Psychische Belastungen als arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren. Dr. Frank Wattendorff, Dipl. Ing.



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Transkript:

Psychische Belastungen als arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren Dr. Frank Wattendorff, Dipl. Ing.

Definition der Begriffe nach DIN EN ISO 10075-1 Psychische Belastung Die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken. Psychische Beanspruchung Die unmittelbare (nicht die langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinem jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien. Folgen psychischer Beanspruchung Anregungseffekte, Aufwärmeffekte, Aktivierung, Übungseffekt, Psychische Ermüdung und ermüdungsähnliche Zustände wie Monotonie, herabgesetzte Wachsamkeit, psychische Sättigung.

Gestaltungsgrundsätze nach DIN EN ISO 10075 2 Gestaltung von Arbeitssystemen zur Beeinflussung der Intensität von Belastungen auf der Aufgaben- und / oder Tätigkeitsebene auf der Ebene der technischen Ausrüstung auf der Ebene der Arbeitsumgebung auf der organisatorischen Ebene und zur Beeinflussung der Dauer der Exposition der Arbeitsbelastung auf der Ebene der zeitlichen Organisation der Arbeit

Gesundheitsgefahren durch Stress Stressor Stressreaktion Gefahr für die Gesundheit durch: nicht abgebaute körperliche Erregung chronisch erhöhtes Erregungsniveau durch anhaltende Belastungen und fehlende Erholung geschwächte Immunkompetenz zunehmendes gesundheitliches Risikoverhalten (Rauchen, ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel, Alkohol und Medikamenten Konsum) Erschöpfung / Krankheit Q uelle: G. Kaluza, Gelassen und sicher im Streß, 1996

Stress - was ist das eigentlich? Stressor Zusätzlich zu Ihrer vielen Arbeit bekommen Sie vom Chef eine neue Aufgabe zugeteilt mit der Bemerkung, dass diese sehr wichtig sei und für die Abteilung weitere Aufträge sicherstelle. Stressreaktion z.b. Körper Puls Blutdruck Muskelspannung Atemfrequenz Blutgerinnung Verdauung Immunkompetenz Sexualfunktion z.b. Gedanken/Gefühle Angst Wenn ich das nicht schaffe, werden die Kollegen mich dafür verantwortlich machen Damit wollen Sie mich rausekeln Das schaffe ich nie Enttäuschung Es ist ein abgekartetes Spiel, daß ausgerechnet ich diese Aufgabe bekomme z.b. Verhalten hastig und verkrampft arbeiten gereizt gegenüber anderen mangelnde Planung und Übersicht fehlende Pausen Rauchen nebenbei Essen Q uelle: G. Kaluza, Gelassen und sicher im Streß,1996

Negative Folgen psychischer Belastung Körperlich Psychisch Leistungsmäßig Kurzfristige, aktuelle Reaktionen Ausschüttung von Cortisol und Adrenalin (Stresshormone) Herzfrequenz Blutdruck Anspannung Nervosität innere Unruhe Frustration Ärger Erleben von Stress Ermüdung Monotonie Sättigung Leistungsschwankungen Konzentration Fehlhandlungen Koordinationsfehler Hastigkeit und Ungeduld mittel- bis langfristige, chronische Reaktionen psychosomatische Beschwerden und Erkrankungen Unzufriedenheit Resignation Depressivität Burnout Nikotin-, Alkohol-, Tablettenkonsum Fehlzeiten (Krankheitstage) innere Kündigung Verhaltensmäßig Konflikte Streit Mobbing Aggressionen Rückzug (Isolierung) innerhalb und außerhalb der Arbeit Wirtschaftlich (im Unternehmen) Störfälle Qualitätsverluste Unfälle ( : steigt, nimmt zu / : sinkt, nimmt ab) Frühverrentungen Krankenquote Berufsunfähigkeit Fluktuation Quelle: LASI, Konzept zur Ermittlung psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz und zu Möglichkeiten der Prävention LV 28, 2002

Arbeitsbedingungen in psychologischer Sicht soziale Beziehungen Vorgesetzter Kollegen Technologie Arbeitsorganisation Arbeitsmittel, gegenstände Arbeitsumgebung Lärm etc. Arbeitsaufgabe Anforderungen geistige körperliche soziale Herkunft persönliche Entwicklung Person Erleben Wahrnehmen Erkennen Werten Handeln Motive/ Interessen geistige Fähigkeiten körperliche Verfassung private Lebenssituation Produkt / Dienstleistung Selbstveränderung Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren entstehen aus der wechselseitigen Beziehung zwischen Arbeitssituation und Person nach: W. Hacker, Allgemeine Arbeitspsychologie,1998

Handlungsregulatorische Klassifikation von Arbeitsmerkmalen Arbeitsbedingungen Aufgabe Umgebung Komplexität Variabilität Vollständigkeit Handlungsspielraum Zeitspielraum Regulationsanforderungen Regulationsmöglichkeiten Regulationsprobleme Regulationshindernisse Regulationsunsicherheit Regulationsüberforderung Quelle: Dieter Zapf, Psychische Belastungen in der Arbeitswelt in: Uwe Nickel/Rita Reiter-Mollenhauer, Psychische Belastungen in der Arbeitswelt, 1993

Klassifikation der Regulationsbehinderungen Regulationsbehinderungen Regulationshindernisse Regulationsüberforderungen Erschwerungen Unterbrechungen aufgabenimmanent aufgabenunspezifisch informatorische motorische Personen Funktionsstörungen Blockierungen - 0-Fehler-Vorgabe - Widersprüchliche Anforderungen monotone Bedingungen - Lärm - Beleuchtung - Raumklima - Schadstoffe - ergon. Probl. Zeitdruck Quelle: Rainer Oesterreich / Walter Volpert (Hrsg.), Psychologie gesundheitsgerechter Arbeitsbedingungen, 1999

Unterschätzte Risikokonstellationen psychischer Belastungen inkonsistente Anforderungsstrukturen aufgabenbezogene psychische Belastungen mangelnde geistige Anforderungen Zeitdruckerleben die Spannung zwischen hohen Anforderungen und geringen Gestaltungsmöglichkeiten Führungsstile und Führungsverhalten Gratifikationskrisen geringer sozialer Rückhalt mangelnder Einfluss am Arbeitsplatz Belastungen aus der Arbeits- und Betriebsorganisation haben zwei Merkmale gemeinsam: sie sind betrieblich gestaltbar und sie sind nicht ohne aktive Einbeziehung der Beschäftigten zu mindern oder gar zu beseitigen

Zusammenhänge zwischen der Arbeitszufriedenheit und Belastungsgruppen 0,7 0,6 0,5 Korrelation nach Pearson 0,4 0,3 0,2 0,1 0 Vorgesetzter Arbeitsmittel Arbeitszeit Kollegen Arbeitsbedingungen Einflußnahme Arbeitstätigkeiten Die Arbeitszufriedenheit wird zuerst durch das Vorgesetztenverhalten bestimmt Quelle: BKK 2003