Elektromobilität - Nachhaltige Mobilität für morgen Redner/in: Parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche Anlass: Einweihung der Elektrowagenflotte <span lang="en">"future Fleet"</span> bei SAP Walldorf, 14.01.2011 I. Einleitung Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich, heute hier in Walldorf zu sein und möchte Ihnen auch im Namen von Bundesminister Dr. Norbert Röttgen die besten Grüße übermitteln. Einen besseren Ort als Walldorf kann es für den heutigen Anlass fast gar nicht geben. Denn ganz hier in der Nähe entwickelte Carl Benz 1885 das erste Benzin-Auto. Seine Frau Bertha unternahm damit 1888 die erste Fernfahrt von Mannheim nach Pforzheim wir würden heute wohl von einem kleinen Feldversuch sprechen. Heute, 125 Jahre später, beginnt eine neue Phase der Automobilität: Die Zeit ist reif für Elektrofahrzeuge. Praktisch gibt es sie schon so lange gibt wie Benzinfahrzeuge. Jedoch konnten sie sich in der Vergangenheit nicht durchsetzen, vor allem wegen der Restriktionen und Grenzen der Batterien. Davon darf man sich aber nicht abschrecken lassen. Vielmehr muss man mutig und entschlossen voranschreiten, um Lösungen zu finden und Durchbrüche zu schaffen. Deshalb freue ich mich, dass der Pioniergeist von Carl Benz immer noch lebendig ist und wir in der Region Rhein-Neckar einen weiteren Schritt bei der Elektromobilität gehen. Die SAP ist das erste Unternehmen in Deutschland, das einen Teil seiner Firmenflotte auf Elektrofahrzeuge umstellt und damit die Weichen für die Zukunft stellt. Dies ist ein wichtiger Schritt. Ich hoffe, dass er bald viele Nachahmer findet. Das Bundesumweltministerium hat dieses Projekt gerne mit Fördergeldern aus dem Konjunkturprogramm bezuschusst, denn wir glauben daran, dass Automobilität auch künftig notwendig ist und möglich sein wird, wenn sie sich Stück für Stück frei macht von der Abhängigkeit von endlichen fossilen Energieträgern und den damit verbundenen Emissionen von Schadstoffen. II. Zukunft des Automobilmarktes Der Automobilmarkt ist nach wie vor ein wachsender Markt: denn bis 2030 wird sich die globale Pkw Flotte ungefähr verdoppeln.
Wenn dieses Wachstum jedoch in der gleichen Art und Weise fortschreitet wie bisher, werden die nachkommenden Generationen nicht mehr viel von diesem Wachstum haben. Dann werden Ressourcen aufgebraucht sein und das Klima wird sich immer weiter erwärmen die Folgen sind uns allen weitgehend bekannt. Dazu darf und muss es nicht kommen, wenn wir eine intelligente Strategie aus kurzfristigen und langfristigen Maßnahmen und Technologien entwickeln. Kurz- und Mittelfristig müssen wir vor allem auf Effizienzsteigerungen bei den Verbrennungsmotoren setzen, denn diese Technologie hat auch nach über hundert Jahren noch immer Potenziale. Wir haben mit der EU-Verordnung zur Begrenzung der CO2-Emissionen von Pkw ein Rechtssetzungsinstrument erlassen, um die CO2-Emissionen deutlich zu senken. Die Ziele dieser Pkw-Verordnung sind ambitioniert: Im Zeitraum 2012 bis 2015 soll der über die Pkw-Flotte des jeweiligen Herstellers gemittelte Grenzwert für neue Personenkraftwagen 130 Gramm CO2 pro Kilometer betragen, und im Jahr 2020 soll er noch einmal auf 95 Gramm CO2 pro Kilometer gesenkt werden. Dazu kommen weitere 10 Gramm CO2 pro Kilometer durch andere Maßnahmen. Diese Regelungen sollen dabei helfen, dass das vorhandene technische Potenzial auch effizient genutzt wird. Nach 2020 müssen wir uns dann allerdings noch weiteren Herausforderungen stellen. Denn beim G8 Gipfel in Heiligendamm und bei der Klimakonferenz in Cancun haben sich die Industrieländer darauf verständigt, ihre Treibhausgasemissionen so weit zu senken, dass die Erderwärmung auf 2 C begrenzt bleibt. Wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, müssen die Treibhausgasemissionen nach Berechnungen des Weltklimarates bis 2050 weltweit um 50 bis 85 % gegenüber dem Jahr 2000 reduziert werden. Das heißt: um mehr als die Hälfte innerhalb von 50 Jahren und das bei einer wachsenden Weltbevölkerung. Heruntergebrochen auf den Verkehrssektor in Deutschland bedeutet das, dass die PKW auf Deutschlands Straßen im Jahr 2050 durchschnittlich nur noch zwischen 10 und 35 g CO2/km emittieren dürften. Bei diesen Größenordnungen ist eines schon heute klar: Eine Optimierung der Verbrennungsmotoren alleine wird hier nicht mehr ausreichen. Vielmehr gehen aktuelle Studien in die Richtung, dass selbst bei einer weiteren Optimierung der Verbrennungsmotoren bis 2050 über 70% "Emissionsfreies Fahren" erforderlich sein wird. Das heißt, über 70 % der gesamten Pkw-Fahrleistung in Deutschland müssen elektrisch erbracht werden, um die genannten Klimaziele zu erreichen. Ohne weitere Optimierung der Verbrennungsmotoren steigt dieser Wert sogar auf über 80 % an.
Wichtig ich vor allem: Der Strom für die Elektrofahrzeuge muss dabei aus zusätzlichen erneuerbaren Energien stammen. Ansonsten verlagern wir die Emissionen einfach nur in den Energiesektor und dem Klimaschutz ist nicht geholfen. III. Bedeutung der Elektromobilität Elektromobilität in Deutschland muss uns allen ein zentrales Anliegen sein und dies gleich aus einer Reihe von Gründen: Reine Elektrofahrzeuge stoßen während der Fahrt keinerlei Schadstoffe oder Treibhausgase aus; sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zu höherer Lebensqualität gerade in dicht besiedelten Stadträumen. Wenn elektrisch betriebene Fahrzeuge dabei aber mit Strom aus Kohlekraftwerken betrieben werden, dann ist ihre CO2-Bilanz nur unwesentlich besser als die von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Werden Elektroautos aber mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen gespeist, dann laufen Elektrofahrzeuge fast vollständig CO2-frei. Gleichzeitig haben sie dann auch den geringsten Primärenergieverbrauch im Vergleich zu anderen Antriebsformen. Voraussetzung für einen Ausbau der Elektromobilität ist deshalb ein Ausbau der erneuerbarer Energien. Gleichzeitig kann die Elektromobilität ein zentraler Baustein bei der Lösung einer der drängensten Fragen beim Ausbau der erneuerbaren Energien sein: Wie gelingt es uns den fluktuierenden Strom aus erneuerbaren Energien sinnvoll und effizient zu speichern? Hier zeichnen sich im Zusammenspiel von Elektromobilität und erneuerbaren Energien interessante Lösungen ab. Dies erfordert eine komplette Transformation wie wir Energieversorgung heute denken und handhaben. Wir brauchen hierfür intelligente Stromnetze, die Verschmelzung von Informationstechnologie und Internet mit unseren Energienetzen. Diese Aspekt möchte ich gerade hier bei SAP nicht unerwähnt lassen. Weitere Vorteile der Elektromobilität bestehen darin: - dass Elektrofahrzeuge die Abhängigkeit von Mineralöl reduzieren. Dies wird bei der zukünftig zu erwartenden Ölpreisentwicklung einen großen Vorteil darstellen. - dass Elektrofahrzeuge weniger Lärm als herkömmliche Fahrzeuge verursachen und so für mehr Lebensqualität bei Anwohnern stark befahrener Straßen sorgen. - dass Elektroautos gute Fahreigenschaften haben. Jeder der schon einmal die Gelegenheit hatte, am Steuer eines Elektrofahrzeuges zu sitzen, wird dies sicherlich bestätigen. Es ist ein ganz besonderes Fahrgefühl. Die Frage ist also: wie schaffen wir den Einstieg in die Elektromobilität? Wie können wir mit gezielt gesetzten Anreizen eine sich mittelfristig selbst tragende Entwicklung hin zu
Elektrofahrzeugen in Gang setzen? Denn eins muss klar sein: Der Staat kann nur eine Starthilfe leisten, er kann und darf kein neues Subventionsfass öffnen. Das Bundesumweltministerium hat erstmals 2007 die Elektromobilität auf die Agenda der Bundesregierung gesetzt, indem wir sie als eine Maßnahme in das Integrierte Energie- und Klimapaket der Bundesregierung aufgenommen haben. Wir haben dann mit der Aufnahme der Elektromobilität in das Konjunkturprogramm II Finanzmittel mobilisiert, die der Forschung und Entwicklung der Elektromobilität dienen. Die Bundesregierung stellt hier von 2009 bis 2011 500 Mio. Euro zur Verfügung. Wir streben eine Verstetigung anstreben. Alleine das Bundesumweltministerium stellt bis Ende 2011 rund 100 Mio. Euro für diverse Projekte zur Verfügung. Die Bandbreite reicht hier von der Weiterentwicklung von Range Extendern über Recyclingverfahren für Traktionsbatterien, Verfahren zur Netzintegration der Fahrzeuge bis hin zur Erprobung des induktiven Ladens. Die Forschung und Entwicklung wird für die Elektromobilität noch lange wichtig sein, denn wir erwarten hier noch erhebliche Innovationssprünge, beispielsweise bei den Batterien. IV. Einsatzfelder der Elektromobilität Gleichzeitig aber beginnt schon ab dem kommenden Jahr die Markteinführung der allerersten serienmäßig gefertigten Fahrzeuge. Hier besteht eine hohe Erwartungshaltung von Seiten der Öffentlichkeit und wir müssen schauen, dass wir ein Erwartungsmanagement betreiben, damit der derzeitigen Phase der Euphorie nicht bald eine Phase der Frustration oder des Kapputtredens einer jungen Technologie folgt. Die Öffentlichkeit muss wissen, dass Elektroautos nicht sofort und für jeden geeignet und bezahlbar sein werden. Die Anschaffungskosten werden noch lange Zeit über denen konventioneller Fahrzeuge liegen. Das bedeutet, dass diese Fahrzeuge im privaten Bereich zunächst nur für sogenannte "Early Adopters" in Frage kommen, die bereit sind, für eine neue, spannende, umweltfreundliche Technologie einen höheren Preis zu bezahlen. Auch die Bewohner von innerstädtischen Wohnquartieren werden in der Regel nicht die primäre Zielgruppe sein. Denn wir werden es uns nicht leisten können, von Anfang an unsere Städte mit einer flächendeckenden öffentlichen Ladeinfrastruktur zu überziehen. Zumal wir noch weit von einheitlichen Standards bei den Ladesäulen entfernt sind und Fehlinvestitionen hier vermieden werden müssen. Zielgruppe werden vielmehr zunächst Garagenparker in den Vororten sein, die ihr Fahrzeug über Nacht am eigenen Stecker aufladen und damit tagsüber zur Arbeitsstätte pendeln.
Die dafür erforderlichen Reichweiten können Elektroautos in der Regel auch ohne öffentliche Ladesäulen abdecken. Daneben sind Plug-In-Hybridfahrzeuge, die auch über einen Verbrennungsmotor verfügen, für ein breiteres Nutzerspektrum attraktiv. Das wichtigste Einsatzfeld für Elektroautos aber ich sehe ich kurz- und mittelfristig bei Unternehmensflotten. Und das hat viele Gründe: - Unternehmen rechnen stärker mit den sogenannten Total Cost of Ownership. Ein Elektroauto ist zwar teurer in der Anschaffung, aber günstig im Betrieb. Eine Fahrt von hundert Kilometern kostet unter 4 Euro Strom, wenn man den Tarif eines Ökostromanbieters zugrunde legt. Auf diese Weise kann sich ein Teil der Mehrkosten auf Dauer wieder amortisieren. - Die Fahrzeuge können in der Regel während der Arbeitszeit oder nachts am Unternehmensstandort geladen werden. Damit sind sie auf öffentliche Ladeinfrastruktur nicht oder nur selten angewiesen. - Unternehmen können ihren Fahrzeugpool so gestalten, dass für kürzere Fahrten Elektroautos gebucht werden und für längere Fahrten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Die Nutzer haben dann immer das Fahrzeug zur Verfügung, das sie gerade benötigen. - Und zu guter Letzt: Wenn die Firmenfahrzeuge zu bestimmten Zeiten - beispielsweise nachts, am Firmenstandort stehen, dann ergeben ihre Batterien gebündelt einen starken Stromspeicher. Der - ich hatte es bereits angesprochen kann dem Energieversorger als Speicher insbesondere für Strom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung gestellt werden. Dadurch ergibt sich eine weitere Säule eines Geschäftsmodells zur Refinanzierung des Elektroautos. Viele dieser Voraussetzungen sind im Projekt Future Fleet gegeben, und deshalb werden wir im Bundesumweltministerium den Verlauf und die Ergebnisse dieses Projektes mit Spannung beobachten. Bei Future Fleet kommt vieles zusammen: Ein Unternehmen namens SAP, das schon früh die Vorteile von Elektrofahrzeugen erkannt hat und die eigenen Kompetenzen auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologie dazu nutzt, den elektrischen Fahrzeugpool intelligent zu steuern. Ein Energieversorger namens MVV, der besonders innovativ ist bei Fortentwicklung des Stromnetzes hin zu einem intelligenten Stromnetz und der den Strom für die Fahrzeuge aus erneuerbaren Energien bereitstellt. Erwähnen möchte ich auch den Hersteller der Fahrzeuge, auch wenn er selbst nicht teil des Projekts ist: Die Firma Fräger ist einer jener deutschen Mittelständler, die oft besonders flink auf neue Entwicklungen reagieren und die mit dem "Stromos" schon jetzt ein funktionstaugliches Elektroauto liefern kann. Und auch die Wissenschaft ist vertreten: Das Öko Institut, das Institut für sozial ökologische Forschung sowie die Hochschule Mannheim kümmern sich um Fragestellungen wie Ökobilanz, Akzeptanz und Änderung des Mobilitätsverhaltens. V. Ausblick
Damit Elektromobilität eine Erfolgsgeschichte wird und Deutschland Leitmarkt und Leitanbieter dieser jungen Technologie, sind noch viele Kraftanstrengungen erforderlich. Wir brauchen Unternehmen die den Mut haben Elektrofahrzeuge in den Markt einzuführen und zu nutzen. Wir brauchen aber auch ein Bekenntnis der Zivilgesellschaft und der Politik. Die Bundesregierung hat deshalb ihrerseits im Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität bereits eine klare Strategie zur Einführung der Elektromobilität verabschiedet. Sie hat im Anschluss einen breiten Konsultationsprozess gestartet. Selten hat es ein Gremium gegeben, wie die Nationale Plattform Elektromobilität, in der so viele gesellschaftliche Gruppen versammelt sind, von Industriekonzernen über Kommunen bis hin zu Umweltverbänden. Es ist nicht immer leicht, ein solches Gremium zu lenken, und dafür möchte ich Herrn Professor Kagermann, der den Vorsitz der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) übernommen hat, herzlich danken aber ich glaube, dass sich am Ende diese breite Zusammenarbeit auszahlen wird. Denn zu oft scheitert die Einführung neuer Technologie an der mangelnden gesellschaftlichen Akzeptanz. Die Bundesregierung wartet gespannt auf den zweiten Bericht der Nationalen Plattform Elektromobilität im Frühjahr, der viele Handlungsempfehlungen enthalten wird, und wird dann sehr schnell ihre Hausaufgaben machen und die notwendigen regulatorischen Maßnahmen ergreifen. Dazu werden mit Sicherheit Anreize für Unternehmen zur Anschaffung von Elektrofahrzeugen gehören. Es darf beispielsweise nicht sein, dass Elektrofahrzeuge bei der Dienstwagenregelung schlechter gestellt sind als vergleichbare konventionelle Fahrzeuge derselben Fahrzeugklasse. Doch Anreize, das müssen aber nicht ausschließlich finanzieller Natur sein. Interessant sind zum Beispiel auch Nutzerprivilegien für Elektrofahrzeuge. Wenn diese Fahrzeuge bestimmte städtische Zonen, Sonderspuren oder Parkplätze exklusiv nutzen dürfen, dann stellt dies einen erheblichen Anreiz dafür dar, elektrisch zu fahren. Das Bundesumweltministerium bereitet eine Verordnung zur Kennzeichnung von Elektrofahrzeugen vor, die die Voraussetzung hierfür ist. Allerdings sollten Elektroautos, wenn sie diese Privilegien in Anspruch nehmen wollen, auch tatsächlich umweltfreundlich sein - und das bedeutet, ihr Strom muss aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Die Bundesregierung wird aber auch selbst mit gutem Beispiel vorangehen und ihre eigene Fahrzeugflotte umstellen. Auf dem Elektromobilitätsgipfel der Bundeskanzlerin am 3. Mai 2010 haben wir hierzu eine nationale Beschaffungsinitiative beschlossen, die derzeit umgesetzt wird. VI. Abschluss
Lassen sie uns daran arbeiten, dass Deutschland in den kommenden Jahren zu einem Leitmarkt für Elektromobilität wird. Vielleicht werden ihre Enkel Sie dann einmal fragen wie das war, als Autos noch Lärm und Gestank verursachten und Benzin schluckten. Und Sie werden sagen können, dass Sie dabei waren, als die Weichen gestellt wurden in Richtung einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Mobilität. In diesem Sinne wünsche ich uns allen hier in Mannheim viel Vergnügen und Erkenntnisgewinn mit dem Projekt Future Fleet. Ich danke allen beteiligten Akteuren für ihr Engagement, ihren Einsatz und ihr Bekenntnis bei der Elektromobilität voranzuschreiten. Vielen Dank. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)