Stellungnahme der Arbeitsgruppe der JuCH. zum. Fragebogen der EU-Kommission. betreffend



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Transkript:

Stellungnahme der Arbeitsgruppe der JuCH zum Fragebogen der EU-Kommission betreffend öffentliche Anhörung über das anzuwendende Recht und die gerichtliche Zuständigkeit in Scheidungssachen Grundlagen, Materialien und Literatur: - Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch über das anzuwendende Recht und die gerichtliche Zuständigkeit in Scheidungssachen; Brüssel, 14. März 2005 [KOM(2005) 82 endgültig]; - Commission of the european communities, Commission staff working paper Annex to the Green Paper on applicable law and jurisdiction in divorce matters; Brüssel, 14. März 2005; - Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003, über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 [kurz: neue Verordnung Brüssel II]; - Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten [kurz: Verordnung Brüssel II]; - Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über das internationale Privatrecht vom 10. November 1982; BBl 1982 I, S. 263 ff.; - Kommentar zum Bundesgesetz über das internationale Privatrecht vom 1. Januar 1989, hrsg. von Anton Heini, Zürich 1983. Frage 1: Kennen Sie sonstige, noch nicht angeführte Probleme, die sich bei internationalen Scheidungen ergeben könnten? Nebst den im Grünbuch aufgezeigten Schwierigkeiten stellt sich ausserdem das Problem der fehlenden Akzeptanz von solchen internationalen familienrechtlichen Urteilen, was dazu führen könnte, dass die Prozesslast bei den Rechtsmittelinstanzen wächst. Probleme stellen sich insbesondere auch beim Vollzug der Entscheide (namentlich bei der Durchsetzung von Besuchsregelungen). Frage 2: Treten Sie für eine Harmonisierung der Kollisionsnormen ein? Welche Argumente sprechen für bzw. gegen diese Lösung? Grundsätzlich wäre ein vereinheitlichtes materielles Scheidungsrecht wünschenswert. Da dies zum heutigen Zeitpunkt aus politischen Gründen illusorisch wäre, ist ein gemeinsames Kollisionsrecht zu befürworten. 1

Vorteile einer Kodifikation: - vereinfachte Rechtsanwendung in Bezug auf die Ermittlung des anzuwendenden Rechts - Rechtssicherheit für die Parteien - Transparenz Nachteile: - Eingriff in die Souveränität der einzelnen Mitgliedstaaten - u.u. grosse Unterschiede in der Rechtsanwendung (keine Unitée de doctrine möglich) Frage 3: Welche Anknüpfungspunkte sollten gewählt werden? Mögliche Anknüpfungen wären: - Aufenthalt - Wohnsitz - Staatsangehörigkeit - engster Sachzusammenhang Damit die angestrebte Flexibilität erhalten bleibt, ist eine Kaskadenanknüpfung nicht empfehlenswert. Frage 4: Sollten sich die harmonisierten Regeln ausschliesslich auf die Scheidung, oder auch auf die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Ungültigkeitserklärung der Ehe erstrecken? Die Harmonisierungsregeln sollten für sämtliche eherechtlichen Verfahren (namentlich Scheidung, Trennung, Ungültigkeit, Nichtigkeit, Abänderung von Urteilen, Auflösung z.b. wegen Verschollenheit) inklusive Nebenfolgen der Auflösung einer Ehe gelten. Für vorsorgliche Massnahmen jedoch wäre dagegen grundsätzlich das geltende Recht am Aufenthaltsort vorzusehen. Frage 5: Sollten die harmonisierten Regeln einen Vorbehalt der öffentlichen Ordnung ( ordre public ) einschliessen, so dass Gerichte die Anwendung ausländischen Rechts in bestimmten Fällen ablehnen können? Die Notwendigkeit einer escape clause ist dezidiert zu bejahen. Es stellt sich allerdings die Frage, in welcher Form: - Im Verhältnis der EU-Mitgliedstaaten ist es fraglich, inwiefern überhaupt ordre public Fälle denkbar sind. - Im Verhältnis zu Drittstaaten ist jedoch eine ordre public Norm notwendig. Diese Norm müsste sich aber wohl aus den nationalen Kollisionsnormen ergeben, da das Gemeinschaftsrecht im Verhältnis zu Drittstaaten nicht unmittelbar anwendbar ist. - Unseres Erachtens wichtig wäre eine Art Ausnahmeklausel, die erlaubt, das anwendbare Recht ausnahmsweise nicht anzuwenden, wenn der nötige Sachzusammenhang fehlt im Einzelfall. - Zudem soll jeder Mitgliedstaat sein eigenes, zwingendes Recht unmittelbar anwenden können ähnlich der lois d application immédiate (vgl. Art. 18 IPRG der Schweiz). Frage 6: Sollten die Parteien die Möglichkeit der Rechtswahl erhalten? Welche Argumente sprechen für bzw. gegen diese Lösung? 2

Bei der Beantwortung dieser Frage ist eine Differenzierung zu treffen: Unseres Erachtens ist eine Rechtswahlmöglichkeit für einvernehmliche Scheidungen wünschenswert. Bei strittigen Scheidungen dagegen hat der zuständige Richter das anzuwendende Recht anhand der geltenden Kollisionsregeln zu bestimmen. Vorteile: Aus der Sicht der Parteien würde so die nötige Kohärenz zwischen Erwartungen und Rechtslage hergestellt (zumindest, wenn sich die Ehepartner einig sind). Ausserdem würde so die gewünschte Flexibilität erreicht, die Selbstbestimmung verbessert und die einvernehmliche Scheidung dem Vertragsrecht angenähert. Frage 7: Sollte die Wahlmöglichkeit auf bestimmtes Recht beschränkt werden? Wenn ja, welche Anknüpfungspunkte sollten gewählt werden? Sollte die Wahlmöglichkeit auf das Recht der Mitgliedstaaten beschränkt werden? Sollte die Rechtswahl auf die lex fori begrenzt werden? Die Rechtswahlmöglichkeit muss beschränkt werden. Unseres Erachtens sollte zwischen dem gemeinsamen Aufenthalts- oder Heimatrecht (eines EU-Mitgliedstaates) und der lex fori gewählt werden können. Da ein harmonisiertes EU-Scheidungskollisionsrecht bereits das Recht des engsten Sachzusammenhangs anzuwenden sucht, ist u.u. eine Beschränkung der Rechtswahl auf das anwendbare Recht und der lex fori in Betracht zu ziehen. Frage 8: Sollte sich die Möglichkeit der Rechtswahl ausschliesslich auf die Scheidung oder auch auf die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Ungültigkeitserklärung der Ehe erstrecken? Auch hier sollte differenziert werden: solange sich die Ehegatten einig sind, sollen sie eine eingeschränkte Rechtswahlmöglichkeit haben und zwar unabhängig vom eherechtlichen Verfahren. In den strittigen Fällen hat der Richter von Amtes wegen das anwendbare Recht zu ermitteln. Frage 9: Welche formellen Voraussetzungen sollten für die Rechtswahl durch die Parteien festgelegt werden? Unseres Erachtens reicht einfache Schriftlichkeit als Formerfordernis (z.b. innerhalb einer Scheidungsvereinbarung). Frage 10: Führt das Vorliegen mehrerer Zuständigkeitsgründe Ihrer Erfahrung nach zu einem Wettlauf vor Gericht? Diese Frage kann klar bejaht werden. Frage 11: Sollten die Zuständigkeitsgründe Ihrer Ansicht nach geändert werden? Wenn ja, in welcher Form? Unseres Erachtens bedürfen die Zuständigkeitsvorschriften der neuen Verordnung Brüssel II (Nr. 2201/2003) grundsätzlich keiner Überarbeitung. Wünschenswert wäre aber auch hier die Möglichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung für einvernehmliche Verfahren. 3

Ausserdem könnte die Aufnahme einer Notzuständigkeit auf Gemeinschaftsebene Vorbild von Art. 3 IPRG der Schweiz - geprüft werden. Zum Beispiel: nach dem Sieht diese Verordnung keine Zuständigkeit in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vor und ist ein Verfahren in einem Drittstaat nicht möglich oder unzumutbar, so sind die Gerichte oder Behörden am Ort eines Mitgliedstaates zuständig, mit dem der Sachverhalt einen genügenden Zusammenhang aufweist. Im Verhältnis zu Drittstaaten könnte die Restzuständigkeit wie sie in Art. 7 der neuen Verordnung Brüssel II vorsieht, beibehalten werden. Vorteil einer solchen Zuständigkeitsregelung: es muss nicht mehr auf das nationale Kollisionsrecht der einzelnen Mitgliedstaaten verwiesen werden, was wieder zu mehr Transparenz und Rechtssicherheit führen würde. Frage 12: Sind Sie der Meinung, dass die Harmonisierung der Zuständigkeitsregeln verstärkt werden sollte und Art. 7 der Verordnung Nr. 2201/2003 gestrichen oder zumindest auf Fälle beschränkt werden sollte, an denen keine Unionsbürger beteiligt sind? Wenn ja, wie sollte diese Regelung aussehen? Die heute geltende Restzuständigkeit (Art. 7 neue Verordnung Brüssel II) bedeutet, dass letztlich im Grunde die nationalen Kollisionsregeln der Mitgliedstaaten zur Anwendung gelangen. Unseres Erachtens ist eine generelle Notzuständigkeit auf EU-Ebene einzuführen (vgl. Ausführungen zu Frage 11). Frage 13: Welche Argumente sprechen für bzw. gegen die Einführung einer Möglichkeit zur Vereinbarung über die Zuständigkeit in Scheidungssachen? Unseres Erachtens ist in Fällen der einvernehmlichen Scheidung oder Trennung auch eine Wahlmöglichkeit in Bezug auf den Gerichtsstand wünschenswert. Vorteile einer Wahlmöglichkeit: Auch hier würde mehr Selbstbestimmung, Flexibilität, Voraussehbarkeit und Akzeptanz erreicht. Frage 14: Sollte diese Möglichkeit auf bestimmte Gerichte beschränkt werden? Auch hier vertreten wir die Ansicht, dass die Wahlmöglichkeit beschränkt werden sollte auf den Aufenthalts- oder Heimatort eines Gesuchstellers oder den Ort des genügenden Sachzusammenhangs. Frage 15: Welche formellen Erfordernisse sollten für die Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien gelten? Auch hier würde unseres Erachtens einfache Schriftlichkeit genügen (z.b. innerhalb einer Scheidungsvereinbarung). Frage 16: Sollte es möglich sein, die Verweisung einer Rechtssache an das Gericht eines anderen Mitgliedstaats zu beantragen? Welche Argumente sprechen für bzw. gegen diese Lösung? Wir sind gegen die Einführung einer Verweisungsnorm. 4

Folgende Argumente sprechen gegen eine Verweisung: - Verschleppung des Verfahrens; - Wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt, soll das Gericht nicht weiterverweisen können; - Es ist schwierig abzugrenzen, wann ein Fall von unerwünschtem forum running vorliegt; - Der Informationsaustausch und -zugang zwischen den Gerichten müsste massiv verbessert werden. Die Wirkungen der Rechtshängigkeit lassen sich nicht beliebig lockern und Prozessrecht lässt sich nur sehr beschränkt flexibilisieren ohne dass die Verfahrenssicherheit darunter leidet. Frage 17: Welche Anknüpfungspunkte sollten dafür ausschlaggebend sein, ob eine Rechtssache an einen anderen Mitgliedstaat verwiesen werden kann? Aufgrund unserer Haltung zu Frage 16 erübrigen sich an dieser Stelle weitere Ausführungen. Frage 18: Welche Schutzklauseln wären zur Gewährleistung von Rechtssicherheit und zur Vermeidung einer überlangen Verfahrensdauer nötig? Aufgrund unserer Haltung zu Frage 16 erübrigen sich an dieser Stelle weitere Ausführungen. Frage 19: Welche Kombination an Lösungsmöglichkeiten wäre Ihrer Ansicht nach am besten geeignet, um die beschriebenen Probleme zu lösen? Zusammenfassend sind wir zur Überzeugung gelangt, dass ein EU-weit harmonisiertes Scheidungskollisionsrecht zwar nicht die gleichen Vorteile bringt wie eine Rechtsvereinheitlichung, jedoch die grössten aktuellen Probleme abfedern kann. Für die strittigen familienrechtlichen Verfahren muss ein Kollisionsrecht für Zuständigkeit und anwendbares Recht zwingende Regeln vorsehen, während für einvernehmliche Scheidungen sowohl die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in einem beschränkten Rahmen gewählt werden können soll. Mit dieser Differenzierung wird man dem Flexibilisierungs-/Rechtssicherheitsbedürfnis der Betroffenen am ehesten gerecht. Frage 20: Würden Sie eine andere Lösung zur Behebung der in Kapitel 2 dargelegten Probleme vorschlagen? Nein. Zürich, 19. August 2005 Für die Arbeitsgruppe: Dr. iur. Alice Reichmuth, Vizepräsidentin des Kantonsgerichts Schwyz Rechtsanwältin lic.iur. Zsuzsana Vasvary, Basel Rechtsanwältin lic.iur. Ingrid Indermaur, Zürich 5