Countries 15 13 9 7 6 5 8 70 Mal war ein deutscher Verbraucher aus berechtigtem Grund nicht mit der Leistung eines französischen Unternehmers zufrieden (Grafik links, Balken für Deutschland als Herkunftsland des Verbrauchers), 190 Mal war ein französischer Verbraucher mit der Leistung eines deutschen Unternehmers nicht zufrieden (Grafik rechts, wiederum Balken für Deutschland, nun als Herkunftsland des Unternehmers). Jahresbericht 2005 11

99 französisch-spanische Fälle. Wie häufig zum Beispiel französisch-spanische Verbraucherrechtsstreitigkeiten im Jahr 2005 aufgetreten sind und in Kooperation der beiden Länder bearbeitet wurden, das ergibt sich aus beiden Grafiken zusammen. Um beim Beispiel zu bleiben: Addiert man aus der Grafik links die 66 Streitigkeiten spanischer Verbraucher (mit französischen Unternehmen) und aus der Grafik rechts die 33 Streitigkeiten spanischer Unternehmen (über die sich französische Verbraucher beschwert hatten), ergeben sich insgesamt 99 französisch-spanische Streitfälle. Die Probleme entstanden hier hauptsächlich bei grenzüberschreitenden - Onlineeinkäufen und auf Reisen. 76 französisch-britische Fälle. Nach den genannten Fällen sind auf Grund ihrer Menge als nächstes die Streitfälle zu nennen, die gemeinsam mit dem EVZ Großbritannien bearbeitet wurden. An diesen waren britische bzw. französische Verbraucher oder Unternehmen beteiligt. Die Zahl 76 ergibt sich in der selben Weise wie zuvor beschrieben. Häufige Ursache für diese Streitfälle: Französische Verbraucher hatten Waren auf Internetseiten britischer Anbieter bestellt, britische Verbraucher wiederum Reiseangebote auf Seiten französischer Anbieter. 71 französisch-belgische Fälle. Viele der französisch-belgischen Streitfälle beruhten darauf, dass französische Verbraucher Gebrauchtwagen oder Möbel in Belgien gekauft hatten. Belgische Verbraucher wiederum hatten Pauschalreisen bei französischen Anbietern gebucht oder ihren Urlaub in Frankreich verbracht und daraufhin einen Streitfall zu beklagen. Nicht alle grenzüberschreitenden Streitigkeiten erfasst. Die genannten Zahlen ergeben noch kein vollständiges Bild der grenzüberschreitenden Verbraucherrechtsstreitigkeiten in der Europäischen Union. So suchen einige Europäische Verbraucherzentren den direkten Kontakt zu Unternehmern im EU- Ausland, um im Auftrag von Verbrauchern ihres Landes Streitigkeiten außergerichtlich beizulegen. Das hat freilich zur Folge, dass diese Fälle in der Statistik des Landes, in dem der Unternehmer seinen Sitz hat, nicht auftauchen. Für mehr Klarheit dürfte ein vom Netzwerk der Europäischen Verbraucherzentren geplantes IT-tool sorgen, das 2005 in der Entwicklung war. Erfolgreiche Kooperation mit dem französischen Wirtschaftsministerium. Das Europäische Verbraucherzentrum Frankreich arbeitet auftragsgemäß eng mit den Diensten der DGCCRF zusammen. Das ist die beim Wirtschaftsministerium angesiedelte Abteilung für Wettbewerb, Verbraucherschutz und Betrugsbekämpfung. Ein gemeinsames Ziel besteht nicht zuletzt darin, weitere Schlichtungsstellen der so genannten Notifizierung durch die Europäische Kommission zuzuführen. Eine Notifizierung bestätigt, dass Schlichtungsstellen den insgesamt sieben Standards der Europäischen Kommission entsprechen und damit Verbrauchern wie Unternehmern ein verlässliches und transparentes Verfahren bieten. Der gute Draht zur DGCCRF erwies sich im Jahr 2005 auf mehreren Themenfeldern als vorteilhaft. Das betraf Fälle aus dem ecommerce, einen französische Onlineshop-Betreiber ebenso wie einen deutschen SMS-Dienst, außerdem einen deutschen Anbieter von Adressverzeichnissen. Französische Onlineshops im Visier der Verbraucherschützer. Wiederholt wandten sich Verbraucher aus dem Ausland mit Beschwerden gegen Betreiber von französischen Onlineshops an das EVZ Frankreich in Kehl. Grund für die Beschwerden war entweder eine verzögerte oder ganz ausgebliebene Lieferung von bestellten Waren oder die mangelnde Beachtung von Gewährleistungsrechten durch die Unternehmer. Diese versäumten es in einigen Fällen auch, ihren Kunden das Geld für Waren zu erstatten, die aus berechtigtem Grund zurückgegeben worden waren. Das bei der Zusammenarbeit in mehreren Einzelfällen erworbene Wissen half den Juristen in Kehl dabei, ähnliche Fälle, die in der Folge auftraten, sowie das jeweils in Frage kommende Vorgehen noch besser einzuschätzen. Von diesem Wissen profitierten letztlich auch die Kolleginnen und Kollegen der anderen Europäischen Verbraucherzentren in Europa. Mit Hilfe der DGCCRF wiederum wurden hin und wieder auch Strafmaßnahmen veranlasst. 12 Jahresbericht 2005

Beschwerden über Adressverzeichnisse. Eine weitere Zusammenarbeit mit der DGCCRF ergab sich bei einem Thema, das auch unter Verbrauchern mehrfach für Ärgernisse sorgte: den so genannten annuaires professionnels. Das sind Adressverzeichnisse, die von Anbietern - überwiegend aus Deutschland auf bisweilen zweifelhafte Art erstellt und vertrieben werden. Zur Erläuterung: Die Betreiber solcher Verzeichnisse wenden sich mit missverständlichen Werbesendungen an Verbraucher (oder auch Kleinunternehmer) und fordern in der Regel dazu auf, Adressdaten auf einem vorausgefüllten Formular zu überprüfen und das Formular dann unterschrieben zurück zu senden. Das taten auch zahlreiche Betroffene in dem Glauben, damit einen kostenlosen Eintrag auf einer CD-Rom (oder einem Verzeichnis ähnlich den Gelben Seiten) zu erhalten. Doch weit gefehlt: Im leicht zu übersehenden Kleingedruckten verpflichteten sich die Betroffenen nicht nur zur Zahlung von mehreren Hundert Euro, sondern außerdem zu einem Abonnement, das sich nach Ablauf von einem Jahr stillschweigend verlängert. Gemeinsam mit der Abteilung für Wettbewerb, Verbraucherschutz und Betrugsbekämpfung in Straßburg hat das EVZ Frankreich geprüft, welche Rechtsmittel in diesen Fällen eingelegt werden konnten. Für betroffene Verbraucher wurde zunächst ein Info-Blatt erstellt. Für die Fälle, in denen Betroffenen keine Widerrufsrechte zustanden, wurde zudem eine so genannte Anfechtungserklärung vorbereitet, mit denen die Betroffenen bei unseriösen Anbietern vorstellig werden konnten. Deutscher SMS-Dienst unter der Lupe. Der Fall eines in Deutschland ansässigen Onlineanbieters von SMS-Abonnements steht als Beispiel für die Zusammenarbeit der Kehler Juristen mit der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.v. in Bad Homburg, kurz: Wettbewerbszentrale. Zahlreiche Kunden aus Frankreich waren auf der Suche nach Gratis-SMS mit Hilfe von Internetsuchmaschinen auf den besagten Anbieter gestoßen. Dessen Internetseite war in den Augen der Verbraucherschützer in mehrfacher Hinsicht kritikwürdig. Es wurde zwar auf die erforderliche und recht hohe Installationsgebühr schon auf der Startseite hingewiesen, allerdings in einer Form, die von vielen leicht übersehen werden konnte. Auch die Information über die Möglichkeit, das Abo wieder zu kündigen, wurde als unzureichend bewertet. Die Ergebnisse dieser Prüfung, die sich mit den Vorwürfen betroffener Verbraucher deckten, wurden der Wettbewerbszentrale mitgeteilt. Diese veranlasste eine weitere Prüfung und schaltete dafür den Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität ein. Austausch auch mit dem europäischen Informationszentrum Neben den genannten Kooperationen mit nationalen französischen und deutschen Stellen ist der Kontakt mit einer weiteren, neuen Einrichtung auf europäischer Ebene zu nennen: Das Centre d information sur l Europe wurde gemeinsam von der Europäischen Kommission und der französischen Regierung eingerichtet, um Bürger darüber zu informieren, was die EU tut und wofür sie steht. An mehreren Info-Blättern, die das Centre online bereitstellt, hat das EVZ Frankreich mitgewirkt. So können Bürger unter www.info-europe.fr jederzeit nachlesen, was sie bei einem Aufenthalt als Verbraucher im EU-Ausland beachten sollten, oder wenn sie Versicherungen bei Anbietern aus dem EU- Ausland abschließen, ein Konto dort eröffnen oder Kredite aufnehmen. Das Informationsbedürfnis der Verbraucher. Was die Informationsanfragen anbelangt, mit denen sich französische Verbraucher an das EVZ Frankreich wenden, steht das Thema Auto nach wie vor im Vordergrund. Im Jahr 2005 betrafen allein rund 480 Fragen den fahrbaren Untersatz, Gebraucht- wie Neufahrzeuge. Hier kurbelt bekanntermaßen die Europäische Kommission den Wettbewerb an: Der jährliche Vergleich von Preisen für Neuwagen in den mittlerweile 25 EU-Ländern, dessen Ergebnisse auch von den Europäischen Verbraucherzentren bekannt gemacht werden, führt zu zahlreichen Anfragen interessierter Autofahrer. Jahresbericht 2005 13

2.231 Informationsanfragen Kfz Warenkauf Reise Immobilien ecommerce FDL Versicherungen Gewinnspiele Gesundheit Steuer Justiz Sonstiges 38 68 57 156 144 129 114 213 232 266 335 479 Die Broschüre Acheter un véhicule en Europe ist die Antwort des Europäischen Verbraucherzentrums Frankreich auf dieses anhaltende Interesse. Es ist das Pendant der deutschen Ausgabe mit dem Titel Autokauf in Europa. Ein Leitfaden zum Import eines Neuwagens. Professionelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Sowohl die völlig überarbeitete Internetseite als auch eine neu gestaltete Broschürenreihe dienen dazu, Verbraucher und Vertreter der Medien über aktuelle Themen des grenzüberschreitenden Verbraucherschutzes zu informieren. Insbesondere die Medien sind dabei als unverzichtbare Multiplikatoren ein wichtiger Adressat. 14 Jahresbericht 2005

Der Internetrelaunch. Die neu gestaltete Webseite die Adresse lautet weiterhin www.euroinfo-kehl.com ist nicht nur übersichtlicher und leserlicher geworden. Das Navigationsmenü bietet außerdem raschen Zugang zu nicht weniger als 95 Informationstexten zu den Themen Auto, ecommerce, Finanzdienstleistungen, Gesundheit, Miete, Steuern, Tourismus und Verbraucherrechte, um nur die wichtigsten Rubriken zu benennen. Die neue Broschürenreihe. Vier neue Broschüren geben seit dem Jahr 2005 unter dem einprägsamen Titel Guide du consommateur européen - Auskunft zu drängenden Fragen des Alltags von Verbrauchern in Europa. Drei der vier Broschüren richten sich an französischsprachige Verbraucher, eine an englischsprachige. Die gut verständlich aufbereiteten Informationen sollen ihnen helfen, Beschwerden und Verbraucherrechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Diese Broschüren werden auf Wunsch gegen Zusendung eines frankierten Rückumschlags verschickt und werden außerdem in pdf-form zum kostenlosen Herunterladen auf der genannten Internetseite bereit gehalten. Jahresbericht 2005 15

In europäischer Mission Das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) Deutschland - Kehl Das Jahr 2005 war für das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland Kehl mit abermals gestiegenen Fallzahlen verbunden: Es wurden noch einmal mehr Verbraucherrechtsstreitigkeiten betreut als im Vorjahr. Außerdem wurde die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gezielt intensiviert. Dies entlastete nicht nur die vornehmlich mit der Fallarbeit befassten Juristen. Die Medienarbeit konnte außerdem dabei helfen, die außergerichtliche Streitbeilegung in Deutschland bekannt zu machen und insgesamt voran zu bringen. Im Rückblick zeigen sich die qualitativen Entwicklungen insbesondere an diesen fünf, aus unserer Sicht herausragenden Aspekten: -der Anstieg der Fallzahlen auf 512 Verbraucherrechtsstreitigkeiten (nach 416 im Jahr 2004) und insgesamt über 1.000 Kontakte mit Verbrauchern, -eine im Vergleich zum Vorjahr stabile Zufriedenheitsquote von knapp 60 % bei beiden jeweils beteiligten Parteien, also Verbrauchern und Unternehmern, -eine intensive und erfolgreiche Netzwerkarbeit mit Schlichtungsstellen, dem Bundesministerium der Justiz und der Europäischen Kommission, -eine in vielerlei Hinsicht verstärkte und professionalisierte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie -zahlreiche Gewinne, die sich in gewohnter, aber nicht selbstverständlicher Weise aus der engen Zusammenarbeit mit dem Europäischen Verbraucherzentrum Frankreich in Kehl ergaben. 16 Jahresbericht 2005

Nunmehr über 500 Verbraucherrechtsstreitigkeiten. Hatten die Juristen des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland Kehl 2004 bereits 416 Fälle betreut, wurden im abgelaufenen Kalenderjahr sogar 512 Verbraucherrechtsstreitigkeiten bearbeitet. Die im Arbeitsprogramm 2005 vorgesehene Zahl - 250 Fälle lautete die Prognose - wurde damit um mehr als das Doppelte übertroffen. Die über die Vorgabe hinaus gehenden 262 Fälle konnten nur dank des Einsatzes der mindestens zweisprachigen Mitarbeiter sowie dank der Routine eines eingespielten Teams bearbeitet werden. Kleines Team, recht enges Budget. Zum Team gehörten zwar insgesamt fünf Personen, aber verteilt auf zwei Vollzeit- und drei Teilzeitstellen, also 3,5 Stellen. Dem EVZ Deutschland Kehl stand für das Jahr 2005 ein Budget von 192.000 Euro zur Verfügung, davon 50.000 Euro aus Zuwendungen der Europäischen Kommission und 142.000 aus Zuwendungen des Bundesministeriums der Justiz. Zur Begriffserläuterung: Eine Informationsanfrage liegt dann vor, wenn eine Verbraucherin oder ein Verbraucher allgemeine oder konkrete Auskünfte zum jeweils im EU-Ausland geltenden Verbraucherrecht bei unseren Juristen einholt. Beschwerden betreffen ein bereits entstandenes Problem mit einem Anbieter von Waren oder Dienstleistungen im EU-Ausland, das der betroffene Verbraucher mit Hilfe der Einschätzungen oder Ratschläge unserer Juristen eigenständig lösen kann. Wir klassifizieren den Fall als Rechtsstreitigkeit, wenn über die Erstanalyse des konkreten Problems und über die Beratung hinaus ein direktes Eingreifen unserer Juristen vonnöten ist. In einer Akte werden dann Dokumente zusammen gestellt und zur Vermittlung in der Streitsache aufbereitet. Gesamtzahl der Fälle 2005 - EVZ Deutschland - Kehl Streitfälle 512 Beschwerden 80 Informationsanfragen 462 Zu den genannten 512 Rechtsstreitigkeiten in denen die Juristen des EVZ Deutschland - Kehl jeweils eine Akte anlegten, kamen zusätzlich 462 Informationsanfragen. Das sind mehr als drei Mal so viele wie im Vorjahr mit damals 144. Dass diese Zahl geringer ausfällt als die für das EVZ Frankreich (2.231 Informationsanfragen im Jahr 2005), hat damit zu tun, dass das EVZ Deutschland - Kehl in seiner Funktion auf die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten beschränkt ist. Gleichwohl erhalten Verbraucher beim EVZ Deutschland Kehl auch Informationen und Beratung, und zwar dann, wenn ihre Informationsanfrage deutsch-französische Verbraucherrechtsfragen betrifft. Für Information und Aufklärung in europäischen Verbraucherrechtsfragen sind historisch bedingt die anderen beiden Standorte Düsseldorf und Kiel zuständig (www.evz.de). Über 1.000 Kontakte mit Verbrauchern. Was das EVZ Deutschland Kehl anbelangt, ergaben Rechtsstreitigkeiten, Informationsanfragen und Beschwerden im Jahr 2005 immerhin insgesamt 1.054 Kontakte mit Verbrauchern. Dazu, dass diese Arbeitsdichte unter den beschriebenen Bedingungen überhaupt geschultert werden konnte, hat sicherlich die enge Zusammenarbeit aller bei Euro-Info- Verbraucher e.v. angesiedelten Dienste beigetragen. Zufriedenheit bei immerhin fast zwei von drei Streitfällen. Die Verbraucherrechtsstreitigkeiten konnten trotz der erforderlichen Übersetzungsarbeiten, trotz der in vielen Fällen wiederholt notwendigen Interventionen sowie trotz der relativ dünnen Personaldecke in der Zeitspanne von durchschnittlich neun Wochen beigelegt werden. Dabei wurde eine Zufriedenheitsquote bei beiden Beteiligten, Verbrauchern wie Unternehmern, von knapp 60 % erreicht. Jahresbericht 2005 17

Beachtlich die Summe, die für die betroffenen Verbraucher auf dem Spiel stand: Die Verträge, die sie abgeschlossen hatten und bei deren Abwicklung Probleme auftraten, hatten einen Gesamtwert von rund zwei Millionen Euro. Welche Themen führten zu Streitfällen? 244 der insgesamt 512 Streitfälle das entspricht einem Anteil von 47,6 Prozent beruhten auf Problemen nach dem Erwerb einer Ware im EU-Ausland (ohne Kfz). Diese waren nach Beobachtung der Juristen des EVZ Deutschland Kehl überwiegend im Internet gekauft worden und weniger bei Aufenthalten im EU-Ausland wie z.b. auf Reisen. Branche andere Branchen Warenkauf 244 268 In den restlichen 268 Fällen kam es zu Streitfällen auf Grund von Reisebuchungen und hier insbesondere Flugbuchungen, dem Kauf eines Gebrauchtwagens oder von Dienstleistungsverträgen, die nicht zur Zufriedenheit der Verbraucher erfüllt worden waren. Die Streitfälle betrafen Handwerker sowie Anbieter von Finanz- oder Telekommunikationsdienstleistungen wie etwa Handy-Verträgen. Branchen im Detail Reise Kraftfahrzeug Dienstleistung_sonstige FDL Telek ommunik ation Sonstiges Versicherungen Immobilie Transport_Bus&Bahn Gesundheit Versorgung Steuern Timeshare 10 9 8 7 5 4 2 1 15 18 38 73 78 Kein Rückgang der Fluggastbeschwerden. Auf Grund der Verordnung EG 261/2004 des Europäischen Parlaments zu Fluggastrechten, die am 17. Februar 2005 in Kraft trat, hatten die Juristen in Kehl zwischenzeitlich erwartet, dass die Fluggesellschaften Streitfälle selbstverständlicher eigenständig und unbürokratisch zur Zufriedenheit ihrer Kunden behandeln. Diese Erwartung ist nicht eingetreten, im Gegenteil: 2004 intervenierte das EVZ Deutschland Kehl in Streitfällen aus insgesamt 13 einzelnen Flugreisen, im Jahr 2005 waren es 50. Die Passagiere zeigten sich durch die EU-Verordnung offenbar ermuntert, ihre Rechte als Fluggäste noch selbstbewusster anzumelden. So halfen die Juristen des EVZ Deutschland Kehl beispielsweise deutschen Kunden einer irischen Airline weiter, die mit ihren eigenen Bemühungen keinen Erfolg damit hatten, eine berechtigte Beschwerde gegenüber dieser zur Geltung zu bringen. Die Schlichtungsexperten in Kehl, die u.a. über die 18 Jahresbericht 2005

Schlichtungsstelle Mobilität in Berlin von solchen Fällen erfahren, sorgen für eine effiziente und kostenfreie Streitbeilegung mit dem Unternehmen, das seinen Sitz im EU-Ausland hat. In umgekehrter Richtung werden Kunden aus dem EU-Ausland, die mit der Leistung einer deutschen Fluggesellschaft aus berechtigtem Grund nicht zufrieden sind, an die Schlichtungsstelle Mobilität vermittelt. Da jedoch nicht alle deutschen Fluggesellschaften mit dieser Stelle kooperieren, rief das EVZ Deutschland Kehl diese im November öffentlich dazu auf bei der Schlichtung mitzumachen, im Interesse ihrer zahlreichen Kunden aus dem EU-Ausland. Schlichtungsverfahren in jedem vierten Streitfall. Insgesamt 130 Verbraucherrechtsstreitigkeiten - das sind 25,3 Prozent aller Streitfälle - konnten unter Beteiligung einer Schlichtungsstelle in Deutschland beigelegt werden. In den übrigen Fällen haben die Mitarbeiter des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland - Kehl direkt Kontakt zu dem betreffenden Unternehmen gesucht, um die Streitigkeit beizulegen. So gesehen reicht das auf den ersten Blick regional wie von den Branchen her breit gefächerte Netz von über 400 Schlichtungsstellen, die von der Europäischen Kommission anerkannt werden, noch bei weitem nicht aus, um die gesamte Palette von Verbraucherstreitigkeiten auf dem Weg der Schlichtung abzudecken. Aus welchen Ländern stammten die Unternehmer? Der Arbeitsauftrag des EVZ Deutschland Kehl im Netzwerk der Europäischen Verbraucherzentren bringt es mit sich, dass die Kehler Juristen sowohl im Namen von Verbrauchern aus Deutschland intervenieren, die Probleme mit Anbietern im EU- Ausland haben, als auch im Namen von Verbrauchern aus dem EU-Ausland, die Probleme mit Anbietern in Deutschland haben. Die ganz überwiegende Zahl der 512 Rechtsstreitigkeiten 358 oder 69,9 Prozent - betraf einen Anbieter aus Deutschland, mit dem ein Verbraucher aus dem EU-Ausland nicht zufrieden war. Das verdeutlicht vor allem, wie stark die Angebote deutscher Online-Shops inzwischen vielerorts wahrgenommen werden. Denn jeder zweite der insgesamt 512 Streitfälle (53 Prozent) war im Jahr 2005 ein ecommerce-fall. Germany France The Netherlands Ireland Spain United Kingdom Italy Austria Poland Luxembourg Belgium other 27 24 9 7 4 3 2 2 2 4 70 Land Unternehmen 358 Die Zahl der restlichen Fälle 154 oder 30,1 Prozent betraf einen Anbieter aus einem anderen Staat der EU, mit dem Verbraucher aus Deutschland nicht zufrieden war. In dieser Gruppe sticht Frankreich hervor mit 70 Streitfällen. Jahresbericht 2005 19

Tägliche Kontakte mit den anderen Europäischen Verbraucherzentren. Von den angesprochenen 512 Rechtsstreitigkeiten, die das EVZ Deutschland Kehl betreute, wurden also 154 Fälle an andere Europäische Verbraucherzentren zur Bearbeitung übertragen, davon allein 70 an das EVZ Frankreich. In umgekehrter Richtung wurden dem EVZ Deutschland Kehl dementsprechend 358 Fälle zur Bearbeitung übertragen von einem der inzwischen 24 Europäischen Verbraucherzentren in der EU, Island oder Norwegen. Noch einmal, zum Verständnis: Verbraucher aus der EU, die einen Streitfall mit einem Unternehmen in einem anderem EU-Mitgliedsland zu beklagen haben, können sich an das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) ihres jeweiligen Landes wenden, das - zur Vermittlung des Streitfalles - wiederum das EVZ im Land des Unternehmers einschaltet. So kommen Vermittlungen in grundsätzlich alle Richtungen zustande. Dank der Ansiedlung des EVZ Frankreich Tür an Tür mit dem EVZ Deutschland Kehl lassen sich insbesondere die deutschfranzösischen Fälle vergleichsweise rasch bearbeiten. Im Jahr 2005 waren es 256. Abgestimmte Zusammenarbeit dank intensiver Austausche. Dass die Bearbeitung von Fällen Rat suchender Verbraucher aber auch europaweit zügig und reibungslos vonstatten gehen kann, kommt nicht von ungefähr. Dafür sorgen die Juristen des EVZ Deutschland Kehl über Sprach- und Ländergrenzen hinweg sowie regelmäßig auch ungeachtet von Unterschieden in den Rechtskulturen durch einen intensiv gepflegten Arbeitsaustausch und zwar nicht nur per Mail und telefonisch, sondern auch im Rahmen von Konferenzen und, soweit möglich, von Studienbesuchen oder job exchanges. So suchten im Jahr 2005 Kolleginnen und Kollegen der Europäischen Verbraucherzentren Polen, Spanien und Tschechien das Zentrum in Kehl auf, um ihre Sichtweisen der gemeinsamen Fallarbeit auszutauschen. Im Gegenzug waren die Zentren in Schweden, Italien und Luxemburg Besuchsziele für die Mitarbeiter des EVZ Deutschland Kehl, jeweils gemeinsam mit dem EVZ Frankreich und teils gemeinsam mit den Kollegen aus Belgien. Der Draht zum Bundesministerium der Justiz. Dank des sehr guten Kontakts zum Bundesministerium der Justiz, das die Arbeit des EVZ Deutschland Kehl mitfinanziert, unterstützt und begleitet, konnten wiederum zwei deutsche Schlichtungsstellen so weit gebracht werden, dass mit einer Notifizierung dieser Stellen durch die Europäische Kommission im Jahr 2006 fest zu rechnen war. Eine Notifizierung bestätigt, dass die Schlichtungsstellen den insgesamt sieben Standards der Europäischen Kommission entsprechen und damit Verbrauchern wie Unternehmern ein verlässliches und transparentes Verfahren bieten. Anlässlich von Arbeitstreffen des EVZ Deutschland Kehl mit dem Bundesministerium der Justiz und telefonisch wurden außerdem Grundlagen der Arbeit des EVZ Deutschland Kehl besprochen und abgestimmt. ecommerce und Schlichtung - Schwerpunkt im ersten Halbjahr. Die Konferenz ecommerce und Schlichtung am 13. Juni in Kehl erforderte und ermöglichte eine umfangreiche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von der Einladung der Medien über das Speaker Placement während der Tagung bis hin zur Dokumentation der Beiträge und Diskussion für die Internetseite. 20 Jahresbericht 2005