Prävention und praktische Verhaltensregeln



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Transkript:

Durchsuchung und Beschlagnahme Prävention und praktische Verhaltensregeln von RA Christof Püschel, FA StrR, Köln Im Rahmen von Durchsuchungen wird gezielt nach belastendem Material gefahndet. Sie dienen oftmals aber in gleicher Weise verdeckt dazu, belastende Spontan äußerungen, Zeugenaussagen und Geständnisse einzusammeln. Ein Blick in die polizeiliche Literatur (Janovski, Kriminalistik 98, 269, 276) ist überaus erhellend. Dort heißt es zum Thema Ermittlungen in Wirtschaftsstrafsachen wie folgt: Vernehmung bei Durchsuchungen Bereits bei dem ersten Zugriff empfiehlt es sich, Zeugen und Beschuldigte zu vernehmen. Bei einem möglicherweise für den Beschuldigten überraschenden Zugriff wird dieser nach entsprechender Belehrung eher die tatsächliche Situation seiner Firma oder Einzelheiten seiner Taten aussagen, als wenn er mehrere Tage oder Wochen, nachdem er Kenntnis von Einleitung des Strafverfahrens hatte, Gelegenheit bekam, sich auf seine Aussage vorzubereiten. ( ) Bei dieser ersten Vernehmung sollte der Beschuldigte auch befragt werden, inwieweit er Steuerberater von deren Schweigepflicht entbindet und seine Banken ermächtigt, den Ermittlungsbehörden Auskunft zu erteilen. ( ) Genauso wichtig ist es aber, in der Firma vorhandene Mitarbeiter unverzüglich als Zeugen zu vernehmen. Dieser Personenkreis steht oft in einer wirtschaftlichen oder sozialen Abhängigkeit vom Beschuldigten. Wenn die Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes droht und der Beschuldigte Gelegenheit hatte, seine Sicht der Dinge darzulegen, kommt es leicht zu verfälschten Aussagen. Diese ersten Festlegevernehmungen müssen nicht ausführlich sein und können später ergänzt werden. Intention der Ermittlungsbeamten Überraschungsmoment zur Aussagegewinnung nutzen Führt man sich diese ermittlungsbehördliche Zieldefinition vor Augen, hat man den roten Faden für die Verteidigung in der Hand: Es gilt, die Durchsuchung zu kanalisieren und den unreflektierten Informationstransfer durch Vernehmungen während der Durchsuchung zu unterbinden. Dies setzt voraus, dass sämtliche mit Ermittlungsbeamten voraussichtlich in Kontakt kommende Personen ihre strafprozessualen Rechte kennen. Die wirksamste Vorbereitung auf eine Durchsuchung ist aber immer noch deren Verhinderung. Sobald dem Verteidiger bekannt wird, dass ein Ermittlungsverfahren anhängig ist, wird er sich unverzüglich bei der StA als Verteidiger bestellen und Akteneinsicht beantragen. Erfolgt nur eine gesetzlich nicht gedeckte Hinhaltemitteilung oder wird dem Antrag nicht entsprochen ( 147 Abs. 2 StPO) oder keine Reaktion seitens der Behörden, Mitarbeiter rechtzeitig über ihre strafprozessualen Rechte aufklären Wie kann Durchsuchung verhindert werden? muss der Verteidiger damit rechnen, dass eine Durchsuchung unmittelbar bevorsteht. Der Verteidiger muss seinen Mandanten über die Annahme einer bevorstehenden Zwangsmaßnahme unterrichten. Soweit beim Praxis Steuerstrafrecht 4 2006 89

Mandanten die Bereitschaft besteht, hinsichtlich der Herausgabe von Unterlagen mit den Ermittlungsbehörden zu kooperieren, sollte der StA mitgeteilt werden, dass der Mandant alle einschlägigen Unterlagen auf erstes Anfordern herausgeben werde. Diese Kooperationsbereitschaft ist zwingend aktenkundig zu machen, ggf. mit dem Hinweis auf die fehlende Verhältnismäßigkeit einer gleichwohl beantragten Durchsuchung. Zusätzlich kann bei dem zuständigen Ermittlungsrichter eine Schutzschrift hinterlegt werden. Derart kann der Verteidiger seine Bedenken gegen die Zwangsmaßnahme einer Durchsuchung bereits vor ihrer Genehmigung vortragen. Der für die Genehmigung zuständige Ermittlungsrichter muss demnach bei seinem Beschluss auch den Einwand des Rechtsanwalts berücksichtigen, dass die beabsichtigte Durchsuchungsmaßnahmen überflüssig und damit unverhältnismäßig sind, etwa weil die Verteidigung alle notwendigen Unterlagen zur Übergabe an die Ermittlungsbehörden bereithalte. Sollte der Richter die Durchsuchung dennoch genehmigen, hat der Verteidiger vorausgesetzt, er erfährt rechtzeitig davon die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen den noch nicht durchgeführten Durchsuchungsbefehl einzulegen. Mitunter erfährt der Mandant oder der Rechtsanwalt ohne Willen der Strafverfolgungsbehörden von der Existenz eines Ermittlungsverfahrens z.b. durch Mitteilung eines Dritten, der als Zeuge vernommen wurde. Wenn ein Aktenzeichen noch nicht bekannt ist, muss der Verteidiger anhand der Gesamtumstände sorgsam prüfen, ob er dieses bei der Behörde erfragt oder sich ohne Angabe eines Aktenzeichens bestellt. Die Erfahrung lehrt, dass in diesen Fällen mit der bloßen in der Bestellung dokumentierten Kenntnis von der Einleitung des Ermittlungsverfahrens einer Durchsuchung vorgebeugt werden kann, da das Überraschungsmoment nicht mehr gewährleistet erscheint. Wenn die Durchsuchung nicht verhindert werden kann, sollte zumindest versucht werden, die Modalitäten der Durchsuchung zu vereinbaren. Hierdurch können negative Außenwirkungen vermieden werden. Soweit möglich, sollten die Ermittlungsbeamten deshalb gebeten werden, in unauffälliger Weise zu erscheinen, in der Tiefgarage oder im Innenhof zu parken und zu einem vereinbarten Zeitpunkt zu erscheinen, in dem sich keine Kunden, Patienten oder Mandanten im Unternehmen, der Praxis oder der Kanzlei befinden. Eine offensive Kontaktaufnahme kann auch unter Inkaufnahme der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens taugliche Prävention der Durchsuchung sein, zumal, wenn die befürchteten internen und externen Nebenwirkungen der Durchsuchung negative Öffentlichkeitswirkung, Kreditkündigung bei Banken im Verhältnis zu einer zu erwartenden Sanktion nicht beträchtlich ins Gewicht fallen oder sogar eine Einstellung nach 153, 153a StPO realistisch ist. In den Fällen einer nur abstrakten Gefährdung versteht es sich dagegen von selbst, dass eine Kontaktaufnahme zur Staatsanwaltschaft zu vermeiden ist. Kooperationsbereitschaft aktenkundig machen Schutzschrift hinterlegen Signalisieren, dass Durchsuchungsabsicht bekannt ist Modalitäten abstimmen Kontaktaufnahme zur StA Praxis Steuerstrafrecht 4 2006 90

Durchsuchung: Die 16 wichtigsten Verhaltensregeln Regel Nr. 1: Unternehmensleitung verständigen Bei Eintreffen der Ermittlungspersonen (der Polizei, Staatsanwaltschaft, Steuer- oder Zollfahndung) ist umgehend die Unternehmensleitung und ggf. auch die Rechtsabteilung oder ein sonstiger, hausinterner Koordinator zu informieren. Vorstand, Geschäftsführer oder sonstige Personen in leitender Stellung sind Inhaber der zu durchsuchenden Räume und haben ein Anwesenheitsrecht bei der Durchsuchung ( 106 Abs. 1 S. 2 StPO). Die Ermittlungspersonen sind zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, auf das Erscheinen des abwesenden Inhabers zu warten. Befindet sich dieser indes in der Nähe, gebietet es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, auf das Erscheinen des Inhabers zu warten, damit dieser die Durchsuchung durch freiwillige Herausgabe der gesuchten Gegenstände abwenden oder jedenfalls die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung kontrollieren kann. Eine generelle Telefonsperre ist unzulässig, denn der Geschäftsbetrieb muss aufrechterhalten werden können. Wenn ein telefonischer Kontakt den Durchsuchungserfolg allerdings konkret gefährdet wie bspw. die telefonische Warnung des Geschäftsführers, dessen Büro durchsucht werden soll bei gleichzeitiger Durchsuchung mehrerer Objekte, können die Ermittlungspersonen den Anruf untersagen. Regel Nr. 2: Strafverteidiger anrufen! Vielfach unterhalten Strafverteidigerbüros Notfalltelefonnummern und sollten über diese in Krisensituationen telefonisch erreichbar sein. Ansonsten ist auf den Notdienst des örtlichen Anwaltsvereins in Strafsachen zu verweisen. Dem Betroffenen darf der Telefonkontakt zu seinem RA nicht verwehrt werden. Einem Missbrauch können die Ermittlungspersonen dadurch entgegenwirken, dass diese selbst den RA anwählen, um sicher zu gehen, dass der Betroffene nicht anderweitig Kontakt aufnimmt, um den Durchsuchungserfolg zu vereiteln. Im Regelfall wird der RA unverzüglich zur Durchsuchung kommen. Zuvor wird er mit dem Einsatzleiter bereits fernmündlich Ziel und Umfang der Durchsuchung erörtern und die Modalitäten der Durchsuchung klären. Hierzu gehört auch die Bitte an den Durchsuchungsleiter, mit dem Beginn der Durchsuchung bis zu seinem Erscheinen zu warten. Regel Nr. 3: Bitte an den Durchsuchungsleiter, bis zum Erscheinen des RA zu warten Eine Verpflichtung der Ermittlungspersonen, mit dem Durchsuchungsbeginn bis zum Eintreffen des RA zu warten, besteht nicht. Soweit dieser aber sein kurzfristiges Erscheinen avisiert, sind die Beamten regelmäßig nicht nur aus atmosphärischen Gründen zu dieser Konzession bereit. Denn nur mit Zustimmung des RA ist eine freiwillige Herausgabe der gesuchten Gegenstände und damit die Vermeidung der aufwändigen Durchsuchung zu erwarten. Regel Nr. 4: Namen des Durchsuchungsleiters und der weiteren Ermittlungspersonen notieren Name, Dienstbezeichnung und telefonische Erreichbarkeit der Ermittlungspersonen sind zu erfassen und soweit vorhanden Visitenkarten zu erbitten. Schneidig oder mit barschen Worten den Dienstausweis zu verlangen, ist der Sache nicht zuträglich. Bei begründetem Anlass kann es ausnahmsweise geboten sein, die Vorlage der Dienstausweise zu verlangen. Bei laufenden Fernsehkameras oder sonstiger Medienpräsenz kann es nämlich vorkommen, dass sich Medienvertreter den Zugang ins Unternehmen zu erschleichen versuchen. Regel Nr. 5: Durchsuchungsbeschluss aushändigen lassen Jede Durchsuchung bedarf grundsätzlich einer richterlichen Anordnung. Dieser Durchsuchungsbeschluss ist den von der Durchsuchung Betroffenen vor Beginn der Durchsuchung zumindest in Kopie auszuhändigen. Nur so kann die Rechtmäßigkeit der Anordnung überprüft, eine freiwillige Praxis Steuerstrafrecht 4 2006 91

Herausgabe erwogen und der zulässige Umfang der Durchsuchung kontrolliert werden. Entsprechendes gilt bei Gefahr in Verzug: Soweit eine schriftliche Anordnung etwa der Staatsanwaltschaft vorliegt, ist diese dem Betroffenen zu übergeben. Anderenfalls muss er über die Gründe und Ziele der Durchsuchung so unterrichtet werden, dass er deren Rechtmäßigkeit überprüfen kann. Hierzu gehört insbesondere auch die Erläuterung, warum Gefahr im Verzug vorliegt. Die Tatsachen, die diese Gefahr begründen sollen, sind schriftlich festzuhalten und aktenkundig zu machen. In jedem Fall ist eine hinreichende Bestimmtheit der zu suchenden Beweismittel zu fordern. Diese müssen soweit konkretisiert sein, dass weder bei den Betroffenen noch bei den Ermittlungspersonen Zweifel über die zu suchenden und beschlagnahmenden Gegenstände entstehen können. Um eine ausufernde Suche nach Verdächtigem zu verhindern, ist auf eine einvernehmliche Präzisierung der beweisrelevanten Gegenstände hinzuwirken. Regel Nr. 6: Bereitstellen eines Raumes mit Fotokopierer Aus atmosphärischen Gründen ist es sinnvoll, einen Raum zur Verfügung zu stellen, in welchem die organisatorische Abwicklung der Durchsuchung besprochen werden kann und wo die begehrten Unterlagen zunächst gesammelt werden können. Die Fragen der Sicherstellung oder Beschlagnahme sowie der Anfertigung von Kopien können dann am Ende der Durchsuchung in einem Abschlussgespräch mit dem Durchsuchungsleiter erörtert werden. Regel Nr. 7: Kein Wort durch Mitarbeiter und Verantwortliche ohne anwaltlichen Beistand Es gehört zum Standardrepertoire der Ermittlungsbehörden, die für die Unternehmensangehörigen überraschende, ungewohnte und psychisch belastende Durchsuchungssituation für Vernehmungen zu nutzen. Ein unkontrollierter Informationsfluss liegt aber weder im Unternehmensinteresse noch im Interesse des Mitarbeiters. Im Fall eines Vernehmungsversuches gilt es zunächst, den Status des Unternehmensangehörigen abzuklären. Ist dieser Beschuldigter oder Zeuge? Soll ein Mitarbeiter des Unternehmens als Beschuldigter vernommen werden, ist prinzipiell vom Schweigerecht Gebrauch zu machen. Der Mitarbeiter muss wissen, dass sein Schweigen weder als Eingeständnis von Schuld noch eines schlechten Gewissens gewertet wird. Das Aussageverweigerungsrecht des Beschuldigten ist ein fundamentales Menschenrecht, aus dessen Ausübung keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden dürfen. Jede Erklärung in diesem frühen Verfahrensstadium ohne Kenntnis der Akten und Beweislage ist unreflektiert und wird dennoch im gesamten Verfahren Bestand haben. Aussagen, die auch nach professioneller Einschätzung eines Verteidigers nach Akteneinsicht opportun sind, können ohne Nachteil zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden. Vorsicht ist auch geboten bei Vorgesprächen, insbesondere scheinbar unverfängliche Unterhaltungen mit den Ermittlungspersonen über die Sache. Steht eine Vernehmung eines Mitarbeiters als Zeuge an, ist von Bedeutung, wer die Vernehmung durchführen will: Niemand ist verpflichtet, gegenüber Polizeibeamten, Zoll- oder Steuerfahndungsbeamten eine Aussage zu machen. Angaben zur Sache können ohne Begründung und vollständig verweigert werden ( Ich möchte keine Angaben machen ). Ein Nachteil kann dem Mitarbeiter hierdurch nicht entstehen. Im Gegensatz dazu hat der Zeuge gegenüber dem Staatsanwalt und Beamten der Straf- und Bußgeldsachenstelle grundsätzlich kein Recht, die Aussage zu verweigern. Etwas anders gilt, wenn dem Zeugen ein Zeugnisverweigerungsrecht als Angehöriger des Beschuldigten oder als Berufsgeheimnisträger ( 53, 53a StPO) oder ein Auskunftsverweigerungs recht zum Schutz vor Selbstbelastung ( 55 StPO) zusteht. Insbesondere die Prüfung und Durchsetzung des Auskunftsverweigerungsrechtes ist ohne professionellen Berater kaum möglich. Der Mitarbeiter, der vom Staatsanwalt oder von einem Beamten der StraBu als Zeuge vernommen werden soll, hat das Recht, einen RA seiner Wahl zu konsultieren, bevor er zur Sache aussagt (anwaltlicher Praxis Steuerstrafrecht 4 2006 92

Zeugenbeistand). Unter Anerkennung der Aussageverpflichtung kann der Mitarbeiter daher darauf hinwirken, dass er nicht ad hoc während der laufenden Durchsuchung als Zeuge vernommen wird. Dies kann nach Rekrutierung eines anwaltlichen Zeugenbeistandes auch noch später, etwa am nächsten Tag, erfolgen. Schließlich bleibt es der Unternehmensleitung unbenommen, sich unter Inanspruchnahme des Hausrechts zu verbitten, dass die betrieblichen Räumlichkeiten für informatorische Gespräche und Vernehmungen von Mitarbeitern genutzt werden. Regel Nr. 8: Vernehmungen auf Firmengelände untersagen Die Durchsuchung ist zu dulden, ihr darf kein Widerstand entgegengesetzt werden. Insofern ist das Hausrecht des Unternehmens eingeschränkt und das Betreten der Geschäftsräume durch die Ermittlungspersonen legitimiert. Anders sieht es aber aus, wenn die Beamten statt zur Suche nach bestimmten Beweismitteln den Aufenthalt im Unternehmen zu anderen Zwecken insbesondere der Befragung von Unternehmensangehörigen nutzen. Ein solches Verweilen im Unternehmen mit dem Zweck der Durchführung von Vernehmungen ist vom Durchsuchungsbeschluss nicht gedeckt und daher nur mit Willen des Hausrechtsinhabers statthaft. Daher sollte dem Durchsuchungsleiter bereits im Vorgespräch jedenfalls zu Beginn der Durchsuchung deutlich gemacht werden, dass die Durchführung von Vernehmungen auf dem Unternehmensgelände nicht gestattet wird. Regel Nr. 9: Berater nicht von der Verschwiegenheitsverpflichtung entbinden! Auf keinen Fall dürfen die für das Unternehmen tätigen Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer von ihrer beruflichen Schweigepflicht entbunden werden. Dies hätte die Folge, dass die Berater sich nicht mehr auf ihr gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht berufen können und zur Herausgabe von Unterlagen verpflichtet wären. Regel Nr. 10: Begleitung/Beobachtung der Ermittler durch kompetente Mitarbeiter oder den RA Es gibt kein Recht der Ermittler auf heimliche Durchsuchungen; diese dürfen nicht die Durchsuchung in Abwesenheit von Beauftragten des Unternehmens verlangen. Für jede Ermittlungsperson, jedenfalls aber für jeden zu durchsuchenden Raum ist daher möglichst ein kompetenter und verfahrensferner Mitarbeiter oder hinzugezogener RA abzustellen, der den bzw. die Beamten begleitet und die Maßnahmen beobachtet. Hierzu sollte er eine Kopie des Durchsuchungsbeschlusses erhalten. Es ist etwa darauf zu achten, dass Räumlichkeiten, auf die sich der Durchsuchungsbeschluss nicht bezieht, nicht betreten, jedenfalls aber nicht durchsucht werden. Regel Nr. 11: Niemals Unterlagen vernichten oder Daten löschen! Auf keinen Fall dürfen Unterlagen beiseite geschafft oder Daten vernichtet werden. Ist der Mitarbeiter selbst Beschuldigter, kann ein derartiges Verhalten den Haftgrund der Verdunklungsgefahr, ansonsten den Verdacht der versuchten Strafvereitelung begründen. Regel Nr. 12: Keine Genehmigung für nicht einsichtsbefugte Polizeibeamte Anders als in der Vergangenheit dürfen seit dem 1.9.04 auch Polizeibeamte auf Anordnung des Staatsanwaltes Papiere und elektronische Datenträger durchsehen. Fehlt es an einer solchen Anordnung die auch fernmündlich oder vorab erfolgen kann, sollte ohne Beratung mit dem hinzugezogenen RA keine Genehmigung zur Durchsicht erteilt werden. Regel Nr. 13: Keine freiwillige Herausgabe von Unterlagen ohne Abstimmung mit dem RA! Es existiert keine Pflicht zur aktiven Mitwirkung bei der Durchsuchung. Diese ist lediglich passiv zu dulden. Es kann allerdings sinnvoll sein, in Abstimmung mit dem RA auch aktiv mitzuwirken: So ist es grundsätzlich opportun, verschlossene Räume, Schränke, Tresore o.ä. zu öffnen, um deren gewaltsames Aufbrechen zu verhindern. Entsprechendes kann für die Preisgabe von Passwörtern für die EDV gelten, wenn dadurch verhindert werden kann, dass die gesamte EDV sichergestellt Praxis Steuerstrafrecht 4 2006 93

wird. Ferner kann es sich empfehlen, bei der Suche bestimmter Gegenstände oder Unterlagen zu helfen, um zu vermeiden, dass für den Fortgang des Unternehmensbetriebes bedeutsame Unterlagen mitgenommen werden. Es besteht dann auch nicht die Gefahr, dass zufällig weitere, womöglich aus Sicht des Unternehmens intrikate Vorgänge ins Blickfeld der Ermittler geraten. Denn mit dem kooperativen Heraussuchen der im Durchsuchungsbeschluss bezeichneten Gegenstände ist der Durchsuchungszweck erreicht und damit eine Fortsetzung der Durchsuchung nicht statthaft. Gleichwohl sollte grundsätzlich auf den Sicherstellungsprotokollen vermerkt sein, dass die Betroffenen nicht mit der Herausgabe einverstanden sind. Der Beschlagnahme sämtlicher Gegenstände sollte vorsorglich widersprochen werden. Regel Nr. 14: Detaillierte Dokumentation der beschlagnahmten Gegenstände verlangen! Der von der Durchsuchung Betroffene hat noch an Ort und Stelle einen Anspruch auf ein schriftliches Verzeichnis der sichergestellten oder beschlagnahmten Gegenstände und Unterlagen ( 107 S. 2 StPO). Ein entsprechendes Verzeichnisses muss ausdrücklich verlangt werden. In diesem Verzeichnis müssen die in Verwahrung bzw. in Beschlag genommenen Gegenstände so genau vermerkt werden, dass eine Identifizierung möglich ist ( 109 StPO). Angaben, wie ein Ordner mit Rechnungen oder diverse Unterlagen genügen dem nicht und sind unstatthaft. Das nachdrückliche Einfordern der gesetzlichen Pflicht zur akribischen Dokumentation und individuellen Bezeichnung hat in der Praxis mitunter disziplinierende Wirkung. Denn insbesondere in Wirtschafts- und Steuerstrafverfahren stößt die Erstellung eines ordnungsgemäßen Verzeichnisses ob des Umfangs der Unterlagen auf Schwierigkeiten. Dies ist Anlass genug, in einem Abschlussgespräch mit dem Durchsuchungsleiter die Frage der Notwendigkeit der Sicherstellung oder Beschlagnahme der konkreten Gegenstände zu erörtern. Gleichzeitig kann auch die Zulässigkeit der Mitnahme von beschlagnahmefreien Gegenständen (z.b. Verteidigerunterlagen) angesprochen werden. Kommt es hier zu keiner Einigung, wird der RA auf die Versiegelung der Unterlagen bestehen. Über die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme muss dann der Ermittlungsrichter entscheiden. Regel Nr. 15: Kopien der sichergestellten Unterlagen fertigen! Im Abschlussgespräch ist auch die Frage zu erörtern, ob die in Rede stehenden Unterlagen im Original oder in Kopie mitgenommen werden. Die Beschlagnahme von Geschäftsunterlagen steht der ordnungsgemäßen und ungestörten Fortführung des Unternehmensbetriebes regelmäßig entgegen, da hierfür die in den Unterlagen dokumentierten Daten seien sie konservativ in Papier oder in elektronischen Datenträgern erfasst benötigt werden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es daher, zunächst zu prüfen, ob die Ermittler als mildere Maßnahme anstelle der Sicherstellung der Beweisgegenstände Kopien des Datenbestandes fertigen. Besteht der Durchsuchungsleiter auf die Mitnahme der Originaldaten, ist dem Betroffenen aber jedenfalls zu gestatten, die zur Betriebsfortführung erforderlichen Kopien zu fertigen. Regel Nr. 16: Fehlendes Einverständnis mit Durchsuchung und Beschlagnahme vermerken Bei Beendigung der Durchsuchung wird eine Niederschrift über Durchsuchung und Beschlagnahme mittels eines Formblattes erstellt. Dieses Formblatt enthält Textbausteine, die anzukreuzen sind. Der Betroffene sollte die Textbausteine in Ruhe durchlesen und Zutreffendes ankreuzen. Unmittelbar nach Beendigung sollte der Ablauf der Durchsuchung in einem internen Bericht dokumentiert werden. Weiter ist zügig zu prüfen, ob Rechtsmittel eingelegt werden und beim Vorwurf der Steuerhinterziehung ob noch Raum für eine Selbstanzeige (Personen/Steuerarten/Jahre) ist. Nachdem ggf. der Umgang mit der Presse geregelt und die Kundeninformation abgestimmt wurde, sollte noch überlegt werden, welche Verteidiger für beschuldigte Unternehmensangehörige bestellt werden. Praxis Steuerstrafrecht 4 2006 94