Thesen. der Gutachter und Referenten



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Thesen der Gutachter und Referenten

24 66. Deutscher Juristentag Stuttgart Thesen bei der Beurteilung nach Zeitabschnitten differenziert werden, weil sich die Anforderungen an die Flexibilität von Unternehmen im Zeitablauf geändert, uzw erhöht haben. 14. Eine Angleichung an das gemeineuropäische Modell kann durch eine Reduktion des Anteils der Arbeitnehmervertreter oder/und durch eine Änderung bei den Gegenständen erfolgen, in denen die Arbeitnehmervertreter stimmberechtigt sind. 15. Vergleichend besonders auffällig ist die annähernd gleichberechtigte Mitwirkung bei der Bestellung des Vorstandes. Dem Grundgedanken der Vertretung der Arbeitnehmerinteressen in einem Unternehmensorgan könnte es nach dem skandinavischen Modell besser entsprechen, die Beteiligung der Arbeitnehmer(vertreter) bei einem Vorstandsmitglied zu verstärken, das dann wirklicher Vertreter der Arbeitnehmer im Vorstand ist und dafür bei den anderen Vorstandsmitgliedern entfallen zu lassen. Str afrecht Patientenautonomie und Strafrecht bei der Sterbebegleitung 1. Thesen zum Gutachten von Prof. Dr. Torsten Verrel, Bonn 2. Thesen zum Referat von Prof. Dr. med. Gian Domenico Borasio, München 3. Thesen zum Referat von Vors. Richter am BGH a. D. Klaus Kutzer, Karlsbad 4. Thesen zum Referat von Rechtsanwalt Wolfgang Putz, München 1. Thesen zum Gutachten von Prof. Dr. Torsten Verrel, Bonn 1. Rechtssicherheit auf dem Gebiet der Sterbebegleitung erfordert eine gesetzliche Klarstellung der Fälle, in denen die lebensverkürzende Vornahme oder Begrenzung medizinischer Eingriffe sowie die Mitwirkung am Suizid nicht gegen das Tötungsverbot der 211, 212, 216 StGB verstoßen. Die Furcht vor strafrechtlicher Verfolgung begünstigt eine extensive Rechtfertigungsmedizin und unzureichende Leidensminderung. a) Der Strafrechtsprechung ist es trotz anzuerkennender Bemühungen um eine Absicherung der Kasuistik zulässiger Sterbebegleitung nicht gelungen, ein für Juristen, Ärzte, Patienten und Angehörige gleichermaßen transparentes und geschlossenes Regelungssystem zu entwickeln. b) Entscheidungen von Zivilgerichten, namentlich der Beschluss des 12. Zivilsenats des BGH vom 17. 3. 2003 haben zu Irritationen über die Bedeutung und Reichweite des Selbstbestimmungsrechts sowie über die Genehmigungsbedürftigkeit von Behandlungsbegrenzungen geführt.

str afrec ht 25 c) Die Strafrechtsdogmatik ist an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit bei der Auslegung der defizitären lex lata geraten und hat eine verwirrende Vielfalt von Konstruktionen zur Begründung der Straflosigkeit todesursächlicher Sterbebegleitung hervorgebracht. d) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die Tötungsdelikte und das in ihnen scheinbar ausnahmslos zum Ausdruck kommende strafrechtliche Lebensschutzgebot an das durch den medizinischen Fortschritt entstandene Bedürfnis für eine Begrenzung lebenserhaltender Maßnahmen anzupassen und Hindernisse für eine effektive Leidensminderung zu beseitigen. 2. Die Unsicherheit von Ärzten und Juristen über die Grenzen der Lebenserhaltungspflicht beruht auch auf der hergebrachten Sterbehilfeterminologie. Es empfiehlt sich, zulässige Maßnahmen mit dem Begriff Sterbebegleitung zu kennzeichnen, dabei zwischen Behandlungsbegrenzungen (vormals sog. passive Sterbehilfe), leidensmindernder Behandlung (vormals sog. indirekte Sterbehilfe) sowie Mitwirkung am freiverantwortlichen Suizid zu unterscheiden und bei der gesetzlichen Bezeichnung für verbotene Tötungen auf Verlangen (vormals sog. aktive direkte Sterbehilfe) zu bleiben. 3. Für eine Relativierung des Verbots der Tötung auf Verlangen besteht kein Bedürfnis, wenn der Rahmen erlaubter Sterbebegleitung dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten Entfaltungsraum lässt und effektive Leidensminderung ermöglicht. In denkbaren Extremfällen nicht anders als durch die Tötung des Kranken zu beendender oder zu lindernder schwerster Leiden ist es Aufgabe der Rechtsprechung, eine gerechte Einzelfallentscheidung unter Heranziehung der Grundsätze des rechtfertigenden Notstands zu treffen. Eine abstrakt generelle Ausnahmeregelung nach niederländischem Vorbild empfiehlt sich wegen der nicht auszuschließenden Gefahr eines Nachlassens in dem Bemühen um eine medizinische, pflegerische Versorgung und emotionale Unterstützung des Kranken, aber auch wegen sichtbar gewordener Ausweitungstendenzen nicht. 4. Die Forderung nach Ausbau der Palliativmedizin und Stärkung der Hospizbewegung ist mit Nachdruck zu unterstützen, da strafrechtliche Rechtssicherheit allein nicht zu einer humanen Sterbebegleitung führen kann. Ebenso nachdrücklich müssen jedoch Tendenzen zurückgewiesen werden, das Eintreten für eine bessere Versorgung sterbenskranker Patienten mit einer Abwertung ihres Selbstbestimmungsrechts und (vorausverfügten) Wunsches nach Behandlungsbegrenzung zu verbinden. 5. Der Alternativentwurf Sterbebegleitung sollte zur Grundlage für die notwendige Ergänzung der Tötungsdelikte durch Vorschriften über erlaubte Formen der Behandlungsbegrenzung und der Leidensminderung gemacht werden. 6. Die gebotene Klarstellung der Straffreiheit einverständlicher Behandlungsbegrenzungen ergibt sich aus dem nicht immer konsequent beachteten Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Die bislang im Strafrecht dominierende Frage nach der Vereinbarkeit von Behandlungsbegrenzungen mit den Tötungsdelikten hat zu einer Vernachlässigung der vor-

26 66. Deutscher Juristentag Stuttgart Thesen rangigen Prüfung geführt, ob die Vornahme oder Fortführung medizinischer Eingriffe in die körperliche Integrität des Patienten durch eine entsprechende (mutmaßliche) Einwilligung des Patienten gerechtfertigt ist. Legitimationsbedürftig ist schon die Behandlung und nicht erst deren Begrenzung. Die Richtigstellung der Eingriffsperspektive hat zur Folge, dass a) jede invasive medizinische Maßnahme einschließlich der künstlichen Versorgung mit Flüssigkeit und Nahrung der Einwilligung des Patienten bedarf und damit auch zu seiner Disposition steht, b) sich Ärzte, Pflegekräfte und Leiter von Pflegeheimen auch unter Berufung auf ihr Gewissen und Berufsethos nicht über den erkennbar gegen eine Behandlung gerichteten Willen des Patienten hinwegsetzen können, ohne mit dem in 223 StGB enthaltenen, bislang jedoch kaum zum Gegenstand von Strafverfahren gemachten Verbot eigenmächtiger medizinischer Behandlung in Konflikt zu geraten, c) an die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung in eine Behandlungsbegrenzung keine strengeren Anforderungen als an die Feststellung eines solchen Behandlungswillens gestellt werden dürfen, sondern die jeweils gewichtigeren Indizien den Ausschlag geben. 7. Die im Zivilrecht grundsätzlich nicht mehr bestrittene Verbindlichkeit von Patientenverfügungen sollte auch im Strafrecht ausdrückliche Anerkennung als eigenständige Legitimationsgrundlage für Behandlungsbegrenzungen finden. Verbindlichkeitsvoraussetzungen sind Eindeutigkeit und Situationsbezogenheit, das Fehlen konkreter Anhaltspunkte für Willensmängel und zwischenzeitliche Willensänderungen sowie die Einhaltung der Schriftform, nicht aber der Nachweis einer allerdings wünschenswerten ärztlichen Aufklärung. Abzulehnen ist die zu einer faktischen Entwertung von Patientenverfügungen führende und von unangebrachtem Misstrauen gegenüber der Fähigkeit zur Selbstbestimmung geprägte Forderung nach einer Begrenzung der Reichweite auf irreversibel tödlich verlaufende Grunderkrankungen. 8. Fehlen aktuelle oder vorausverfügte Willensbekundungen, erlangt der mutmaßliche (Nicht)Behandlungswille des Patienten Bedeutung, wobei Indizien für die persönlichen Präferenzen Vorrang vor überindividuellen, an der Figur des vernünftigen Patienten ausgerichteten Maßstäben haben. a) Auf der subsidiären Stufe des verobjektivierten Patientenwillens richtet sich die unausweichliche, in jedem Fall mit einem Eingriff in Rechtsgüter des Patienten verbundene Behandlungsentscheidung, nach den zu Unrecht kritisierten allgemeinen Wertvorstellungen. b) Der Eintritt eines nach gesicherter ärztlicher Einschätzung irreversiblen Bewusstseinsverlusts ist regelmäßig ein gewichtiges Indiz für einen mutmaßlichen Behandlungsverzicht, stellt aber keinen objektiven, von gegenläufigen Willensbekundungen des Patienten unabhängigen Grund für eine Behandlungsbegrenzung dar.

str afrec ht 27 9. Die zu erwartenden Reformen des Betreuungsrechts liefern einen wichtigen Beitrag zur Absicherung strafloser Behandlungsbegrenzungen und müssen kompatibel mit den erforderlichen Änderungen des Strafrechts sein. a) Daher sollte der Vorrang des Willens des Betreuten und die Bindung seiner gesetzlichen oder gewillkürten Stellvertreter daran deutlicher als bisher zum Ausdruck kommen. b) Die grundsätzlich wünschenswerte vormundschaftsgerichtliche Überprüfung von Behandlungsbegrenzungen sollte aus Praktikabilitätsgründen auf Fälle beschränkt bleiben, in denen es in der präfinalen Krankheitsphase bei Ärzten und Betreuern oder Bevollmächtigten zu Zweifeln oder zu einem Dissens über den mutmaßlichen Willen des Patienten gekommen ist. Wird ein solches Konfliktmodell eingeführt, besteht kein Bedürfnis für eine Besserstellung des Bevollmächtigten gegenüber dem Betreuer. Stets genehmigungsbedürftig sind Behandlungsbegrenzungen bei Patienten, für deren individuellen mutmaßlichen Willen keine ausreichenden Anhaltspunkte bestehen und bei denen daher nach objektiven Kriterien entschieden werden muss. c) Eine wirksame Patientenverfügung kann ohne Bestellung eines Betreuers und ohne Einholung einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung unmittelbar umgesetzt werden. 10. Trotz der Fortschritte in der Palliativmedizin besteht nach wie vor ein Bedürfnis für die Klarstellung der Straflosigkeit einer mit der nicht beabsichtigten Nebenfolge einer Todesbeschleunigung verbundenen Leidensminderung, die nicht auf Sterbende und Schmerzzustände beschränkt sein sollte. a) Ist eine effektive Symptomkontrolle nicht möglich, darf bei entsprechendem (mutmaßlichem) Patientenwillen auf das Mittel der palliativen Sedierung auch dann zurückgegriffen werden, wenn sie mit einer ihrerseits erlaubten Behandlungsbegrenzung kombiniert wird. b) Um den Missbrauchsgefahren leidensmindernder Medikationen entgegenzuwirken und eine auch forensisch darstellbare Unterscheidung von der Tötung auf Verlangen zu gewährleisten, sollte die Straffreiheit nicht nur von der subjektiven Voraussetzung einer fehlenden Tötungsintention, sondern zusätzlich von den objektiven Kriterien der medizinischen Indikation und der Einhaltung der Regeln der medizinischen Wissenschaft abhängig gemacht werden. Außerdem ist eine bußgeldbewehrte Verpflichtung zur Dokumentation des Behandlungsverlaufs vorzusehen. 11. Die von der Rechtsprechung teilweise angenommene nachträgliche Rettungspflicht auch bei einem freiverantwortlichen Suizid umgeht dessen Straflosigkeit, erschwert den Zugang zu suizidgefährdeten Patienten und sollte durch eine gesetzliche Klarstellung korrigiert werden. a) Die Freiverantwortlichkeit ist nach den Regeln der 20, 21 StGB zu bestimmen und setzt weiterhin eine ausdrückliche oder aus den Umständen erkennbare ernstliche, nicht auf einer voraussichtlich nur vorübergehenden Stimmung beruhende Entscheidung voraus.

28 66. Deutscher Juristentag Stuttgart Thesen b) Die ausnahmslose standesrechtliche Missbilligung der ärztlichen Suizidassistenz sollte einer differenzierten Beurteilung weichen, welche die Mitwirkung des Arztes am Suizid eines Patienten mit unerträglichen, unheilbaren und mit palliativmedizinischen Mitteln nicht ausreichend zu lindernden Leiden als eine nicht nur strafrechtlich zulässige, sondern auch ethisch vertretbare Form der Sterbegleitung toleriert. c) Um einer Kommerzialisierung der Suizidbeihilfe zu begegnen, empfiehlt sich die Einführung eines neuen Straftatbestands der Mitwirkung am Suizid aus Gewinnsucht. 2. Thesen zum Referat von Prof. Dr. med. Gian Domenico Borasio, München Vorbemerkung Aufgabe des medizinischen Referenten ist es, ärztlichen Sachverstand in die Debatte über die strafrechtlich relevanten Aspekte der Sterbehilfe-Problematik einzubringen. Daher wird in den folgenden Thesen nicht primär auf spezifisch juristische Aspekte eingegangen. Sie sollen vielmehr einen Diskussionsbeitrag aus dem Blickwinkel eines in der Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen und ihrer Familien tätigen Arztes darstellen. Thesen 1. Allgemein akzeptierte ethische Grundlagen ärztlicher Bemühungen sind: Patienten zu helfen, ihnen nicht zu schaden, ihre Autonomie zu respektieren, das Gerechtigkeitsprinzip (auch im Hinblick auf Ressourcenverteilung) zu befolgen und den Lebensschutz zu gewährleisten. 2. Die Rolle des Arztes ist grundsätzlich auf die Wiederherstellung der Gesundheit und die Erhaltung des Lebens ausgerichtet. Bei schwerster Erkrankung kann eine Änderung des Therapieziels indiziert sein, bei welcher statt der Lebensverlängerung die Maximierung der Lebensqualität für Patient und Familie durch palliativmedizinische Betreuung im Vordergrund steht. 3. Die flächendeckende Bereitstellung von palliativmedizinischer und hospizlicher Versorgung ist eine wesentliche Voraussetzung für die wirksame Ausübung des Selbstbestimmungsrechts am Lebensende. Dazu gehört auch die Einführung von Palliativmedizin als Pflichtbestandteil der ärztlichen und pflegerischen Ausbildung. Die entsprechenden Rahmenbedingungen sind vom Gesetzgeber zu schaffen. 4. Wesentliche Säule der Palliativmedizin ist die Kommunikation zwischen allen an der Versorgung Beteiligten, dem Patienten, seinen Angehörigen und seinem Stellvertreter. Jede bestehende oder geplante Regelung ist daraufhin zu prüfen, ob sie die Dialogbereitschaft durch Schaffung von Rechtssicherheit fördert oder durch Schaffung von Ängsten/Unsicherheit behindert. Dies gilt gleichermaßen für Straf-, Zivil- und Standesrecht.

str afrec ht 29 5. Die bestehende Terminologie mit den Begriffen aktive, passive und indirekte Sterbehilfe sollte aufgegeben werden, da sie verwirrend und für die Kommunikation hinderlich ist. Das Konstrukt der sog. indirekten Sterbehilfe (zulässige Inkaufnahme einer nichtintendierten Lebensverkürzung durch medizinisch indizierte Maßnahmen zur Leidenslinderung, z.b. hohe Dosis Schmerzmittel) ist zudem nach den neuesten wissenschaftlichen Untersuchungen bei korrekter Medikamentengabe auf wenige Ausnahmefälle beschränkt. Eine besondere gesetzliche Regelung ist damit nicht zwingend notwendig und allenfalls aufgrund der derzeit bei Ärzten, Staatsanwälten und Richtern nachweisbaren palliativmedizinischen und rechtlichen Unsicherheiten zu erwägen. 6. In vielen Entscheidungssituationen bezüglich der Nicht-Einleitung bzw. Einstellung lebensverlängernder Maßnahmen ist die Frage nach dem vorausverfügten oder mutmaßlichen Patientenwillen (i.s. der sog. passiven Sterbehilfe ) entbehrlich, weil für die zur Diskussion stehende Maßnahme bereits die medizinische Indikation fehlt (dies ist der Fall, wenn kein vernünftiges Therapieziel vorhanden ist bzw. ein solches mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht oder nicht mehr erreicht werden kann). Wichtig für die Angehörigen: Bei einer Entscheidung auf der Basis einer fehlenden medizinischen Indikation trägt der Arzt die Verantwortung, die Familie wird psychologisch entlastet. 7. Die rechtliche Verbindlichkeit einer Patientenverfügung darf keiner Reichweitenbeschränkung auf den sog. irreversiblen tödlichen Verlauf der Grunderkrankung unterliegen, da eine solche Beschränkung aus medizinischer Sicht unsinnig ist (irreversibel tödlich verläuft das Leben an sich). 8. Das Fürsorgeprinzip kommt in der modernen Medizin nicht durch paternalistische Bevormundung des Patienten durch den Arzt, sondern durch partizipatorische Entscheidungsfindung zwischen Arzt und Patient auf der Basis einer umfassenden und angemessenen Aufklärung zur Geltung. Eine unmittelbare Rechtsverbindlichkeit, die eine Entscheidung durch den Betreuer oder Bevollmächtigten überflüssig macht, sollte deshalb nur denjenigen Patientenverfügungen zukommen, die nach einer dokumentierten, qualifizierten ärztlichen Beratung schriftlich erstellt werden. Patientenverfügungen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, sind keineswegs unwirksam, sondern gewichtiges Indiz für die Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens. 9. Die Strafbarkeit der Tötung auf Verlangen ist unbedingt und ausnahmslos in der jetzigen Form ( 216 StGB) aufrechtzuerhalten. Die Erfahrungen aus den Niederlanden haben gefährliche Ausweitungstendenzen auf nichteinwilligungsfähige Patienten nach der strafrechtlichen Lockerung der Tötungsverbots gezeigt. 10. a) In Deutschland ist die Beihilfe zum freiverantwortlichen Suizid nicht strafbar. Aus ärztlicher Sicht ist zu betonen, dass die weit überwiegende Mehrheit der Suizidhandlungen im

30 66. Deutscher Juristentag Stuttgart Thesen Zustand der krankhaften seelischen Verfassung durchgeführt werden, was eine Freiverantwortlichkeit ausschließt und die ärztliche Pflicht zur Lebensrettung begründet. b) Eine Suizidentscheidung angesichts schwerster Erkrankung und einer begrenzten Lebenserwartung kann im Einzelfall auch aus psychiatrischer Sicht freiverantwortlich sein, und sollte dann vom Arzt ohne standesrechtliche Missbilligung und ohne strafrechtliche Risiken respektiert werden können. Zu fordern ist aber unbedingt eine vorherige fachärztlichpsychiatrische Untersuchung zum Ausschluss behandelbarer seelischer Krankheitszustände. 11. Änderungen an den bestehenden Regelungen sind aus ärztlicher Sicht vor allem dann zu begrüßen, wenn sie die Möglichkeit eines verbesserten Lebensschutzes bieten. Die von der Rechtsprechung statuierte Garantenstellung des Arztes führt nicht selten zur Verheimlichung von Suizidgedanken seitens des Patienten (u.a. aus Angst vor einer Zwangseinweisung), was die Kommunikation und die Suizidprävention erschwert. Eine Verbesserung des Lebensschutzes kann erreicht werden, wenn man Suizidwilligen den Zugang zur ärztlichen Beratung erleichtert, indem die Garantenstellung des Arztes für den Fall des freiverantwortlichen Suizids aufgehoben wird. 12. Eine Koppelung des straflosen assistierten Suizids an den Arztberuf ist abzulehnen. Sie würde das Arzt-Patienten-Verhältnis nachhaltig negativ verändern, da die Assistenz im Suizid damit quasi zu einer ärztlichen Leistung gemacht würde. Dies verstößt gegen die ethische Grundausrichtung des Arztberufs und kann außerdem zu unzulässigen Interessenskonflikten führen. Es ist zeitaufwändiger, schwieriger und teurer, einem Patienten eine adäquate palliative Betreuung zukommen zu lassen, als ihm ein Rezept für eine tödliche Medikamentendosis auszuhändigen. Insoweit ist die standesrechtliche Missbilligung des ärztlich assistierten Suizids grundsätzlich zu bejahen. 3. Thesen zum Referat von Vors. Richter am BGH a. D. Klaus Kutzer, Karlsbad 1. Es besteht dringender gesetzlicher Handlungsbedarf für die Regelung folgender Punkte: a) im Zivilrecht aa) Form einer Patientenverfügung und deren Geltungsdauer bb) Anforderungen an die Verbindlichkeit einer Patientenverfügung cc) vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Einstellung lebenserhaltender medizinisch indizierter Maßnahmen

4. Genehmigung des Vormundschaftsgerichts a) Die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund des Unterstr afrec ht 31 b) im Strafrecht aa) Voraussetzungen der Straffreiheit bei Behandlungsbegrenzungen bb) Voraussetzungen der Straffreiheit bei leidenslindernden Maßnahmen mit möglicher Lebensverkürzung cc) Voraussetzungen der Straffreiheit bei ärztlich assistiertem Suizid dd) Einführung eines Straftatbestandes für den, der aus Gewinnsucht Beihilfe zum Suizid anbietet oder leistet c) im Ordnungswidrigkeitenrecht aa) Androhung einer Geldbuße, wenn der Zugang zu Einrichtungen der Behandlung, Pflege oder Betreuung oder der Erhalt solcher Leistungen davon abhängig gemacht wird, dass eine Patientenverfügung errichtet oder dies unterlassen wird bb) Androhung einer Geldbuße, wenn Ärzte ihre Dokumentationspflichten bei Behandlungsbegrenzungen, riskanter Schmerzbehandlung und ärztlich assistiertem Suizid verletzen. 2. Verbindlichkeit einer Patientenverfügung Eine schriftliche oder in anderer Weise dokumentierte Patientenverfügung ist für sämtliche Beteiligten insbes. den behandelnden Arzt und den Vertreter des Patienten verbindlich, wenn sie sich ausdrücklich oder sinngemäß auf den zu behandelnden Krankheitszustand bezieht, der Patient bei ihrer Errichtung einwilligungsfähig war und keine Zweifel an dem Inhalt der Erklärung und ihrer vom Verfasser gewollten unmittelbaren Geltung bestehen. Dies gilt auch dann, wenn das Grundleiden noch keinen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen hat. Eine nicht verbindliche Patientenverfügung ist bei der Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens zu berücksichtigen. 3. Unwirksamkeit einer Patientenverfügung Eine an sich verbindliche Patientenverfügung ist unwirksam, a) soweit sie der Patient ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten widerrufen hat, b) wenn verlässliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Patient sich über die Bedeutung und die Folgen seiner Erklärung nicht im Klaren war oder zu ihr durch Täuschung oder äußeren Druck veranlasst worden ist, oder c) wenn therapeutische Möglichkeiten bestehen, die dem Patienten von ihm nicht bedachte neue Lebensperspektiven eröffnen.

32 66. Deutscher Juristentag Stuttgart Thesen bleibens oder des Abbruchs der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. b) Eine Genehmigung ist nicht erforderlich, wenn zwischen Betreuer und behandelndem Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die Erteilung, die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht. c) Die Einwilligung oder Nichteinwilligung des Bevollmächtigten in ärztliche Maßnahmen nach Buchst. a bedarf keiner Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht, wenn die Vollmacht schriftlich erteilt, in ihr die Genehmigungsfreiheit für diese Maßnahmen ausdrücklich vorgesehen ist und keine konkreten Anhaltspunkte für einen Vollmachtsmissbrauch geltend gemacht werden. 5. Änderungen im Strafgesetzbuch Im Strafgesetzbuch sollte durch Ergänzung des 216 StGB oder in einer besonderen Vorschrift klargestellt werden, dass nicht strafbar ist a) die Anwendung einer medizinisch indizierten leidmindernden Maßnahme auch bei möglicher Lebensverkürzung als nicht beabsichtigter Nebenwirkung, wenn sie dem (ausdrücklich erklärten oder mutmaßlichen) Willen des Patienten entspricht, b) das Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer lebenserhaltenden medizinischen Maßnahme, aa) wenn dies nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, etwa weil der irreversible Sterbeprozess bereits begonnen hat oder unmittelbar bevorsteht, bb) wenn dies dem ausdrücklich und rechtswirksam erklärten Willen des Patienten oder seines Vertreters (insbes. Betreuers oder Gesundheitsbevollmächtigten) entspricht, oder cc) wenn auf Grund verlässlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass der Patient einwilligungsunfähig ist und im Hinblick auf Art, Dauer und Verlauf seiner Krankheit die lebenserhaltende Maßnahme ablehnen würde. Ein solcher mutmaßlicher Wille kommt nicht in Betracht, wenn die lebenserhaltende medizinische Maßnahme nach ärztlicher Erkenntnis zur Heilung einer sonst tödlichen Krankheit oder zur wesentlichen Verbesserung seines Gesundheitszustands erforderlich ist. c) die uneigennützige Beihilfe zum freiverantwortlichen Suizid auch für sog. Lebensgaranten wie Ärzte und Angehörige, jedenfalls dann, wenn der Suizident schwer und unheilbar erkrankt ist.

Str afrec ht 33 4. Thesen zum Referat von Rechtsanwalt Wolfgang Putz, München 1. Eine nicht durch den Patientenwillen gerechtfertigte Behandlung ist als Körperverletzung strafbar und führt zivilrechtlich zu einem Unterlassungsanspruch sowie zu Ansprüchen auf Schmerzensgeld und Ersatz des materiellen Schadens. Das gilt auch, wenn die Behandlung den Patienten heilt oder sein Leben verlängert. 2. Die Ablehnung einer ärztlichen Behandlung durch den Patienten selbst, durch seinen rechtlichen Vertreter oder durch eine Patientenverfügung unterliegt keinerlei Reichweitenbeschränkung hinsichtlich Art, Stadium oder Prognose der Erkrankung. 3. Nichtaufnahme, Einstellung oder Unterlassung lebenserhaltender Therapie bedürfen zu ihrer strafrechtlichen Rechtfertigung neben einem entsprechenden Patientenwillen keiner vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung. 4. Ein vormundschaftsgerichtliches Genehmigungsverfahren für die Einstellung oder Unterlassung lebenserhaltender Therapie sollte nur für den Fall zivilrechtlich verankert werden, dass eine Uneinigkeit zwischen dem Arzt einerseits und dem Betreuer oder Bevollmächtigten des Patienten andererseits über Indikation oder Patientenwille nicht ausgeräumt werden kann. 5. Aktive Patiententötung auf Verlangen muss weiterhin eine Straftat bleiben. Einer weiteren Aufweichung des Tötungsverbotes zur Gewährleistung eines humanen Sterbens bedarf es nicht, weil Palliativmedizin und Palliativpflege sowie die legalen Möglichkeiten der Leidensminderung (auch bei Gefahr der Lebensverkürzung) und der Nichtaufnahme, des Einstellens oder der Beendigung jeglicher lebenserhaltender Therapie ausreichen. 6. Eine Sedierung des Patienten, um das Empfinden von Schmerzen und Leid erträglich zu machen oder ganz auszuschalten, ist geboten, wenn dies dem Patientenwillen entspricht. Dies gilt auch dann, wenn die Sedierung während eines durch Nichtaufnahme, Einstellen oder Unterlassen einer lebenserhaltenden Therapie zugelassenen Sterbeprozesses geschieht, selbst wenn die ärztlich indizierte Sedierung die Gefahr einer Lebensverkürzung mit sich bringen würde. 7. Die freiverantwortliche Erstellung, die Änderung oder der Widerruf einer Patientenverfügung können durch Urkunden oder durch Zeugenbeweis nachgewiesen werden. Weitere Formerfordernisse als Rechtswirksamkeitsvoraussetzungen sind als eine unzulässige Einschränkung der Patientenautonomie abzulehnen. 8. Eine existente Patientenverfügung ist nur dann ganz oder teilweise unbeachtlich, wenn der Patient bei Abfassung, Änderung oder Widerruf spätere medizinische Entwicklungen nicht berücksichtigen konnte, bei deren Kenntnis er nach sorgfältiger Ermittlung seines aktuellen mutmaßlichen Willens eine andere Entscheidung getroffen hätte.