SPD-Bezirksparteitag Hessen-Nord 3. September 2011 Stadthalle Baunatal. SPD-Bundesparteitag, SPD-Bundestagsfraktion



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Transkript:

SPD-Bezirksparteitag Hessen-Nord 3. September 2011 Stadthalle Baunatal Antrag: SG 1 Antragsteller: Adressat: Betr.: SPD-Bezirksvorstand SPD-Bundesparteitag, SPD-Bundestagsfraktion Alle von Allem den gleichen Anteil - Solidarische Bürgerversicherung umsetzen Der Bezirksparteitag beschloss: Alle von Allem den gleichen Anteil - Solidarische Bürgerversicherung umsetzen Der SPD-Bezirk Hessen Nord fordert die Umsetzung der solidarischen Bürgerversicherung. Bürgerversicherung bedeutet gute gesundheitliche und medizinische Versorgung für alle und gerechte Lastenverteilung auf alle. Jeder und jede sollen entsprechend seiner / ihrer Leistungsfähigkeit beitragen. Das bedeutet für uns: 1. Alle sind bürgerversichert. Alle neu und erstmals krankenversicherten sind ebenso wie alle gesetzlich Versicherten bürgerversichert. Wer bereits privat versichert war, kann unter Mitnahme seiner angesparten Altersrückstellungen in die Bürgerversicherung wechseln. Es gibt keine neuen Privatversicherten. 2. Es gelten die Regeln der solidarischen Krankenversicherung: - Umlagefinanzierter prozentual einkommensabhängiger Beitrag auf alle Einkommen - Kontrahierungszwang: jede Anbieter muss jeden Versicherten ohne Gesundheitsprüfung etc. aufnehmen - Sachleistungsprinzip: jeder und jede erhält alle notwendigen und zweckmäßigen Leistungen - Familienmitversicherung - Teilnahme am Risikostrukturausgleich 3. GKV und PKV können den einheitlichen Tarif zur Bürgerversicherung anbieten. 4. Die Finanzierung erfolgt über das Drei-Säulen-System: - Den Bürgerbeitrag (Arbeitnehmerbeitrag) leisten alle Bürgerinnen und Bürger auf alle Einkommen aus selbstständiger und unselbstständiger Arbeit prozentual bis Beitragsbemessungsgrenze - Der Lohnsummenbeitrag (Arbeitgeberbeitrag) wird als prozentualer Beitrag auf die gesamte Lohn- / Gehalts- / Honorar- / Zusatzleistungssumme eines Unternehmens bzw. der Selbständigen ohne Beitragsbemessungsgrenze erhoben. - Die paritätische Finanzierung wird wieder eingeführt.

- Die Erhebung und Heranziehung sonstiger Einkommen (Kapital- und Vermögenserträge) erfolgt durch einen dynamisierten Aufschlag auf die Abgeltungssteuer in Höhe der Summe aus Bürger- und Lohnsummenbeitrag. Hierdurch sollte etwa ein Drittel der Finanzierung erfolgen. - Langfristig wollen wir das Prinzip Alle von Allem den gleichen Anteil gleicher Beitrag auf alle Einkommen ohne Beitragsbemessungsgrenze umsetzen. 5. Statt Zweiklassenmedizin sollen im ambulanten Bereich einheitliche Honorare gezahlt werden. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist die Absicherung im Krankheitsfall ein soziales Menschenrecht. Es uneingeschränkt zu gewährleisten ist die Pflicht eines modernen Sozialstaates. Deshalb wollen wir die Krankenversicherung in Deutschland künftig am Bürgerprinzip orientieren. Dieses Vorhaben steht in scharfem Kontrast zur Gesundheitspolitik der schwarz-gelben Koalition. CDU/CSU und FDP haben die solidarische und gerechte Finanzierung von Gesundheitsleistungen aufgekündigt und verschärfen die Unterschiede in der Versorgung nach Einkommen. Gesundheit ist eines der wichtigsten politischen Themen für alle Bürgerinnen und Bürger. Damit stellt unser Konzept der Solidarischen Bürgerversicherung zugleich einen wichtigen Beitrag für die Auseinandersetzung zur Bundestagswahl 2013 dar. Es gilt, die Mehrheit für eine Bürgerversicherung zu einer Mehrheit für die Sozialdemokratie zu machen. Gesundheit ist ein hohes Gut. Jede und jeder hat ein Recht auf beste Bedingungen auf Erhalt und Wiederherstellung seiner / ihrer Gesundheit, unabhängig von Einkommen, Status, Geschlecht, Herkunft oder anderen Merkmalen. Dazu gehört auch, dass die Finanzierungslasten gerecht und nach Leistungsfähigkeit verteilt werden und zugleich eine stabile Finanzierung gute Versorgung für alle auf Dauer garantiert. Statt einer gerechten Lastenverteilung in der Finanzierung des Gesundheitswesens beobachten wir seit Jahren eine zunehmende Ungerechtigkeit, sowohl in der Lastenverteilung wie im Zugang zu guter Versorgung: - Die Lastenverteilung ist durch die alleinige Lohngebundenheit weit von einer gerechten Verteilung nach Leistungsfähigkeit entfernt. Trotz stabiler Ausgabenlast führt die sinkende Lohnquote zu steigenden Beitragssätzen und damit einer Steigerung der übermäßigen Belastung der Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen. Dieser Grundfehler hat durch die Umverteilung der letzten 3 Jahrzehnte deutlich an Gewicht gewonnen: wäre die Relation Lohn zu Kapitalerträgen heute noch so wie 1980, so läge der Beitrag 3 % niedriger als heute. - Die Möglichkeit gesunder Besserdienender, sich durch private Krankenversicherung der Solidarität zu entziehen sowie die Beitragsbemessungsgrenze, die auch in der GKV höhere Einkommen schützt, tragen erheblich zur ungerechten Lastenverteilung bei und gefährden die Solidarität und Akzeptanz aller für unser Gesundheitswesen. Diese im Vergleich der Industriestaaten besonders ungerechte Verteilungswirkung mit maximaler Belastung der Mittelschichten wird regelmäßig auch von der OECD kritisiert. - Seit langem ist bekannt, dass Gesundheitschancen und Lebenserwartung bei uns erheblich von Einkommen und Sozialstatus abhängen. Durch Privilegierung gesunder Besserverdienender in der PKV werden diese Unterschiede zunehmend durch unterschiedliche Zugangschancen zu einer unerträglichen Zwei-Klassen-Medizin verschärft.

Privatisierung und Ökonomisierung des Gesundheitswesens machen zunehmend Gesundheit zur Ware, die nur bekommt, wer zahlungskräftig ist. Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen und Versorgungslage der Bürgerinnen und Bürger verschlechtern sich, vor allem im ländlichen Raum und in benachteiligten Quartieren der Metropolen. Unsere Lösung: Solidarische Bürgerversicherung Die Nordhessischen Sozialdemokratinnen und -demokraten stehen daher konsequent zum Modell der Solidarischen Bürgerversicherung. Nur die Solidarische Bürgerversicherung kann eine gute Versorgung und eine gerechte Lastenverteilung für alle Bürgerinnen und Bürger sicherstellen. Dazu gehört für uns zunächst die Finanzierung nach Leistungsfähigkeit. Alle tragen von Allem mit dem gleichen Anteil bei. Alle sind bürgerversichert. Ein geschontes Sondersystem wie die Private Krankenversicherung lehnen wir ab. Alle Einkommen tragen nach Leistungsfähigkeit, also mit dem gleichen prozentualen Beitrag auf alle Einkommen ohne Beitragsbemessungsgrenze bei. Nur so kann die bestehende Umverteilung von Unten nach oben beendet werden. Das ist zugleich die einfachste, unzweifelhaft gerechteste und in der Bevölkerung mehrheitsfähige Lösung. Die Bürgerversicherung zugleich das einzige dauerhaft demographieresistente Modell. Zudem kann die volle Teilhabe an den Errungenschaften des medizinischen Fortschritts als Teil des allgemeinen technischen und wirtschaftlichen Fortschritts gerade und nur durch die Bürgerversicherung sichergestellt werden. Ein Drei-Säulen-Modell Die Nordhessischen Sozialdemokraten begrüßen und unterstützen die Initiative des Parteivorstandes für eine Weiterentwicklung der Bürgerversichrung und den Beschluss des SPD-Präsidiums vom 11. April 2011. Hiermit wurde eine wichtige Grundlage für die weitere Diskussion innerhalb der Partei gelegt. Es gilt, dieses Konzept so zu entwickeln, dass es den oben genannten Kriterien entspricht. Wir wollen, dass alle Bürgerinnen und Bürger in einer Bürgerversicherung versichert sind. Alle Gesetzlich Versicherten sind damit bereits bürgerversichert. Jede, die und jeder, der sich neu krankenversichert, wird Mitglied eines Anbieters von Bürgerversicherung. Allen bislang Beihilfeberechtigten sowie Personen, die derzeit in einer privaten Krankenversicherung versichert sind, wird für einen Übergangszeitraum der Wechsel in die Bürgerversicherung unter Mitnahme der Alterungsrückstellungen im Umfang des Basistarifes in z. B. ein Sondervermögen des Gesundheitsfonds ermöglicht. Die Nordhessischen Sozialdemokraten begrüßen, dass zukünftig alle Einkommen gerecht in die Finanzierung der Bürgerversicherung einbezogen werden sollen. Dabei soll das sozialdemokratische Zwei-Säulen-Modell entsprechend dem Beschluss des Präsidiums zu einem Drei-Säulen-Modell weiterentwickelt werden. Der Finanzierungsanteil der Erwerbseinkommen wird auf zwei Säulen aufgeteilt, die dritte Säule verbeitragt die Vermögenseinkünfte. Wir verstehen das Modell wie folgt: Die erste Säule ist der Bürgerbeitrag. Er wird von allen Bürgerinnen und Bürgern als gleicher prozentualer Beitrag auf alle Erwerbseinkommen (aus Lohn, selbstständiger Tätigkeit, unternehmerischer Tätigkeit, u. s. w.) bis zur bestehenden Beitragsbemessungsgrenze erhoben. Er entspricht dem bisherigen Arbeitnehmerbeitrag. Wir unterstützen dieses Konzept. Langfristig halten wir eine Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze auch hier für erforderlich, da das die gerechteste und verfassungsmäßige Lastenverteilung darstellt und alle Einkommen bis etwa 100.000 Euro Jahreseinkommen entlastet. Eine geringe Anhebung der Bemessungsgrenze sollte nur so weit erfolgen, wie durch den zugleich sinkenden Beitragssatz in der Bürgerversicherung eine zusätzliche Belastung der am stärksten zur Solidarität beitragenden belasteten Mittelschichten unterbleibt.

Die zweite Säule ist der Lohnsummenbeitrag. Das ist der Beitrag der Arbeitgeber: Es wird auf alle durch Arbeitgeber ausgeschütteten Arbeitsentgelte, Honorare, Boni oder Unternehmerentnahmen ein gleicher, prozentualer Beitrag ohne Beitragsbemessungsgrenze erhoben. Selbstständige und Unternehmenseigentümer leisten diesen Beitrag selbst. Die Summe von erster und zweiter Säule entspricht dem bisherigen Beitrag zur Gesetzlichen Krankenversicherung. Die dritte Säule ist der Beitrag auf die leistungslosen Einkommen, also solche, die keine Erwerbseinkommen sind, wie insbesondere Zins- und Kapitaleinkommen, oberhalb des Sparerfreibetrages. Er wird ohne Bemessungsgrenze erhoben. Der Beitragssatz bzw. die Beitragsbelastung (s. u.) muss um eine gerechte Belastung von Kapitaleinkommen wie Arbeitseinkommen sicher zu stellen - der Summe der Beitragssätze von erster und zweiter Säule entsprechen, entsprechend der Verbeitragung von Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit: auch hier zahlt der Versicherte den Arbeitnehmer- und den Arbeitgeberanteil. Eine Privilegierung von Vermögenseinkünften lehnen wir ab. Nach unseren Schätzungen sollte diese Säule mittelfristig etwa ein Drittel des Finanzbedarfs der Bürgerversicherung decken. Paritätische Finanzierung wieder herstellen Die Paritätische Finanzierung wird über das Verhältnis von erster und zweiter Säule zu einander wieder hergestellt. Die Nordhessische SPD spricht sich für einen gleichen prozentualen Beitragssatz in der ersten und zweiten Säule aus. So wird deutlich, dass es uns ernst ist mit der Parität. Zudem ist ein Verfahren, bei dem der gleiche Betrag in erster und zweiter Säule mit unterschiedlichen Beitragssätzen erhoben werden soll, problematisch. Ein solches Verfahren erfordert ständige kurzfristige Korrekturen und kann nur schwer vermittelt werden. Lohnsummenbeitrag für alle Bürger, auch im Übergang Gegen das gegenwärtig vom Parteivorstand vorgeschlagene Modell nur für Bürgerversicherte wird der Lohnsummenbeitrag (zweite Säule) entrichtet gibt es erhebliche rechtliche Bedenken, weil der originäre Beitrag der Arbeitgeber nicht vom Versicherungsstatus der Beschäftigten abhängen kann. Zudem können Arbeitgeber kurzfristig gutverdienende Beschäftigte noch in die PKV drängen, um den Lohnsummenbeitrag zu umgehen. Außerdem führt dieses Modell zu einer massiven Belastung der öffentlichen Haushalte, die für ältere Beamte und Ruhegehaltsbezieher volle Beihilfeleistungen und für junge gesunde bürgerversicherte Beamte den Lohnsummenbeitrag entrichten müssen. Für den Hessischen Landeshaushalt würde das in der Spitze ca. 50 bis 100 Millionen Euro pro Jahr Mehrbelastung bedeuten, abhängig von der Wechselrate der Beamten in die Bürgerversicherung. Der Arbeitgeberanteil ist der eigenständige Beitrag der Arbeitgeber zur Krankenversicherung. Er ist unabhängig von Versicherungsentscheidungen des einzelnen Beschäftigten. Deshalb wird er auf alle Erwerbseinkommen erhoben, auch dann, wenn der Beschäftigte in der Übergangszeit zur Bürgerversicherung in einer privaten Krankenversicherung oder im Beihilfebezug verbleibt. Privatversicherten wird der bisherige Arbeitgeberzuschuss aus dem Fond erstattet. Beamte, die nicht in die Bürgerversicherung wechseln, erhalten Beihilfeleistungen aus dem Fond, mit der Abwicklung kann eine Krankenkasse beauftragt werden. Die Gesetzliche Krankenversicherung erhält für die Bezieher von Arbeitslosengeld I und II, Sozialhilfeleistungen oder Grundsicherung einen vollwertigen Beitrag. Für Selbständige mit geringem Einkommen wird ein fairer Mindestbeitrag ab 401 Einkommen erhoben. Dritte Säule über dynamisierten Steuerbeitrag sichern

Für die dritte Säule gilt: solange eine systematische Erfassung von Vermögenseinkommen nicht erfolgt und auch steuerlich über Abgeltungssteuern bestritten wird, kann die Erhebung durch einen Aufschlag auf den Vermögensertrag bezogene Steuern erfolgen, die dann dem Gesundheitsfond zugeführt werden. Dabei ist auch eine entsprechende Steuerquelle sowie eine entsprechend dynamisierte Zuführung in den Gesundheitsfond jenseits der Finanzierung der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben (wie z. B. der zusätzliche Investitionsbedarf der Krankenhäuser, der öffentliche Gesundheitsdienst oder auch die schwangerschaftsbezogenen Leistungen der GKV) dauerhaft sicherzustellen. Ein Risiko steuerfinanzierter Gesundheitsversorgung (wie an Prävention und Krankenhausinvestitionen auch in Deutschland gut erkennbar) besteht immer in der unangemessenen Kürzung, der durch eine entsprechende Dynamisierung oder Anspruchsformulierung zu Gunsten des Gesundheitsfonds an den Bundeshaushalt vorzubeugen ist. Die Gesundheitsversorgung muss der Willkür des Haushaltsgesetzgebers und den Auswirkungen der Schuldenbremse entzogen sein. Die Leistungen Die Bürgerversicherung bietet einen umfassenden Leistungskatalog, der alle notwendigen, zweckmäßigen und wirtschaftlich erbrachten Leistungen umfasst. Zuzahlungen, Pauschalierung sowie der Ausschluss notwendiger und wirksamer, aber nicht rezeptpflichtiger Medikamente wird zurückgenommen. Die Positivliste wird eingeführt. Der Zahnersatz wird wieder vollständige in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung / Bürgerversicherung Den einheitlichen Tarif zur Bürgerversicherung können sowohl die bestehenden gesetzlichen Krankenversicherungen als auch private Krankenversicherungen anbieten, sofern sie das genau Gleiche anbieten wie die gesetzlichen Bürgerversicherungen. Die Erfüllung eines umfassenden Merkmalskatalogs ist zu zertifizieren. Ärztliche Behandlung darf nicht vom Geldbeutel abhängen. Wir schaffen die honorierungsbedingte Zwei-Klassen Medizin im ambulanten Bereich sofort durch eine einheitliche Honorarordnung ab. Damit wird eine Privilegierung von privatversicherten Patientinnen und Patienten durch Ärztinnen und Ärzte aus ökonomischen Motiven ausgeschlossen. Weitere Perspektiven Zu einem modernen und gerechten Gesundheitswesen gehören für uns auch gleiche Gesundheitschancen für alle, sowohl vor, während und nach einer Erkrankung. Eine um 10 Jahre kürzere Lebenserwartung für Arme, eine doppelt so hohe Sterblichkeit armer Kinder, aber auch unterschiedlicher Zugang insbesondere zu Spezialisten für Gesetzlich- und privat Versicherte oder deutlich unterschiedliche Versorgung sowohl zwischen armen und reichen Regionen oder Stadtteilen als auch zwischen den Metropolenzentren und ländlichen Regionen sind ein unerträglicher und unhaltbarer Zustand. Bürgerversicherung bedeutet für uns gute Versorgung für alle nach Bedarf und nicht nach Portemonnaie. Die Sicherstellung guter Gesundheitschancen aller ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge und kann nicht der Ideologie der Marktradikalen überlassen werden. Deshalb wollen wir eine Honorierung medizinischer Leistungen unabhängig von Versichertenstatus, eine Stärkung der öffentlichen Verantwortung und Möglichkeiten für die konkrete Versorgung vor Ort und klare (Personal-) Standards, die Qualität und gute Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen sichern. Gesundheit ist keine Ware. Deshalb wollen wir die Privatisierung, Ökonomisierung und Gewinnorientierung des Gesundheitswesens zurückführen. Krankenhäuser und Medizinische Versorgungszentren gehören in öffentliches oder frei-gemeinnütziges Eigentum. Sie sollen immer als gemeinnützige Einrichtungen betrieben werden. Zur Sicherung einer guten Versorgung brauchen wir klare Sicherheitsstandards, insbesondere gesetzliche

Personalstandards in den Krankenhäusern. Die Verantwortung für eine gute, integrierte, Sektoren übergreifende Versorgung ambulant und stationär gehört wieder in regionale öffentliche Verantwortung. Eigenverantwortung heißt mitreden und mitentscheiden. Wir wollen die Selbstverwaltung in der Bürgerversicherung stärken, die Versicherten stärker einbeziehen und die demokratischen Strukturen weiter ausbauen. Zugleich wollen wir eine starke, auch finanziell abgesicherte Patientenvertretung auf allen Ebenen entwickeln.