Prof.Dr.Hans Eberspächer Institut für Sportwissenschaft Universität Heidelberg hans.eberspaecher@issw.uni-heidelberg.de Mentales Training Grundlagen, Effekte, Anwendung 1. Der Mensch als bio ökosozial mentales System In der Entwicklung eines Ansatzes zur systematischen Handlungsregulation erachten wir das Paradigma vom handelnden Menschen als einem bio ökosozial mentalen System als weiterführend (Eberspächer 2004). Dieser Ansatz geht ganz wesentlich auf Jakob von Uexküll (1920) zurück und wurde später u.a. durch den Leipziger Tätigkeitspsychologen Paul Kunath (1987) für die Sportpsychologie fruchtbar gemacht. Dem Psychischen (im Folgenden: Mentalen) kommt in diesem Zugang die Funktion einer zentralen Instanz der Handlungssteuerung zu, wobei Bewerten und Emotion (Vgl. u.a. Lazarus 1966, 1972) als zwei Determinanten der internen Repräsentation der ökosozialen, äußeren Wirklichkeit gelten. Aus konstruktivistischer Sicht kommt ihnen damit die Funktion einer Prüf und Führungsgröße des Handelns zu, weil die Umwelt, die wir wahrnehmen, unsere Erfindung bzw. unsere Konstruktion ist (v.foerster 1994). Dieses Postulat setze, so von Foerster die Annahme einer internen Repräsentation der äußeren Wirklichkeit voraus, welche uns als eine Art Schlüssel die Welt erschließe. 2. Mentales Training (MT) 2.1 Interne Handlungsrepräsentation als zentrales Konstrukt des MT Mit der internen Repräsentation und Vorstellung von Bewegungen beschäftigten sich Mediziner und Psychologen seit Mitte des vorletzten Jahrhunderts (vgl. u.a. Lotze 1852; Carpenter 1874; Jastrow 1892). Heute kennt man als Trainingsform die auf dem Grundprinzip der Regulation interner Repräsentationen beruht das Mentale Training (MT). In der deutschsprachigen Forschung wurde es in der Arbeitsgruppe von Ulich an der Sporthochschule in Köln implementiert und weiterentwickelt (vgl. besonders Volpert z.b. 1969,1977). In 1
tätigkeitspsychologischer Tradition begründeten es und wandten es Sportpsychologen in Leipzig als Ideomotorisches Training an (z.b. Schellenberger 1983; Pöhlmann 1986; Kunath u. Schellenberger 1991). 2.2 Die Methode Spätestens seit Volpert (1969, 1977) spricht man dann vom MT, wenn Bewegungen bzw. Handlungen und Tätigkeiten planmäßig wiederholt und bewusst kognitiv simuliert werden, ohne gleichzeitig praktische Ausführung (vgl. u.a. Eberspächer 1990, 2004; Van Gyn et al. 1990; Daugs & Blischke 1996; Munzert 2001a, b). Das Grundprinzip des MT beruht auf der Entwicklung einer angemessenen Handlungsvorstellung als interner Repräsentation die das Erlernen, Stabilisieren und Optimieren einer Handlungs und/oder Bewegungsausführung unterstützt (Eberspächer & Immenroth 1999). 2.2.1 Ziele des MT Das MT eignet sich für unterschiedliche Zielstellungen, nämlich die Entwicklung, Stabilisierung und Optimierung des Eigenzustands, von Handlungsmustern und - techniken, sowie von Handlungsstrategien. Eigenzustand: Trainierende wenden das Mentale Training zur Optimierung ihres Eigenzustands bspw. ihrer Funktionslage, ihres Erregungsniveaus oder ihrer Motivation an (vgl. hierzu Cumming & Hall 2002; Martin & Hall 1995; Munroe, Giacobbi, Hall & Weinberg 2000). Handlungsmuster: Nicht nur im Sport geht es hier um die Entwicklung, Stabilisierung und Ökonomisierung von Techniken als Handlungen zur Optimierung von Person Umwelt Anforderungsbezügen Eberspächer und Mayer (2003) beispielsweise beschreiben das MT beim Training der Tauchrolle zum Juji Gatame im Judo Handlungsstrategien: Verstanden als Strategie und Taktiktraining im Sport (z.b. Eberspächer und Immenroth 1998) oder Strategietraining sensu v. Senger (2004) 2
2.2.2 Trainingsformen des MT Unterscheiden lassen sich beim MT (Eberspächer 1991, 2004): geläufigerweise 4 Trainingsformen Beim subvokalen Training spricht der Trainierende per innerem Monolog die zu trainierende Handlungssequenz mit sich durch. External observatives Training gilt als systematisierte Form einer echokinetischen Modell - Lernsituation, bei der man die Handlungssequenz eines Modells beobachtet Zur Verfügung stehen hierzu eine Vielzahl von Medien und Modi. Beim internal observativen Training visualisiert ein Trainierender die am Modell beobachtete Handlungssequenz vor dem geistigen Auge. Beim ideomotorischen Training vergegenwärtigt man sich die Innenperspektive einer Handlungssequenz d.h. versetzt und fühlt sich in die Ausführung hinein um sie unter Einbezug möglichst vieler Sinnesmodalitäten nachzuempfinden, z.b. versucht man Kräfte, Zug, Druck, Spannung und Entspannung zu spüren und wahrzunehmen. Allgemein gilt die Lebhaftigkeit der Bewegungsvorstellung beim MT - explizit beim ideomotorischen Training - als wichtigste Bedingung für die lern- und leistungssteigernden Effekte, d.h. das MT sollte nicht nur Aspekte der Visualisierung, sondern auch taktile, akustische, olfaktorische und insbesondere kinästhetische Komponenten umfassen (vgl. u.a. Lüsebrink et al. 1996; Eberspächer u. Immenroth1998). 2.2.3 Schritte des MT Wir schlagen für das MT ein Vorgehen in fünf Schritten vor (Vgl. Eberspächer 2004 a, b). Die folgende Abbildung fasst diese fünf Schritte (S1 S5) zusammen. 3
5-Schritte des Mentalen Trainings S1: Instruktion S 2: Beschreiben Anforderungsdauer S 3: Internalisieren/ Visualisieren S 4: Knotenpunkte beschreiben S 5: Knotenpunkte symbolisch markieren Abbildung1: Mentales Training in 5 Schritten nach Eberspächer (2004 a, b) 2.2.4 Anwendungsvoraussetzungen des MT Wie jede Trainingsmethode ist das MT an bestimmte Anwendungsvoraussetzungen gebunden. Nach unserer Erfahrung sind dies: Positive Einstellung der Trainierenden, eine klare Zielstellung, ein relativer Entspannungszustand, hinreichende Eigenerfahrung mit der zu trainierenden Handlung/ Bewegung und eine interne Repräsentation aus der Eigenperspektive mit lebhafter Vorstellung und im Wechsel mit motorischem Training. 3. Effekte des MT 3.1 Validierungsstudien Die verschiedener Formen des MT gelten seit den Meta-Analysen von Feltz und Landers 1983) sowie Feltz, Landers und Becker (1988) insbesondere bei Bewegungsaufgaben mit hohem kognitivem Anteil (siehe unten Kognitive Hypothese) und/oder in Verbindung mit motorischen Übungskomponenten weitestgehend als 4
empirisch solide belegt (vgl. u.a. Blair et. Al. 1993; Daugs & Blischke, 1996; Immenroth 1996; Leape, 1994; Lüsebrink et al. 1996; Müller, Ziegler, Bauer & Soldner 1995; Murphy 1994). Trotzdem existiert bisher jedoch noch keine hinreichend elaborierte Theorie, um diese Wirkungen hinreichend zu erklären (vgl. u.a. Daugs & Blischke 1996; Hardy & Jones 1994; Schlicht 1992). Neben methodischen Problemen (vgl. Goginsky & Collins 1996; Murphy 1990, 1994) sehen wir dafür vor allem die größtenteils eklektische Vorgehensweise bei der Theoriebildung verantwortlich (vgl. Eberspächer & Immenroth 1998). Um im Sinne effizienter Grundlagenforschung Erkenntnisgewinne erzielen zu können (vgl. Eysenck 1995) und nicht mittels eines let s-try-it-and-see -Ansatzes (Kosslyn 1999) forschen zu müssen, sollte dementsprechend die lange Zeit präferierte Frage Does it work? zunehmend als redundant bewertet und durch Why does this happen? ersetzt werden (Murphy 1994 S. 491). 3.2 Empirische Effekte Vor allem in der Praxis orientierten Literatur zum MT stößt man immer wieder die folgenden empirischen Effekte, in je unterschiedlicher Akzentuierung: Konzentration, Ordnung, Klarheit, Coping, Verfügbarkeit, Stabilisierung (Vgl. Eberspächer 2004) 4. Theorie des MT 4.1 Hypothesen Die verschiedenen theoretischen Erklärungsansätze des Mentalen Trainings lassen sich nach Heuer (1985) prinzipiell in drei Kategorien von Hypothesen klassifizieren: kurios, unspezifisch und spezifisch. Vertreter der kuriosen Hypothesen verstehen das MT als speziellen Fall des Nachahmungslernens (vgl. Heuer 1985). Bei der unspezifischen Hypothesen, führt man die Effekte des Mentalen Trainings auf die relativ unspezifische, für dessen lern- und leistungssteigernde Wirkung jedoch durchaus relevante Erhöhung bzw. Aktivierung von aufgabenbezogenen Motivations- bzw. Aufmerksamkeitsprozessen zurück (vgl. Martin & Hall, 1995; Paivio 1985). 5
Als spezifische Hypothesen fasst Heuer bereits 1985 diejenigen theoretischen Erklärungsansätze zusammen, in denen dem Mentalen Training eine spezifische Wirkung zugeschrieben wird, er nennt die: Ideomotorische Hypothese, die Kognitive Hypothese und die Programmierungs Hypothese Ohne an dieser Stelle näher darauf einzugehen können zusammenfassend wichtige Ergebnisse einschlägiger, insbesondere neurophysiologischer Forschung als Beleg für die Annahmen der Programmierungs Hypothese betrachtet werden. 4.2 Neurophysiologische Ansätze Überlegungen der Programmierungs - Hypothese werden durch aktuelle neurophysiologische Untersuchungsansätze gestützt, die moderne bildgebende Verfahren wie PET (Positron-Emmissons-Tomographie) und fmrt (funktionelle Magnet-Resonanz-Tomographie) nutzen um Hirnaktivität zu messen. Erste Ergebnisse liefern PET-Studien, die relativ einvernehmlich nachweisen konnten, dass eine vorgestellte Bewegung die gleichen prämotorischen Areale (Areal 6) aktiviert wie die praktische Bewegung (z.b. Decety, Perani, Jeannerod, Bettinardi, Tadary, Woods, Mazziotta & Fazio 1994). Neuere fmrt-studien zeigen darüber hinaus, dass die Vorstellung einer Bewegung nicht nur die prämotorischen Areale (Areal 6), sondern auch die primär motorischen Areale (Areal 4) aktiviert wie die praktisch ausgeführte Bewegung (z.b. Roth, Decety, Raybaudi, Massarelli, Delon- Martin, Segebarth, Morand, Gemignani, Decorps & Jeannerod 1996). Dabei war festzustellen, dass diese große Übereinstimmung nur mit ideomotorischem Training also unter Einbezug kinästhetischer Bewegungserfahrung(s.o.) erreicht werden kann. Somit gewinnt der Prozess der Aneignung und Differenzierung der Bewegungsvorstellung an Bedeutung (Ehrsson, Geyer & Naito 2003). Aktuelle Studien konnten außerdem zeigen, dass MT die Kraftfähigkeit über die zentralen Steuerungsinstanzen der Kraftentfaltung im primären motorischen Kortex (Ranganathan, Siemionow, Liu, Sahgal & Yue 2004) positiv beeinflusst. Zusammenfassend betrachten wir diese Ergebnisse als Beleg für die Annahmen der Programmierungs Hypothese und sehen damit MT 6
als ein zentral wirkendes Trainingsverfahren an, das den motorischen Kortex gezielt anspricht und damit vielfältige Anwendungsmöglichkeiten zum Handlungs und Bewegungslernen und -optimieren über den Sport hinaus in weiten Anwendungsfeldern eröffnet. 5. Anwendungsfelder des MT Im Vortrag werden verschiedene Anwendungsfelder exemplarisch dargestellt. Im Sport z.b. der Golfabschlag (drive) Eberspächer (2004). In der Chirurgie z.b. die laparoskopische Cholezystektomie (Eberspächer u. Immenroth 1999). Operation Beschreibung Instruktion Mentale/Interne Bewegungsrepräsentation (mentale Landkarte) Simulation Instrumentell trainieren: OP Simulator - Training Mental trainieren: Subvokales Training External observatives T. Internal observatives T. Ideomotorisches Training Operieren des Patienten Abbildung 2: Mentales Training in der Chirurgie ( modifiziert nach Eberspächer & Immenroth 1998 aus: Eberspächer 2004) Als weiteres Anwendungsfeld öffnet sich die Medizinische Rehabilitation z.b. bei Patientinnen und Patienten mit Hüft Teilendoprothesen, deren Zahl in Deutschland jährlich immerhin um über 100 000 wächst (Mayer 2003). 7
6. Bewertung und Perspektiven Abschließend gilt es auf Aspekte wissenschaftlicher und anwendungsbezogener Perspektiven des MT einzugehen. Wissenschaftlich finden wir in der Erforschung des MT vielversprechende Ansätze weiterer Empirie Theorie Schleifen zur Sicherung von Anwendungswissen. Attraktiv erscheinen uns weiter die Möglichkeiten interdisziplinärer Forschung z.b. zwischen Sportwissenschaft, Medizin, Psychologie, Arbeitswissenschaft, Zahmmedizin u.a. Ein solide begründetes Trainingsverfahren schiene uns darüber hinaus einerseits ein Anwendungsfeld professioneller Expertise andererseits ein Angebot an Leistungsträger in den vielfältigsten Berufsfeldern: Trainer, Ärzte, Piloten, Manager u.v.a. Aus sportwissenschaftlicher Sicht eröffnen sich ferner erfolgversprechende Transfermöglichkeiten. 7. Literatur Eine Literaturliste kann beim Verfasser gerne angefordert werden: hans.eberspaecher@t-online.de 8