Qualitätsorientierte Vergütung im Krankenhaussektor. Die richtigen Anreize schaffen Qualitätsdefizite in der stationären Versorgung beheben



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Transkript:

Qualitätsorientierte Vergütung im Krankenhaussektor Die richtigen Anreize schaffen Qualitätsdefizite in der stationären Versorgung beheben

Management Summary Die geplante Krankenhausreform versucht mit der Einführung einer qualitätsorientierten Vergütung die stationäre Behandlungsqualität zu verbessern Mechanismen des neuen Vergütungssystems sind bisher nur in Grundzügen skizziert Da bisher keine Erfahrungsberichte zu qualitätsorientierter Vergütung in Deutschland vorliegen, muss das Vergütungssystem kontrolliert eingeführt und getestet werden, um unerwünschte Ergebnisse zu vermeiden Mithilfe einer systematischen Analyse der Bestandteile hat Roland Berger Erfolgsfaktoren und konkrete Umsetzungsempfehlungen zur behutsamen Einführung des neuen Vergütungssystems identifiziert Empfehlung Qualitätsmessung: Umgestaltung der gesetzlichen Qualitätsmessung Nur eine Kombination geeigneter Indikatoren kann die tatsächliche Behandlungsqualität deutscher Krankenhäuser widerspiegeln Empfehlung Anreizgestaltung: Kombination monetärer und nicht-monetärer Anreize Pilotprojekte sinnvoll, um positive Anreizwirkung zu testen sowie Veröffentlichung der Messergebnisse, um Qualitätstransparenz zu schaffen Empfehlung rechtlicher Rahmen: Einhaltung des Prinzips "Kollektiv messen, selektiv kontrahieren" sowie rechtliche Anpassungen, um Sozialdaten der Kassen für gesetzliche Qualitätssicherung nutzbar zu machen Krankenhäuser müssen systematisch ihr Qualitätsmanagement neu ausrichten, um auf die gestiegenen Qualitätsanforderungen und das neue Vergütungssystem reagieren zu können 2

Inhalt Seite A. Aktuelle Situation in der stationären Versorgung 4 B. Rahmenbedingungen und Umsetzungshürden 9 C. Identifikation von Erfolgsfaktoren und Umsetzungsempfehlungen 14 E. Handlungsempfehlungen für deutsche Krankenhäuser 23 F. Methodik und Ansprechpartner 26 Dieses Dokument ist vertraulich zu behandeln. Eine Weitergabe an Dritte ist nur nach ausdrücklicher, schriftlicher Einwilligung von Roland Berger Strategy Consultants gestattet. Für die Vollständigkeit und Richtigkeit übernimmt RBSC keine Haftung. Roland Berger Strategy Consultants GmbH 3

A. Aktuelle Situation in der stationären Versorgung 4

Die sich verschlechternde wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser bedroht eine qualitativ hochwertige stationäre Versorgung Status quo der stationären Versorgung in Deutschland Wirtschaftliche Situation > Die wirtschaftliche Situation der Kliniken in Deutschland ist alarmierend > Kostendruck und gesetzliche Einsparmaßnahmen sorgen für weiterhin angespannte finanzielle Rahmenbedingungen > In den letzten Jahren sind durch Hygieneund weitere Skandale die Zweifel an der Qualität in der stationären Versorgung gestiegen > Die finanzielle Schieflage erschwert den Krankenhäusern Qualitätsdefizite aus eigener Kraft zu überwinden Qualitätsprobleme Krankenhäuser mit Jahresverlust: 40% Bestätigte Verdachtsfälle bei MDK-Prüfungen 25% Patienten mit Angst vor Klinikaufenthalten 50% Quellen: Forsa; Deutsches Krankenhausinstitut; Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen; Medizinische Dienst der Krankenkassen; Roland Berger Krankenhaus Restrukturierungsstudie 2014 5

Im internationalen Vergleich hat Deutschland bei der Gesundheitsversorgungsqualität seine Vorreiterrolle eingebüßt Qualität und Ausgabeneffizienz in der Gesundheitsversorgung in Deutschland Platz im Qualitäts- Ranking 1) Gesundheitsausgaben [EUR Mrd.] 3 240,4 2005 3 246,1 2006 5 6 6 254,4 2007 264,8 2008 279,1 2009 1) Europaweiter Vergleich der Gesundheitssysteme gem. Euro Health Consumer Index, auf Basis von 6 Merkmalen: Patient rights and information, Accessibility, Outcomes, Range and reach of ervices provided, prevention, pharmaceutical; 2014er Wert für 2013 Quelle: Health Consumer Powerhouse Ltd; Destatis n.a. 288,3 2010 n.a. 293,6 14 300,4 9 314,9 2011 2012 2013 Qualität im Abwärtsstrudel > 2005 belegte Deutschland noch einen Top-Platz im europaweiten Vergleich Seit 2012 bewegt sich Deutschland nur noch im Mittelfeld > Im gleichen Zeitraum stiegen jedoch die Gesundheitsausgaben trotz allgegenwärtiger Kostensenkungen und gleichzeitigem Wirtschaftswachstum 2005 betrugen sie 10,8% des BIP, 2013 bereits 11,2% des BIP > Deutschland hat im europaweiten Vergleich die zweithöchsten Gesundheitsausgaben > In puncto Ausgabeneffizienz liegt Deutschland damit auf dem europaweit drittletzten Platz 6

Insbesondere die signifikante Heterogenität bei der Ergebnisqualität in deutschen Krankenhäusern ist bedenklich Medizinische Ergebnisheterogenität in deutschen Krankenhäusern Auswahl Mortalitätsrate Herzinfarkt Mortalitätsrate bei Lungenentzündung Mortalitätsrate bei Gallenblasenentfernung Im besten Viertel betrug die Mortalitätsrate 13%, im schlechtesten Viertel 25% Die Mortalitätsrate war damit fast doppelt so hoch Das risikoadjustierte Sterberisiko in verschiedenen Krankenhäusern lag im schlechtesten Fall mehr als doppelt so hoch wie im besten Fall Die durchschnittliche Mortalität lag bei 0,5% Im besten Fall lag die Mortalität bei 0%, im schlechtesten Fall bei 8% Gründe für die Ergebnisheterogenität > Fehlende Qualitätstransparenz > Fehlende Anreize zur Qualitätsverbesserung > Fehlende Qualitätskontrolle Komplikationsrate nach Implantation eines künstliches Hüftgelenks Bei 2% der Patienten traten Komplikationen auf Im besten Fall lag die Komplikationsrate bei 0%, im schlechtesten Fall bei 18% Quelle: WIdO/Helios; AQUA-Institut 7

Krankenhausreform versucht Behandlungsqualität zu verbessern Ausgestaltung des neuen Vergütungssystems weiterhin offen Behandlungsqualität im Krankenhausstrukturgesetz 1) Ziele Umsetzung > Verbesserung der stationären Behandlungsqualität > Gesetzliche Verankerung einer patientengerechten und qualitativ hochwertigen Versorgung > Finanzielle Anreize zur Erbringung guter Qualität > Negative Konsequenzen bei anhaltend schlechter Leistungserbringung Qualitätsorientierte Vergütung > Übergeordnete Maßnahmenkoordination und Umsetzung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) (im Sinne der Selbstverwaltung) > Qualitätsmessung durch das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG) > Qualitätskontrolle durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) Eckpunkte 1 Vergütung Zu- und Abschläge für gute und schlechte Qualität 2 Leistungserbringung Streichung aus der Krankenhausplanung bei schlechten Leistungen 3 4 5 Indikatoren Neuer Vergütungskatalog mit Indikatoren (Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität) Qualitätsberichte Bessere Nutzbarkeit und höherer Informationswert Umsetzungsvorbereitung Selektivverträge zur Erprobung der neuen Vergütungsmöglichkeiten 1) Gem. des Referentenentwurf des Krankenhaus-Strukturgesetzes Stand Juni 2015 Verabschiedung im Bundestag geplant Quelle: Bundesministerium für Gesundheit 8

B. Rahmenbedingungen und Umsetzungshürden 9

Qualitätsorientierte Vergütung muss kontrolliert eingeführt und getestet werden, um unerwünschte Ergebnisse zu vermeiden Einfluss von zusätzlicher Vergütung auf Behandlungsqualität Crowding-out Effekt Qualität Eigenmotivation Negativer Einfluss von qualitätsorientierter Vergütung Gesamteffekt Positiver Einfluss von qualitätsorientierter Vergütung Anreizeffekt Verdrängungseffekt Vergütungshöhe Behandlungsqualität > Finanzielle Anreize können dazu führen, dass die intrinsische Motivation zur Erbringung von guter Behandlungsqualität abnimmt > Besonders bei hoher Eigenmotivation kann ein Anreizsystem zu unerwünschten Qualitätsverschlechterungen führen Welchen Effekt hat qualitätsorientierte Vergütung Quelle: Weibel et al. (2007) 10

Ausländische Erfolgsmodelle dienen zwar als Orientierungspunkt, sind jedoch nicht 1:1 auf deutsches Gesundheitssystem übertragbar Internationale Erfolgsbeispiele bei qualitätsorientierten Vergütungssystemen Eigenheiten des deutschen Gesundheitssystems Premier Hospital Quality Incentive Demonstration (PHQID) Qualitätsorientiertes Vergütungssystem mit einem Mix aus 216 Krankenhäusern Ergebnisse: Verbesserung der Behandlungsqualität in 6 Jahren um 19% Quality and Outcomes Framework Bonussystem für Hausärzte mit überdurchschnittlicher Behandlungsqualität Ergebnisse: Senkung der 30-Tage-Mortalitätsrate in 18 Monaten um 6% > Erfahrungen aus dem Ausland sind aufgrund der unterschiedlichen Gesundheitssysteme nicht 1:1 übertragbar In den USA verfügen Versicherte innerhalb von Managed Care Programmen über eine beschränkte Arztwahl Amerikanische Krankenversicherungen besitzen mehr Verhandlungskraft In Großbritannien übernimmt der Staat die gesamte Versorgungsplanung Das Prinzip der "gemeinsamen Selbstverwaltung könnte in Deutschland eine große Umsetzungshürde darstellen Die Auswirkungen qualitätsorientierter Vergütung in Deutschland sind offen Quellen: Sutton et al. (2012); Centers for Medicare & Medicaid Services 11

Für die erfolgreiche Umsetzung qualitätsorientierter Vergütung müssen Umsetzungshürden berücksichtigt und überwunden werden Umsetzungshürden für qualitätsorientierte Vergütung Qualitätsmessung > Qualität kann nicht direkt gemessen werden, vielmehr sind Indikatoren notwendig, die Qualität indirekt erfassen > Problematisch sind die verschiedenen Indikatoren-Systeme, die eine zielführende Messung derzeit unmöglich machen Public Reporting > Es konnte sich keine Public-Reporting Plattform etablieren Es existiert ein Dschungel an verschiedenen Plattformen > Es mangelt an Transparenz, Verständlichkeit, Bekanntheit und einer standardisierten Bewertung der Qualität Qualitätssteuerung > Patienten wissen nicht, wo Informationen über Qualität der Krankenhäuser aufzufinden sind > Es findet keine Selektion nach Qualität statt Aspekte wie Nähe, Reputation oder Komfort sind entscheidend 12

Da existierende Indikatorensysteme zur gesetzl. Qualitätssicherung nicht 100% geeignet sind, ist eine Neuentwicklung notwendig Existierende Indikatorensysteme Auswahl Indikatorensystem Datengrundlage Beispieldaten Eignung für Vergütungssystem AQUA-Indikatoren der gesetzlichen Qualitätssicherung Meldedaten der Krankenhäuser > 1-Jahres-Überlebensraten nach Transplantationen > Anwesenheit eines Pädiaters bei der Geburt von Frühgeborenen > Hoher Erhebungsaufwand und Manipulationsanfälligkeit > Geringe Vergleichbarkeit zwischen Krankenhäusern G-IQI (German Inpatient Quality Indicators) Sozialdaten der Krankenhäuser > Mortalitätsraten (im Krankenhaus) > Komplikationsraten (z.b. Anteil Dammriss 3. und 4. Grades) > Vollständige Datenverfügbarkeit, somit geringer Zusatzaufwand > Keine Abbildung des kompletten Versorgungsablaufs (Patient Journey) QSR-Indikatoren (Qualitätssicherung mit Sozialdaten) Fallübergreifende Sozialdaten der Versicherungen > Mortalitätsraten (im Krankenhaus, nach 30/90/360 Tagen) > Wiederaufnahmeraten (nach 30/90/360 Tagen) > Erlaubt zusätzlich Nachverfolgung des Patienten > Ermöglicht krankenhausübergreifende Qualitätsbewertung Quellen: AQUA-Institut; IQM Initiative Qualitätsmedizin; WIdO 13

C. Identifikation von Erfolgsfaktoren und Umsetzungsempfehlungen 14

Eine Analyse der Bausteine des Vergütungssystems erlaubt Identifikation von Erfolgsfaktoren und konkreten Umsetzungsschritten Bausteine eines qualitätsorientierten Vergütungssystems Messsystem 1 2 3 Leitmerkmale identifizieren Woran wird Qualität gemessen? Qualitätsindikatoren festlegen Wie wird Qualität gemessen? Messinstrumente bestimmen Womit wird Qualität gemessen? Anreizsystem 4 5 6 Systemziele definieren Wie wird Qualität verbessert? Vergütungsfunktion ausgestalten Wie wird Qualität entlohnt? Messergebnisse veröffentlichen Wie wird Qualität bekannt gemacht? > Aussagekräftige Leistungsbereiche > Klare Qualitätsdefinition 7 > Hohe medizinische Relevanz > Justiziabilität > Anwenderakzeptanz > Risikoadjustierung > Angemessener Erhebungsaufwand > Manipulationssicherheit Rechtliche Rahmenbedingungen > Einheitliches Mess- und Vergütungssystem > Sicherer, freier Datenaustausch Erfolgsfaktoren > Zielkongruenz und Akzeptanz > Langfristige Anreizwirkung > Gewünschte Motivationswirkung > Vermeidung von Fehlanreizen > Öffentlicher Bekanntheitsgrad > Transparenz und Klarheit der Darstellung 15

1 Messsystem Leitmerkmale identifizieren Leitmerkmale müssen von ökonomischer und medizinischer Relevanz sein und eine klare Definition guter Qualität erlauben Leitmerkmale Erfolgsfaktoren und Umsetzungsempfehlungen Erfolgsfaktoren > Hervorhebung von Stärken und Schwächen bei bestimmten Behandlungen oder Leistungsbereichen Keine Beurteilung ganzer Krankenhäuser als gut oder schlecht > Konzentration auf einzelne Indikationen und Krankheitsbilder Keine Abbildung des kompletten Leistungsspektrum notwendig > Standardisierbarkeit und hohe Fallzahlen in den ausgewählten Leistungsbereichen > Qualitätsorientierte Vergütung markiert den Übergang von einem Dienst- zu einem Werkvertrag Klare Definition, einer qualitativ hochwertigen Behandlung von Nöten Umsetzungsempfehlungen > Auswahl aussagekräftiger Leitmerkmale Hoher ökonomischer Stellenwert Hoher medizinischer Stellenwert > Klare, allgemeingültige und akzeptierte Definition von guter Qualität 16

2 Messsystem Qualitätsindikatoren festlegen Das gesetzliche Indikatorensystem muss aktualisiert werden Indikatoren müssen Outcome abbilden und vor Gericht standhalten Qualitätsindikatoren Erfolgsfaktoren und Umsetzungsempfehlungen Erfolgsfaktoren > Hohe medizinische Relevanz der Indikatoren für das Behandlungsergebnis > Verlässliche und valide Indikatoren, damit die Ergebnisse der Qualitätsmessung auch vor Gericht standhalten (Justiziabilität) > Aktualisierung der gesetzlichen Indikatorensysteme Aktuell benutzte AQUA-Indikatoren sind technisch veraltet und genießen nur geringe Anwenderakzeptanz > Definition neuer Indikatoren für bisher nicht abgedeckte Leistungsbereiche Umsetzungsempfehlungen > Orientierung an den IQI sowie QSR-Indikatoren aufgrund ihrer Vorteile bei der Qualitätsmessung und Vergleichbarkeit > Ergebnisindikatoren, die den Outcome messen, müssen im Vordergrund stehen > Ergänzende Berücksichtigung von Struktur- und Prozessindikatoren > Langfristig: Berücksichtigung der Patientenzufriedenheit 17

3 Messsystem Messinstrumente bestimmen Risikoadjustierte Vergleichbarkeit der Messergebnisse ist notwendig Die Sozialdaten der Krankenhäuser sollten genutzt werden Messinstrumente Erfolgsfaktoren und Umsetzungsempfehlungen Erfolgsfaktoren > Manipulationssicherheit Effektive Einführung des Vergütungssystems nur möglich, wenn Messergebnisse keine Zweifel zulassen > Angemessener Erhebungsaufwand Keine unnötigen Belastungen zur Erfüllung der Informationspflichten > Risikoadjustierung Messerergebnisse müssen vergleichbar gemacht werden, da Behandlungserfolg von Umweltfaktoren (z.b. Gesundheitszustand des Patienten) abhängig ist. > Ohne Risikoadjustierung kann die Behandlungsqualität verschiedener Leistungserbringer nicht gerecht verglichen werden > Risikoadjustierung verhindert "cherry picking" Die Behandlung von gezielt ausgewählten Patienten(- gruppen) Umsetzungsempfehlungen > Einsatz von geprüften Sozialdaten der Krankenkassen zur Risikoadjustierung durch Nachverfolgung des Patienten und krankenhausübergreifende Qualitätsmessung > Bundesweite versicherungsträgerübergreifende Zusammenführung der Sozialdaten in einer zentralen Datenbank 18

4 Anreizsystem Systemziele definieren Zielkongruenz und Akzeptanz der Stakeholder sowie langfristige Wirkung der Anreize ist Voraussetzung für effektives Vergütungssystem Systemziele Erfolgsfaktoren und Umsetzungsempfehlungen Erfolgsfaktoren > Gemeinsame Ziele aller Stakeholder zur Einführung und Aufrechterhaltung eines wirksamen Vergütungssystems > Bewusstsein aller Stakeholder zur Notwendigkeit einer qualitätsorientierten Vergütung > Vertrauen der Leistungserbringer in die Funktionsweise des Vergütungssystems > Langfristige Anreizwirkung der Ziele für Leistungserbringer > Vermeidung von Ceiling-Effekten Motivationsverluste zur Qualitätsverbesserung für stark unter- und überdurchschnittliche Leistungserbringer Umsetzungsempfehlungen > Einnahme der zentralen Rolle im Vergütungssystem durch das neu geschaffene IQTiG > Sicherstellung Expertise und Unabhängigkeit des IQTiG > Veröffentlichung der Qualitätsdaten auf einer Public Reporting- Plattform Ermöglichung eines positiven Wettbewerbs um Patienten Nachhaltige Motivation von low und high Performern zur Qualitätsverbesserung 19

5 Anreizsystem Vergütungsfunktion ausgestalten Die positive Anreizwirkung des Vergütungssystem sollte in Pilotprojekten getestet und nachgewiesen werden Vergütungsfunktion Erfolgsfaktoren und Umsetzungsempfehlungen Erfolgsfaktoren > Nachgewiesene Qualitätsverbesserungen durch qualitätsorientierte Vergütung > Angemessene Höhe der Vergütung, um wirksame Anreize zu schaffen Zu niedrige Vergütungshöhe hat keine Wirkung und führt somit nicht zu Qualitätsverbesserungen > Experimentelle Nutzung von Selektivverträgen, um zu beurteilen, wie Versorgungsqualität in Deutschland durch monetäre und nicht-monetäre Anreize steuerbar ist Umsetzungsempfehlungen > Test des neuen Vergütungssystem in Pilotprojekten mit einem repräsentativen Mix verschiedener Krankenhäuser > Systematische Evaluation der Effektivität und Effizienz der Pilotprojekte Einrichtung vergleichbarer Kontrollgruppen > Kritische Beurteilung des Malus- Systems, ob dies zu Lasten der Patienten und Versorgungsqualität geht 20

6 Anreizsystem Messergebnisse veröffentlichen Gemessene Qualitätsdaten sollten so einfach wie möglich den Patienten öffentlich zur Verfügung gestellt werden Messergebnisse Erfolgsfaktoren und Umsetzungsempfehlungen Erfolgsfaktoren > Nutzung der gemessenen Qualitätsdaten nicht alleine für die Vergütung der Leistungserbringer > Qualitätstransparenz durch verpflichtendes Public Reporting der Krankenhäuser > Öffentlich getragenes, unabhängiges Portal zum Querschnittsvergleich aller Kliniken als zusätzlicher nicht-monetärer Anreiz zur Qualitätsverbesserung > Möglichkeit für Patienten zur einfachen und transparenten Unterscheidung zwischen guten und schlechten Krankenhäusern Umsetzungsempfehlungen > Einrichtung eines intuitiv bedienbaren, transparenten Public Reporting-Portals mit hoher gesellschaftlicher Reichweite > Auswahl der aus Patientensicht relevanten Informationen > Unterstützung des neues Portals durch gezielte PR- und Werbemaßnahmen > Orientierung am britischen Reporting-Portal "NHS Choices" als internationales Best Practice Beispiel 21

7 Rechtliche Rahmenbedingungen Die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen ist durch entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen zu unterstützen Rechtliche Rahmenbedingungen Erfolgsfaktoren und Umsetzungsempfehlungen Erfolgsfaktoren > Ermöglichung von Vergütungsmodellen sowohl im kollektivvertraglichen Bereich als auch durch Selektivverträge zwischen einzelnen Kostenträgern und Leistungserbringern > Berücksichtigung des Prinzips "kollektiv messen und selektiv kontrahieren Rechtlicher Rahmen, der die grundlegende Messung standardisiert und Raum für individuell verhandelbare Vergütungskonditionen gibt > Freier Datenaustausch zwischen Kostenträgern und allen anderen relevanten Stakeholdern > Einbeziehung und Nutzung der Sozialdaten für die gesetzliche Qualitätssicherung und die qualitätsorientierte Vergütung Umsetzungsempfehlungen > Kurzfristig: Ermöglichung von Selektivverträgen zur Erprobung der neuen Strukturen Abschluss der Verträge nach einheitlichem Standard und gleiche Bedingungen für alle Krankenhäuser > Langfristig: Etablierung im kollektivvertraglichen Bereich Uniformes Mess- und Vergütungssystem > Rechtliche Ergänzungen im Bereich der versicherungs- und leistungserbringerübergreifenden Datenzusammenführung 22

E. Handlungsempfehlungen für deutsche Krankenhäuser 23

Krankenhäuser müssen Qualitätsmanagement neuausrichten, um auf Vergütungssystem und veränderte Anforderungen zu reagieren Roland Berger Ansatz zu Qualitätsverbesserung im Krankenhaus Anforderungen Erfolgreiches Qualitätsmanagement RB ANSATZ > Commitment der med. und nicht med. Führungskräfte Aktives Stärken und Begleiten der Qualitätsverbesserung > Aktives Einbinden aller Mitarbeiter Ständiges Bewusstmachen der Herausforderungen > Aufbau unterstützender Organisationsstrukturen Investitionen in Messungs-, Steuerungsund Überwachungssysteme Qualitätsstandards Klare, standardisierte Messsysteme, um Qualitätsvision in der Praxis umzusetzen Verbesserungen Aktives (Mit-)Arbeiten an unterschiedlichen Themen mit verschiedenen Teams und bewährten QM- Werkzeugen Organisation Ausrichtung der Aufund Ablauforganisation auf Patientenbedürfnisse Kultur Akzeptanz und Beteiligung der Mitarbeiter (Verantwortung, Schulungen, Best-Practice- Management, etc.) Systematisches 1 Qualitätsaudit 2 3 Auswahl erfolgsversprechender Projekte Ganzheitlicher Roll-out / Organisationsverankerung 24

Krankenhäuser Projekte müssen zur Qualitätsverbesserungsprozesse durchlaufen und kontinuierliche Unterstützung sicherstellen Phasen und Erfolgsfaktoren bei Qualitätsverbesserung im Krankenhaus Kontinuierliche Prozessunterstützung Systematisches Qualitätsaudit > Aufnahme bestehender Qualitätssysteme und Strukturen > Benchmarks und Erfolgsbeispiele > Qualitative und quantitative Bestimmung eines Soll-Konzepts Umsetzungsplanung > Auswahl erfolgsversprechender Bereiche / Prozesse > Definition Umsetzungsschritte > Definition Verantwortlichkeiten > Definition Zeitrahmen Implementierung Controllingsystem > Aufsetzen IT gestützter Controllinginstrumente > Definition Controlling Verantwortlichkeiten > Entwicklung Eskalationsprozess stellt Einhaltung der Erfolgsfaktoren sicher Umsetzung Pilotprojekt > Auswahl passender Projekte > Initiierung Pilotprojekte > Controlling / Umsetzung notwendiger Verbesserungen Begleitung Roll-out > Begleitung klinikweite Umsetzung > Sicherstellung ganzheitliches Umsetzungscontrolling Identifikation und Dokumentation aller Qualitätsmaßnahmen und entsprechender Verantwortlichkeiten Detaillierte Umsetzungsplanung sowie Ausarbeitung eines Monitoring-Konzepts Umsetzung eines ganzheitlichen Projekt-Monitorings und Controllings 25

F. Methodik und Ansprechpartner 26

Zur Ableitung der vorgestellten Erfolgsfaktoren und Empfehlungen wurden mit unterschiedlichen Experten Interviews durchgeführt Interviewleitfaden und Methodik Methodik INTERVIEW- LEITFADEN Analyse der Ausgangslage BEISPIELFRAGEN Wie beurteilen Sie die Qualität der stationären Versorgung in Deutschland im internationalen Vergleich? > Entwicklung eines strukturierten Interviewleitfadens Qualitätsmessung Indikatorensysteme Anreizsystem Rahmenbedingungen Umsetzungsempfehlungen Weitere Anmerkungen Wie bewerten Sie das Kosten-Nutzen Verhältnis von P4P-Programmen? Welche Schnittstellen müssen zukünftig beim Aufbau von P4P eingerichtet werden? Wie beurteilen Sie die Effektivität von P4P-Konzepten in Deutschland und im anglo-amerikanischen Raum? Sehen Sie Anpassungsbedarf bei den rechtlichen Rahmenbedingungen bei Einführung von P4P? Haben Sie konkrete Empfehlungen zur Umsetzung von P4P innerhalb der gesetzlichen Qualitätssicherung? Haben Sie noch weitere Anmerkungen zur Thematik? Presentation10 5 > Leitfadengestützte persönliche Experteninterviews > Unterschiedlicher Hintergrund der Experten zur Abdeckung einer Vielfalt von gesundheitspolitischen Expertisen und Positionen 27

Autoren und Ansprechpartner PROF. DR. ROLAND FALB Leiter Healthcare DACH +43 1 53 602-200 Roland.Falb@rolandberger.com Managing Partner DR. MED. PETER MAGUNIA Leiter Healthcare Deutschland +49 30 39927-3587 Peter.Magunia@rolandberger.com Principal ALEXANDER RHODE +49 30 39927-3608 Alexander.Rhode@rolandberger.com Consultant MAXIMILIAN VOGL +49 173 6985 999 Maximilian.Vogl@student.unisg.ch Werkstudent Quelle: Roland Berger 28