EUROPARAT MINISTERKOMITEE



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(beschlossen in der Sitzung des Fachsenats für Unternehmensrecht und Revision am 1. Dezember 2010 als Fachgutachten KFS/VU 2) Inhaltsverzeichnis

Transkript:

EUROPARAT MINISTERKOMITEE Nichtamtliche Übersetzung Empfehlung Rec (2000) 21 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über die freie Berufsausübung der Anwältinnen und Anwälte (angenommen vom Ministerkomitee am 25. Oktober 2000, an der 727. Sitzung der Ministerdelegierten) Das Ministerkomitee, gestützt auf Artikel 15.b der Satzung des Europarates, In Erwägung der Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention; In Erwägung der Grundsätze der Vereinten Nationen betreffend die Rolle der Anwaltschaft, die im Dezember 1990 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurden; In Erwägung der Empfehlung Nr. R (94) 12 über Unabhängigkeit, Effizienz und Rolle der Richter, die am 13. Oktober 1994 vom Ministerkomitee des Europarates verabschiedet wurde; In Betonung der grundlegenden Rolle der Anwältinnen und Anwälte und der Berufsverbände der Anwältinnen und Anwälte in der Sicherstellung des Schutzes der Menschenrechte und Grundfreiheiten; Mit dem Wunsch, die freie Berufsausübung der Anwältinnen und Anwälte zu fördern, um das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit zu stärken, zu dem Anwältinnen und Anwälte insbesondere in der Rolle der Verteidigung der individuellen Freiheiten beitragen; Im Bewusstsein, dass es für eine geordnete Rechtspflege notwendig ist, die Unabhängigkeit der Anwältinnen und Anwälte in der Ausübung ihres Berufs zu gewährleisten, ohne ungerechtfertigte Einschränkung und ohne Beeinflussung, Anstiftung, Druck, Drohung oder unbegründete direkte oder indirekte Intervention von irgendeiner Seite oder aus irgendeinem Grund; Im Bewusstsein, dass es wünschenswert ist, dafür zu sorgen, dass die Verantwortlichkeiten der Anwältinnen und Anwälte ordnungsgemäss ausgeübt werden, und im Bewusstsein der Notwendigkeit für Anwältinnen und Anwälte, eine ausreichende Ausbildung zu erhalten und ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den Pflichten gegenüber den Gerichten und denjenigen gegenüber ihren Klienten zu finden; In Erwägung, dass der Zugang zur Justiz erfordern kann, dass wirtschaftlich schwächere Personen die Dienste von Anwältinnen und Anwälten erhalten,

Empfiehlt den Regierungen der Mitgliedstaaten, alle Massnahmen zu treffen oder zu verstärken, die sie für die Umsetzung der Grundsätze dieser Empfehlung als nötig erachten, In dieser Empfehlung bezeichnet "Anwältin/Anwalt" eine gemäss innerstaatlichem Recht mit der Qualifikation oder Erlaubnis ausgestattete Person, im Namen ihrer Klienten zu handeln und sich für diese einzusetzen, das Recht anzuwenden, vor Gericht aufzutreten oder ihre Klienten in juristischen Belangen zu beraten und zu vertreten. Grundsatz I Allgemeine Grundsätze der freien Berufsausübung der Anwältinnen und Anwälte 1. Alle erforderlichen Massnahmen sollten getroffen werden, um die freie Berufsausübung der Anwältinnen und Anwälte zu achten, zu schützen und zu fördern, ohne Diskriminierung oder ungerechtfertigte Intervention der Behörden oder der Öffentlichkeit, insbesondere im Licht der massgebenden Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention. 2. Die Entscheide betreffend die Erlaubnis, den Anwaltsberuf auszuüben oder dazu Zugang zu erhalten, sollten von einer unabhängigen Instanz getroffen werden. Gegen solche Entscheide, ob von einer unabhängigen Instanz getroffen oder nicht, sollte bei einem unabhängigen und unparteiischen Gericht rekurriert werden können. 3. Anwältinnen und Anwälte sollten Meinungsäusserungs-, Bewegungs-, Vereinigungsund Versammlungsfreiheit geniessen und insbesondere berechtigt sein, an öffentlichen Debatten zu Fragen des Rechts und der Rechtspflege teilzunehmen sowie Gesetzesreformen vorschlagen zu können. 4. Anwältinnen und Anwälte sollten keinerlei Sanktionen oder der Androhung von solchen ausgesetzt sein und von keiner Seite Druck erfahren, wenn sie gemäss ihrer Standesordnung handeln. 5. Anwältinnen und Anwälte sollten Zugang zu ihren Klienten haben, besonders zu Personen unter Freiheitsentzug, um sie persönlich beraten und gemäss ihrer Berufsordnung vertreten zu können. 6. Alle nötigen Massnahmen sollten getroffen werden, um die Wahrung des Berufsgeheimnisses zwischen Anwalt und Klient zu gewährleisten. Ausnahmen von diesem Grundsatz sollten nur erlaubt werden, wenn sie mit dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit vereinbar sind. 7. Anwältinnen und Anwälten sollte der Zugang zu einem Gericht, vor dem zu erscheinen sie ermächtigt sind, nicht verwehrt werden, und sie sollten Zugang zu allen erheblichen Akten haben, wenn sie gemäss Standesordnung die Rechte und Interessen ihrer Klienten vertreten. 8. Alle Anwältinnen und Anwälte, die am gleichen Fall arbeiten, sollten vom Gericht mit dem gleichen Respekt behandelt werden. Grundsatz II Juristische Ausbildung, Weiterbildung und Zugang zum Anwaltsberuf 1. Die juristische Ausbildung und der Zugang zum Anwaltsberuf und zur Ausübung dieses Berufs sollte niemandem verwehrt werden aufgrund insbesondere des Geschlechts, se- 2

xueller Neigung, Rasse, Hautfarbe, Religion, politischer oder jeder anderen Überzeugung, ethnischer oder sozialer Herkunft, Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, Vermögen, Geburt oder körperlicher Behinderung. 2. Alle erforderlichen Massnahmen sollten getroffen werden, damit ein hohes Niveau an Ausbildung und Moral für den Zugang zum Beruf vorausgesetzt wird und damit eine konstante Weiterbildung von Anwältinnen und Anwälten gewährleistet ist. 3. Die juristische Ausbildung, einschliesslich Weiterbildungsprogramme, sollte die juristischen Fähigkeiten verbessern, das Bewusstsein ethischer Fragen und der Menschenrechte stärken und die Anwältinnen und Anwälte lehren, die Rechte und Interessen ihrer Klienten zu achten, zu schützen und zu fördern und die gute Rechtspflege zu unterstützen. Grundsatz III Rolle und Pflichten der Anwältinnen und Anwälte 1. Anwaltsverbände oder andere Berufsorganisationen der Anwältinnen und Anwälte sollten Berufsregeln und -ordnungen aufstellen und dafür sorgen, dass die Anwältinnen und Anwälte bei der Vertretung der legitimen Rechte und Interessen ihrer Klienten gänzlich unabhängig, sorgfältig und unvoreingenommen handeln. 2. Die Anwältinnen und Anwälte sollten das Berufsgeheimnis gemäss der innerstaatlichen Gesetzgebung, den Verordnungen und ihrer Standesordnung wahren. Auf jede Verletzung des Berufsgeheimnisses ohne Einwilligung des Klienten sollte mit angemessenen Sanktionen reagiert werden. 3. Die Pflichten der Anwältinnen und Anwälte gegenüber ihren Klienten sollten umfassen: a. ihre Beratung bezüglich ihrer gesetzlichen Rechte und Pflichten sowie betreffend den wahrscheinlichen Ausgang und die Folgen ihrer Rechtssache, einschliesslich der finanziellen Kosten; b. das vordringliche Bemühen um eine gütliche Einigung in einer Rechtssache; c. das Ergreifen der nötigen rechtlichen Massnahmen zum Schutz, zur Achtung und zur Verwirklichung der Rechte und Interessen ihrer Klienten; d. die Vermeidung von Interessenkonflikten; e. die Ablehnung einer Arbeitslast, die das Mass, das von ihnen vernünftigerweise bewältigt werden kann, übersteigt. 4. Die Anwältinnen und Anwälte sollten die Gerichtsbehörden achten und ihre Pflichten gegenüber den Gerichten im Einklang mit der Gesetzgebung und anderen innerstaatlichen Regeln und der Standesordnung ausüben. Die Ablehnung einer Berufshandlung durch Anwältinnen und Anwälte darf sich nicht nachteilig auf die Interessen der Klienten oder anderer Personen, die ihren Dienst beanspruchen, auswirken. Grundsatz IV Zugang für jede Person zu einer Anwältin oder zu einem Anwalt 3

1. Alle nötigen Massnahmen sollten getroffen werden um sicherzustellen, dass jede Person tatsächlichen Zugang zu den Rechtsdiensten von unabhängigen Anwältinnen und Anwälten hat. 2. Anwältinnen und Anwälte sollten ermutigt werden, Rechtsdienste an wirtschaftlich benachteiligte Personen zu leisten. 3. Die Regierungen der Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass Rechtsdienste für wirtschaftlich benachteiligte Personen, insbesondere solche im Freiheitsentzug, zugänglich sind, wenn dies für den effektiven Rechtsschutz notwendig ist. 4. Die Pflichten der Anwältinnen und Anwälte gegenüber ihren Klienten sollten nicht durch die Tatsache beeinflusst werden, dass sie vollumfänglich oder teilweise durch öffentliche Gelder entschädigt werden. Grundsatz V - Verbände 1. Anwältinnen und Anwälte sollten ermächtigt und ermutigt werden, lokale, nationale und internationale Berufsverbände, die allein oder mit anderen die Aufgabe wahrnehmen, die Standesordnung zu verbessern und die Unabhängigkeit und Interessen der Anwältinnen und Anwälte zu wahren, zu gründen oder solchen beizutreten. 2. Anwaltsverbände oder andere Berufsverbände von Anwältinnen und Anwälten sollten autonome und von Behörden und Öffentlichkeit unabhängige Körperschaften sein. 3. Die Rolle der Anwaltsverbände oder anderer Berufsverbände der Anwältinnen und Anwälte betreffend den Schutz ihrer Mitglieder und die Verteidigung derer Unabhängigkeit gegenüber jeder Einschränkung oder ungerechtfertigten Einmischung sollte respektiert werden. 4. Anwaltsverbände oder andere Berufsverbände der Anwältinnen und Anwälte sollten ermutigt werden, die Unabhängigkeit der Anwältinnen und Anwälte sicherzustellen und insbesondere: a. die Sache der Gerechtigkeit furchtlos zu fördern und hochzuhalten; b. die Rolle der Anwältinnen und Anwälte in der Gesellschaft zu verteidigen und insbesondere für die Achtung ihrer Ehre, Würde und Integrität zu sorgen; c. die Beteiligung der Anwältinnen und Anwälte an den Systemen zu fördern, die den Zugang zum Rechtsschutz für wirtschaftlich benachteiligte Personen sicherstellen, insbesondere den Zugang zu Rechtshilfe und Rechtsberatung; d. Gesetzesreformen und Debatten über die geltende oder entworfene Gesetzgebung zu fördern und zu unterstützen; e. den sozialen Schutz der Berufsmitglieder zu fördern und ihnen und ihren Familien, wenn es nötig ist, zu helfen; 4

f. mit den Anwältinnen und Anwälten anderer Länder zu kooperieren im Hinblick auf die Förderung ihrer Rolle, insbesondere, indem die Arbeiten der internationalen Anwaltsorganisationen sowie der internationalen Regierungs- und Nichtregierungs- Organisationen berücksichtigt werden; g. ein höchstmögliches Kompetenzniveau der Anwältinnen und Anwälte zu fördern und dafür zu sorgen, dass Standesordnung und Disziplin eingehalten werden. 5. Die Anwaltskammern oder andere Berufsverbände der Anwältinnen und Anwälte sollten alle nötigen Massnahmen ergreifen, einschliesslich der Verteidigung der Interessen der Anwältinnen und Anwälte vor dem geeigneten Organ, bei: a. der Festnahme oder Inhaftierung einer Anwältin/eines Anwalts; b. jeder Entscheidung, ein Verfahren einzuleiten, welches die Integrität einer Anwältin/eines Anwalts in Frage stellt; c. jeder Personendurchsuchung einer Anwältin/eines Anwalts oder Durchsuchung ihrer/seiner Güter; d. jeder Beschlagnahme von Dokumenten oder Gegenständen im Besitz einer Anwältin/eines Anwalts; e. der Veröffentlichung von Presseartikeln, die eine Reaktion im Namen der Anwältinnen und Anwälte erfordert. Grundsatz VI - Disziplinarmassnahmen 1. Halten sich die Anwältinnen und Anwälte nicht an die Standesordnung ihres Berufs, die in der von den Anwaltsverbänden oder anderen Berufsverbänden der Anwältinnen und Anwälte erstellten Standesordnung oder durch die Gesetzgebung vorgegeben ist, sollten geeignete Massnahmen getroffen werden, einschliesslich der Einleitung disziplinarischer Verfahren. 2. Die Anwaltsverbände oder andere Berufsverbände der Anwältinnen und Anwälte sollten verantwortlich sein für die Durchführung der Disziplinarmassnahmen gegen Anwältinnen und Anwälte oder gegebenenfalls berechtigt sein, sich daran zu beteiligen. 3. Die disziplinarischen Verfahren sollten in vollumfänglicher Achtung der Grundsätze und Regeln der Europäischen Menschenrechtskonvention abgewickelt werden, einschliesslich des Rechts der betreffenden Anwältin oder des betreffenden Anwalts, am Verfahren teilzunehmen und über eine gerichtliche Beschwerdemöglichkeit zu verfügen. 4. Bei der Wahl der Sanktionen von durch Anwältinnen und Anwälte begangenen Disziplinarfehlern sollte das Prinzip der Verhältnismässigkeit berücksichtigt werden. 5