Thema im Fokus Ausgabe 3 Juli 2013 Offene Immobilienfonds: Neue Regelungen ab dem 22. Juli 2013 Inhalt dieser Ausgabe Überblick 1. Der Börsenhandel von offenen Immobilienfonds ab dem 22.07.2013 2. Einschätzung der neuen Situation 3. Der Börsenhandel von offenen Immobilienfonds vor dem 22.07.2013 4. Zur Historie von Immobilienfonds 5. Wie es zu der Krise bei den Immobilienfonds kam 1
1. Der Börsenhandel von offenen Immobilienfonds ab dem 22.07.2013 1. Der Börsenhandel von offenen Immobilienfonds ab dem 22.07.2013 keine Haltefristen keine Kündigungsfristen keine Ausgabeaufschläge Ab dem 22.07.2013 treten umfangreiche gesetzliche Änderungen bei Investmentfonds in Kraft. Das bis dato gültige Investmentgesetz wird durch das neue sogenannte Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) abgelöst. Das KAGB ist ein in sich geschlossenes Regelwerk für Investmentfonds und ihre Manager und berücksichtigt alle diesbezüglichen europäischen Vorgaben. Auch für die Assetklasse der offenen Immobilienfonds ergeben sich spezielle weitreichende Veränderungen. So gelten für alle ab dem 22.07.2013 erworbenen Immobilienfonds sowohl eine 2-jährige Haltefrist, wie auch eine 1-jährige Kündigungsfrist. Erst nach Einhaltung dieser Fristen können Anteile an die Kapitalverwaltungsgesellschaft (vormals Kapitalanlagegesellschaft) zurückgegeben werden. Und erst dann kommen die Anleger im Normalfall an ihr Geld. Anleger, die vor dem 22.07.2013 Anteile an offenen Immobilienfonds erworben haben, unterliegen zwar auch den genannten Fristen, genießen aber eine Art Bestandsschutz und können pro Halbjahr bis zu 30.000 ohne Kündigung an die Kapitalverwaltungsgesellschaft zurückgeben. Auf den ersten Blick ist diese Ungleichbehandlung von Anlegern nicht besonders förderlich für den künftigen Erwerb von Immobilienfonds. Doch es gibt eine Lösung. Denn der Börsenhandel von offenen Immobilienfonds ist von den neuen gesetzlichen Regelungen nicht betroffen. Das bedeutet, dass der bisherige tägliche Handel von Immobilienfonds an der Börse Hamburg nahtlos fortgesetzt wird. Somit können Käufer und Verkäufer auch nach dem 22.07.2013 während der Börsenzeit von 8.00 Uhr bis 20:00 Uhr wie gewohnt offene Immobilienfonds über die Börse Hamburg jederzeit variabel handeln. Eine kleine Änderung gibt es allerdings. Die Skontroführer (Makler) sind bei nunmehr allen Immobilienfonds (egal ob offen oder eingefroren ) von der ansonsten bei Investmentfonds geltenden Liquiditäts- und Garantieverpflichtung befreit. Das bedeutet, dass die Preisfeststellung bei Immobilienfonds ab dem 22.07.2013 gänzlich nach Orderbuchlage erfolgt - unter Berücksichtigung des von der Fondsgesellschaft täglich festgestellten Net-Asset-Value (NAV). Anders ausgedrückt: die Preisfeststellung erfolgt rein nach Angebot und Nachfrage, unabhängig davon, ob der jeweilige Immobilienfonds offen, eingefroren und / oder sich in Abwicklung befindet. Es ist daher möglich, dass Preise festgestellt werden, die vom offiziellen NAV der Kapitalverwal- 2
tungsgesellschaft teilweise nach unten oder oben abweichen können. Die Überwachung der Preisfeststellungen erfolgt auch weiterhin durch die unabhängige Handelsüberwachungsstelle der Börse Hamburg und garantiert damit eine marktgerechte Preisbildung. Anleger, die einen bestimmten Preis bei der Orderausführung nicht unter- bzw. überschreiten möchten, können auch weiterhin bei der Orderaufgabe ein Limit vorgeben. 2. Einschätzung der neuen Situation Das neue Gesetz soll das bisherige Konstruktionsdefizit von offenen Immobilienfonds beseitigen bzw. vermindern. Grundsätzlich ist die Einführung von Haltefristen für offene Immobilienfonds daher zu begrüßen. Durch die neuen Vorgaben verlieren offene Immobilienfonds aus unserer Sicht nicht an Attraktivität, sondern sind durchaus im Sinne des Anlegers. Denn bisher mussten die Fondsgesellschaften für diese Fondskategorie stets viel Liquidität vorhalten, um die Rückzahlungswünsche der Anleger zu bedienen. Das hat die Effizienz und insbesondere die Rendite der Fonds deutlich eingeschränkt. Die Fondsgesellschaften werden sich also künftig noch besser auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können. Wichtig ist aber auch, dass Anleger die Assetklasse Immobilienfonds besser verstehen. Denn auch der klassische Immobilienfonds ist eine Anlage mit Risiken, aber eben auch mit Chancen. Für eine Anlage mit einem kurzfristigen Anlagehorizont ist der Immobilienfonds eher nicht geeignet. Immobilien verändern ihren Wert i.d.r. nicht von einem auf den anderen Tag, womit sich eine Immobilienanlage, ob direkt oder verbrieft, nicht für eine kurzfristige Spekulation eignet. Mit dem weiterhin problemlos funktionierenden Börsenhandel wird der Wunsch der Anleger nach Flexibilität mit dem Wunsch der Fondsgesellschaften nach langen Haltefristen nunmehr in Einklang gebracht. Mit Etablierung des börslichen Fondshandels in Kombination mit verbindlichen gesetzlichen Haltefristen sollten die Probleme der Immobilienfonds daher der Vergangenheit angehören. Ein ähnliches Modell hat sich übrigens in der Schweiz bereits seit Jahrzehnten bewährt dort können Immobilienfonds ausschließlich über die Börse gehandelt werden. 3. Der Börsenhandel von offenen Immobilienfonds vor dem 22.07.2013 Als die zweite Welle der Fondsschließungen Ende 2008/Anfang 2009 anrollte, konnte die Börse Hamburg im Handel mit Immobilienfonds auf einige Erfahrungen zurückblicken. Bereits Mitte 2002 hatte die Börse Hamburg den Handel u.a. in offenen Immobilienfonds aufgenommen - mit stetig steigenden Umsatzzahlen. 3
Bis Ende 2012 konnten Anleger täglich quasi in unbegrenzter Höhe ohne vorherige Kündigung Anteile an einem Immobilienfonds an die Kapitalanlagegesellschaft zurückgeben. Bei der börslichen Preisfeststellung galt daher bei offenen Immobilienfonds (ebenso wie bei Aktienfonds) grundsätzlich der Rückkaufswert bzw. Net-Asset-Value (NAV) der Kapitalanlagegesellschaft (KAG) als Orientierung. Sofern der Immobilienfonds offen war, es also keinen Ausgabe- oder Rücknahmestopp seitens der KAG gab, erfolgten Orderausführungen weitgehend in Anlehnung an den von der KAG täglich veröffentlichten NAV. Bei diesen Fonds konnte der Makler auch durch kurzfristigen Selbsteintritt für einen Nachfrage- bzw. Angebotsausgleich sorgen, da der Makler eventuelle Spitzen bei der KAG ausgleichen konnte (nicht musste). Anders verhielt es sich bei Immobilienfonds, die eingefroren waren, wo also ein vorübergehender Rücknahmestopp bestand oder bei Fonds, die sich in Abwicklung befanden. In diesen Fällen wurden die Immobilienfonds schon bisher ab dem Tag der Verkündung des Rücknahmestopps bzw. der Abwicklung ausschließlich nach Angebot und Nachfrage gehandelt. Mit Beginn des Jahres 2013 galten für offene Immobilienfonds im Rahmen der AIFM-Richtlinie neue Regeln: so schrieb das Gesetz verschiedene Haltefristen vor, mit denen Liquiditätsengpässe offener Immobilienfonds in Zukunft vermieden werden sollten. Neuanleger mussten mindestens zwei Jahre in einem Fonds investiert bleiben. Wollten sie ihre Fondsanteile verkaufen, mussten Bestands- wie Neuanleger zudem eine Kündigungsfrist von 12 Monaten einhalten. Unabhängig von diesen Fristen durften die Anleger offener Immobilienfonds pro Kalenderhalbjahr maximal 30.000 Euro an die KAG zurückgeben. Das kurzfristige Parken von Geldern in renditestarken Immobilienfonds wurde zumindest für Großinvestoren damit deutlich unattraktiver. 4. Zur Historie von Immobilienfonds Bereits 1959 legte die damalige Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank den ersten offenen Immobilienfonds in Deutschland auf. Ganz neu war die Idee allerdings nicht, denn zu diesem Zeitpunkt blickte die Schweiz bereits auf 21 Jahre Erfahrung in dieser Assetklasse zurück. Ging es in den Nachkriegsjahren vorrangig darum, ein Dach über den Kopf zu haben, so entstand in den Jahren des Wirtschaftswunders bei vielen Menschen der Traum von der eigenen Immobilie. Aber ein Haus, d.h. eine eigene Immobilie zu erwerben, war auch zu Zeiten des Wirtschaftsbooms finanziell nicht für jeden erschwinglich. Früh ermöglichte es eine Innovation auch Privatanlegern mit geringerem Einkommen, sich an dem beginnenden Immobilienboom zu beteiligen. Im Laufe der Jahre entwickelte sich diese Anlageklasse zu einer wahren Erfolgsstory. Weitere Im- 4
mobilienfonds wurden aufgelegt. Mit dem steigenden Bedarf an (gewerblichen) Immobilien auf Grund des Wirtschaftsbooms, stiegen über die Jahre auch die Immobilienpreise und in Folge dessen die Renditen sowie die Kurse der Fonds. 5. Wie es zu der Krise bei den Immobilienfonds kam Offene Immobilienfonds schienen eine Art Perpetuum Mobile zu sein: ansehnliche Renditen und hoch liquide bei überschaubaren Risiken - eben eine solide Geldanlage. Risiken waren bei Immobilienfonds viele Jahrzehnte eher ein Randthema wenn überhaupt. Doch ein Perpetuum Mobile gibt es bekanntlich nicht. Und so mussten auch Anleger von offenen Immobilienfonds feststellen, dass es eine gut rentierliche Anlage niemals gänzlich ohne Risiken gibt; eigentlich eine Binsenweisheit. Plötzlich erkannte man schmerzlich, dass auch Anteile an Immobilienfonds einem Preisrisiko unterliegen können. Ganz vorn stand nicht etwa das allgemeine wirtschaftliche Risiko (Mietzahlungen fallen aus, Kosten sind zu hoch, Immobilienpreise verfallen etc.), sondern vielmehr das dieser Anlageklasse innewohnende Problem der Fristeninkongruenz: von ihrer Konstruktion her sind Immobilienfonds nicht auf abrupte, hohe Mittelabflüsse ausgerichtet. Denn Immobilien lassen sich anders als etwa Aktien nicht umgehend, sondern erst im Laufe von Monaten verkaufen. Daher blieb als Lösung nur die vorübergehende Schließung eines Fonds, wenn zu viele Anleger gleichzeitig ihre Fondsanteile verkaufen wollten und die Rückgabe der Anteile die Liquiditätsreserven der KAG überstiegen. So richtig offensichtlich wurde dieser Sachverhalt für die Anleger im Jahre 2005. Damals verhängten zwei Fondsgesellschaften für drei ihrer Fonds einen Rücknahmestopp. Waren es damals im Vorfeld Bewertungsprobleme, die zur vorübergehenden Schließung führten, so waren es drei Jahre später im Zuge der Finanzkrise erhebliche Mittelabflüsse, die zu Aussetzungen einiger Immobilienfonds führten. Leerstand und sinkende Mieten ließen Anfang 2009 im Zuge der Finanzkrise bei Anlegern Zweifel aufkommen, wie werthaltig die von den KAG s berechneten und veröffentlichten NAV (Net Asset Value) eigentlich waren. Im Wesentlichen institutionelle Investoren fürchteten Abwertungsbedarf und zogen kurzfristig angelegte Gelder aus den Fonds ab. Zu viel für einige Fonds. Die Folge: Viele Fonds mussten einen Rücknahmestopp für die ausgegebenen Anteile verhängen mit der Folge, dass auch die Privatanleger nicht mehr an ihr eingesetztes Kapital kamen. Was für einige Betroffene nur ärgerlich war, 5
konnte bei anderen Zukunftspläne ins Wanken geraten lassen. Wer in solchen Situationen auf die Auszahlung seines Geldes angewiesen war, dem blieb als einziger Ausweg der Verkauf über die Börse. Denn nur über die Börse besteht bei einem Rücknahmestopp von Fondsanteilen die Möglichkeit, sich von seinen Anteilen transparent, geregelt und überwacht zu trennen. 6