Erkennen von Anhaltspunkten psychischer Erkrankung in der Elternschaft



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Transkript:

Erkennen von Anhaltspunkten psychischer Erkrankung in der Elternschaft Lotte Knoller, Psych. Psychotherapeutin, Landeskoordinierungs-und Servicestelle Netzwerke Frühe Hilfen

Geburten (Christiane Deneke: Kinder psychisch kranker Eltern; in: projugend 1/2004) Entbindung als Auslöser psychischer Krisen Latent vorhandene Probleme wandeln sich zu definierten psychischen Erkrankungen Risiko einer Frau psychotisch zu werden ist in den ersten Tagen nach der Geburt des Kindes 20-30 mal höher als im sonstigen Leben Hospitalisierungshäufigkeit in der Psychiatrie 35-fach erhöht Auftreten postpartaler Depressionen in ca. 10 % aller

Psychische Erkrankung beeinträchtigt die Risiko für die kindliche Entwicklung Wahrnehmung der kindlichen Bedürfnisse Unter-/Fehlversorgung des Kindes Unter-/Überstimulierung Auslösung von Verwirrung und Angst beim Kind bis hin zur Retardierung erhöhtes Risiko des Kindes, im Lauf der Entwicklung selbst psychisch zu erkranken

Erkrankungsrisiko des Kindes Schizophrenie eines Elternteils - Risiko, schizophren zu erkranken von 1% auf 10-13% erhöht - unspezifische behandlungsbedürftige Störungen in 40-60% affektive Erkrankung eines Elternteils - Risiko für Depression 3fach,für Panikstörung und Sucht 5fach erhöht - unspezifische behandlungsbedürftige Störungen um 50% Persönlichkeitsstörungen, Sucht -ungünstigste Entwicklungsmerkmale, vor allem, wenn Gewalttätigkeit eine Rolle spielt Angststörung eines Elternteils - 7-fach erhöhtes Risiko für Angsterkrankung (Deneke, 2004)

Belastung für die kindliche Entwicklung abhängig von: Schwere und Chronizität der elterlichen Erkrankung Beginn vor oder bald nach der Geburt Einbezug des Kindes in ein elterliches Wahn-, Angst-, Zwangssystem Vulnerabilität des Kindes durch Frühgeburt, schwieriges Temperament, etc. Abwesenheit bzw. mangelnde emotionale Verfügbarkeit des anderen Elternteils Soziale Isolation der Familie

Hinweise auf Erkrankungsrisiken eines Eltern(teils) biografische Hinweise psychische Erkrankungen/Sucht in der Herkunftsfamilie Gewalt-Erfahrungen Trennungen in der frühen Kindheit aktuelle persönliche Situation der/des Eltern(teils) Isolation Schwierigkeiten in der Partnerschaft emotionale Instabilität

Anzeichen in der Eltern-Kind-Beziehung Unterstimulierung des Kindes Elternteil im Kontakt emotional wenig verfügbar, mit der alltäglichen Versorgung des Kindes überfordert, mangelndes Gefühl für die Körperlichkeit des Kindes, Ungeschicklichkeit, Unorganisiertheit, Unterbrechung der Handlungsabläufe durch Denkstörungen (Beobachtung bei schizophren erkrankten Müttern) beeinträchtigte Responsivität Flache Mimik, weniger Blickkontakt, Sprache, Berührung, Aufmerksamkeit auf Signale des Kindes eingeschränkt (Beobachtung bei depressiv erkrankten Müttern) unzureichende sprachliche Kontaktaufnahme

Anzeichen in der Eltern-Kind-Beziehung Überstimulation zudringliches, nicht auf das Kind abgestimmtes Verhalten Negatives inneres Modell elterlicher Fürsorge viel Druck beim Pflegen und Füttern, allgemein stärkere Anspannung, weniger sensitives, stärker kontrollierendes Verhalten (Beobachtung bei Müttern mit Angst-und Zwangsstörung) Verzerrte Wahrnehmung z.b. Weinen wird als Aggression, Eigenmotilität als Verlassenwerden empfunden (Beobachtung bei Müttern mit Borderline-Störungen)

Anzeichen in der Eltern-Kind-Beziehung Wechsel von Über/Unterstimulation erstickende Zärtlichkeit / aggressive Ablehnung Ambivalenz den Nähebedürfnissen des Kindes gegenüber (Beobachtung bei Müttern mit Borderline-Störungen) Unterbrechungen des vorherrschenden Interaktionsmusters scheinbar unmotiviert durch Dissoziation: längere oder kürzere Phasen von Geistesabwesenheit Angstreaktionen (Beobachtungen bei Müttern mit posttraumatischen Belastungsstörungen)

4. Leitfragen zum Erkennen von Anzeichen a) Wahrnehmung des Kindes Wie beschreiben die Eltern ihr Kind (als Last, als Monster,...)? Kann der Elternteil die Bedürftigkeit des Kindes wahrnehmen und aushalten? Kann das Kind als ein vom Elternteil getrenntes Wesen wahrgenommen werden? Wird das Kind als Spielzeug betrachtet?

4. Leitfragen zum Erkennen von Anzeichen b) Grundversorgung des Kindes Ist der Elternteil in der Lage, das Kind regelmäßig zu versorgen? Ist der Elternteil in der Lage, das Kind adäquat zu versorgen? Hat der Elternteil ein Gefühl für angemessene Hygiene und Kleidung? Wird das Ruhe-Bedürfnis des Kindes respektiert?

4. Leitfragen zum Erkennen von Anzeichen c) Beziehung zum Kind Beschäftigt sich der Elternteil mit dem Kind, gibt er ihm Anregungen? Ist der Elternteil in der Lage, das Explorationsverhalten des Kindes einzuschätzen? Spricht der Elternteil mit dem Kind?

4. Leitfragen zum Erkennen von Anzeichen d) Erwartungen an das Kind Hat der Elternteil angemessene Vorstellungen von der Nachahmungs-und Leistungsfähigkeit des Kindes? e) Empathiefähigkeit Kann sich der Elternteil in das Kind einfühlen? f) Zurückstellung eigener Bedürfnisse Ist der Elternteil in der Lage, eigene Bedürfnisse g) Beherrschung von Aggressionen zurückzustellen? Kann der Elternteil Affekte zurückhalten?

Literatur: Deneke, Christiane: Kinder psychisch kranker Eltern, in: projugend 1/04 Deneke, Christiane : Säuglinge und Kleinkinder mit psychisch kranken Eltern, in Frühe Kindheit 2/04 Lenz, Albert: Kinder und Partner psychisch kranker Menschen, DGVT 2008

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!