2. Allgemeines Polizeirecht Baden-Württemberg



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Transkript:

2.1 Aufgaben der Polizei ( 1, 2 PolG) 2. Allgemeines Polizeirecht Baden-Württemberg 2.1 Aufgaben der Polizei ( 1, 2 PolG) 1 Absatz 1 Satz 1: Allgemeinauftrag Gefahren vom Einzelnen oder dem Gemeinwesen abwehren, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedroht wird. Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beseitigen, sofern dies im öffentlichen Interesse geboten ist. 1 Absatz 1 Satz 2: Staatsschutzauftrag Verfassungsmäßige Ordnung schützen. Ungehinderte Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte gewährleisten. 1 Absatz 2: Spezialauftrag Durch andere Rechtsvorschriften übertragene Aufgaben wahrnehmen (z. B. durch OWiG, StPO). 2 Absatz 2: Tätigwerden für andere Stellen Wenn nach gesetzlichen Vorschriften eine andere Stelle (z. B. Feuerwehr, DRK) zuständig wäre, aber Gefahr im Verzug besteht, dann: notwendige oder vorläufige Maßnahmen einleiten (z. B. Erste Hilfe), im Anschluss: unverzügliche Unterrichtungspflicht (der zuständigen Stelle). 27

2. Allgemeines Polizeirecht Baden-Württemberg 2 Absatz 2: Schutz privater Rechte Voraussetzung: Vorliegen eines einklagbaren Rechtsanspruchs/ Antrag des Berechtigten. Gerichtlicher Schutz ist nicht rechtzeitig erreichbar (z. B. am Wochenende) Gefahr für die Wahrung des Rechtsanspruchs. Maßnahmen der Polizei haben nur Schutzcharakter. 2.2 Definitionen Polizei: (vgl. 59 PolG) Polizeibehörden (oberste Landespolizeibehörden, Landespolizeibehörden, Kreispolizeibehörden, Ortspolizeibehörde): 61 PolG. Polizeivollzugsdienst mit seinen Beamten: 70 PolG. Einzelner: Einzelner ist jede natürliche Person von ihrer Geburt bis zum Tod sowie jede juristische Person (z. B. eingetragener Verein, AG; ab der Eintragung in ein Vereinsregister/Handwerksrolle, etc.). Gemeinwesen: Als Gemeinwesen bezeichnet man alle Personen und Einrichtungen auf einem bestimmten, politisch abgegrenzten Gebiet (z. B. Gemeinden, Landkreise). Gefahrenlehre: Gefahr ist die objektiv nicht entfernte Möglichkeit eines Schadeneintritts. Schaden ist die objektive Störung bzw. Minderung von Normen, Rechten und Rechtsgütern, die unter dem Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zusammengefasst sind (z. B. Sachbeschädigung materieller Schaden). Störung ist der Eintritt eines Schadens. Öffentliche Sicherheit: Schutz der durch die Rechtsordnung geschützten Güter: Schutz des Bestandes des Staates 28

2.3 Zuständigkeitsabgrenzung ( 60 PolG) Schutz von Individualgütern (Freiheit, Ehre, Leben, Gesundheit, Eigentum ( FELGE) Schutz der Güter, die durch Normen des Straf-, Owi-, Verwaltungsrechts geschützt sind, und Allgemeinrechtsgüter (z. B. StVO, BtmG, etc.) Schutz der gesamten Rechtsgüter vor rechtswidrigen Angriffen. Öffentliche Ordnung: Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit, die als Voraussetzung für ein geordnetes staatsbürgerliches Zusammenleben betrachtet wird. Öffentliches Interesse: Polizei hat die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nur zu schützen, soweit dies im öffentlichen Interesse geboten ist. Öffentliches Interesse ist immer geboten, wenn es um den Schutz der Allgemeinheit, einer Vielzahl von Menschen oder hochwertiger Individualgüter (z. B. Leben und Gesundheit) geht. Verhinderung von Straftaten und Owis, Beseitigung von Störungen, die aus Rechtsverletzungen resultieren, liegen im öffentlichen Interesse. Werden Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit betroffen, so besteht in der Regel ein öffentliches Interesse am Einschreiten der Polizei. 2.3 Zuständigkeitsabgrenzung ( 60 PolG) Grundzuständigkeit der Polizeibehörden: Für die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben sind die Polizeibehörden zuständig ( 60 Abs. 2 HS 1 PolG; Verweise: 3, 66 Abs. 2 PolG). Eilzuständigkeit des PVD: PVD nimmt polizeiliche Aufgaben wahr, wenn ein sofortiges Tätigwerden erforderlich erscheint, z. B. wenn Behörde nicht 29

2. Allgemeines Polizeirecht Baden-Württemberg (sonntags) oder nicht rechtzeitig erreichbar ist ( 60 Abs. 2 PolG). Alleinzuständigkeit der PB/des PVD: wenn dieses Gesetz nichts anderes bestimmt ( 60 Abs. 1 HS 1 PolG). Polizeibehörde (z. B. Einziehung darf nur von der PB durchgeführt werden, 34 PolG) Polizeivollzugsdienst (wenn in den betreffenden Gesetzen angegeben, z.b. 30 PolG PolG). Parallelzuständigkeit: Maßnahmen, die der PVD selbstständig, ohne Kontaktaufnahme/ Anordnung der Behörde gleichrangig durchführen kann ( 60 Abs. 3 PolG). 2.4 Opportunitätsprinzip 2.4.1 Entschließungsermessen ( 3 PolG) Entscheidung, ob eingegriffen wird: rechtliche Schranken, pflichtgemäßes Ermessen ( Fahren wir überhaupt hin? ), Erforderlichkeit notwendig: wenn die Gefahr ohne Einschreiten nicht unterbleibt, zweckmäßig: wenn die Polizei in der Lage ist, das Ziel zu erreichen (mit eigenen Mitteln/Fähigkeiten/Kenntnissen). 2.4.2 Auswahlermessen ( 5 PolG) Entscheidung, wie und gegen wen eingeschritten wird: Geeignetheit (den polizeilichen Zweck zu erreichen) muss rechtlich zulässig sein Übermaßverbot! 30

2.5 Polizeipflichtige ( 6 bis 9 PolG) Mindesteingriff ( am wenigsten beeinträchtigen ) das mildeste taugliche Mittel Verhältnismäßigkeit Mittel-Zweck-Relation (Abs. 2) bei Prüfungen betroffene Grundrechte nennen! 2.5 Polizeipflichtige ( 6 bis 9 PolG) Abschließende Regelung, gegen wen polizeiliche Maßnahmen getroffen werden ( 6 bis 9 PolG). Polizeipflichtige können verpflichtet werden, eine Maßnahme vorzunehmen, zu dulden, zu unterlassen. 2.5.1 Verursacherhaftung ( 6 Abs. 1 PolG) Maßnahmen gegen denjenigen, der durch sein Verhalten die Ursache für die Bedrohung oder Störung oder öffentlichen Sicherheit hervorruft (Verhaltensstörer). Bewusst oder unbewusst. Es können auch mehrere Personen in Betracht kommen. Zweckverursacher ist, wer das Verhalten des Störers bezweckt. Er ruft den polizeipflichtigen Zustand vorsätzlich hervor. Aber: Gibt er den Anlass, bezweckt den Zustand aber nicht, sind Maßnahmen nicht möglich. 2.5.2 Zusatzverantwortliche ( 6 Abs. 2 PolG) Hier sind Maßnahmen gegen einen oder gegen beide zu richten (z. B. Sorgeberechtigte bei Personen unter 18 Jahren oder Betreuer). 31

2. Allgemeines Polizeirecht Baden-Württemberg 2.5.3 Verrichtungsgehilfen des Auftraggebers ( 6 Abs. 3 PolG) Zusatzverantwortliche wie in Absatz 2. Verrichtungsgehilfe (Arbeitnehmer) ist, wer von seinem Geschäftsherrn (Arbeitgeber) beauftragt ist, bestimmte Tätigkeiten durchzuführen. Handelnde muss von Weisungen und vom Willen des Chefs abhängig sein. Chef muss Einwirkungsmöglichkeiten haben. Unerheblich, ob Verrichtung einmalig, entgeltlich, etc. erfolgt. 2.5.4 Zustandshaftung ( 7 PolG) Wenn die Gefährdung oder Störung der öffentlichen Sicherheit durch den Zustand eines Gegenstandes verursacht wird, unerheblich, auf welche Weise der Zustand entstanden ist. Verantwortlich für den Zustand der Sache ist der Eigentümer, der Inhaber der tatsächlichen Gewalt. Maßnahme gegen einen oder gegen beide. 2.5.5 Auswahl unter mehreren Störern Verursacherhaftung verdrängt die Zustandshaftung. In der Regel wird die Person zur Störungsbeseitigung herangezogen, die dies am sichersten und schnellsten bewerkstelligen kann. 2.5.6 Unmittelbare Ausführung ( 8 PolG) Grundsätzlich sind Personen gemäß 6, 7 PolG in die Pflicht zu nehmen. Ist dies nicht möglich, wird die Polizei selbst tätig: Selbstvornahme/Fremdvornahme (z. B. durch Abschleppunternehmen). 32

2.6 Einzelmaßnahmen 2.5.7 Maßnahmen gegenüber Unbeteiligten ( 9 PolG) Unbeteiligte sind Personen, die keine Polizeipflichtigen im Sinne von 6 bis 8 PolG sind. Maßnahmen nur in Notfallsituationen möglich: unmittelbar bevorstehende/bereits eingetretene Gefahr, kann auf andere Weise nicht verhindert werden, Mittel der Polizei reichen nicht aus. Ausnahmen: Wenn der Unbeteiligte sich in Gefahr bringen würde oder andere hochwertige Verpflichtungen verletzt werden. 2.6 Einzelmaßnahmen 2.6.1 Personenkontrolle ( 20 PolG) Absatz 1: Jede Person darf befragt werden, sofern sie (der Annahme nach) sachdienliche Hinweise geben kann. Aussageverweigerungsrecht nach 52 Abs. 1, 2, 55 StPO, wenn dadurch die Gefahr der Verfolgung wegen einer Owi oder Straftat besteht. Ausnahmen: Gefahr für Leben, Gesundheit oder Freiheit der Person. Absatz 2: Generalklausel der Datenerhebung: Gefahrenabwehr/Störungsbeseitigung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, Erforderlichkeit der Datenerhebung hierfür. Adressat: Polizeipflichtige nach 6, 7 PolG, andere Personen. Absatz 3: Vorbeugende Bekämpfung von Straftaten. Adressat: Personen, die in Zukunft Straftaten begehen könnten (tatsächliche Anhaltspunkte), und deren Begleiter und mögliche Opfer von Straftaten (tatsächliche Anhaltspunkte), Personen aus Umfeld gefährdeter Personen, Zeugen, etc. 33

2. Allgemeines Polizeirecht Baden-Württemberg Absatz 4: Datenerhebung zur Gefahrenvorsorge. Adressat: Personen mit besonderen Kenntnissen/Fähigkeiten, Veranstalter, Verantwortliche für gefährliche/gefährdete Anlagen. Absatz 5: Schutz privater Rechte/Vollzugshilfe. Absatz 6: Wahrnehmung übertragener Aufgaben. Durch andere Rechtsvorschriften übertragene Ausgaben, Erforderlichkeit. 2.6.2 Personenerhebung ( 26 PolG) 2.6.2.1 Kontrollorte ( 26 Abs. 1 PolG) Nummer 1: Öffentliche Sicherheit oder Ordnung Personenhaftung Gefahr oder Störung liegt vor. Gründe: Aussehen, Verhalten, Betätigen einer Person. Nummer 2: Milieuspezifische Orte /Kriminalitätsbrennpunkte Ortshaftung Straftäter verbergen sich dort. Straftaten werden vorbereitet/geplant/verübt. Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung/ausländerrechtliche Duldung. Personen gehen (unerlaubt) der Prostitution nach. Nummer 3: Besonders gefährdete Objekte Ortshaftung an oder in unmittelbarer Nähe. Versorgungsanlagen, Amtsgebäude, Verkehrseinrichtungen, etc. Ortshaftung! 34

2.6 Einzelmaßnahmen Nummer 4: Kontrollstellen Ortshaftung Ereignisabhängige Fahndung nach bestimmten Straftätern. Ereignisabhängige Fahndung nach Straftätern ( 163b StPO). Verkehrskontrolle ( 36 Abs. 5 StVO). Allgemeine ereignisunabhängige Fahndung nach Straftätern/ Vorbeugung von Straftaten. Nummer 5: Kontrollbereiche Ortshaftung Straßenzüge/Stadtviertel. Fahndung nach Straftätern, wenn eine Straftat begangen/versucht/vorbereitet wurde. Anordnung durch Regierungspräsidium! Nummer 6: Internationale Kriminalität Ortshaftung Verkehrswege/-einrichtungen, die für die internationale Kriminalität besonders relevant sind (z. B. Autobahnen, Rastanlagen, Grenzstraßen, Bahnhöfe). 2.6.2.2 Durchführung der Kontrolle ( 26 Abs. 2 PolG) Zur Kontrolle anhalten. Ausweis zeigen/zur Prüfung aushändigen lassen/nach ID-Papieren durchsuchen. Gegebenenfalls in ID-Gewahrsam nehmen. 2.6.2.3 Berechtigungsscheine ( 26 Abs. 3 PolG) Man darf sich Berechtigungsscheine zeigen lassen, wenn diese zur ausgeführten Tätigkeit erforderlich sind (z. B. Jagdschein, Behindertenausweis). 35

2. Allgemeines Polizeirecht Baden-Württemberg 2.6.3 Platzverweis, Wohnungsverweis und Aufenthaltsverbot ( 27a PolG) 2.6.3.1 Platzverweis ( 27a Abs. 1 PolG) Zur Abwehr einer Gefahr oder Beseitigung einer Störung der öffentlichen Sicherheit (ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal). 2.6.3.2 Aufenthaltsverbot ( 27a Abs. 2 PolG) An bestimmten Orten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort eine Straftat begangen wird. 2.6.3.3 Wohnungsverweis ( 27a Abs. 3 Satz 1 PolG) Zum Schutz eines anderen Bewohners der Wohnung (unmittelbar bevorstehende erhebliche Gefahr). Auf Eigentumsverhältnisse kommt es nicht an, entscheidend ist, wer die Wohnung tatsächlich bewohnt. Gilt nur für tatsächliche Bewohner der Wohnung (Tatbestandsmerkmal), bei Gästen, etc. nur nach Absatz 1 möglich. Angrenzender Bereich ist nicht definiert, muss im Einzelfall entsprechend begründet werden. Unmittelbar bevorstehende erhebliche Gefahr ist im Regelfall bei Gewalt- und Nötigungsdelikten gegeben. 2.6.3.4 Rückkehrverbot ( 27a Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 PolG)/ Annäherungsverbot ( 27a Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 PolG) Wenn Tatsachen bestehen, die die Annahme rechtfertigen, dass die erhebliche Gefahr nach Verlassen der Wohnung fortbesteht: in die Wohnung zurückzukehren, sich der verletzten oder bedrohten Person anzunähern (z.b. am Arbeitsplatz, etc.). Absatz ausgesprochen in Verbindung mit Wohnungsverweis. Annäherungs- und Kontaktverbot gegen einen Stalker richtet sich nach 1 Abs. 2 Satz 1 i.v. m. 3 PolG, weil die Handlung nicht in 36