Wichtige Erfolgsfaktoren und unternehmerischer Mehrwert



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Transkript:

Ein Beitrag von Jan Gonell, O&P Consult AG Wichtige Erfolgsfaktoren und unternehmerischer Mehrwert Einführung Seit ca. zwei Jahrzehnten hat sich auch im Mittelstand auf breiterer Basis die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein Leitbild nicht nur eine weitere Management-Mode ist, sondern - sofern richtig angegangen - wertvolle Effekte für das Gesamtunternehmen haben kann. Diese Einführung impliziert bereits, dass es bei einer Betrachtung wie der folgenden nicht darum gehen soll, eine Anleitung zur Erstellung werbewirksamer Hochglanzbroschüren zu geben, sondern vielmehr darum, Erfahrungen aus der unternehmerischen Praxis für die unternehmerische Praxis nutzbar zu machen; Erfahrungen, die sowohl die erfolgreiche Erarbeitung eines Leitbildes aber auch - und dies ist in der Praxis häufig das größere Problem für Unternehmen - die tatsächliche Implementierung desselben und damit den Transfer in den Unternehmensalltag betreffen. Mit der klaren Zielsetzung, von der Unternehmenspraxis zu lernen, wurden im Rahmen einer MBA-Arbeit Geschäftsführer und führende Angestellte fünf mittelständischer Unternehmen verschiedener Branchen und mit einer Größe von 70 bis 6000 Mitarbeitern zu ihren Erfahrungen aus den erfolgreich durchgeführten Leitbilderstellungsund Implementierungsprozessen in qualitativen Interviews befragt. Im Mittelpunkt des Interesses stand dabei die Frage, welche Erfahrungen und Empfehlungen der Beteiligten sich von der jeweiligen spezifischen Unternehmenssituation abstrahieren und generalisieren ließen, um sie für andere Unternehmen nutzbar machen zu können. Definition des Begriffs Leitbild" Bevor ich in medias res gehe ist es notwendig, einerseits den Begriff des Leitbildes wenigstens kursorisch zu umreißen, um allen Lesern gleichsam eine gemeinsame Ausgangsbasis für das Verständnis zu schaffen. Andererseits bedarf die Einführung eines Leitbildes - wie auch jede andere unternehmerische Maßnahme - einer Rechtfertigung in Form eines nachgewiesenen Mehrwertes für die Unternehmung; auch diese potenziell positiven Auswirkungen sollen kurz besprochen werden. In Anlehnung an das St. Gallener Managementmodell 1 beinhaltet das Leitbild als Teil des umfassenderen Konzeptes der Corporate Identity 2 m.e. Elemente, die (allein) auf der normativen Ebene zu verorten sind. Damit trifft es Aussagen in Form prägnanter Sätze zu der Vision 3, der Mission 4, Führungs- 1 Eine übersichtliche Darstellung des Ansatzes findet sich bei Bleicher (1992) S. 77 2 Vgl. zu dem Begriff der Corporate Identity z.b. Schmidt (1994) S. 54f, der dem umfassenden Verständnis des Begriffs folgend die Bereiche Kultur, Verhalten, Markt, Produkte und Dienstleistungen und Kommunikation und Design ausdifferenziert. 3 Vision kann in diesem Zusammenhang verstanden werden als die grundlegende, vielleicht auch nur diffuse Vorstellung über die zukünftige Gestalt der Unternehmung und die Einbettung in ihre Umwelt. 4 In der Mission drückt sich die Zwecksetzung der Unternehmung aus und rechtfertigt so seine Existenz; sie definiert den aus Unternehmenssicht beschriebenen Geschäftszweck und steckt somit den Tätigkeitsbereich der Unternehmung ab.

grundsätzen, dem Verhältnis zu den maßgeblichen Anspruchsgruppen innerhalb und außerhalb der Unternehmung (den Stakeholdern) sowie den die Unternehmung charakterisierenden Werten. Zudem können wichtige ethische Überzeugungen bzw. Aussagen zu sozialer und/oder ökologischer Verantwortlichkeit enthalten sein. Damit stellt das Leitbild lediglich den Rahmen dar, innerhalb dessen die Essenz der das Unternehmen ausmachenden und/oder gewünschten Charakteristika übersichtlich und zusammengefasst dargestellt sind. Umfassendere Regelungen zu z.b. Führungs- und/oder Mitarbeiterverhalten, Ethikkodizes o.ä. sind nicht notwendigerweise Teil des Leitbildes, sondern werden üblicherweise in gesonderten Dokumenten bereitgehalten. Nach dieser Auffassung sind Aussagen zur Strategie nicht Teil des Leitbildes; vielmehr wird die Strategie aus dem Leitbild abgeleitet und dient zu dessen Umsetzung. Mehrwert eines Leitbildes Worin besteht der potentielle Mehrwert eines Leitbildes für eine Unternehmung? Zu nennen sind hier an erster Stelle die Klärung der Zielsetzungen des Unternehmens sowie u.a. die Steuerungsfunktion, die Identifikationsfunktion für Mitarbeiter, aber auch die Möglichkeit für Geschäftsführer, der Unternehmenspolitik z.b. nach ihrem Eintritt in das Unternehmen ihren Stempel aufzudrücken bzw. vor ihrem Austritt die Unternehmenswerte zu fixieren, um so Mitarbeitern wie Stakeholdern Damit hat die Mission eine die Vision ergänzende Funktion, die die eher generalistisch ausgerichtete Sichtweise der Vision um die spezifische Betrachtung der unternehmerischen Zwecksetzung komplementiert. Sicherheit auch in Zeiten eines Führungswechsels zu geben. Etwas ausführlicher gesprochen kann ein Leitbild nicht nur durch Herausarbeitung einer einheitlichen Wertebasis sinnvollerweise zur Orientierung und sogar zur Sinnfindung bzw. - gebung für Mitarbeiter und Führungskräfte führen; darüber hinaus kann es der Bildung einer Identität für das Gesamtunternehmen nach innen wie nach außen dienen. 5 Schon die Erarbeitung eines Leitbildes kann dazu führen, dass auch in der obersten Führungsebene erstmalig bewusst(er) über die tatsächlichen Werte und die Kultur des Unternehmens gesprochen und so eine Phase der Selbstfindung bzw. Selbsterkenntnis eingeleitet wird 6 ; eine unabdingbare Voraussetzung für eine bewusste und geplante Behauptung im Sinne einer Stabilisierung und/oder Anpassung in einer sich kontinuierlich wandelnden Umwelt. Über diese Effekte hinaus mag ein Leitbildprozess dazu führen, dass über die explizite 5 Vgl. Gutmann (2006) S. 38ff.; Bleicher (2004) S. 274f.; Matje (1996) S. 85ff, wo eine Zusammenstellung der Funktionen von Leitbildern aus der Sicht verschiedener Autoren zu finden ist. 6 In diese Richtung geht folgende Äußerung von Lombriser/Abplanalp (2005) S. 229: Die Praxis lehrt uns hingegen, dass weniger der Inhalt als vielmehr die Art und Weise der Entwicklung und Einführung den Wert eines Leitbildes bestimmt. Vgl. dazu auch Matje (1996) S. 90f.

Diskussion von Vision und Mission eine hilfreiche bzw. notwendige Klärung des geschäftlichen Betätigungsfeldes stattfindet. Im Idealfall, nämlich dann, wenn auch die Mitarbeiter und Führungskräfte sich mit den Inhalten identifizieren und entsprechend eigenmotiviert sind, kann ein Leitbild auch eine Steuerungsfunktion entfalten. 7 Während die vorgenannten Kriterien sich eher an einer internen Wertschöpfung orientieren, scheint die Einflussnahme auf die unternehmenseigene Umwelt (noch) weniger im Fokus zu stehen. 8 Gleichwohl hinterlässt ein Leitbild vor allem durch die darin transportierten Werte einen - wenn vielleicht auch nur unbewussten - positiven Eindruck auf Bewerber, Kunden, Lieferanten etc.; dies kann allerdings wohl nur dann angenommen werden, wenn die Werte nicht bloße Allerweltsformeln sind, sondern die Glaubwürdigkeit des Unternehmens durch eine individuelle und damit glaubhafte Wertebasis unterstützt wird. Abschließend zu erwähnen ist sicherlich auch der in Deutschland immer wichtiger werdende Punkt der Arbeitgeberattraktivität, da gerade jüngere Generationen Wert auf eine explizite Positionierung hinsichtlich der Unternehmenskultur und der damit verbundenen Werte legen. staunliche Übereinstimmung in den Handlungsempfehlungen an andere Unternehmen. So selbstverständlich sich diese im folgenden dargestellten Bedingungen anhören, so unabdingbar sind diese für den Erfolg des Gesamtprojektes Leitbild" nach Ansicht aller Beteiligten im reflektierten Rückblick. Geschäftsführer wie hochrangige Führungskräfte sind sich darin einig, dass jedenfalls die Mehrheit der relevanten Entscheidungsträger im Unternehmen fest hinter dem Projekt "Leitbild" stehen muss. Schon zu Beginn des Projekts sollten zudem die Personen mit großem Einfluss im Unternehmen, unabhängig ob es sich um Träger formeller oder informeller Macht handelt, eingebunden werden. 9 Letzterer Punkt zusammen mit einer Kommunikationspolitik, die auf mögliche Ängste von Mitarbeitern Rücksicht nimmt und Konflikte offen anerkennt, seien essenziell für die Akzeptanz der Inhalte und damit deren Implementierung. 10 Allen Entscheidungsträgern sollte klar sein, dass vor allem die Erarbeitung und später die Implementierung einen erheblichen Zeitaufwand erfordern, der bis zu 10 h zusätzlich zu der normalen Arbeitszeit pro Woche für die Projektverantwortlichen betragen kann. Generelle Erfolgsfaktoren für ein Projekt Leitbild Welches sind nun die verallgemeinerungsfähigen Erkenntnisse aus der Untersuchung zur erfolgreichen Erarbeitung und Implementierung eines Leitbildes? Die Untersuchung der Unternehmen ergab bei aller Unterschiedlichkeit der Erstellungsprozesse und Implementierungsmaßnahmen eine er- 7 Gutmann (2006) S. 23.; so auch Matje (1996) S. 90. 8 Macharzina/Wolf (2005) S. 233. 9 Doppler/Lauterburg (2008) S. 181ff. Grundlegend zu verschiedenen Definitionen und Arten von Macht vgl. Paul (2007) S. 70ff. 10 Zu der grundsätzlichen Bedeutung von Kommunikation unter besonderer Betonung des emotionalen Aspektes vgl. Gairing (2008) S. 209 ff.; Doppler/Lauterburg (2008) S. 183ff.

Für die Lebensfähigkeit eines Leitbildes sei es existenziell, Inhalte nicht einfach von anderen Unternehmen zu kopieren, sondern diese aus dem eigenen Unternehmen heraus möglichst unter Einsetzung einer divers zusammengesetzten Projektgruppe individuell zu entwickeln (dies erfordere insbesondere von befehlsgewohnten Patriarchen, sich und ihre Vorstellungen zurückzunehmen und Mitarbeiter tatsächlich zu beteiligen; letztere Einschätzung vertrat ausdrücklich auch ein Geschäftsführer, der nach eigenen Angaben das Projekt mit sehr viel Druck vorangetrieben hatte, ein Vorgehen, welches er heute wesentlich anders gestalten würde). Vermieden werden sollte im Umkehrschluss, dass eine Führungspersönlichkeit oder eine kleine Gruppe der ersten Führungsebene allein Grundsätze ausarbeitet und diese den Mitarbeitern gleichsam verordnet. 11 Auch sollte ein Leitbild nicht als trojanisches Pferd missbraucht werden, indem die tatsächliche Intention (wie z.b. eine Restrukturierung) durch eine vermeintlich positive (wie z.b. eine bewusst übersteigerte, idealisierte Darstellung der Unternehmenskultur) überdeckt wird. 12 Leitbilder ließen sich zudem nur zum Leben bringen, wenn die Unternehmensführung die Inhalte sichtbar und authentisch vorlebe und andererseits Implementierungsmaßnahmen über mehrere Jahre hinweg dafür sorgten, dass alle Mitarbeiter emotional und damit nachhaltig in den Veränderungsprozess einbezogen würden. Wie wichtig eine glaubhafte Umsetzung von Leitbildinhalten für die Gesamtunternehmung ist hat eindrucksvoll eine Untersuchung von KPMG in den USA zu dieser Frage gezeigt; dort heißt es: die Bereitschaft zu Fehlverhalten in Unternehmen, die ein Leitbild ohne ein 11 Gutmann (2006) S. 98. 12 Siehe dazu Doppler/Lauterburg (2008) S. 103ff und S. 113f. Vgl. auch Gairing (2008) S. 213f. entsprechendes Umsetzungsprogramm haben, sogar noch größer ist als in Unternehmen ohne Leitbild. 13 Obwohl nur in einem der fünf untersuchten Unternehmen Berater an dem Leitbildprozess beteiligt waren, waren sich alle 10 Interviewpartner darin einig, dass sie rückblickend in jedem Fall die Hinzuziehung von Beratern empfehlen würden, um den Prozess mit größerer Klarheit und Zielstrebigkeit, aber auch erheblich schneller und effizienter durchführen zu können. Fazit Das Fazit aus der Untersuchung ist zwiegespalten: einerseits führen viele Wege zum individuellen Leitbild. Vor dem Hintergrund der Vielgestaltigkeit mittelständischer Unternehmen verbietet sich jedes schematische und kochrezeptartige Vorgehen im Sinne eines one size fits all. Andererseits gibt es Bedingungen, ohne die ein Erfolg des Projektes kaum denkbar ist; sind diese nicht gegeben scheint ein Scheitern und damit flächendeckende Frustration vorprogrammiert zu sein. Insgesamt benötigt es Mut und Hartnäckigkeit, aber auch planerische Weitsicht und Reflek- 13 KPMG (1999) S. 9.

tionsfähigkeit der Führung - insbesondere hinsichtlich schwer steuerbarer und langwieriger Kulturveränderungsprojekte - dieses lohnenswerte Projekt erfolgreich anzugehen. Jan Gonell Berater Quellen: Bleicher, Knut (2004): Das Konzept Integriertes Management. Visionen-Missionen-Programme. Frankfurt/New York. Doppler, Klaus; Lauterburg, Christoph (2008): Change Management. Den Unternehmenswandel gestalten. Frankfurt/New York. Gairing, Fritz (2008): Organisationsentwicklung als Lernprozess von Menschen und Systemen. Weinheim und Basel. Gutmann, Bastian (2006): Leitbilder als Instrument der Unternehmensführung. Saarbrücken. Hungenberg, Harald (2006): Strategisches Management in Unternehmen. Ziel-Prozesse-Verfahren. Wiesbaden. KPMG (1999): Unternehmensleitbilder in deutschen Unternehmen. Frankfurt und Nürnberg. Lombriser, Roman; Abplanalp, Peter A. (2005): Strategisches Management. Visionen entwickeln. Strategien umsetzen. Erfolgspotentiale aufbauen. Zürich. Macharzina, Klaus; Wolf, Joachim (2005): Unternehmensführung. Das internationale Managementwissen. Wiesbaden. Matje, Andreas (1996): Unternehmensleitbilder als Führungsinstrument. Komponenten einer erfolgreichen Unternehmensidentität. Wiesbaden. Paul, Joachim (2007): Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Wiesbaden. Schmidt, Klaus (1994): Methoden und Instrumente zu ganzheitlichen Corporate-Identity Entwicklung. In: Schmidt, Klaus (1994): Corporate Identity in Europa. Frankfurt/New York. S. 53-66.