Die europäische Bankenaufsicht ein Fundament der Bankenunion

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Transkript:

Monatsbericht 06-2013 1 Die europäische Bankenaufsicht ein Fundament der Bankenunion Die einheitliche Bankenaufsicht im Euroraum wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2014 ihre operative Tätigkeit aufnehmen. Die Regelungen zu ihrer Errichtung stehen im Einklang mit drei zentralen wirtschaftspolitischen Zielsetzungen: Trennung zwischen Geldpolitik und Aufsicht unter dem Dach der EZB, Subsidiarität und Effizienz der Aufsichtsfunktion. Mit Blick auf die Zukunft müssen nun die weiteren Elemente der Bankenunion, insbesondere das einheitliche Aufsichtsrecht sowie das europaweit harmonisierte Sanierungs- und Abwicklungsregime, zügig zum Abschluss gebracht werden. Eine Lehre aus der Finanzkrise: gemeinsame Aufsicht für mehr Stabilität und Integrität Die Staats- und Regierungschefs des Euroraums haben sich am 29. Juni 2012 darauf geeinigt, eine einheitliche Bankenaufsicht unter Einbindung der EZB einzurichten. Diese Beschlüsse stellen somit die Weichen in Richtung einer europäischen Bankenunion, deren Kernbestandteile die gemeinsame Bankenaufsicht, ein einheitliches Bankenaufsichtsrecht, harmonisierte nationale Einlagensicherungssysteme und schließlich einheitliche bzw. stark harmonisierte Regime zur Bankensanierung und Restrukturierung sind (vgl. Abb. 1). Angesichts der Komplexität dieser Aufgabe sind noch zahlreiche politische und juristische Fragen zu klären: Während über die konkrete Ausgestaltung der letztgenannten Grundbestandteile noch verhandelt wird, konnte im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten am 18. April 2013 eine Einigung hinsichtlich der Bankenaufsicht erreicht werden. Abbildung 1: Kernbestandteile einer Europäischen Bankenunion Bankenunion EZB: direkte Aufsicht Aufsicht (SSM) Koordinierung mit nationalen Behörden Rechtsregeln (single rule book) Eigenkapitalforderungen Einlagensicherung Restrukturierungsrichtlinie Abwicklung (Krisenmanagement)

2 Monatsbericht 06-2013 Danach wird voraussichtlich bis Juli 2014 der einheitliche Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) seine operative Tätigkeit aufnehmen. In den Mitgliedstaaten des Euroraums sowie in anderen freiwillig teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten wird dann die EZB als Aufsichtsbehörde für die großen und grenzüberschreitend tätigen Banken zuständig sein. Auch Kreditinstitute, die offizielle finanzielle Unterstützung vom Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM) oder von der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) erhalten, werden der direkten Beaufsichtigung der EZB unterliegen. Ziel der gemeinsamen Bankenaufsicht auf europäischer Ebene ist eine verbesserte Funktionsweise des Binnenmarkts sowie größere Stabilität der Finanzmärkte: Wirksamere Beaufsichtigung zur Stärkung der Systemstabilität: Eine gemeinsame Aufsicht verhindert zum einen, dass nationale Behörden schleppend zugunsten der heimischen Kreditinstitute agieren (regulatory forbearance); zum anderen verfügt der supranationale Aufseher, der parallel Aufgaben der makroprudentiellen Aufsicht ausübt, über umfassendere Informationen von grenzüberschreitend tätigen Bankengruppen. Darüber hinaus soll der SSM zu einer Entkopplung zwischen Banken- und Staatsschulden beitragen, so dass die Solidität eines Instituts nicht mehr so eng mit der Stabilität des Mitgliedstaates der Niederlassung verknüpft ist. Kreditinstitute, die vergleichbare Dienstleistungen erbringen, werden durch den SSM denselben Aufsichtsstandards unterworfen: Im Einklang mit dem Prinzip der Wettbewerbsneutralität wirkt dies einer Fragmentierung der nationalen Finanzmärkte ein immer häufigeres Phänomen seit dem Ausbruch der Eurokrise entscheidend entgegen. Beide Wirkungen verbessern die Funktionsfähigkeit des Interbankenmarktes und rücken die Rolle der Banken als wichtigste Finanzintermediäre für die Realwirtschaft in den Vordergrund. Wirtschaftspolitische Herausforderungen bei der Ausgestaltung des Aufsichtssystems Während der Verhandlungen auf europäischer Ebene waren der Bundesregierung drei Ziele besonders wichtig. Diesen Anliegen trägt die Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (SSM-VO) vom 16. April 2013 wie folgt Rechnung: 1. Trennung zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht Zentraler Punkt für die Bundesregierung war die Sicherstellung einer Trennung von Geldpolitik und Bankenaufsicht, damit potenzielle Interessenkonflikte zwischen

Monatsbericht 06-2013 3 diesen Funktionen unter dem Dach der EZB nicht zu einer Gefährdung der Unabhängigkeit der Notenbank und mithin der Preisstabilität im Euroraum dem Hauptauftrag der EZB führen. Dieses Ziel soll insbesondere durch organisatorische und verfahrensmäßige Regelungen erreicht werden: Die Bankenaufsicht wird innerhalb der EZB mit eigenem Personal ausgeübt (vgl. Abb. 2). Beschlüsse werden durch das dazu eingerichtete zentrale Aufsichtsgremium gefasst. Um die Trennung zwischen der Geldpolitik und der mikroprudentiellen Aufsicht zu garantieren, richtet die EZB für Streitfälle eine Schlichtungsstelle ein. Diese soll im Falle eines Einspruchs des für die Geldpolitik zuständigen EZB-Rats gegen bankenaufsichtsrechtliche Beschlüsse den Dissens auflösen. 2. Subsidiarität und klare Aufgabenteilung Direkte Aufsichtsbefugnisse der EZB beschränken sich auf bedeutende Banken, d. h. Banken, von denen potenziell ein systemisches Risiko ausgeht. Die nationalen Aufsichtsbehörden der teilnehmenden Mitgliedstaaten, die über spezifische Kenntnisse verfügen, werden zudem gemäß der SSM-VO bei der alltäglichen Aufsicht sowie bei der Vorbereitung und Umsetzung der Beschlüsse eine wichtige Rolle spielen. Alle anderen Banken werden weiterhin von den nationalen Aufsichtsbehörden beaufsichtigt. Im Rahmen des SSM folgen die nationalen Behörden dabei den Aufsichtsleitlinien der EZB. 3. Effizienz der Aufsichtsfunktion Ein realistischer Zeitplan stellt sicher, dass die EZB die ihr übertragenen Aufsichtsbefugnisse effizient und gründlich ausüben kann. Vorgesehen ist, dass die EZB ihre operative Aufsichtstätigkeit ein Jahr nach Inkrafttreten der SSM-VO aufnimmt. Die EZB kann den Termin jedoch verschieben, falls sie beispielsweise aufgrund der erforderlichen personellen und organisatorischen Anpassungen noch nicht in der Lage ist, diese Aufgaben auszuüben. Sobald der SSM seine Tätigkeit effektiv aufgenommen hat, soll es gemäß der Erklärung der Staats- und Regierungschefs des Europäischen Rates vom Dezember 2012 möglich sein, dass der ESM Banken der Eurozone direkt rekapitalisiert. Hilfen der europäischen Steuerzahler für Banken kann es allerdings nur als Ultima Abbildung 2: Institutionelle Grundsätze der Trennung zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht unter dem Dach der EZB EZB Funktionen Ziele Instrumente Anwendungsbereich Organe Geldpolitik Preisstabilität (Hauptauftrag der EZB) Steuerung der Zinssätze und der Liquidität Euroraum Direktorium EZB-Rat Bankenaufsicht (mikroprudentielle Aufsicht) Stabilität einzelner Kreditinstitute Direkte Aufsichtsaufgaben und Koordinierung mit nationalen Behörden Euroraum und freiwillig teilnehmende EU-Mitgliedstaaten Aufsichtsgremium (Beschlüsse) EZB-Rat (Vetorecht) Schlichtungsstelle (Entscheidung mit einfacher Mehrheit)

4 Monatsbericht 06-2013 Ratio geben. Um moral hazard -Effekte zu vermeiden, muss deshalb aus Sicht der Bundesregierung eine klare Haftungskaskade gelten: Verluste einer Bank sind zunächst von der Bank und deren Anteilseignern, dann von deren Gläubigern, dann von den nationalen Restruk turierungs- und Abwicklungsfonds und dann vom nationalen Steuerzahler und erst zuallerletzt vom europäischen Steuerzahler zu tragen. In der Folge werden im Euroraum rund 150 bis 200 von circa 6.000 Kreditinstituten direkt von der EZB beaufsichtigt. Für Deutschland bedeutet dies, dass circa 40 von den rund 1.850 Kreditinstituten unter der EZB-Aufsicht stehen. Die große Mehrheit unterliegt weiterhin der direkten Aufsicht der nationalen Behörden (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin, und Bundesbank). Das System in der Praxis Spagat zwischen EZB und nationalen Behörden Der SSM bezieht sich nicht nur auf Eurostaaten; er sieht zudem eine klare Aufgabenteilung zwischen der EZB und den nationalen Bankenaufsichtsbehörden, die Trennung zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht unter dem Dach der EZB sowie konkrete Rechenschaftspflichten vor: Berücksichtigung der Mitgliedstaaten außerhalb der Eurozone Durch ein opt-in -System können Mitgliedstaaten außerhalb der Eurozone an dem SSM teilnehmen. In diesem Fall nimmt die EZB Aufgaben in enger Zusammenarbeit mit den nationalen zuständigen Aufsichtsbehörden wahr. Kreditinstitute unter der Aufsicht der EZB Die EZB beaufsichtigt Kreditinstitute, deren Niederlassungen sich in den teilnehmenden Mitgliedstaaten befinden und deren Gesamtwert der Aktiva 30 Milliarden Euro übersteigt oder mehr als 20 Prozent des natio nalen BIP entspricht. Die direkte Beaufsichtigung durch die EZB ist zudem für Kreditinstitute vorgesehen, die Unterstützung des ESM oder der EFSF erhalten. Ungeachtet dieser Kriterien unterliegen die jeweils drei bedeutendsten Kreditinstitute in jedem teilnehmenden Mitgliedstaat der Beaufsichtigung der EZB. Darüber hinaus verfügt die EZB über ein Selbsteintrittsrecht, so dass sie in den teilnehmenden Mitgliedstaaten die Aufsichtsaufgaben über alle zugelassenen Kreditinstitute und Zweigstellen wahrnehmen darf, wenn dies zur Sicherstellung der einheitlichen Anwendung hoher Aufsichtsstandards erforderlich sein sollte. Aufsichtsbefugnisse der EZB Aufgabe der EZB ist es konkret, über die Vergabe und den Entzug von Banklizenzen zu entscheiden, grenzüberschreitende Aktivitäten von Kreditinstituten und von Finanzkonglomeraten zu beaufsichtigen, Anträge auf Erwerb oder Veräußerung von qualifizierten Beteiligungen an Kreditinstituten zu bewerten und Verschuldung und die Liquiditätsquote zu überwachen. Der EZB werden ferner Informations- und Ermittlungsrechte sowie Eingriffs- und Sanktionsbefugnisse eingeräumt. Dagegen bleiben die nationalen Behörden generell zuständig für Bereiche wie Verbraucherschutz und Geldwäschebekämpfung. Zudem übernehmen sie die Beaufsichtigung von Drittlandskreditinstituten, die in einem Mitgliedstaat eine Niederlassung gründen oder grenzüberschreitende Dienstleistungen erbringen. EZB-Entscheidungsorgane und -verfahren innerhalb der Bankenaufsicht Das Aufsichtsgremium setzt sich aus einem Vorsitzenden und einem Stellvertreter, vier Vertretern der EZB, die keine Aufgaben im Bereich Geldpolitik übernehmen, und je einem Vertreter der nationalen Behörden jedes teilnehmenden Mitgliedstaats zusammen. Entscheidungen des Aufsichtsgremiums kann der EZB-Rat als oberstes EZB-Beschlussorgan widersprechen. Der EZB-Rat umfasst die sechs Mitglieder des Direktoriums sowie die Präsidenten der nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten des Euroraums. Legt der EZB-Rat gegen eine Entscheidung des Aufsichtsgremiums Einspruch ein, wird der Fall an eine Schlichtungsstelle verwiesen. Diese legt die Meinungsverschiedenheiten der Aufsichtsbehörden der betroffenen teilnehmenden Mitgliedstaaten in Bezug

Monatsbericht 06-2013 5 auf Einwände des EZB-Rats gegen einen Beschluss des Aufsichtsgremiums bei. Die Schlichtungsstelle besteht aus je einem Vertreter eines teilnehmenden Mitgliedstaates und fasst ihre Beschlüsse mit einfacher Mehrheit. Jedes Mitglied verfügt über eine Stimme. Rechenschaftspflicht Die EZB muss dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union als demokratisch legitimierten Organen Rechenschaft ablegen. Zudem dürfen die nationalen Parlamente der teilnehmenden Mitgliedstaaten Bemerkungen an die EZB bezüglich der Ausübung ihrer Aufsichtsaufgaben richten. Nächste Schritte zur Vollendung der Bankenunion Um die Bankenunion zu vollenden, muss der SSM seine operative Tätigkeit aufnehmen. Darüber hinaus müssen die Arbeiten zur Ausgestaltung der weiteren Säulen der Bankenunion zügig vorangetrieben werden. Im Einzelnen: Operatives Tätigwerden des SSM Nach der politischen Einigung im ECOFIN-Rat wird die SSM-VO im Europäischen Parlament und im Rat voraussichtlich im Juli 2013 verabschiedet 1 (vgl. Kasten 1). Kasten 1: Von der Weichenstellung bis zum operativen Beginn des SSM 29. Juni 2012: Die Mitglieder des Euro-Währungsgebiets beauftragen die Europäische Kommission, einen Vorschlag für eine europäische Bankenaufsicht unter Einbeziehung der EZB zu unterbreiten. 12. September 2012: Die Kommission beschließt ein Maßnahmenpaket, das: eine Mitteilung mit dem Fahrplan für eine Bankenunion sowie die folgenden zwei legislativen Vorschläge in Anlehnung an den Artikel 127 Absatz 6 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union umfasst: 1. Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (SSM-VO), 2. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA-VO). 13. 14. Dezember 2012: Der ECOFIN-Rat einigt sich über die allgemeine Ausrichtung zu den oben genannten legislativen Vorschlägen. 18. Dezember 2012: Die Trilogverhandlungen zwischen der Ratspräsidentschaft, der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament zu den oben genannten legislativen Vorschlägen werden aufgenommen. 19. März 2013: Einigung im Trilog 18. April 2013: Der ECOFIN-Rat billigt die VO-Texte. 21. Mai 2013: Erste Lesung im Europäischen Parlament Voraussichtlich: 2. 4. Juli 2013: Förmliche Anhörung im Europäischen Parlament 9. Juli 2013: Formelle Zustimmung des ECOFIN-Rats Bis Ende Juli 2013: Verabschiedung der VO-Texte im Europäischen Parlament und Rat der Europäischen Union Bis Juli 2014: Beginn der operativen Aufsicht durch den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus 1 Für eine förmliche Zustimmung im Rat ist in Deutschland gemäß Artikel 23 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes die Verabschiedung eines Zustimmungsgesetzes erforderlich, zu dem das Gesetzgebungsverfahren in den nächsten Monaten abgeschlossen wird.

6 Monatsbericht 06-2013 Im informellen ECOFIN-Rat am 12. und 13. April 2013 haben die Finanzminister des Euroraums zudem bekräftigt, Vorschläge für Vertragsänderungen zu erarbeiten, um durch einen eigenen Governance-Strang eine vollständige und rechtlich eindeutige organisatorische Trennung zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht bei der EZB sicherzustellen. Außerdem wird eine gleichberechtigte Beteiligung von Nicht-Eurozonenstaaten (diese sind nicht Mitglieder des EZB-Rats) an der Entscheidungsfindung angestrebt. Weitere Elemente der Bankenunion Eine gemeinsame Aufsicht benötigt einheitliche Rechtsregeln (single rule book), aufgrund derer die entsprechenden Beschlüsse im nationalen Recht gefasst werden können. Beispielsweise müssen die Basel III - Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen umgesetzt, die Einlagensicherungssysteme harmonisiert und die Restrukturierung angeschlagener Institute geregelt werden. Falls die Insolvenz eines Kreditinstituts nicht zu vermeiden ist, müssen anfallende Verluste nach einer klaren Haftungskaskade übernommen werden. Mit einem bail in -Instrument muss so rasch wie möglich sichergestellt werden, dass die Kosten der Bankenrettungen nicht mehr zulasten der Steuerzahler externalisiert werden ( bail out ), sondern vorrangig von Eigentümern und Gläubigern zu tragen sind. Fazit: Das Fundament für eine europäische Bankenaufsicht ist gelegt nun kann gebaut werden Bei der Ausgestaltung des künftigen europäischen Bankenaufsichtssystems hat die Bundesregierung grundlegende ordnungspolitische Prinzipien eingebracht. Hier gilt es auch weiterhin strikt darauf zu achten, dass Handeln und Haften auf der Basis einheitlicher und strenger bankenaufsichtsrechtlicher Maßstäbe miteinander verbunden bleiben. Dann wird das System dazu beitragen, Bankengruppen solider zu machen, systemrelevante Risiken früher zu erkennen und Dominoeffekte zu vermeiden. Allerdings genügt die gemeinsame Aufsicht nicht, um der too big to fail -Problematik effektiv zu begegnen. Auf dem Weg zu einer Bankenunion sind weitere Schritte notwendig: insbesondere ein effektiver, grenzüberschreitender Rahmen, der auch eine geordnete Restrukturierung und Abwicklung von Banken in jedem Mitgliedstaat ermöglicht. Ziel ist und bleibt es, das Vertrauen in die Finanzmärkte und den Euro zu stärken sowie Handlung und Haftung wieder enger zusammenzuführen. Kontakt: María José López Calvo Referat Geld, Kredit, Finanzmärkte