IM FALL eine Ausstellung

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Transkript:

Hintergrundinformationen für Lehrpersonen Seite 1 IM FALL eine Ausstellung über die Sozialhilfe in der Schweiz Ausgangslage und Zielsetzung Die heutige Rolle der Sozialhilfe im System der sozialen Sicherheit ist weiten Bevölkerungskreisen nur wenig bekannt. IM FALL versteht sich deshalb als Informationskampagne: Sie vermittelt gezielte und differenzierte Inhalte zum Thema Sozialhilfe und klärt über die Ursachen von Armut und Prekarität auf. Damit soll das Verständnis für Menschen, die auf Unterstützung durch die öffentliche Hand angewiesen sind, gefördert werden. Das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung 2010 bildet einen geeigneten Aufhänger für die Lancierung einer breiten Informationskampagne im Rahmen einer Wanderausstellung. Die SKOS als Fachverband der Sozialhilfe, die gleichzeitig als Interessensvertreterin der Institutionen der Sozialhilfe der gesamten Schweiz auftritt, ist die geeignete Instanz für diese Art von Öffentlichkeitsarbeit. Ziel ist es einerseits, die Institution der Sozialhilfe sowie ihre Einbettung in die nationale, kantonale und kommunale Sozialpolitik einem möglichst breiten Publikum anschaulich näher zu bringen. Andererseits wird aber auch ein Appell an die gesellschaftliche Solidarität gerichtet. Eine Vielzahl von Objekten ermöglicht ganz unterschiedliche Zugänge zum Thema. Sozialhilfebeziehende kommen neben Arbeitgebenden und Gewerkschaften zu Wort, spielerische Elemente wechseln sich ab mit der Visualisierung statistischer Daten. Ursachen sowie Folgen von Armut werden aufgezeigt, Kindermeinungen zum Thema fliessen ebenso ein wie jene der Öffentlichkeit. Eine Ausstellung viele Städte Die Ausstellung, eingebettet in den Rahmen des europäischen Jahres zur Bekämpfung der Armut, wird in 17 Schweizer Städten gezeigt. Der genaue Tourneeplan findet sich auf der Homepage zur Ausstellung, www.im-fall.ch. Der Zugang zum Thema ist vielfältig und kombiniert sowohl sinnlich-emotionale und spielerische als auch inhaltliche Elemente. Auch die eingesetzten Medien tragen den unterschiedlichen Präferenzen der Informationsaufnahme Rechnung, indem Texte, Fotografien und grafische Darstellungen, Film, Internet und Tonaufnahmen eingesetzt werden. Eine Wanderausstellung hat den Vorteil, dass ein einmalig entwickeltes Ausstellungskonzept an verschiedenen Orten der Schweiz gezeigt werden kann. Das Thema wird von der konkreten kantonalen und kommunalen Institution losgelöst dargestellt, teilweise werden aber auch regionale und lokale Informationen in die Ausstellung einfliessen. Das Ausstellungskonzept: Der Sozialhilfe begegnen Die Ausstellung nutzt sowohl den Aussen- als auch den Innenraum. Der Aussenraum wird mit verschiedenen Installationen in der Grundfarbe Orange zum Thema Sozialhilfe ausgestattet. Vertiefte Informationen zur Sozialhilfe, Gesichter und Biografien von Sozialhilfebeziehenden sowie intimere, sinnlich-emotionale Begegnungen mit dem Thema finden parallel in einem öffentlich zugänglichen Innenraum statt. Der Eintritt ist in allen Städten kostenlos. Die Ausstellung besteht aus 15 Kernobjekten und weiteren Zusatzobjekten, die optional von den Ausstellungsorten ausgewählt wurden. Es werden also nicht an jedem Ausstellungsort alle Objekte zu sehen sein. Die 15 Kernobjekte werden aber, abgesehen von vereinzelten Ausnah-

Hintergrundinformationen für Lehrpersonen Seite 2 men, in allen Städten gezeigt. Im Folgenden werden die Kernobjekte kurz vorgestellt, um einen konkreten Einblick in die Ausstellung zu gewähren. Ausserdem werden Verweise gemacht auf Ausstellungsinhalte, die in Teil 3 dieser Unterrichtsdokumentation bereitgestellt werden. Dabei handelt es sich neben einer DVD mit den Videoporträts vornehmlich um Textelemente, die im Rahmen der Ausstellung entstanden sind. IM FALL ganz konkret: Die 15 Kernobjekte der Ausstellung Videoporträts 6 Videoporträts von Sozialhilfebeziehenden (Pro Stadt werden drei Porträts in der Ausstellung gezeigt). Sozialhilfebeziehende beschreiben ihre Lebensumstände und erzählen, warum sie Sozialhilfeleistungen beziehen müssen. Ein Begleittext auf der Säule gibt Auskunft über bestimmte Risikogruppen in der Sozialhilfe. CD mit den Porträts und Begleittexte in Teil 3 Sozialpartner Arbeitgeber, Gewerkschafter und Leitende von Sozialfirmen erklären, wo sie ihren Beitrag zur Bekämpfung von Armut und Ausschluss sehen und wie sie sich das Leben von Personen vorstellen, die aus dem Erwerbsleben ausgeschlossen sind. Ausserdem nehmen sie Stellung zur Sozialhilfe und äussern sich zu der Frage, ob es noch Arbeit für alle gibt. Aussagen der Befragten in Teil 3 Kinder Kinder erklären, was sie unter Armut verstehen, wie Armut in der Schweiz aussieht, warum Menschen arm werden und was man dagegen tun könnte. Töggelikasten Fragen und Antworten in Teil 3 Das Team «Soziale Probleme» spielt gegen das Team «Soziale Schweiz». Das zweite Team kann nur gewinnen, wenn es gut zusammenspielt. Soziale Probleme: Armut / Scheidung / Krankheit / mangelnde Bildung / Migration / Arbeitslosigkeit / grosse Familien / tiefer Lohn / persönliche Krise / psychische Probleme / Unfall Soziale Schweiz: Sozialhilfebezüger / Sozialarbeiterin / Politikerin / Journalist / Arbeitgeber / Richterin / Ärztin / RAV-Beraterin / Sozialinspektor / Hausvermieter / Sozialbehördenmitglied

Hintergrundinformationen für Lehrpersonen Seite 3 Computer-Game Wie viel kann sich eine Person, die Sozialhilfe bezieht, leisten? Wie viel Geld brauche ich im Alltag? Im Rahmen eines Computerspiels geht man mit dem von der Sozialhilfe gewährten Grundbedarf in einer virtuellen Konsumwelt einkaufen. Infotext in Teil 3, das Computerspiel kann im Internet gespielt werden unter: www.im-fall.ch. Beschriftung Infoplakate zu folgenden Themen: - Sozialhilfe auf einen Blick - Armut in der reichen Schweiz - Sozialhilfe im System der sozialen Sicherheit - Wer sind die Sozialhilfebeziehenden? - Missbrauch und Sanktionen - Grenzen und Herausforderungen der Sozialhilfe Texte in Teil 3 Bodenbeschriftung Statistische Angaben: Zahlen und Fakten zur Sozialhilfe und Armut in der Schweiz 3D-Statistik Inhalt in Teil 3 Sozialhilfequoten der Kantone und absolute Anzahl unterstützter Personen Zeitungsbox Die öffentliche Meinung wird in einer Zeitung im Stil von 20 Minuten thematisiert. Inhalt: - Umfrage bei der Bevölkerung - Statement Bundesrat - Porträt einer Sozialhilfebeziehenden - Kurzmeldungen etc. 1 Exemplar in Teil 3 (noch nicht verfügbar)

Hintergrundinformationen für Lehrpersonen Seite 4 Einkaufswagen Wie viel hat eine sozialhilfebeziehende Person in der Woche / im Tag zur Verfügung für Lebensmittel? Einkaufswagen sind mit Einkäufen für den jeweiligen Betrag gefüllt. Lebensweg Was kann im Leben passieren, dass man arm wird? 0 Jahre Arme Eltern machen arm 16 Jahre Fehlender Schulabschluss macht arm 20 Jahre Schlechte Sprachkenntnisse machen arm 24 Jahre Mangelnde Berufsbildung macht arm 30 Jahre Allein erziehen macht arm 32 Jahre Migration macht arm... Diskussionstisch Ankündigung von Podien etc., unterscheidet sich nach Stadt Plattform für private Hilfswerke Unterscheidet sich nach Stadt Internetauftritt www.im-fall.ch www.skos.ch Facebookgruppe

Hintergrundinformationen für Lehrpersonen Seite 5 Ausstellungsplakate Fünf Plakate, fünf Personen, fünf Slogans, die im Vorfeld der Ausstellung in den Städten aufgehängt werden. Slogans: - Wie sieht Armut aus? - arbeitslos ausgesteuert ausgeträumt - keine Lehre kein Job keine Perspektive - Ist Armut vererbbar? - einmal arm immer arm? Armut in der Schweiz Armutsdefinitionen und Armutsgrenzen Armut zu beschreiben und zu definieren ist ein nicht ganz einfaches Unterfangen. Die Armut in der Schweiz ist eine andere als in einem Entwicklungsland. Die Unterscheidung von absoluter und relativer Armut kann hilfreich sein, um das Phänomen zu erfassen. Wer absolut arm ist, lebt am oder unter dem physischen Existenzminimum. Das physische Existenzminimum umfasst Nahrung, Kleidung, Obdach und Gesundheitspflege. Absolut arm ist also jemand, der Hunger leidet, obdachlos ist oder keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung hat. Diese Definition von Armut ist grundsätzlich unabhängig von Zeit, Ort und gesellschaftlichem Kontext. Als absolut arm gilt gemäss internationaler Definition eine Person, die mit weniger als zwei Dollar pro Tag leben muss. Diese Art von Armut existiert in der Schweiz glücklicherweise nicht. Neben der absoluten Armut spricht man auch von relativer Armut. Dabei spielt der gesellschaftliche Kontext eine Rolle. Als relativ arm gilt, wer im Vergleich zu seinen Mitmenschen im selben Land ein eingeschränktes Leben führen muss. Die Definition von Armut orientiert sich in diesem Fall an einem sozialen Existenzminimum. Im internationalen Vergleich gilt eine Person als relativ arm, wenn ihr Einkommen weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens in ihrem Land beträgt 1. Armutssituation in der Schweiz In der Schweiz gibt es keine allgemein definierte Armutsgrenze. Um Armut messen zu können, werden deshalb die von verschiedenen Institutionen definierten Existenzminima als Armutsgrenze verwendet. Dabei handelt es sich um soziale Existenzminima, die sich an der relativen Armut orientieren. Neben dem Notbedarf des Betreibungsamtes und der Armutsgrenze gemäss Ergänzungsleistungen zur AHV und IV ist das soziale Existenzminimum gemäss Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe die wichtigste Armutsgrenze in der Schweiz 2. Das soziale Existenzminimum der SKOS setzt sich zusammen aus den Wohnkosten, der medizinischen Grundversorgung, dem Grundbedarf für den Lebensunterhalt und den situationsbedingten Leistungen (z. B. Berufsauslagen, Kosten für die Kinderbetreuung etc.). In der Schweiz wurden im Jahr 2007 233 484 Personen oder 3.1 Prozent der Bevölkerung von der Sozialhilfe unterstützt. Gleichzeitig galten 8.8 Prozent der Personen im Alter zwischen 20-59 Jahren als arm. Dieser grosse Unterschied ist einerseits darauf zurückzuführen, dass die Sozialhilfe- und Armutsstatistik nicht genau gleich erhoben werden, andererseits aber auch auf eine hohe Nichtbezugsquote bei der Sozialhilfe 3. Schätzungen zufolge machen bis zu 50 Prozent aller Personen, die Anspruch auf Sozialhilfe hätten, von ihrem Recht keinen Gebrauch 4. 1 Kehrli, Christin und Carlo Knöpfel (2006). Handbuch Armut in der Schweiz. S. 23-30. 2 Kehrli, Christin und Carlo Knöpfel (2006). Handbuch Armut in der Schweiz. S. 23-30. 3 Bundesamt für Statistik (2009). Sozialhilfe- und Armutsstatistik im Vergleich. S. 9. 4 Kehrli, Christin und Carlo Knöpfel (2006). Handbuch Armut in der Schweiz. S. 56.

Hintergrundinformationen für Lehrpersonen Seite 6 Ein Vergleich der kantonalen Sozialhilfequoten zeigt, dass es grosse regionale Unterschiede gibt. Während Basel-Stadt eine Sozialhilfequote von 6.6 Prozent hat, beziehen im Kanton Nidwalden nur 0.8 Prozent der Bevölkerung Leistungen der Sozialhilfe. In den Städten ist der Anteil der Sozialhilfebeziehenden deutlich höher als in kleineren Gemeinden. So ist die durchschnittliche Sozialhilfequote der fünf grössten Schweizer Städte (Zürich, Basel, Bern, Genf und Lausanne) mit 6.3 Prozent fast fünfmal so hoch wie die Sozialhilfequote von Kleinstgemeinden. Das hängt einerseits damit zusammen, dass sich die Menschen den Gang zur Sozialhilfe in der Anonymität der Städte eher zutrauen, andererseits leben in den Städten mehr Menschen, die einer Risikogruppe angehören 5. Ein Blick auf die Armuts- und Working-Poor-Quote zeigt, dass nicht alle Haushaltstypen dasselbe Armutsrisiko tragen. Während fast ein Viertel aller Alleinerziehenden und aller Familien mit mehr als drei Kindern als arm gelten, sind es bei den Paaren ohne Kinder und den Einpersonenhaushalten weniger als 10 Prozent. Auch die Working-Poor-Quote der Alleinerziehenden und der Familien mit mehr als drei Kindern sind deutlich höher als jene der anderen Haushaltstypen. Alleinerziehende und grosse Familien tragen damit ein deutlich höheres Armutsrisiko als der Rest der Bevölkerung. Armuts- und Working-Poor-Quote nach Haushaltstyp, 2007 Grafik 1 30% 25% 26,3 23,9 20% 18 15% 10% 5% 8,8 8,7 4,4 1,9 9,9 6 2,2 9,1 5,2 11,4 7,6 0% sämtliche Haushalte Einpersonenhaushalte Einelternhaushalte Paar ohne Kind Paar mit 1Kind Paar mit 2 Kindern Paar mit 3 und mehr Kindern allgemeine Armutsquote Working-Poor-Quote Quelle: SAKE BFS 2007 Alleinerziehende und Familien mit Kindern sind denn auch stärker in der Sozialhilfe vertreten als Paare ohne Kinder. Wie Grafik 2 zeigt, ist die Sozialhilfequote von Kindern und Jugendlichen deutlich höher als die allgemeine Sozialhilfequote. In Basel beispielsweise lebt jedes siebte Kind in einem Haushalt, der von der Sozialhilfe abhängig ist. 5 Kehrli, Christin und Carlo Knöpfel (2006). Handbuch Armut in der Schweiz. S. 55. Bundesamt für Statistik (2009). Die Schweizerische Sozialhilfestatistik 2007. Nationale Resultate. S.10.

Hintergrundinformationen für Lehrpersonen Seite 7 Quote der Kinder und jungen Erwachsenen im Vergleich zur allgemeinen Sozialhilfequote, 2007 Grafik 2 16% 14% 12% 10% 8% 6% 4% 2% 0% 13,9 11,4 12,1 10,1 7,3 7,1 5,9 4,7 5,1 4,1 3,1 Schweiz Zürich Basel Bern 6 allgemeine Sozialhilfequote Kinderquote 18 bis 26 Jahre Quellen: Sozialhilfestatistik BFS, Städteinitiative 2007 Überdurchschnittlich von Armut betroffen sind auch Migranten und Migrantinnen. Sie sind mit 44 Prozent in der Sozialhilfe vertreten, ihre Sozialhilfequote ist dreimal höher als die von Schweizerinnen und Schweizern. Erwerbstätige Migrantinnen und Migranten verdienen deutlich weniger und gehören doppelt so oft zu den Working Poor. Das hat zu einem grossen Teil damit zu tun, dass die Migranten und Migrantinnen oft in schlecht bezahlten Jobs arbeiten und häufiger einen tieferen Ausbildungsstatus haben als Schweizerinnen und Schweizer 6. Definitionen Working Poor Erwerbstätige Personen, die in einem armen Haushalt leben. Der kumulierte Erwerbsumfang aller Mitglieder des Haushalts beträgt mindestens 36 Stunden/Woche und entspricht demzufolge einer Vollzeitbeschäftigung (90% und mehr) (Bundesamt für Statistik). Sozialhilfequote, Kinderquote Die Sozialhilfequote bezeichnet den Anteil der Sozialhilfebeziehenden an der ständigen Wohnbevölkerung. Die Kinderquote bezeichnet den Anteil der unterstützten Kinder (0 18 Jahre) an der Anzahl Kinder in der ständigen Wohnbevölkerung (Bundesamt für Statistik). Ursachen von Armut Die oben stehende Analyse der Armutsbevölkerung in der Schweiz verweist bereits auf einige Armutsrisiken. Grundsätzlich ist es ein Zusammenspiel gesellschaftlicher und individueller Faktoren, das Armut auslösen kann. Durch den wirtschaftlichen und sozialen Wandel seit den 1970er-Jahren ist das Armutsrisiko in der Schweiz für einige Bevölkerungsgruppen gestiegen. Der wirtschaftliche Wandel hat zu einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes geführt. Teilzeitarbeit, temporäre Jobs, Arbeit auf Abruf und ähnliches haben an Bedeutung gewonnen, man arbeitet nicht mehr sein ganzes Leben am selben Ort, Brüche in der Erwerbsbiografie mit erzwungenen Stellenwechseln, kurzen Phasen der Arbeitslosigkeit, Umschulungen und Neuorientierungen gehören heute zur beruflichen Realität. Damit einher ging der gesellschaftliche Wandel. Die Haushalte sind kleiner geworden, 6 SKOS 2007. Häufig gestellte Fragen zur Sozialhilfe. Bundesamt für Statistik, SAKE (2010). Armuts- und Working-Poor-Quote nach Bevölkerungsgruppen unter: www.bfs.admin.ch.

Hintergrundinformationen für Lehrpersonen Seite 8 die familiären Lebensformen sind vielfältiger und instabiler geworden. Infolge dieser Veränderungen ist das Risiko gestiegen, durch individuelle Ereignisse in Armut zu geraten. Umstände und Ereignisse auf individueller Ebene führen zu Armut, weil sie entweder die Einnahmen eines Haushalts schmälern oder dessen Ausgaben erhöhen. Ungenügendes oder fehlendes Einkommen ist dabei das Hauptproblem. Prekäre Arbeitsverhältnisse oder eine Anstellung im Tieflohnbereich können Gründe für eine Working-Poor-Situation sein. Bildung ist dabei ein wesentlicher Faktor. Mehr als die Hälfte der Sozialhilfebeziehenden haben keine Berufsausbildung - in der Gesamtbevölkerung liegt dieser Wert nur bei knapp einem Drittel. Ein wichtiger Moment ist dabei der Übertritt von der Schule in die Berufsbildung. Wer keine Lehrstelle findet, riskiert, später auf Sozialhilfe angewiesen zu sein. Weitere Gründe, die sich auf der Einnahmenseite bemerkbar machen, sind Erwerbsausfälle infolge Arbeitslosigkeit, Unfall oder Krankheit. Trotz Sozialversicherungen in diesen Bereichen kann es vorkommen, dass Wartezeiten auf eine Rente, Anspruchslücken oder Leistungen, die geringer als das bisher erzielte Erwerbseinkommen sind, Armut auslösen. Bei Langzeitarbeitslosigkeit kommt die Aussteuerung als möglicher Armutsfaktor hinzu. Ein Armutsrisiko, das sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite ins Gewicht fällt, sind Kinder. Kommen Kinder hinzu, erhöhen sich die Kosten für Wohnung, Versicherung, Essen, Kleidung und Schule. Ausserdem gibt häufig die Frau ihre Erwerbstätigkeit auf oder reduziert ihr Pensum, so dass der Haushalt über geringere Einnahmen verfügt. Einer der wichtigsten armutsauslösenden Faktoren ist ebenfalls im Bereich der Familie anzusiedeln und betrifft Scheidungen und Trennungen. Diese stellen für die ganze Familie ein Armutsrisiko dar. Hier entstehen Mehrausgaben, insbesondere durch die Führung zweier Haushalte, Alimentenkosten und meist zusätzlichen Kinderbetreuungskosten 7. Bekämpfung von Armut Das System der sozialen Sicherheit ist in der Schweiz nach verschiedenen Prinzipien organisiert und auf verschiedenen Ebenen angesiedelt. Die nationale Ebene mit den Sozialversicherungen und die kantonale Ebene der Sozialleistungen werden im Folgenden nur kurz erläutert, um die Einbettung der Sozialhilfe im System der sozialen Sicherheit zu verdeutlichen. Auf die Sozialhilfe als Hauptthema der Ausstellung und als dritte und letzte Ebene der sozialen Sicherheit wird im folgenden Kapitel detaillierter eingegangen. a. Staatliche Sozialversicherungen Die staatlichen Sozialversicherungen schützen vor gesellschaftlich anerkannten sozialen Risiken wie Krankheit und Unfall, Arbeitslosigkeit, Alter, Invalidität und Mutterschaft. Wie der Name schon sagt, werden diese Risiken versichert, das heisst, es werden Versicherungsbeiträge einbezahlt und die Leistung wird ausbezahlt, wenn der versicherte «Schadensfall» eintritt. Die meisten staatlichen Sozialversicherungen werden über Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge finanziert, während die nachfolgenden Sozialleistungen primär über den öffentlichen Haushalt gedeckt werden. b. Kantonale Sozialleistungen Daneben existieren diverse kantonale Sozialleistungen. 2006 haben die Kantone 14.9 Milliarden Franken für die soziale Sicherheit ausgegeben 8. Ohne diese Leistungen wären viel mehr Menschen auf Sozialhilfe angewiesen. Die kantonalen Leistungen können danach unterschieden werden, ob sie bedarfsunabhängig oder bedarfsabhängig entrichtet werden. Bedarfsabhängig 7 Kehrli, Christin und Carlo Knöpfel (2006). Handbuch Armut in der Schweiz. S. 18, 74-97. SKOS (2007). Häufig gestellte Fragen zur Sozialhilfe. Bundesamt für Statistik (2009). Die Schweizerische Sozialhilfestatistik 2007. Nationale Resultate. S.18. 8 Bundesamt für Statistik (2008). Gesamtrechung der sozialen Sicherheit. S. 12.

Hintergrundinformationen für Lehrpersonen Seite 9 sind Sozialleistungen, die an eine individuelle wirtschaftliche Bedarfssituation anknüpfen. Diese Bedarfssituation ist entscheidend für den Anspruch auf eine Leistung und auf deren Höhe. Im Gegensatz dazu stehen Leistungen, die nach dem Versicherungsprinzip oder pauschal ausgerichtet werden. Die zentrale bedarfsunabhängige Sozialleistung, die von den Kantonen entrichtet wird, sind die Familienzulagen. 2006 wurden diese Leistungen vereinheitlicht, so dass alle Kantone im Minimum 200 Franken pro Kind und Monat entrichten müssen. Die wichtigsten bedarfsabhängigen Leistungen sind die individuelle Prämienverbilligung, Stipendien, Unterhaltszuschüsse an Familien mit Kindern, Kleinkinder- und Mutterschaftsbeiträge, Arbeitslosenhilfen, individuelle Wohnkostenzuschüsse, Beihilfen zur häuslichen Pflege und die Alimentenbevorschussung. Nicht alle Kantone kennen alle diese Leistungen und es gibt grosse Unterschiede bezüglich Höhe und Ausgestaltung. Ausserdem kennen einige Kantone Leistungen, die hier nicht aufgeführt sind 9. Organisation der Sozialhilfe Eine Aufgabe der Gemeinden Die Ausgestaltung der Sozialhilfe in der Schweiz liegt in der Kompetenz der Kantone, welche die Sozialhilfe in ihren Gesetzen regeln. Auf Bundesebene gibt es neben Artikel 12 in der Bundesverfassung und einem Gesetz, das die Zuständigkeiten der Kantone und Ausnahmen regelt (ZUG), keine gesetzlichen Regelungen zur Sozialhilfe. Die Sozialhilfe wird aus Steuergeldern finanziert, nicht aus Lohnprozenten wie die Sozialversicherungen. Die Kantone und Gemeinden tragen die Kosten. Der Bund beteiligt sich nur an der Sozialhilfe für Asylsuchende. Die Sozialhilfe als letztes Auffangnetz Bundesverfassung Art. 12: Recht auf Hilfe in Notlagen Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind. Die Sozialhilfe kommt als letztes Auffangnetz im System der sozialen Sicherheit zum Tragen. Sie ist also subsidiär zu den Sozialversicherungen und den kantonalen Bedarfsleistungen. Die Sozialhilfe basiert auf dem Finalitätsprinzip, welches besagt, dass Unterstützung geleistet wird, ohne nach dem Grund für die Notlage zu fragen. Nur das Vorhandensein eines Bedarfs wird abgeklärt. Organisation der Sozialhilfe Da die Sozialhilfe auf kantonaler Ebene gesetzlich geregelt wird, unterscheidet sich die Organisation der Sozialhilfe von Kanton zu Kanton z. T. stark. In einigen Kantonen (v. a. in der Romandie) ist die Sozialhilfe kantonalisiert. In der Mehrzahl der Kantone sind aber die Gemeinden zuständig für die Abwicklung der Sozialhilfe. Auch innerhalb dieser Kantone kann sie sehr unterschiedlich organisiert sein. Je grösser die Gemeinde, desto eher erfolgt die Ausrichtung der Sozialhilfe über einen professionalisierten Sozialdienst. In der Deutschschweiz existiert in der Regel in jeder Gemeinde ein politisches Entscheidungsgremium für alle sozialen Aufgaben der Gemeinde: die Sozialbehörde. Diese Behörde wird entweder gewählt, von der kommunalen Exekutive eingesetzt oder letztere übernimmt die Aufgabe gleich selbst. In ganz kleinen Gemeinden übernimmt die Exekutive gleichzeitig noch die Aufgabe der Ausführung der Sozialhilfe. In der Regel ist die Ausführung der Sozialhilfe jedoch der Sozialverwaltung unterstellt. In kleineren Gemeinden übernimmt die Gemeindeverwaltung diese Funktion. Innerhalb der Sozialverwaltung situiert ist das Sozialamt. Dieses ist, wiederum je nach Gemeindegrösse, 9 Bundesamt für Statistik (2010). Inventar der bedarfsabhängigen Sozialleistungen unter: www.portal-stat.admin.ch/soz-inventar.

Hintergrundinformationen für Lehrpersonen Seite 10 mehr oder weniger professionalisiert und verfügt allenfalls über einen Sozialdienst, der mit der konkreten Abklärungs-, Beratungs- und Betreuungsarbeit betraut ist. Neben der öffentlichen Sozialhilfe gibt es eine Reihe privater Organisationen, die ebenfalls im Bereich der Sozialhilfe tätig sind, indem sie finanzielle Einzelfallhilfe leisten, Integrationsprogramme anbieten oder Menschen beraten und begleiten. Neben den grossen Schweizer Hilfswerken wie Caritas, dem Schweizerischen Roten Kreuz, Pro Juventute, Pro Senectute, Pro Infirmis, dem Schweizerischen Arbeiterhilfswerk (SAH), der Winterhilfe Schweiz und der Schweizer Berghilfe gibt es eine ganze Reihe lokaler, kantonaler oder nationaler Hilfsorganisationen, die Armenhilfe leisten. Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe ein Fachverband für die Sozialhilfe Die SKOS ist der Schweizerische Fachverband für Sozialhilfe. Ihr gehören alle Kantone, das Fürstentum Liechtenstein und über tausend Städte, Gemeinden und private Organisationen an. Sie wurde 1905 als «Armenpflegerverband» gegründet. Wie weiter oben ausgeführt wurde, liegt die Ausgestaltung der Sozialhilfe in der Kompetenz der Kantone und die Umsetzung je nach Region beim Kanton oder den Gemeinden. Überdies übernehmen auch private Institutionen Aufgaben im Bereich der Sozialhilfe. Die SKOS übernimmt deshalb als Fachverband eine wichtige Koordinationsfunktion für die Sozialhilfe in der Schweiz. Bis heute gibt es kein Bundesgesetz für die Sozialhilfe, wie es in den Bereichen IV und ALV der Fall ist. Seit ihrer Gründung fordert die SKOS die Einführung eines Bundesrahmengesetzes für die Sozialhilfe. SKOS-Richtlinien Das Hauptinstrument der SKOS zur Koordination der Sozialhilfepraxis in der Schweiz bilden die Richtlinien zur Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe. Diese stossen auf breite Anerkennung und definieren das soziale Existenzminimum. Sie basieren auf Erfahrungen der Praxis und Ergebnissen der Sozialforschung. Die meisten Kantone beziehen sich in ihren Gesetzen und Verordnungen auf die SKOS-Richtlinien. Auch in der Rechtssprechung stellen die Richtlinien eine wichtige Referenzgrösse dar. Sie dienen der Rechtssicherheit und der rechtsgleichen Behandlung von Personen, die Sozialhilfe beziehen. Die SKOS-Richtlinien sind ein zentrales Arbeitsinstrument für Sozialdienste und Sozialbehörden. Sie berücksichtigen allgemeine und regionale Entwicklungen in der Sozialpolitik. Ausgestaltung der Sozialhilfe Leistung und Gegenleistung Dem Recht auf Existenzsicherung durch die Sozialhilfe im Rahmen des sozialen Existenzminimums steht die Pflicht der Hilfesuchenden gegenüber, alles ihnen mögliche zur Selbsthilfe zu tun und im Hilfeprozess mitzuwirken. Wie viel Geld zahlt die Sozialhilfe? Sozialhilfe erhält nur, wer einen Antrag stellt. Die zuständige Behörde oder Verwaltung überprüft darauf die persönlichen Verhältnisse der Antragstellenden. Reichen die ausgewiesenen Eigenmittel nicht aus, um das soziale Existenzminimum zu decken, wird Sozialhilfe bezahlt. Die Höhe der Sozialhilfeleistung berechnet sich dementsprechend aus der Differenz der Einnahmen und der anerkannten Ausgaben eines Haushalts. Das soziale Existenzminimum umfasst die materielle Existenzsicherung, die sich aus einem Grundbedarf für den Lebensunterhalt, den Wohnkosten für eine bescheidene Wohnung nach ortsüblichen Mietpreisen und der medizinischen Grundversorgung (Grundversicherung Krankenkasse) ergibt. Der Grundbedarf dient zur Deckung der alltäglichen Ausgaben. Die Berechnung

Hintergrundinformationen für Lehrpersonen Seite 11 des Grundbedarfs stützt sich auf das Konsumverhalten der einkommensschwächsten 10 Prozent der Bevölkerung. Massgebend dafür ist ein statistisch und wissenschaftlich anerkannter «Warenkorb», also die realen Kosten für bestimmte, für den Lebensunterhalt notwendige Waren (berechnet vom Bundesamt für Statistik). Zur materiellen Existenzsicherung kommen situationsbedingte Leistungen hinzu, die je nach individueller Situation und Bedarf ausgerichtet werden. Dabei kann es sich insbesondere um Erwerbsunkosten, Fremdbetreuungskosten für Kinder während einer Erwerbstätigkeit der Eltern sowie um krankheits- und behinderungsbedingte Auslagen handeln. Die Sozialhilfe zahlt also so viel, wie es braucht, um einen ausgewiesenen Bedarf zu decken. Verändern sich die finanziellen Verhältnisse eines Haushaltes, sei dies über die Einnahmen oder die Ausgaben, wird auch der Unterstützungsbetrag wieder neu berechnet. Einkommensfreibetrag und Integrationszulagen Für Sozialhilfebeziehende, die sich um ihre Integration bemühen, sehen die SKOS-Richtlinien verschiedene Anreizelemente vor. Um Sozialhilfebeziehende zu motivieren eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und diese beizubehalten bzw. auszuweiten, erhalten erwerbstätige Sozialhilfebeziehende einen Einkommensfreibetrag auf ihr Lohneinkommen. Das bedeutet, dass nicht ihr ganzer Lohn mit der Sozialhilfe verrechnet, sondern ein Teil als Bonus zur freien Verfügung überlassen wird. Die Integrationszulage für Nicht-Erwerbstätige soll Bemühungen zur beruflichen und sozialen Integration honorieren. Gemäss SKOS-Richtlinien wird eine entsprechende Aktivität mit 100 bis 300 Franken pro Monat belohnt. Sind Sozialhilfebeziehende trotz ausgewiesener Bereitschaft nicht in der Lage eine Eigenleistung zu erbringen oder stellt die Gemeinde kein passendes Angebot zur Verfügung, sehen die SKOS-Richtlinien eine minimale Integrationszulage von 100 Franken vor. Beratung und Integrationsförderung Die Sozialhilfe teilt aber nicht einfach nur Geld aus. Neben der Existenzsicherung nimmt die Sozialhilfe noch weitere Aufgaben wahr. Sie bietet auch persönliche Hilfe in Form von Beratung, Stützung, Motivierung, Förderung und Strukturierung des Alltags an. Wo nötig bzw. sinnvoll, vermittelt die Sozialhilfe ihre Klienten an spezifische Angebote wie Kurse und Trainingsprogramme, Stellenvermittlung, Integrationsprogramme, therapeutische und sozialpädagogische Angebote. Die Sozialhilfe übernimmt auch eine Triagefunktion, im Sinne einer Vermittlerin weiterer Dienstleistungen und Beratungsangebote. Die Integrationsförderung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Um den wirtschaftlichen und sozialen Ausschluss von Stellenlosen zu verhindern, entwickelt die Sozialhilfe besondere Arbeits- und Integrationsangebote. Mittels gezielten pädagogischen Methoden, Bildungsmassnahmen und Arbeitstrainings wird in einem Wiedereingliederungsprogramm die Vermittlung in den 1. Arbeitsmarkt angestrebt.

Hintergrundinformationen für Lehrpersonen Seite 12 Weiterführende Literatur Kehrli, Christin und Carlo Knöpfel (2006) Handbuch Armut in der Schweiz. Caritas-Verlag: Luzern Sassnick Spohn, Frauke, Othmar Aregger, Michael Hohn, Daniel Monnin und Walter Schmid (2005) Von der Armenpflege zur Sozialhilfe. Ein Jahrhundert SKOS & ZESO. Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe: Bern Walser, Katja und Carlo Knöpfel (2007) Auf dünnem Eis. Menschen in prekären Lebenslagen. Caritas-Verlag: Luzern Wirz, Toni (2009) Sozialhilfe. Rechte, Chancen und Grenzen. Beobachter-Buchverlag: Zürich Weiterführende Links Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe www.skos.ch SKOS-Richtlinien www.skos.ch/de/?page=richtlinien/ Wörterbuch der Sozialpolitik http://www.socialinfo.ch/cgi-bin/dicopossode Bundesamt für Statistik (Sozialhilfestatistik) www.bfs.admin.ch Bundesamt für Sozialversicherungen www.bsv.admin.ch