Wichtige Entwicklungen beim Diskriminierungsschutz im Jahr 2010. Ein Jahresrückblick



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Transkript:

Wichtige Entwicklungen beim Diskriminierungsschutz im Jahr 2010 Ein Jahresrückblick

2 Inhaltsverzeichnis I. Einführung... 4 II. Gesetzentwürfe... 5 2.1. Gesetzentwurf zur Übertragung ehebezogener Leistungen (BT-Drs. 17/3972)...5 2.2. Gesetzentwurf zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes (BT-Drs. 17/4230)...5 III. Rechtsprechung... 6 3.1. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR)...6 Kammerurteil vom 23.09.2010 - Beschwerde-Nr. 1620/03 (Schüth gegen Deutschland)... 6 3.2. Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)... 7 3.3. Anhängige Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft (EuGH)...9 BAG Vorlage an den EuGH zum Auskunftsanspruch: BAG, Beschluss vom 20.05.2010 8 AZR 287/08...9 BAG Vorlage an den EuGH zur Überleitung des BAT in den TVöD: BAG, Beschluss vom 20.05.2010 6 AZR 319/09... 10 BVerwG Vorlage an den EuGH: Beschlüsse vom 28.10.2010-2 C 23.09, 2 C 46.09 und 2 C 53.09...11 3.4. Entscheidungen deutscher Gerichte... 12 3.4.a Ethnische Herkunft... 12 Ossi bezeichnet keine ethnische Herkunft: ArbG Stuttgart, Urteil vom 15.04.2010 17 Ca 8907/09... 12 Überzogene Anforderungen an deutsche Sprachkenntnisse: ArbG Hamburg, Urteil vom 26. 01. 2010 25 Ca 282/09... 13 Unzureichende Deutschkenntnisse als Kündigungsgrund: BAG, Urteil vom 28. 01. 2010 2 AZR 764/08... 13 3.4.b Geschlecht... 14 Stellenausschreibung für kommunale Gleichstellungsbeauftragte: BAG, Urteil vom 18.03.2010 8 AZR 77/09... 14 Stellenwert von Statistiken: BAG, Urteil vom 22.07.2010 8 AZR 1012/08... 15 3.4.c. Behinderung...15 Fragen nach dem Schwerbehindertenstatus: LAG Hessen, Urteil vom 24.03.2010 6/7 Sa 1373/09; LAG Hamm, Urteil vom 30.06.2010 2 Sa 49/10... 15 Vorerkrankungen sind keine Behinderung im Sinne des AGG: OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.05.2010 9 U 156/09... 16 Prüfpflichten von Arbeitgebern nach dem Sozialgesetzbuch IX: BAG, Urteil vom 23.06.2010 7 ABR 3/09; BAG, Urteil vom 17.08.2010 9 AZR 839/08; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10.09.2010 6 TaBV 10/10... 17 Keine Erkundigungspflicht des Arbeitgebers über Art und Grad der Behinderung: LAG Baden- Württemberg, Urteil vom 06.09.2010 4 Sa 18/10... 18

3 3.4.d. Alter...19 Junger Bewerber in Stellenausschreibung gesucht: BAG, Urteil vom 19.08.2010 8 AZR 530/09... 19 Entschädigungshöhe bei Organ einer Gesellschaft: OLG Köln, Urteil vom 29.07.2010 18 U 196/09... 19 Diskriminierende Stellenausschreibung: LAG Hamburg, Urteil vom 23.06.2010 5 Sa 14/10... 20 Keine Korrektur einer altersdiskriminierenden Absage durch Einstellung: BAG, Urteil vom 18.03.2010 8 AZR 1044/08... 20 Altersstaffelung bei Urlaubsanspruch: AG Wesel, Urteil vom 11.08.2010 6 Ca 736/10... 21 Angebot von Aufhebungsverträgen nur an jüngere Arbeitnehmer: BAG, Urteil vom 25.02.2010 6 AZR 911/08... 21 3.4.e. Sexuelle Identität... 22 Auslandszuschlag und kinderbezogene Entgeltbestandteile: BAG, Urteile vom 18.03.2010 6 AZR 434/07 und 6 AZR 156/09...22 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrecht: BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010 1 BvR 611 u. 2464/07...22 Familienzuschlag, Auslandszuschlag, Hinterbliebenenversorgung: BVerwG Urteile vom 28.10.2010-2 C 10.09 und 2 C 21.09, 2 C 52.09 und 2 C 56.09, 2 C 47.09...23

4 I. Einführung Interessante Entwicklungen und Tendenzen hinsichtlich des Schutzes vor Diskriminierung haben auch im Jahr 2010 die Rechtsprechung und Rechtsentwicklung mitbestimmt. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat nachfolgend die wichtigsten Gesetzesinitiativen, Urteile und sonstigen Entwicklungen in einem Jahresrückblick für Sie zusammengestellt. Mit einer Reihe von Fällen zu den Gleichbehandlungsrichtlinien der Europäischen Union hat sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) beschäftigt: Vier Urteile allein zum Diskriminierungsgrund Alter basieren auf Vorlagen deutscher Gerichte. Ein weiteres Urteil, um das ein deutsches Gericht den EuGH ersucht hatte, erging zur Fristenregelung im AGG, um Ansprüche wegen Diskriminierung geltend zu machen. Daneben gab es Urteile zu Fragen der Geschlechtsdiskriminierung auf Vorlage von Gerichten aus anderen EU-Staaten. Hinzu kamen zahlreiche Vorlagen an den EuGH, mit denen deutsche Gerichte im Jahr 2010 den EuGH um Vorabentscheidung ersucht haben, und die in den kommenden Jahren zur Entscheidung anstehen. Dabei ist eine Vorlage bedeutsam, die über die einzelnen Diskriminierungsgründe hinausgeht und die Beweislastregelungen bei möglichen Benachteiligungen weiter konkretisieren wird: Das Bundesarbeitsgericht hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob ein Auskunftsanspruch eines Bewerbers gegen den Arbeitgeber besteht, wenn die Bewerbung nicht erfolgreich war und möglicherweise eine Benachteiligung im Raum steht. Ein Schwerpunkt der Rechtsprechung lag wie auch in den Vorjahren im Bereich des Arbeitsrechts. Paukenschläge hat es 2010 dabei eher nicht gegeben. Stattdessen fanden weitere Konkretisierungen von Rechtsbegriffen, Rechten und Pflichten des Antidiskriminierungsrechts statt. Auch die dynamische Weiterentwicklung des Rechts wurde im vergangenen Jahr fortgesetzt, so zum Beispiel bei der Gleichstellung von Lebenspartnern und Eheleuten in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungs- und Bundesverfassungsgerichts. Der Diskriminierungsschutz des AGG, dessen Inkrafttreten sich 2011 zum fünften Mal jährt, wurde und wird durch deutsche und europäische Gerichte immer weiter konkretisiert. Aber auch auf europäischer Ebene sind im kommenden Jahr einige wegweisende Urteile zum Andiskriminierungsrecht zu erwarten.

5 II. Gesetzentwürfe 2.1. Gesetzentwurf zur Übertragung ehebezogener Leistungen (BT- Drs. 17/3972) Am 13. Oktober 2010 beschloss die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Übertragung ehebezogener Regelungen im öffentlichen Dienstrecht des Bundes auf Lebenspartnerschaften. Der Entwurf sieht insbesondere vor, verpartnerte Beamtinnen und Beamte in die Regelungen zum Familienzuschlag, zur Hinterbliebenenversorgung und zur Auslandsbesoldung einzubeziehen, sowie Lebenspartner/innen in die Beihilfevorschriften aufzunehmen. Zudem sollen die Fürsorgevorschriften im Gesetz über den Auswärtigen Dienst auf die Lebenspartner/innen der entsandten Beamtinnen und Beamten ausgedehnt werden. Der Entwurf sieht eine rückwirkende Wirkung ab dem 1. Januar 2009 vor. 2.2. Gesetzentwurf zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes (BT-Drs. 17/4230) Das Bundeskabinett hat am 25. August 2010 den vom Bundesministerium des Innern vorgelegten Gesetzentwurf zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes beschlossen. Geregelt wird die Datenerhebung vor und im Beschäftigungsverhältnis. Wichtig aus Sicht des Diskriminierungsschutzes ist insbesondere die gesetzliche Regelung des Fragerechts des Arbeitgebers in Bewerbungs- und Einstellungsverfahren: Der Arbeitgeber darf außer den Kontaktdaten (Name, Anschrift, Telefonnr., E-Mail-Adresse) nur die Beschäftigtendaten erfragen, die er benötigt, um die Eignung der Bewerberin oder des Bewerbers für die in Betracht kommende Tätigkeit festzustellen. Beschäftigtendaten über Diskriminierungsgründe des AGG (ethnische Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Alter, Behinderung oder sexuelle Identität) dürfen nur unter den Voraussetzungen des 8 Abs. 1 AGG erhoben werden, d. h. wenn sie für die auszuübende Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende Tätigkeit darstellen. Auskünfte über eine Schwerbehinderung oder die Gleichstellung mit einer Schwerbehinderung darf der Arbeitgeber überhaupt nicht mehr verlangen.

6 III. Rechtsprechung 3.1. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) Kammerurteil vom 23.09.2010 - Beschwerde-Nr. 1620/03 (Schüth gegen Deutschland) In dem vom EGMR entschiedenen Fall ging es um die Individualbeschwerde eines deutschen Staatsbürgers, der als Organist und Chorleiter in einer katholischen Kirchengemeinde nach Trennung von seiner Ehefrau mit seiner neuen Partnerin, mit der er auch ein gemeinsames Kind hat, zusammenlebte. Er wurde deswegen von seinem kirchlichen Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis entlassen. In seiner Entscheidung sah der Gerichtshof Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) als verletzt an, der den Anspruch auf die Achtung des Privat- und Familienlebens schützt. Die deutschen Arbeitsgerichte bestätigten die Kündigung des kirchlichen Arbeitgebers. Der Beschwerdeführer habe um die Bedeutung seines Verhaltens für die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche gewusst und die aus dem kirchlichen Selbstverständnis fließenden Loyalitätsverpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber verletzt. Der EGMR stellte fest, dass die Arbeitsgerichte das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung der Privatsphäre nicht in ausreichendem Maße mit den Interessen des kirchlichen Arbeitgebers abgewogen hatten. Dem Recht auf Privatsphäre hätte bei der Urteilsfindung mehr Gewicht beigemessen werden müssen. Zwar sind Religionsgemeinschaften gegen unzulässige staatliche Einmischung geschützt, doch liegt effektiver Rechtsschutz nach dem EGMR nur vor, wenn alle wesentlichen Gesichtspunkte eines Falles berücksichtigt werden und eine sorgfältige Interessenabwägung vorgenommen wird. Damit setzt der EGMR Maßstäbe für die gerichtliche Überprüfung arbeitsrechtlicher Streitigkeiten im Hinblick auf das Selbstverständnis von Religionsgemeinschaften.

7 3.2. Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) In 2010 hat die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) den Diskriminierungsschutz im Bereich geschlechts- und altersbezogener Benachteiligungen weiter vorangebracht und konkretisiert. In zwei Urteilen zur Auslegung der Gender-Richtlinie Arbeitsrecht (2002/73/EG) hat der EuGH eine österreichische, Rs. C-356/09 (Kleist), bzw. eine spanische Regelung, Rs. C-104/09 (Álvarez), für unvereinbar mit europäischem Recht erklärt. In der Rs. Kleist ging es um Bestimmungen eines österreichischen Tarifvertrags, wonach Beschäftigte bei Erreichen des Renteneintrittsalters gekündigt werden können, wobei dieses Alter für berufstätige Frauen in Österreich bei 60. Lebensjahren, für berufstätige Männer allerdings erst bei 65. Lebensjahren liegt. Der EuGH sah hierin einen Verstoß gegen die Richtlinie 76/207/EWG in der durch die RL 2002/73/EG geänderten Fassung im Hinblick auf das dort niedergelegte Verbot einer Benachteiligung wegen des Geschlechts. In der Rs. Álvarez ging es um Bestimmungen des spanischen Arbeitnehmerstatuts, wonach ein abhängig beschäftigter Vater einen Urlaub in den ersten neun Monaten nach der Geburt seines Kindes (Stillurlaub) nur dann anstelle der Mutter seines Kindes in Anspruch nehmen kann, wenn diese abhängig beschäftigt ist. Ist die Mutter selbständig tätig, kann der Vater keinen Stillurlaub nehmen. Der EuGH sah hierin einen Verstoß gegen die Richtlinie 76/207/EWG im Hinblick auf den dort niedergelegten Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Bezug auf die Arbeitsbedingungen. Mit vier Urteilen allein im Jahr 2010 hat der EuGH die Vorlagefreudigkeit deutscher Gerichte beantwortet, die das für Deutschland noch ungewohnte und daher oftmals ungeklärte Verbot der Benachteiligung wegen des Alters aus der Rahmen-RL 2000/78/EG zu konkretisieren sucht. Ein fünftes Urteil zum Thema Alter ein dänisches Vorabentscheidungsersuchen ergänzt dies. Dabei zeichnete sich im Jahr 2010 Folgendes ab: Geht es um Altersgrenzen für bestimmte Berufsgruppen in der Rs. C-341/08 (Petersen) um Vertragszahnärzte und in der Rs. C-229/08 (Wolf) um Feuerwehrleute legt der EuGH eine strenge Messlatte an die mitgliedstaatliche Regelung an und verwirft sie, wenn sie nicht schlüssig begründet ist. In beiden Rechtssachen war dies nach dem EuGH allerdings der Fall. Generationengerechtigkeit und Verteilung der Berufschancen zwischen den Generationen wurden in der Rs. Petersen ebenso anerkannt wie Einsatzbereitschaft und das ordnungsgemäße Funktionieren der Berufsfeuerwehr in der Rs. Wolf.

8 Geht es um allgemeine Altersgrenzen wie in der Rs. C-45/09 (Rosenbladt), billigt der EuGH den Mitgliedstaaten einen weiten Ermessensspielraum zu, so dass allgemeine Altersgrenzen grundsätzlich zulässig sind. Denn das europäische Recht steht einer Regelung nicht entgegen, die einen Ausgleich zwischen politischen, wirtschaftlichen, sozialen, demografischen und/oder haushaltsbezogenen Erwägungen bezweckt. Sie schaffen einen Ausgleich zwischen den Interessen der Beschäftigten im Hinblick auf einen langfristig vorhersehbaren Eintritt in den Ruhestand und denen der Arbeitgeber im Hinblick auf eine gewisse Flexibilität in der Personalplanung. Geht es aber um Beendigungsbedingungen für bestimmte, durch das Kriterium des Alters definierte Gruppen von Beschäftigten, prüft der EuGH mit strengem Maßstab und tut sich schwer mit der Anerkennung der Rechtfertigung einer Benachteiligung. Insbesondere am Maßstab der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, der Angemessenheit einer Maßnahme, scheiterte in den Rechtssachen C-555/07 (Kücükdeveci) und C-499/08 (Andersen) die Rechtfertigung der festgestellten Benachteiligung wegen des Alters. In der Rs. Kücükdeveci war dies der Ausschluss der Berücksichtigung von vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegenden Beschäftigungszeiten bei der Berechnung der Kündigungsfrist, der für alle Beschäftigte, die vor Vollendung des 25. Lebensjahrs in den Betrieb eingetreten sind, unabhängig davon gilt, wie alt sie zum Zeitpunkt ihrer Entlassung sind. In der Rs. Andersen war dies der Ausschluss der Möglichkeit eines vorübergehenden Verzichts auf die Altersrente, um eine Entlassungsabfindung zu erhalten, wenn Beschäftigte dem Rentensystem vor Vollendung des 50. Lebensjahres beigetreten sind. Über einzelne Diskriminierungsgründe hinausgehend waren Gegenstand der Rs. C-246/09 (Bulicke) deutsche Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), wonach Ansprüche auf Entschädigung und Schadensersatz grundsätzlich innerhalb einer Frist von zwei Monaten geltend gemacht werden müssen. Die Klägerin sah hierin einen Verstoß gegen die Richtlinie 2000/78/EG im Hinblick auf den dort geforderten Rechtsschutz sowie das dort niedergelegte Verschlechterungsverbot. Der EuGH ist dem nicht gefolgt. Eine Frist von zwei Monaten ist innerhalb der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung üblich und für die Geltendmachung der Rechte ausreichend.

9 3.3. Anhängige Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) BAG Vorlage an den EuGH zum Auskunftsanspruch: BAG, Beschluss vom 20.05.2010 8 AZR 287/08 Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Gebietet es das Gemeinschaftsrecht, einem Bewerber, der darlegt, dass er die Voraussetzungen für eine von einem Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle erfüllt, dessen Bewerbung jedoch nicht berücksichtigt wurde, gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Auskunft einzuräumen, ob dieser einen anderen Bewerber eingestellt hat und wenn ja, aufgrund welcher Kriterien diese Einstellung erfolgt ist? Im zugrunde liegenden Fall ging es um eine 1961 in Russland geborene Klägerin, die sich im Jahre 2006 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle erfolglos beworben hatte. Die Beklagte teilte ihr nicht mit, ob sie einen anderen Bewerber eingestellt hatte und gegebenenfalls, welche Kriterien für diese Entscheidung maßgeblich waren. Die Klägerin behauptet, sie habe die Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle erfüllt und sei lediglich wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer Herkunft nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und damit unter Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) diskriminiert worden. Zwar hatte die Klägerin auf ihr Geschlecht, ihr Alter und ihre Herkunft hingewiesen, jedoch hat sie keine ausreichenden Indizien vorgelegt, welche eine Benachteiligung wegen dieser Gründe vermuten lassen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auch das Bundesarbeitsgericht verneinte einen Auskunftsanspruch nach geltendem deutschem Recht, der der Klägerin bei ihrer Beweisnot ggfs. weiterhelfen könnte. Das Bundesarbeitsgericht sah sich aber an einer abschließenden Sachentscheidung gehindert, weil eine solche von einer dem Gerichtshof der Europäischen Union obliegenden Auslegung des Gemeinschaftsrechts abhängt, ob sich hieraus ein Auskunftsanspruch herleiten lässt. Jetzt wird der EuGH entscheiden, ob die europarechtlichen Vorgaben zur Beweislast der Gleichbehandlungsrichtlinien einen solchen Anspruch einräumen.

10 BAG Vorlage an den EuGH zur Überleitung des BAT in den TVöD: BAG, Beschluss vom 20.05.2010 6 AZR 319/09 Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, - ob die auf Lebensaltersstufen bezogene Grundvergütung des BAT das Verbot der Altersdiskriminierung (jetzt Art. 21 Abs. 1 GRC) in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78/EG verletzte, - ob sich eine solche Altersdiskriminierung im TVöD fortsetzt - und ob und wie eine solche Altersdiskriminierung von den Tarifvertragsparteien gegebenenfalls auch rückwirkend beseitigt werden könnte. Die 1962 geborene Klägerin ist seit 2004 bei einer obersten Bundesbehörde (Eisenbahn-Bundesamt) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft Bezugnahmeklausel die Vorschriften des BAT und der diesen ergänzenden sowie ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung. Der BAT ist zum 1.10.2005 im Tarifbereich des Bundes durch den TVöD ersetzt worden. Dieser sieht anders als der BAT keine Vergütung nach Lebensaltersstufen mehr vor, sondern knüpft vielmehr an die Tätigkeit, die Berufserfahrung und die Leistung der Arbeitnehmer an. Die im alten System erreichte Lebensaltersstufe ist allerdings bei der Überleitung der Angestellten des öffentlichen Dienstes in den TVöD im Wege der Besitzstandswahrung voll berücksichtigt worden. Die Klägerin sah in der Anknüpfung des BAT an die Lebensaltersstufen eine unzulässige Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer, die sich wegen der besitzstandswahrenden Überleitung im TVöD fortsetze. Sie verlangte daher eine auf die höchste Lebensalterstufe ihrer Entgeltgruppe aufbauende Vergütung. Arbeitsgericht und LAG wiesen die hierauf gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin setzte das BAG das Verfahren aus und legte dem EuGH die oben angeführte Frage zur Vorabentscheidung vor. Zu der Frage, ob die im BAT vorgesehene Staffelung der Grundvergütung nach Lebensaltersstufen das Verbot der Altersdiskriminierung verletzte, hatte das Gericht schon in einem Verfahren aus dem Land Berlin, wo der BAT im Wesentlichen noch bis 31. März 2010 Anwendung fand, den EuGH um eine Vorabentscheidung gebeten. Streitig sind in diesem Verfahren nur Ansprüche aus der Zeit vor Inkrafttreten des neuen Tarifrechts.

11 BVerwG Vorlage an den EuGH: Beschlüsse vom 28.10.2010-2 C 23.09, 2 C 46.09 und 2 C 53.09 Das Bundesverwaltungsgericht hat in drei Verfahren zu Lebenspartnerschaft und Beihilfe beschlossen, dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob die beamtenrechtliche Krankenversorgung (Beihilfe) in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG fällt. Dort ist der Begriff des Arbeitsentgelts genannt. Aus Sicht des BVerwG sei nicht klar, ob die Beihilfe hierunter zu fassen ist. Über die Frage muss nun der EuGH entscheiden. Stimmt der EuGH dem zu, fiele die Beihilfe unter den Schutz des Diskriminierungsverbots der Richtlinie und eine unmittelbare Diskriminierung wäre unter anderem wegen der sexuellen Ausrichtung verboten. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts sind verheiratete und verpartnerte Beamte hinsichtlich der Beihilfe vergleichbar. Wird sie verpartnerten Beamten nicht gewährt, liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor.

12 3.4. Entscheidungen deutscher Gerichte 3.4.a Ethnische Herkunft Ossi bezeichnet keine ethnische Herkunft: ArbG Stuttgart, Urteil vom 15.04.2010 17 Ca 8907/09 Erhebliches Medieninteresse fand im vergangenen Jahr eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart, bei der es um die Klage einer Frau ging, die in der ehemaligen DDR geboren und aufgewachsen war, und sich erfolglos auf eine Stelle bei einem Stuttgarter Unternehmen beworben hatte. Auf ihren zurückgesandten Bewerbungsunterlagen fand sie die handschriftlichen Vermerke (-) Ossi und DDR. Aufgrund dieser Vermerke nahm sie an, dass man sie in erster Linie wegen ihrer ostdeutschen Herkunft abgelehnt hatte und machte geltend wegen der ethnischen Herkunft im Sinne des AGG benachteiligt worden zu sein. Das Arbeitsgericht Stuttgart maß zwar der Bezeichnung Ossi einen diskriminierenden Charakter im Sinne einer tendenziell abwertenden Wirkung bei. Von einer Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft ging das Gericht allerdings nicht aus. Dazu müssten die Betroffenen einem abgrenzbaren Volk oder einer bestimmten Volkszugehörigkeit zugeordnet werden können. Das setze neben der Verbundenheit zu einem bestimmten Territorium auch eine gemeinsame Sprache, Geschichte und Kultur sowie ein Gefühl der solidarischen Gemeinschaft voraus. Menschen aus den neuen Bundesländern sind nach Auffassung des Gerichts nicht in dieser Weise von den übrigen Deutschen abgrenzbar. Sie haben keine gemeinsame Sprache und die eigene Geschichte der DDR habe sich nur über einen kurzen Zeitraum erstreckt, um die Kultur aufgrund der gesamtdeutschen Geschichte aufheben zu können. Gegen diese Entscheidung hatte die Klägerin Berufung beim LAG Baden-Württemberg eingelegt. Nach einer Pressemitteilung des LAG vom 15. 10. 2010 haben die Parteien außerhalb der mündlichen Verhandlung einen Vergleich geschlossen und den Rechtsstreit damit beendet.

13 Überzogene Anforderungen an deutsche Sprachkenntnisse: ArbG Hamburg, Urteil vom 26. 01. 2010 25 Ca 282/09 Das Arbeitsgericht Hamburg hat ein Unternehmen der Postbranche wegen mittelbarer Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft zu einer Entschädigungszahlung i. H. v. 5. 400 verurteilt. Der in der Elfenbeinküste geborene Kläger hatte sich als Postzusteller auf eine Stellenausschreibung beworben in der die Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift vorausgesetzt wurde. Im üblicherweise bei solchen Bewerbungen vorgesehenen telefonischen Erstkontakt war eine Mitarbeiterin der Beklagten zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger sich nicht ansprechend klar und deutlich in der deutschen Sprache ausdrücken konnte. Dementsprechend erhielt er eine Absage. Das Arbeitsgericht sah in der Vorgehensweise des beklagten Unternehmens eine mittelbare Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft des Klägers. Für Angehörige anderer Ethnien ist es typischerweise schwerer als für Bewerber mit deutscher Muttersprache bei einem telefonischen Erstkontakt ein ansprechend klares und deutliches Ausdrucksverhalten in deutscher Sprache zu zeigen. Das insoweit mittelbar diskriminierende Auswahlverfahren sah das Gericht auch nicht durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt. Das Verfahren war nach Auffassung des Gerichts weder geeignet noch erforderlich die vorausgesetzten Deutschkenntnisse für einen Postzusteller zu ermitteln. Zum einen bietet ein kurzer telefonischer Kontakt keine hinreichende Grundlage, um die sprachlichen Fähigkeiten eines Bewerbers festzustellen. Zum anderen hielt das Gericht die sprachlichen Anforderungen in Bezug auf die angestrebte Tätigkeit als Postzusteller für nicht angemessen und überzogen. Erforderlich hierfür sind lediglich hinreichende Deutschkenntnisse für die Kommunikation mit Kunden, Kolleginnen und Kollegen und dem Arbeitgeber. Unzureichende Deutschkenntnisse als Kündigungsgrund: BAG, Urteil vom 28. 01. 2010 2 AZR 764/08 In einem anderen Fall hat das Bundesarbeitsgericht in 2010 die Klage eines in Spanien geborenen Produktionshelfers, dem wegen unzureichender Deutschkenntnisse gekündigt worden war, abgewiesen. Zwar bestätigte das BAG, dass die Forderungen nach deutschen Sprachkenntnissen eine mittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft darstellen kann. Im konkreten Fall war das BAG, im Gegensatz zur Vorinstanz (LAG Hamm, Urteil vom 17. 07. 2008 16 Sa 544/08), aber der Auffassung, dass das Verlangen nach Kenntnissen der deutschen Schriftsprache ein sachlich gerechtfertigtes Ziel darstellt, damit Arbeitnehmer schriftliche Arbeitsanweisungen verstehen und die betrieblichen Aufgaben so gut wie möglich erledigen können. Zudem war die Kündigung erst erfolgt, nachdem der Kläger es wiederholt abgelehnt hatte, von seinem Arbeitgeber bezahlte Sprachkurse zu besuchen oder auf andere Art und Weise seine Deutschkenntnisse zu verbessern.

14 3.4.b Geschlecht Stellenausschreibung für kommunale Gleichstellungsbeauftragte: BAG, Urteil vom 18.03.2010 8 AZR 77/09 Die beklagte Stadt hatte in ihrer Stellenanzeige eine kommunale Gleichstellungsbeauftragte gesucht. Schwerpunkte der Tätigkeit sollten u.a. in der Integrationsarbeit mit zugewanderten Frauen und deren Beratung liegen. Die Gleichstellungsbeauftragte sollte Maßnahmen zu frauen- und mädchenspezifischen Themen initiieren, mit allen relevanten Organisationen zusammenarbeiten und Opfer von Frauendiskriminierung unterstützen. Der Kläger, der zuvor über 2 Jahre im Rahmen einer Betriebsratstätigkeit als stellvertretender Gleichstellungsbeauftragter tätig war, wurde mit Hinweis darauf abgelehnt, dass nach 5a der Niedersächsischen Gemeindeordnung die Stelle mit einer Frau zu besetzen sei. Mit seiner Klage beanspruchte der Kläger eine Entschädigungszahlung nach 15 Abs. 2 AGG. Die Klage blieb in allen drei Instanzen ohne Erfolg. Das weibliche Geschlecht der Stelleninhaberin stellt wegen der konkreten Ausgestaltung der Stelle eine wesentliche und entscheidende Anforderung i.s.d. 8 Abs. 1 AGG für die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung dar. Die Bewerberauswahl darf auf Frauen beschränkt werden, wenn ein Schwerpunkt der Tätigkeiten in Projekt- und Beratungsangeboten liegt, deren Erfolg bei Besetzung der Stelle mit einem Mann gefährdet wäre. Ein solcher Fall liegt vor, wenn sich die Angebote an Frauen in Problemlagen richten, in denen die Betroffene typischerweise zu einer weiblichen Gleichstellungsbeauftragten leichter Kontakt aufnehmen kann und sich ihr besser offenbaren kann oder ausreichende Lösungskompetenzen nur einer Frau zutraut.

15 Stellenwert von Statistiken: BAG, Urteil vom 22.07.2010 8 AZR 1012/08 Das BAG hat sich in einer Grundsatzentscheidung zum Stellenwert von Statistiken im Rahmen von Diskriminierungsklagen geäußert. Gegenstand dieser Revisionsentscheidung war ein Urteil des LAG Berlin-Brandenburg (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. 11. 2008 15 Sa 517/08) aus dem Jahr 2008, das für ein erhebliches Medienecho gesorgt hatte. Das LAG hatte statistische Daten zur Geschlechterverteilung in der Gesamtbelegschaft und der Führungsebene eines Unternehmens als Indiz für eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts bei der unterbliebenen Beförderung einer Mitarbeiterin auf eine Führungsposition bewertet. Das BAG hat diese Entscheidung in der Revision aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung an das LAG Berlin-Brandenburg zurückverwiesen. Nach Auffassung des BAG können sich aus Statistiken grundsätzlich auch Indizien für eine unmittelbare Benachteiligung ergeben. Eine solche Vermutung kann sich aber nur dann ergeben, wenn sich diese Daten konkret auf den Arbeitgeber beziehen und im Hinblick auf dessen Verhalten aussagekräftig sind. Das Verhältnis zwischen einem hohen Frauenanteil an der Gesamtbelegschaft und dem niedrigen in oberen Führungspositionen lässt nach Ansicht des BAG aber noch keine Rückschlüsse auf eine Ungleichbehandlung von Frauen im Sinne eines regelhaft ungünstigen Verhaltens des Arbeitgebers beim beruflichen Aufstieg in bestimmte Hierarchiestufen zu. 3.4.c. Behinderung Fragen nach dem Schwerbehindertenstatus: LAG Hessen, Urteil vom 24.03.2010 6/7 Sa 1373/09; LAG Hamm, Urteil vom 30.06.2010 2 Sa 49/10 Nach dem Referentenentwurf zum Beschäftigtendatenschutzgesetz (siehe oben) darf der Arbeitgeber vor Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses keine Auskunft über das Vorliegen einer Schwerbehinderung verlangen ( 32 Abs. 3 des Entwurfs). Von dieser künftigen Rechtslage ging auch das LAG Hessen aus. In dem zugrunde liegenden Fall hatte ein Softwareunternehmen der anerkannt schwerbehinderten Klägerin vor der Einstellung einen Personalfragebogen vorgelegt. Bei der Frage Sind Sie anerkannter Scherbehinderter oder Gleichgestellter kreuzte sie Nein an, obwohl sie es war. Als sie dies später mitteilte, wollte das Unternehmen den Arbeitsvertrag wegen der unwahren Beantwortung anfechten, zumindest aber fristlos kündigen.

16 Das LAG Hessen sah es zu beidem nicht berechtigt, weil es die tätigkeitsneutrale Fragen nach einer Schwerbehinderung in dem Fragebogen für unzulässig erklärte. Tätigkeitsneutral sind solche Fragen, die keinen Bezug zur vorgesehenen Beschäftigung haben. Sie zielen auf die Feststellung einer Schwerbehinderung ohne dass zu erkennen ist, inwiefern diese für die auszuübende Tätigkeit von Bedeutung ist. Bei unzulässigen Fragen haben Bewerberinnen und Bewerber ein so genanntes Recht zur Lüge. Das Arbeitsverhältnis kann nicht unter Verweis auf die unwahre Beantwortung beendet werden. Das BAG wird noch in 2011 über die Revision des Urteils entscheiden (voraussichtlicher Termin am 07.07.2011-2 AZR 396/10). In einem bereits bestehenden Beschäftigungsverhältnis sah das LAG Hamm demgegenüber die Frage nach dem Schwerbehindertenstatus für zulässig an, weil der Arbeitgeber bei einer bevorstehenden Kündigung wissen wollte, ob die Zustimmung des Integrationsamtes notwendig sei. Der schwerbehinderte Kläger berief sich in dem Verfahren erfolglos auf die Unwirksamkeit der Kündigung wegen der fehlenden Zustimmung des Integrationsamtes. Sein Verhalten wurde als widersprüchlich gewertet, weil er die zuvor an ihn gestellte Frage nach dem Schwerbehindertenstatus wissentlich falsch beantwortet hatte. Vorerkrankungen sind keine Behinderung im Sinne des AGG: OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.05.2010 9 U 156/09 Die Rechtsprechung unterscheidet genau zwischen einer Behinderung im Sinne des AGG und einer Krankheit. Vor Benachteiligungen wegen einer Krankheit schützt das AGG nicht. Selbst Vorerkrankungen, die nach einiger Zeit zu einer Behinderung führen können, werden nicht erfasst. Entscheidend ist immer, ob der aktuelle Zustand als Behinderung eingestuft werden kann. Das heißt, es muss schon im Moment der Benachteiligung eine körperliche oder geistige Beeinträchtigung vorliegen, die von langer Dauer ist und soziale Beeinträchtigungen hervorruft. In dem vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fall litt der Kläger an einer angeborenen Muskelschwäche, die im Laufe des Lebens fortschreitet. Sie äußert sich zuerst in Symptomen, die nicht unbedingt mit einer Beeinträchtigung der körperlichen Funktionen einhergehen. Der Verlauf ist unterschiedlich: Beeinträchtigungen können schon unmittelbar nach der Geburt oder in jungen Jahren auftreten; umgekehrt können Patientinnen und Patienten bis ins hohe Alter ohne wesentliche Beeinträchtigungen leben. Das beklagte Versicherungsunternehmen hatte den Abschluss einer privaten Zusatzversicherung mit Verweis auf diese Vorerkrankung abgelehnt. Ablehnungsgrund war aus Sicht des Gerichts nicht eine Behinderung des Klägers, sondern eine Krankheit, die zu einer Behinderung führen kann.

17 Prüfpflichten von Arbeitgebern nach dem Sozialgesetzbuch IX: BAG, Urteil vom 23.06.2010 7 ABR 3/09; BAG, Urteil vom 17.08.2010 9 AZR 839/08; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10.09.2010 6 TaBV 10/10 Ein Verstoß gegen die Arbeitgeberpflicht nach 81 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, zu prüfen ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können, kann die Vermutung begründen, dass die betroffenen Beschäftigten wegen einer Behinderung im Sinne des AGG benachteiligt worden sind. Einige Urteile aus dem Jahr 2010 haben näher dargelegt, wann ein solcher Verstoß vorliegt: Das BAG hat in seinem Urteil vom 23.06.2010 (7 ABR 3/09) klargestellt, dass Arbeitgeber auch dann nach 81 Abs. 1 Satz 1 SGB IX prüfen müssen, wenn die Besetzung mit einer Leiharbeitnehmerin oder einem Leiharbeitnehmer beabsichtigt ist. Es bestehe die Möglichkeit, dass sich Arbeitgeber nach der Prüfung doch noch gegen die Leiharbeit und für einen Menschen mit einer Behinderung entscheiden. Das Unterlassen der Prüfung vereitele dies und könne schwerbehinderte Menschen daher benachteiligen. Ferner besteht die Prüfpflicht auch dann, wenn eine Stelle betriebsintern mit bereits dort beschäftigten Bewerberinnen oder Bewerbern besetzt werden soll (BAG, Urteil vom 17.08.2010, 9 AZR 839/08). Nach Ansicht des BAG sprach das Absehen von der Prüfung für eine Benachteiligung des schwerbehinderten Klägers, obwohl dessen Bewerbung zu spät kam. Die Stelle war zum Bewerbungszeitpunkt nicht mehr frei, weil der Arbeitgeber sie vor Ablauf der von ihm gesetzten Bewerbungsfrist besetzt hatte. Die Chancen schwerbehinderter Bewerberinnen und Bewerber würden auch dann geschmälert, wenn sie durch eine diskriminierende Ausgestaltung des Bewerbungsverfahrens an einer rechtzeitigen Bewerbung gehindert würden. Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz ist der Prüfpflicht nicht genügt, wenn der Arbeitgeber der Agentur für Arbeit zwar freie Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen meldet, ihr aber keine 1-3 Wochen Zeit lässt, um geeignete Vorschläge zu machen (Beschluss vom 10.09.2010, 6 TaBV 10/10). Im Fall wollte ein Arbeitgeber die freie Stelle bereits einen Tag, nachdem er die Agentur für Arbeit angerufen und keinen Vermittlungsvorschlag bekommen hatte, besetzen. Es bleibt abzuwarten, ob das BAG diese Anforderungen an die Prüfpflicht bestätigt. Die Revision ist dort anhängig (7 ABR 66/10).

18 Keine Erkundigungspflicht des Arbeitgebers über Art und Grad der Behinderung: LAG Baden- Württemberg, Urteil vom 06.09.2010 4 Sa 18/10 Pflichten nach dem SGB IX bestehen für den Arbeitgeber erst in dem Moment, in dem er die Schwerbehinderung oder Gleichstellung kennt oder kennen muss. Dazu bedarf es zunächst eines ordnungsgemäßen Hinweises in den Bewerbungsunterlagen. In dem vom LAG Baden-Württemberg entschiedenen Fall hatte der schwerbehinderte Kläger in seiner Bewerbung lediglich angegeben, wegen seiner Behinderung nicht in der Ausübung von Verwaltungstätigkeiten eingeschränkt zu sein. Die beklagte Gemeindeverwaltung lud ihn nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein. Hierzu war sie nach Auffassung des LAG trotz der Einladungspflicht öffentlicher Arbeitgeber nach 82 SGB IX nicht verpflichtet. Die ungenauen Angaben zu einer bestehenden Behinderung vermittelten keine Kenntnis von einer Schwerbehinderung. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, wegen des Hinweises Nachforschungen zur Frage der Schwerbehinderteneigenschaft anzustellen. Eine Frage in diese Richtung wäre sogar unzulässig gewesen, da die Frage nach der Behinderung keinen Bezug zur auszuübenden Tätigkeit gehabt hätte (s.o.).

19 3.4.d. Alter Junger Bewerber in Stellenausschreibung gesucht: BAG, Urteil vom 19.08.2010 8 AZR 530/09 Laut BAG handelt es sich um eine Diskriminierung wegen des Alters im Bewerbungsverfahren, wenn gezielt ein junger Bewerber gesucht wird. Eine derartige Stellenbeschreibung verstößt gegen das Benachteiligungsverbot des 7 AGG, welches gebietet, Stellen neutral auszuschreiben, soweit kein Rechtfertigungsgrund im Sinne des. 10 AGG vorliegt. Im Einzelfall erhielt der Bewerber eine Entschädigung in Höhe eines Monatsgehaltes Entschädigungshöhe bei Organ einer Gesellschaft: OLG Köln, Urteil vom 29.07.2010 18 U 196/09 Das OLG Köln hat dem früheren medizinischen Geschäftsführer der Städtischen Kliniken Köln Schadenersatz wegen Altersdiskriminierung zugesprochen. Es hielt es für erwiesen, dass der Fünf- Jahres-Vertrag des Mediziners aus Altersgründen nicht verlängert worden war. Der Kläger war vom Oktober 2004 bis Ende September 2009 bei den Städtischen Kliniken Köln als medizinischer Geschäftsführer angestellt. Im Oktober 2008 lehnte der Aufsichtsrat der Kliniken eine Verlängerung der auf fünf Jahre befristeten Anstellung des damals 61-jährigen Klägers ab. Die Stelle wurde mit einem 41-jährigen Nachfolger besetzt. Der Kläger begehrte daraufhin Schadenersatz nach dem AGG mit der Begründung, er sei allein wegen seines Alters nicht erneut zum Geschäftsführer bestellt worden. Der Senat stellte fest, dass die städtischen Kliniken sämtliche materielle Schäden zu tragen haben, die aus der nicht erfolgten (Weiter-)Anstellung zum 01.09.2009 resultieren; darüber hinaus ist eine Entschädigung für immaterielle Schäden in Höhe von 36.600,- zu zahlen. Damit wurde erstmals dem Organ einer Gesellschaft (hier: GmbH-Geschäftsführer) ein entsprechender Ersatz wegen Benachteiligung im Sinne des AGG zuerkannt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das Gericht die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

20 Diskriminierende Stellenausschreibung: LAG Hamburg, Urteil vom 23.06.2010 5 Sa 14/10 Der 53-jährige Kläger bewarb sich als gelernter Versicherungskaufmann auf eine Anzeige für einen Personal-/Vertriebsdisponenten. In der Anzeige hieß es unter anderem: Wir bieten Ihnen die Möglichkeit eigene Ideen und Vorstellungen in ein junges, erfolgreiches Team einzubringen. Nachdem er abgelehnt und stattdessen eine jüngere Bewerberin eingestellt wurde, begehrte er vom Unternehmen eine Entschädigung in Höhe von zwei Monatsgehältern. Das Gericht sah hier einen Verstoß gegen das Altersdiskriminierungsverbot. Es wies darauf hin, dass die Formulierung junges Team ein Indiz für eine Altersdiskriminierung darstelle. Denn der durchschnittliche Leser erwarte, dass er nur dann in dieses Team passt, wenn er selber ein entsprechendes Alter mitbringt und dieses Alter sicherlich nicht über 50 Jahren liegt. Daran ändere auch der Wunsch nach Berufserfahrung nichts, denn diese könne man auch schon mit Ende zwanzig aufweisen. Da das Unternehmen das Gericht auch nicht davon überzeugen konnte, dass keine Altersdiskriminierung vorliegt, hat es gemäß 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung zu leisten. Anstelle der dort vorgesehenen Höchstentschädigung von drei Monatsgehältern hat das LAG Hamburg hier zwei Gehälter zugesprochen, da sich die zu beanstandende Formulierung nicht im eigentlichen Anforderungsprofil befand, sondern in der Schilderung dessen, was die Beklagte einem erfolgreichen Bewerber bietet. In dem Verfahren stellte das Gericht übrigens auch fest, dass die Bezeichnung des Gegners als "AGG- Hopper" in einem Verfahren nach dem AGG in Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgen kann und dann keine einen Entschädigungsanspruch auslösende Persönlichkeitsrechtsverletzung ist. Keine Korrektur einer altersdiskriminierenden Absage durch Einstellung: BAG, Urteil vom 18.03.2010 8 AZR 1044/08 Das BAG entschied, dass eine zunächst erfolgte Benachteiligung z.b. wegen Alters bei einer Bewerbungsabsage nicht dadurch entfällt, dass sie später durch eine Einstellung korrigiert wird. Dies kann sich aber bei der Höhe der Entschädigung auswirken. Der Entschädigungsanspruch des AGG setzt weder einen schuldhaften Verstoß des Arbeitgebers gegen ein Benachteiligungsverbot noch eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder eine erhebliche Benachteiligung voraus. Auch dies wirkt sich aber auf die Höhe des Anspruchs aus.

21 Altersstaffelung bei Urlaubsanspruch: AG Wesel, Urteil vom 11.08.2010 6 Ca 736/10 Nach dem Einzelhandelstarif bekommen Unter-20-Jährige bei einer Sechs-Tage-Woche 30 Urlaubstage im Jahr, vom 20. bis 23. Lebensjahr 32 Tage, ab 23 Jahren 34 Tage und schließlich ab einem Alter von 30 Jahren 36 Urlaubstage. Die Arbeitgeber hatten dies mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerechtfertigt. Eine 24-jährige Kassiererin sah sich jedoch unzulässig benachteiligt und verlangte ebenfalls 36 Urlaubstage im Jahr. Das Gericht betrachtete dies als unzulässige Diskriminierung wegen des Alters. Anfang 2011 hat sich das LAG Düsseldorf dieser Auffassung angeschlossen (Az: 8 Sa 1274/10). Das BAG hat Urlaubsstaffeln allerdings auch für jüngere Lebensjahre in der Vergangenheit - ohne konkrete Begründung - für zulässig gehalten (BAG vom 19.11.1996-9 AZR 712/95). Da für das Düsseldorfer Urteil eine Revision möglich ist, kann es sein, dass das BAG seine Entscheidung aus dem Jahr 1996 überdenken wird. Angebot von Aufhebungsverträgen nur an jüngere Arbeitnehmer: BAG, Urteil vom 25.02.2010 6 AZR 911/08 Nimmt der Arbeitgeber die bei ihm beschäftigten über 55jährigen Arbeitnehmer aus dem Personenkreis aus, denen er im Rahmen einer Personalabbaumaßnahme den Abschluss von Aufhebungsverträgen gegen Abfindungen anbietet, liegt darin keine Diskriminierung wegen des Alters. Es fehlt bereits an einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters: Den älteren Arbeitnehmern bleibt ihr Arbeitsplatz erhalten. Sie werden deshalb nicht weniger günstig als die jüngeren Arbeitnehmer behandelt, die ihren Arbeitsplatz - wenn auch unter Zahlung einer Abfindung - verlieren. Das neu geschaffene Diskriminierungsverbot wegen des Alters verfolgt wesentlich den Zweck, älteren Arbeitnehmern den Verbleib im Arbeitsleben zu ermöglichen. Es zwingt deshalb Arbeitgeber im Rahmen eines von ihnen geplanten Personalabbaus nicht dazu, auf Verlangen älterer Arbeitnehmer mit diesen einen Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung zu schließen.

22 3.4.e. Sexuelle Identität Auslandszuschlag und kinderbezogene Entgeltbestandteile: BAG, Urteile vom 18.03.2010 6 AZR 434/07 und 6 AZR 156/09 In zwei Urteilen hat das Bundesarbeitsgericht die Benachteiligung der Lebenspartner im Vergleich zu Eheleuten im Hinblick auf Entgeltbestandteile für rechtswidrig erklärt. Im ersten Fall 6 AZR 434/07 ging es um einen nach der tariflichen Regelung nur an Verheiratete zu zahlenden Auslandszuschlag. Das BAG sah darin eine gleichheitswidrige Benachteiligung eingetragener Lebenspartner gegenüber Eheleuten. Im zweiten Fall 6 AZR 156/09 ging es um kinderbezogene Entgeltbestandteile des BAT. Um diese zu erhalten, musste ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, für den die von den Anspruchsberechtigten in deren Haushalt aufgenommene Kinder seines Ehegatten berücksichtigt wurden. Nicht berücksichtigt wurden allerdings Kinder ihrer eingetragenen Lebenspartner, so dass die kinderbezogenen Entgeltbestandteile nicht gezahlt wurden. Das BAG sah auch darin eine gleichheitswidrige Benachteiligung eingetragener Lebenspartner gegenüber Eheleuten. Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrecht: BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010 1 BvR 611 u. 2464/07 Das BVerfG hat die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz für verfassungswidrig erklärt. Nach der bisherigen Fassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes wurden eingetragene Lebenspartner erbschaftsteuerrechtlich erheblich höher belastet als Ehegatten. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die erbschaftsteuerrechtliche Schlechterstellung der eingetragenen Lebenspartner gegenüber den Ehegatten im persönlichen Freibetrag und im Steuersatz sowie durch ihre Nichtberücksichtigung im Versorgungsfreibetrag mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar ist.

23 Für die Schlechterstellung der eingetragenen Lebenspartner gegenüber den Ehegatten bestehen keine Unterschiede von solchem Gewicht, dass die Benachteiligung der Lebenspartner im damaligen Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz gerechtfertigt wäre. Auch lässt sich die Privilegierung der Ehegatten gegenüber den Lebenspartnern nicht allein mit Verweis auf den besonderen staatlichen Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) rechtfertigen. Denn das das Erbschaftsteuerrecht prägende Familienprinzip kann keine Rechtfertigung für die Schlechterstellung der eingetragenen Lebenspartner hinsichtlich des persönlichen Freibetrags sein, da die Ehe wie auch die Lebenspartnerschaft auf Dauer angelegt, rechtlich verfestigt ist und eine gegenseitige Unterhaltspflicht begründet. Inzwischen sind im Erbschaft- und Schenkungssteuerrecht sowie im Grunderwerbsteuerrecht Lebenspartner mit Ehegatten gleichgestellt worden. Familienzuschlag, Auslandszuschlag, Hinterbliebenenversorgung: BVerwG, Urteile vom 28.10.2010-2 C 10.09 und 2 C 21.09, 2 C 52.09 und 2 C 56.09, 2 C 47.09 Familienzuschlag: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Fällen 2 C 10.09 und 2 C 21.09 entschieden, dass verpartnerte Beamtinnen und Beamte Anspruch auf Zahlung des Familienzuschlags der Stufe 1, des so genannter Ehegattenzuschlags, haben. Nach dem Bundesbesoldungsgesetz wird der Familienzuschlag der Stufe 1 nur Eheleuten gewährt, obwohl inzwischen die Lebenspartnerschaft geschaffen und fortentwickelt wurde. Ehepartner und Lebenspartner befinden sich nach geltendem Recht in einer vergleichbaren Lage. Zudem untersagt die Richtlinie 2000/78/EG in ihrem Anwendungsbereich jede unmittelbare Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung einer Person. Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der bloße Verweis auf den besonderen Schutz der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG keine Benachteiligung der Lebenspartnerschaft rechtfertigt. Allerdings hat das BVerwG den Familienzuschlag aber erst ab dem 01.07.2009 zugesprochen. Das Gericht begründete dies damit, dass der Familienzuschlag bis zur Entscheidung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 07.07.2009 (1 BvR 1164/07; BVerfGE 124, 199) eine familienpolitische Bedeutung gehabt und diese erst durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verloren habe.

24 Auslandszuschlag: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Fällen 2 C 52.09 und 2 C 56.09 mit gleicher Argumentation in mehreren Fällen entschieden, dass verpartnerte Beamtinnen und Beamte in gleicher Weise wie verheiratete Beamtinnen und Beamte Anspruch auf Zahlung des Auslandszuschlags haben. Hinterbliebenenversorgung: Im Verfahren 2 C 47.09 hat das Bundesverwaltungsgericht mit gleicher Argumentation entschieden, dass nach Tod eines Lebenspartners die beamtenrechtliche Hinterbliebenenversorgung wie für Ehegatten den überlebenden Lebenspartnern zusteht.

25 Diese PDF ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes; sie wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt. Herausgeber: Antidiskriminierungsstelle des Bundes Glinkastraße 24 10117 Berlin www.antidiskriminierungsstelle.de Kontakt: Beratung: 030 18 555-1865 (Mo bis Fr, 9 12 Uhr und 13 15 Uhr) Fax: 030 18 555-41865 E-Mail: beratung@ads.bund.de Besuchszeiten nach Vereinbarung Zentrale: 030 18 555-1855 E-Mail: poststelle@ads.bund.de Gestaltung: ADS-1 Stand: 31.03.2011