Positionspapier der österreichischen Lebensmittelindustrie



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Transkript:

Wien, 19. April 2004 Mag. Koßdorff/DW 14 Rev.3.1 Positionspapier der österreichischen Lebensmittelindustrie EG-Verordnungen 1. Nr. 1829/2003 über gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel 2. Nr. 1830/2003 über die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Organismen und die Rückverfolgbarkeit von aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellten Lebens- und Futtermitteln sowie zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG A. Grundsätzliches 3 B. Im Detail 3 B.1. Definitionen: 2 Definition "GVO" 3 "Aus GVO hergestellt" 4 Begriff "Zutat" 5 B.2. Anwendungsbereich 4 B.3. Kennzeichnung: 5 Welche Produkte sind zu kennzeichnen? 6 Welche Produkte sind nicht zu kennzeichnen? 7 Verhältnis zur Allergenkennzeichnung? 7 B.4. Rückverfolgbarkeit 7 B.5. Maßnahmen im Rahmen der Sorgfaltspflicht des Herstellers 7 B.6. Schwellenwert 7 B.7. Geeignete Schritte zur Vermeidung eines GVO-Eintrags: 8 B.8. Einheitliches Zulassungsverfahren 9 B.9. Übergangsfristen 9

A. Grundsätzliches - Erste Priorität der österreichischen Lebensmittelindustrie ist es, den Wünschen der Verbraucher bestmöglich gerecht zu werden. Aufgrund der derzeitigen kritischen Einstellung der Konsumenten zur Gentechnik im Lebensmittelsektor setzt die Lebensmittelindustrie alles daran, den direkten Einsatz sowie Spuren von gentechnisch veränderten Organismen beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln zu vermeiden. Dazu bedient sie sich geeigneter Instrumente wie u.a. Papertrailoder Identity Preservation Systeme (IP-Systeme). Im Rahmen der allgemeinen Sorgfaltspflicht werden in regelmäßigen Abständen analytische Kontrollen durchgeführt und dokumentiert. - Die frühere Rechtslage im Bereich Gentechnik ließ einige Bereiche ungeregelt und bot somit kein vollständig kohärentes Konzept für GVO entlang der Lebensmittelkette. Die österreichische Lebensmittelindustrie begrüßt daher grundsätzlich den Ansatz eines eigenes Rechtsregimes für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) und daraus hergestellte Lebensmittel und Futtermittel. B.1. Definitionen: Definition GVO : B. Im Detail - Ein Organismus ist nach der Definition der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG:...jede biologische Einheit, die fähig ist, sich zu vermehren oder genetisches Material zu übertragen. - Ein GVO ist ein Organismus mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination nicht möglich ist. Dabei ist ein Verfahren nach dem Anhang I A Teil 1 anzuwenden (z.b. DNS- Rekombinationstechniken). - Organismen, die mittels eines Verfahrens nach dem Anhang I A Teil 2 (z.b. Invitro-Befruchtung, natürliche Prozesse wie Konjugation, Transdeduktion, Transformation, Polyploidie-Induktion) sowie nach dem Anhang I B (z.b. Mutagenese) hergestellt werden, sind keine GVO im Sinne der o.g. Definition. Aus GVO hergestellt - Aus GVO hergestellt bedeutet...vollständig oder teilweise aus GVO abgeleitet, aber keine GVO enthaltend oder daraus bestehend 1. Entscheidend 1 Artikel 2 Z 10. 2

ist, ob das Lebens- oder Futtermittel einen aus dem genetisch veränderten Ausgangsmaterial hergestellten Stoff enthält 2. - Bei einer weiten Auslegung der Wortfolge "aus GVO hergestellt wären nicht nur unmittelbar in erster Generation aus einem GVO hergestellte Stoffe zu kennzeichnen (z.b. die aus GVO-Mais hergestellte Stärke), sondern auch sämtliche daraus hergestellte Stoffe der Folgegenerationen. Das betrifft z.b. Vitamine oder Aminosäuren, die als Produkt einer Folgegeneration aus einem GVO-Getreide gewonnen werden oder Glukosesirup, der aus Maisstärke hergestellt wird, deren Ausgangsprodukt GV-Mais ist. Gleiches gilt auch für in der Folge aus Glukosesirup hergestellte Vitamine. Diese Vitamine entsprechen in ihrer Molekularstruktur und Zusammensetzung konventionell hergestellten Vitaminen. Ein so weit gefasster Geltungsbereich ist in Fällen, wo Stoffe mit gleicher Molekularstruktur oder Zusammensetzung vorliegen, weder sinnvoll noch sachlich gerechtfertigt. - Die österreichische Lebensmittelindustrie geht nach derzeitigem Diskussionsstand von einer wörtlichen Auslegung der Wortfolge aus einem GVO hergestellt aus. Für die Kennzeichnung bedeutet das z.b.: Eine aus genetisch verändertem Mais hergestellte Stärke muss als genetisch verändert gekennzeichnet werden, weil es sich bei dem Mais um einen genetisch veränderten Organismus isd Artikel 2 der Freisetzungssichtlinie handelt 3 (vergleiche Punkt B.1. Definitionen). Der aus dieser Stärke gewonnene Glukosesirup oder andere Folgeprodukte müssen nicht mehr als genetisch verändert gekennzeichnet werden. Zu begründen ist das damit, dass der Glukosesirup nicht mehr aus einem genetisch veränderten Organismus (GVO) isd Verordnung hergestellt ist, da die Stärke selbst kein genetisch veränderter Organismus ist, sondern (bloß) ein Stoff, der nicht mehr fähig ist, sich zu vermehren oder genetisches Material zu übertragen. - Dies gilt insbesondere für jene Stoffe, die durch enzymatische, chemische oder fermentative Prozesse aus einem GVO neu synthetisiert werden (z.b. Sorbit, Ascorbinsäure, Emulgatoren). Diese Stoffe sind weder vollständig oder teilweise aus einem GVO abgeleitet oder daraus bestehend, noch enthalten sie einen aus dem genetisch veränderten Ausgangsmaterial hergestellten Stoff (vgl. oben). 2 Erwägungsgrund Nr. 16: Diese Verordnung sollte Lebensmittel und Futtermittel abdecken, die aus einem GVO, jedoch nicht solche, die mit einem GVO hergestellt sind. Entscheidend dabei ist, ob das Lebensmittel oder Futtermittel einen aus dem genetisch veränderten Ausgangsmaterial hergestellten Stoff enthält. Technische Hilfsstoffe, die nur während der Herstellung des Lebensmittels oder Futtermittels verwendet werden, entsprechen nicht der Definition der Lebensmittel oder Futtermittel und fallen daher auch nicht in den Geltungsbereich dieser Verordnung. Ebenso fallen Lebensmittel und Futtermittel, die mithilfe eines genetisch veränderten technischen Hilfsstoffes hergestellt wurden, nicht in den Geltungsbereich dieser Verordnung. Dies bedeutet, dass Produkte, die aus Tieren gewonnen worden sind, welche mit genetisch veränderten Futtermitteln gefüttert oder mit genetisch veränderten Arzneimitteln behandelt wurden, weder den Zulassungsbestimmungen noch den Kennzeichnungsbestimmungen dieser Verordnung unterliegen. 3 Vergleich Definition von Organismus in Artikel 2 Z 1 der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG: Organismus ist jede biologische Einheit, die fähig ist, sich zu vermehren oder genetisches Material zu übertragen. Ein genetisch veränderter Organismus ist ein Organismus mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination nicht möglich ist. 3

Begriff Zutat - Der Begriff Zutat entspricht der Zutatendefinition in der Etikettierungsrichtlinie 2000/13/EG. Danach versteht man unter einer Zutat jeden Stoff, einschließlich der Zusatzstoffe, der bei der Herstellung oder Zubereitung eines Lebensmittels verwendet wird und wenn auch möglicherweise in veränderter Form im Enderzeugnis vorhanden bleibt. - Keine Zutaten im Sinne der Etikettierungsrichtlinie 2000/13/EG sind: o Bestandteile einer Zutat, die während der Herstellung vorübergehend entfernt und dann dem Lebensmittel wieder hinzugefügt werden, ohne dass sie mengenmäßig ihren ursprünglichen Anteil überschreiten, o Zusatzstoffe, die mit einer Zutat in das Enderzeugnis gelangen ( carry over ) und dort keine technologische Wirkung mehr ausüben, o Technologische Hilfsstoffe, o Lösungsmittel oder Trägerstoffe für Zusatzstoffe und Aromen, o Stoffe, die keine Zusatzstoffe sind, die aber auf dieselbe Weise und zu demselben Zweck wie technologische Hilfsstoffe verwendet werden und wenn auch möglicherweise in veränderter Form im Enderzeugnis vorhanden bleiben (ab 25. November 2004). B.2. Anwendungsbereich - In den Anwendungsbereich der Verordnungen fallen: o zur Verwendung als Lebensmittel / in Lebensmitteln bestimmte GVO, o Lebensmittel und Futtermittel, die GVO enthalten oder aus solchen bestehen und o Lebensmittel und Futtermittel, die aus GVO hergestellt worden sind oder Zutaten enthalten, die aus GVO hergestellt worden sind. - Nicht in den Anwendungsbereich fallen: o Lebens- und Futtermittel, die mit einem GVO hergestellt worden sind, z.b. Lebensmittel, die mit einem genetisch veränderten technologischen Hilfsstoff hergestellt worden sind (vgl. Erwägungsgrund 16, Fn 2); o genetisch veränderte technologische Hilfsstoffe bzw. Verarbeitungshilfsstoffe (vgl. Erwägungsgrund 16, Fn 2) z.b: Chymosin (Labferment) bei der Käseherstellung, Amylasen in Brot und Backmischungen, Invertase in Süßwaren oder Pralinen, Pektinasen in Fruchtsaft; o genetisch veränderte Enzyme, sofern sie als technologischer Hilfsstoff verwendet werden. Werden sie als Zusatzstoff mit einer technologischen Wirkung im Endprodukt verwendet (z.b. Invertase oder Lysozym), müssen sie als genetisch verändert gekennzeichnet werden; o Produkte von mit GVO-Futtermitteln gefütterten Tieren (z.b. Milch oder Fleisch von einer mit GVO-Futter gefütterten Kuh); vgl. Erwägungsgrund 16, Fn 2; 4

o Produkte, die aus konventionellen, also nicht genetisch veränderten Mikroorganismen hergestellt sind, aber mit GVO-Substanzen ernährt werden (analog zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs aus mit GV- Futtermitteln gefütterten Tieren): z.b. Stoffe, die aus nicht genetisch veränderten, jedoch mit GVO-Glukose gefütterten Mikroorganismen hergestellt sind: Ethanol, Riboflavin E 101, Vitamin C, Vitamin B12, Glutamat, Aspartam, Diacetyl, Bäckerhefe, Zitronensäure. Die Mikroorganismen bilden den gewünschten Stoff und schütten ihn in die Nährlösung aus. Der Stoff wird daraus isoliert und gereinigt. o Durch Fermentation mit genetisch veränderten Mikroorganismen hergestellte Produkte, die keine genetisch veränderten Mikroorganismen enthalten (analog zur Ausnahme im Erwägungsgrund 16, Fn 2). Die Herstellung kann dabei in - geschlossenen Systemen erfolgen ( contained use of GMO ) z.b.: bei Vitaminen, Aminosäuren, bestimmten Zusatzstoffen und Aromen oder - nicht geschlossenen Systemen erfolgen ( deliberate release of GMO ) erfolgen (sofern dabei die eingesetzten GVO entfernt werden: z.b. bei der Herstellung von alkoholischen Getränken) 4. B.3. Kennzeichnung: - Die Verordnungen sehen eine Kennzeichnungspflicht für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel unabhängig von der Nachweisbarkeit von DNA/Proteinen vor (technologie-basierte Kennzeichnung). Das bedeutet, dass auch Lebens- oder Futtermittel, die keine GVO enthalten, jedoch im Verlauf ihrer Produktion aus GVO gewonnen worden sind, mit dem Hinweis "genetisch verändert in der Zutatenliste unmittelbar nach der betreffenden Zutat zu kennzeichnen sind. Welche Produkte sind zu kennzeichnen? - Zu kennzeichnen sind: o Lebensmittel und Futtermittel, die GVO enthalten oder aus solchen bestehen (z.b. Hefeweizenbier mit gv-hefe); o Lebensmittel und Futtermittel, die aus GVO hergestellt worden sind oder solche Zutaten enthalten, die aus GVO hergestellt worden sind (Öl aus gv-sojabohnen, Maisstärke aus gv-mais, Schokolade mit gv-lecithin); o verpackte als auch lose verkaufte Ware, die an den Endverbraucher oder an Gemeinschaftsverpflegungen abgegeben werden. 4 Unter Berücksichtigung der Diskussion zwischen den Mitgliedstaaten und dem Rat stützt sich die österreichische Lebensmittelindustrie auf die Erklärung der Kommission und des Rates vom 28. Februar 2003: "The Council and the Commission agree that the status of food produced by fermentation using genetically modified micro-organisms not present in the final product, needs to be clarified, at the latest in the context of the report to be presented by the Commission as foreseen in Article 46 of the Regulation. 5

- Für zusammengesetzte Zutaten gilt Artikel 6 Absatz 4 lit b der Etikettierungsrichtlinie 2000/13/EG 5 : Ist eine Zutat der zusammengesetzten Zutat genetisch verändert, muss diese im Rahmen der Auflistung der einzelnen Zutaten als genetisch verändert gekennzeichnet werden. Welche Produkte sind nicht zu kennzeichnen? o Produkte, die vom Anwendungsbereich ausgenommen sind (vergleiche Punkt B 2); o Stoffe, die keine Zutaten im Sinne der Etikettierungsrichtlinie 2000/13/EG sind (siehe Punkt B 2); o Produkte mit einem GVO-Eintrag bis zu einem Schwellenwert von 0,9 % (bzw. 0,5% für in der EU nicht zugelassene GVO mit einer positiven Risikobewertung) bezogen auf die einzelne Zutat, sofern dieser Eintrag zufällig und technisch unvermeidbar ist. Verhältnis zur Allergenkennzeichnung? - Mit Veröffentlichung der Richtlinie 2003/89/EG zur Änderung der Etikettierungsrichtlinie 2000/13/EG wurde eine verpflichtende Allergenkennzeichnung eingeführt. Damit wurden für die im Anhang IIIa genannten potenziell allergenen Stoffe Kennzeichnungserleichterungen aufgehoben. Künftig müssen etwa Verarbeitungshilfsstoffe oder Lösungsmittel, die aus einem im Anhang IIIa genannten Stoff gewonnen wurden, im Zutatenverzeichnis angegeben werden. - Die österreichische Lebensmittelindustrie geht nach derzeitigem Diskussionsstand davon aus, dass die Allergenkennzeichnung nach der Richtlinie 2003/89/EG keine Verpflichtung zur Angabe einer möglichen genetischen Veränderung zur Folge hat: Die nach der Richtlinie 2003/89/EG deklarationspflichtigen Stoffe (z.b. Trägerstoffe, Lösungsmittel) sind keine Zutat im Sinne der Etikettierungsrichtlinie 2000/13/EG (Artikel 6 Abs. 4 lit c). Die GVO-Verordnungen stellen freilich genau auf den Zutatenbegriff der Etikettierungsrichtlinie ab. Daraus ist abzuleiten, dass für jene Stoffe, die nicht unter den Zutatenbergriff der Etikettierungsrichtlinie fallen, auch keine Kennzeichnungsverpflichtung nach den GVO-Verordnungen besteht. - Behält man den unterschiedlichen Regelungszweck der Allergenkennzeichnung und der GVO-Verordnungen im Auge, kommt man zum selben Ergebnis: Der Regelungszweck der Allergenkennzeichnung besteht in der Information des (allergischen) Verbrauchers über eine potenzielle Gefährdungswirkung eines Lebensmittels (Prinzip des Gesundheitsschutzes). Dagegen stellen die GVO- Verordnungen auf die Aufklärung des Verbrauchers über die Art bzw. Beschaffenheit eines Produktes ab (Informationsprinzip). Die gesundheitliche Unbedenklichkeit ist bereits Zulassungsvoraussetzung. Maßstab für die Beurteilung, ob eine Gentechnik-Kennzeichnungspflicht vorliegt, sind daher 5 Ist eine Zutat eines Lebensmittels ihrerseits aus mehreren Zutaten hergestellt worden, so gelten die letzteren als Zutaten des Lebensmittels 6

ausschließlich die auf dem Informationsprinzip basierenden Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003. B.4. Rückverfolgbarkeit - Zur leichteren Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung sehen die Bestimmungen das Prinzip der Informationsweiterleitung vor. Die Beteiligten müssen an ihren Abnehmer die Information weiterleiten, dass ein Produkt GVO enthält, aus einem solchen besteht oder daraus hergestellt wurde. Weiters ist der Abnehmer über die den GVO zugewiesenen Erkennungsmarker nach der Verordnung (EG) Nr. 65/2004 in Kenntnis zu setzten. Das gilt auch bei Einfuhren, insbesondere Massengutsendungen aus Drittstaaten. - Um die Richtigkeit der Informationen sicherzustellen, spricht sich die österreichische Lebensmittelindustrie für eine gestufte Verantwortung der Sorgfaltspflicht aus. Jeder in der Lebensmittelkette Beteiligte wird künftig erstmals gesetzlich verpflichtet, seinem Nächsten in der Kette Informationen über GVO-Erzeugnisse schriftlich zu übermitteln ( aktive Informationspflicht ). Es besteht damit künftig neben Informationspflichten auf vertraglicher Grundlage eine gesetzliche Mitteilungspflicht der Vorstufen von kennzeichnungspflichtigen Lebensmitteln(zutaten). - Für den Fall, dass Lieferungen von Rohstoffen und Zutaten aus dem EU-Raum keine schriftliche Information über eine gentechnische Veränderung der gelieferten Erzeugnisse beinhalten, kann bei Vorliegen eines entsprechenden QS-Systems im Betrieb davon ausgegangen werden, dass die Erzeugnisse nicht kennzeichnungspflichtig nach den Verordnungen (EG) Nr. 1829/2003 und 1830/2003 sind. B.5. Maßnahmen im Rahmen der Sorgfaltspflicht des Herstellers - Bei Produkten, bei denen genetisch veränderte DNA nachgewiesen werden kann, sollte neben einer vertraglichen Vereinbarung zur Lieferung nicht kennzeichnungspflichtiger Produkte in regelmäßigen Abständen analytische Kontrollen durchgeführt werden. - Ist ein Nachweis genetisch veränderter DNA nicht mehr möglich (z.b. Glukosesirup, Rapsöl), sollte sichergestellt werden, dass der Vorlieferant die rechtlichen Verpflichtungen einhält (z.b. durch Lieferantenaudits, Zertifikationen, IP-Systeme). Welche Maßnahmen durchzuführen sind, ist im Einzelfall zu entscheiden. Dabei werden Faktoren wie die Herkunft der Ware, Transport- und Lagerbedingungen, Zuverlässigkeit des Lieferanten oder strategische Entscheidungen des Unternehmens eine Rolle spielen. B.6. Schwellenwert - Die österreichische Lebensmittelindustrie begrüßt die Einführung eines Schwellenwertes für zufällige und technisch unvermeidbare Einträge von zugelassenen und nicht zugelassenen GVO in Lebens- und Futtermitteln. In Anbetracht weltweiter Warenströme und komplexer technischer 7

Zusammenhänge ist es aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich, für alle Fälle zufälliger und technisch unvermeidbarer Einträge von GVO in Lebensund Futtermitteln Schwellenwerte festzulegen. B.7. Geeignete Schritte zur Vermeidung eines GVO-Eintrags: - Damit festgestellt werden kann, dass das Vorhandensein des GVO-Materials zufällig und technisch unvermeidbar ist, müssen die Unternehmer nach Artikel 12 (3) der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 den zuständigen Behörden nachweisen können, dass sie geeignete Schritte unternommen haben, um das Vorhandensein des GVO-Eintrags zu vermeiden. Welche Schritte dazu unternommen werden müssen, legt die Verordnung nicht fest. - Vor dem Hintergrund des General Food Law (Verordnung EG Nr. 178/2002) obliegt die Entscheidung über die durchzuführenden Maßnahmen im Einflussbereich des Unternehmers. Dieser wird auf der Grundlage einer Risikoanalyse Art und Ausmaß der erforderlichen Maßnahmen im Rahmen einer Qualitätssicherung für seinen Betrieb individuell festlegen. Dabei können u.a. die botanische oder geographische Herkunft der Ware, ihre Transport- und Lagerbedingungen, die Anzahl der Verarbeitungsschritte sowie die strategischen Entscheidungen des Unternehmens im Rahmen der Unternehmenspolitik in die Risikoanalyse miteinbezogen werden. o botanische Herkunft der Ware : Gibt es bislang keine genetisch veränderte Sorte der gegenständlichen Ware, so besteht kein Risiko eines zufälligen oder technisch unvermeidbaren GVO-Eintrags von dieser Sorte. Zusätzliche Maßnahmen zur Vermeidung eines GVO- Eintrags müssen daher nicht getroffen werden. o geographische Herkunft der Ware : Werden in der Herkunftsregion oder in unmittelbarer Nähe keine genetisch veränderten Sorten der gegenständlichen Ware angebaut, besteht ein geringes Risiko eines GVO-Eintrags. Zusätzliche Maßnahmen zur Vermeidung eines GVO-Eintrags müssen daher in der Regel nicht getroffen werden. o Sind GVO-Sorten der gegenständlichen Ware am Markt oder werden diese in der Herkunftsregion der Ware angebaut und kann somit ein Risiko eines GVO-Eintrags in der gegenständlichen Ware nicht ausgeschlossen werden, richten sich die Art und das Ausmaß der Maßnahmen zur Vermeidung eines GVO-Eintrags nach der individuellen Risikoanalyse des Unternehmers (z.b. Einführung von IP-Systemen). Dabei sind folgende Faktoren zu berücksichtigen: Herkunft der Ware Transport und Lagerbedingungen Aktuelle Marktsituation Nachweisbarkeit von DNA (danach richten sich Maßnahmen wie regelmäßige analytische Kontrollen etc.) 8

Vertragliche Spezifikationen Anzahl der Verarbeitungsschritte Unternehmenspolitik (strategische Entscheidung) B.8. Einheitliches Zulassungsverfahren - Die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 über gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel sieht ein einheitliches Verfahren für die Zulassung und die Sicherheitsbewertung von GVO vor. Ein vereinfachtes Anmeldeverfahren wie derzeit nach der Novel Food Verordnung Nr. 258/97 für "im Wesentlichen gleichwertige Lebensmittel oder Zutaten ist nicht vorgesehen. - Künftig werden demnach alle aus GVO gewonnenen Lebens- und Futtermittel, Inhaltsstoffe, Zusatzstoffe und Aromen vor ihrer Verwendung ein umfassendes Zulassungsverfahren durchlaufen müssen. Das gilt auch für jene Lebensmittel(zutaten), die nach den verfügbaren und allgemein anerkannten wissenschaftlichen Befunden hinsichtlich ihrer Zusammensetzung, ihres Nährwerts, Stoffwechsels, Verwendungszwecks und Gehalts an unerwünschten Stoffen den bestehenden Lebensmittel(zutaten) im Wesentlichen gleichwertig sind. B.9. Übergangsfristen - Die Verordnungen (EG) Nr. 1829/2003 und 1830/2003 sehen folgende Übergangsbestimmungen für die Anwendung folgender Bestimmungen vor: o Kennzeichnungsbestimmungen: ab 19. April 2004 o Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung (Erkennungsmarker): ab 15. April 2004 - Gemäß Artikel 46 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 sind die in der Verordnung festgelegten Kennzeichnungsbestimmungen nicht auf Erzeugnisse anzuwenden, deren Herstellungsprozess vor dem 19. April 2004 eingeleitet wurde. Dies gilt, sofern die Erzeugnisse nach den bisher anzuwendenden Bestimmungen gekennzeichnet waren. - Artikel 46 stellt auf die Herstellung von Erzeugnissen ab und unterscheidet nicht zwischen der Herstellung von Enderzeugnissen und der einzelnen Zutaten. Demnach gilt: Erzeugnisse (Enderzeugnisse oder Zutaten), deren Herstellungsprozess vor dem 19. April 2004 eingeleitet wurde, sind von den neuen Kennzeichnungsbestimmungen ausgenommen. - Gemäß Artikel 46 ist auf die Einleitung des Herstellungsprozess Bezug zu nehmen. Damit sind alle Phasen der Herstellung angesprochen wie die Lagerung von Rohstoffen im Produktionslager des Betriebes und die Abfüllung von Zutaten. - In der Praxis bedeutet das: Für Rohstoffe, die vor dem 15. April 2004 bzw. 19. April 2004 zum Zwecke der Herstellung gekauft und im Produktionslager eines 9

Betriebes gelagert wurden, gilt der Herstellungsprozess mit dieser Einlagerung als eingeleitet. Diese Produkte sind nach den bisher geltenden Bestimmungen zu kennzeichnen. Folglich können PCR-negative Rohstoffe oder Rohstoffe mit einem GVO-Eintrag von unter 1 % bis zum Abbau der Bestände ohne eine Kennzeichnungspflicht des Fertigproduktes eingesetzt werden. 10