FORSCHUNGSPROJEKT. Das deutsche Innovationssystem: Struktur und neue Dynamik. Ansätze für einen deutsch-französischen Vergleich TAGUNGSBERICHT



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Transkript:

CICC EA 2529 FORSCHUNGSPROJEKT Das deutsche Innovationssystem: Struktur und neue Dynamik. Ansätze für einen deutsch-französischen Vergleich TAGUNGSBERICHT Herausforderungen der Innovation: Wettbewerbsstrategien und territoriale Dynamik Deutsches Historisches Institut Paris, 9. -10. Oktober 2008 Diese vom französischen Forschungs- und Informationsinstitut über das zeitgenössische Deutschland (CIRAC), in Zusammenarbeit mit dem Deutsch-Französischen Institut Ludwigsburg und dem französischen Verband für Forschung und Technologie (ANRT) FutuRIS organisierte deutsch-französische Veranstaltung stellt den letzten Teil des Forschungsprojekts Das deutsche Innovationssystem: Struktur und neue Dynamik. Ansätze für einen deutsch-französischen Vergleich dar, das mit der Unterstützung des französischen interdisziplinären Studien- und Forschungszentrum über Deutschland (CIERA) und der Universität Cergy-Pontoise durchgeführt worden ist. Die von Entscheidungsträgern aus Politik und Industrie, Wissenschaftlern, Experten sowie interessierten Doktoranden und Master-Studenten besuchte Tagung war Anlass zu einem Vergleich der Innovationspraxis und -Politik in Deutschland und in Frankreich in der Perspektive einer europäischen Zusammenarbeit. Sie knüpft an zwei Studientage (im März 2007 und im Februar 2008) an, die sich mit dem Innovationssystem in Deutschland, den regionalen Netzwerken und der Mittelstandsförderung befassten, und die die Zusammenarbeit zwischen Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen sowie den Stellenwert des Mittelstands im deutschen Innovationssystem beleuchtet haben. Zusammenfassende Berichte über Tagungsergebnisse stehen online zur Verfügung (www.cirac.u-cergy.fr/debats.php). Die Funktion von Clustern für die Politik technologischer und wirtschaftlicher Entwicklung Sonja Kind (VDI/VDE Innovation + Technik GmbH, Berlin) hat hier die seit 2006 durch die Hightech-Strategie für Deutschland koordinierte Innovationspolitik auf Bundesebene vorgestellt. Ziel der Strategie ist es, die Unternehmensgründungen und den Technologietransfer zu fördern sowie die kleinen und mittleren Unternehmen zu unterstützen. Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip werden so auf Bundes- und Landesebene Förderungs- und Wettbewerbsinitiativen in den Clustern und in den Netzwerken eingesetzt. Hier ist aber zwischen den Begriffen Cluster und Netzwerk zu unterscheiden. Während Cluster in der Regel naturwüchsig entstanden sind, eine gewisse räumliche Nähe der Akteure CIRAC, Oktober 2008 1

voraussetzen und dem Faktor Humankapital eine große Bedeutung beimessen, werden Netzwerke bewusst initiiert. Auf Bundesebene koordinieren das Bundesministerium für Forschung und Bildung sowie das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie insbesondere die strategischen öffentlich-privaten Partnerschaften in technologischen Feldern, in denen Forschungseinrichtungen und Unternehmen zusammenarbeiten, die Wettbewerbe zur Stärkung der Innovationskraft der leistungsfähigsten Cluster aus Wissenschaft und Wirtschaft in Deutschland oder auch die 107 Kompetenznetze, welche über 450 Großbetriebe, 6000 KMU und 1500 Forschungseinrichtungen versammeln. In fast allen Bundesländern sind darüber hinaus Förderungsprogramme für Cluster zu finden, die mit der Unterstützung von europäischen Mitteln finanziert werden. Infolgedessen spielt die Politik eine besondere Rolle bei der Ausrichtung von Firmenclustern und bei deren Wirkung über die regionalen Grenzen der Cluster hinaus. Auf der Unternehmensseite sind die Erwartungen hoch, darunter eine bessere Netzwerkbildung der Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, mehr Informationsaustausch, eine erhöhte Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte, einen besseren Zugang zu öffentlichen Infrastrukturen, Steuererleichterungen für FuE-Ausgaben, Veranstaltungen zur Reputationssteigerung des Clusters und die Erleichterung transnationaler Beziehungen. Die französische Politik der so genannten Wettbewerbspole (pôles de compétitivité), deren Gestaltung auf den drei Säulen Industrie-Forschung-Ausbildung beruht, wurde dann von Bernard Froment (Ministerium für Hochschulwesen und Forschung, Paris) angesprochen. Eine erste 2004 gestartete Ausschreibung hat 105 Bewerbungen mit sich gebracht und dazu geführt, dass die Akteure sich gegenseitig zugehört haben, was auf dem Weg in die wissensbasierte Volkswirtschaft von großer Bedeutung ist. Aus diesem Verfahren sind 67 Wettbewerbspole (heute 71 Pole) entstanden, die in drei Kategorien gegliedert sind: Die Weltpole, die potenziellen Weltpole und die nationalen Pole. Es ist allerdings in Frankreich schwierig, die Exzellenzförderung von Raumordnungsmaßnahmen zu unterscheiden. Hier handelt es sich um eine interministerielle Politik, die von einem interministeriellen Fonds und der französischen Forschungsagentur finanziert wird. Die Unternehmensforschung wird von einem Steuernachlass für Forschung und Entwicklung finanziell unterstützt, dessen Ziel ist, die Unternehmen anzuregen, sich zu vernetzen und ihre Investitionsvolumina zu steigern. Der Cluster-Effekt in den Wettbewerbspolen hat eine erhebliche Dynamik ausgelöst: So wurden neue Instrumente der Zusammenarbeit geschaffen, wie die Hochschulkompetenzzentren (Pôles de recherche et d enseignement supérieur, PRES), die thematischen Netzwerke für fortgeschrittene Forschung (Réseaux thématiques de recherche avancée, RTRA) oder die gemeinsam getragenen Instrumentarien in den Regionen zur Valorisierung der Forschung und des Technologietransfers. Hauptanliegen ist, diese Instrumente miteinander zu verbinden; die Finanzierung ist dann das Ergebnis einer guten Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Forschung und Unternehmen. Aus einer ersten Evaluierung ergibt sich, dass die dritte Säule Ausbildung (und zwar Erstausbildung und Weiterbildung), obwohl für Effizienz entscheidend, in den Wettbewerbspolen eine Schwachstelle darstellt. Die an den Vortrag sich anschließende Aussprache war Anlass zur Erörterung der Veröffentlichung von Juni 2008 einer zwischen 2005 und 2008 durch die Consulting-Firmen CM International und Boston Consulting Group für den französischen interministeriellen Ausschuss für die Ausstattung und Wettbewerbsfähigkeit der Regionen (Délégation interministérielle à l aménagement et à la compétitivité des territoires, DIACT) durchgeführte Evaluierung der Wettbewerbspole. Schließlich wurde die steigende Rolle von Privatkapital in CIRAC, Oktober 2008 2

den Wettbewerbspolen erwähnt, denn die den Polen zur Verfügung stehenden öffentlichen Finanzquellen sind nicht ausreichend. Nationale und regionale Wettbewerbsstrategien Im einem komplizierten institutionellen Zusammenhang, in dem die Forschungstätigkeit durch das Ministerium für Hochschulwesen und Forschung gesteuert wird jedoch mit aktiver Mitwirkung des Finanzministeriums, hat Pierre Papon (ANRT-FutuRIS, Paris) daran erinnert, dass 2,13% des französischen BIP der FuE-Tätigkeit gewidmet wird. 46% davon wird durch öffentliche Mittel finanziert (also 54% durch private Mittel), wobei 65% der FuE-Tätigkeit in den Unternehmen durchgeführt wird. In Zeiten einer zunehmenden Globalisierung und einer erhöhten räumlichen Konzentration der Forschungsmittel, die den Wettbewerb zwischen den Regionen fördert, ist die Interaktion der Forschung mit ihrem Umfeld in einer Region zum Kernelement der Wettbewerbsfähigkeit geworden. Jedoch ist Frankreich auf diesem Gebiet schlecht positioniert: Von den 30 europäischen Hauptregionen für FuE kommen nur drei aus Frankreich (Ile-de-France, Rhône-Alpes, Provence-Alpes-Côte d Azur), die regionale Übertragung der von den nationalen öffentlichen Akteuren durchgeführten Strategien ist nicht explizit genug, es gibt keine deutliche Dezentralisierung der FuE- und Innovationskompetenzen auf die Regionen, die europäische Dimension der Wettbewerbsfähigkeit mit der Lissabon-Agenda und ihre territorialen Auswirkungen sind mit keiner klaren Vision versehen. Dieser Ausblick wird jedoch dadurch ausgeglichen, dass die Akteure autonom sind, und dass der Begriff der Dezentralisierung allmählich anerkannt wird. Im französischen Verband für Forschung und Technologie (ANRT) schlägt dann der Arbeitskreis FutuRIS über die Internationalisierung der FuE- und Innovationstätigkeiten und ihre Wirkung auf den Regionen dem Staat vor, den Regionen mehr Autonomie im Bereich Forschung und Innovationsförderung einzuräumen, das nationale Instrumentarium zu vereinfachen, die regionale Politikgestaltung zu verbessern und eine Gemeinschaftsaufgabe (Staat-Regionen) für alle Initiativen zur Förderung der regionalen Anziehungskraft festzulegen. Mark Sellenthin (ZEW, Mannheim) hat in seinem Beitrag die Innovationspolitik in Deutschland auf ihren verschiedenen Entscheidungsebenen (Europäische Union, Bund, Länder, Gemeinden) dargestellt, um deren Koordinationsmechanismen am Beispiel des Freistaates Sachsen zu analysieren. Die Innovationspolitik in Sachsen hängt stark von den EU-Strukturfonds-Mitteln ab, die die FuE-Ausgaben in Höhe von drei Viertel finanzieren (von den 26,3 Mrd., die nach Deutschland in der Periode 2007-2013 fließen werden, wird das Land 3,9 Mrd. erhalten). Die Innovationspolitik auf Bundesebene, die durch die Hightech-Strategie für Deutschland, den Hochschulpakt und andere Maßnahmen der Forschungsförderung durchgeführt wird, ist ein Anreiz zur technologischen Kooperation und zielt auf die Förderung regionaler und sektoraler Innovationssysteme ab. Nach dem Subsidiaritätsprinzip können die Länder darüber hinaus selbst über ihre Innovationspolitik entscheiden und sind Träger der Hochschul- und Bildungspolitik. Das Land Sachsen, auch Silicon Saxony genannt, verwendet auf diese Art 2,2% seines BIP für FuE und ist so ein starker Standort für FuE, insbesondere im Bereich Mikroelektronik. Eine informelle Koordination zwischen den Akteuren ist eingerichtet worden, die auch durch eine formelle Drei-Säulen- Koordination verstärkt ist. Es handelt sich um die gemeinsame Wissenschaftskonferenz die die Zuständigkeiten von Bund und Ländern im Rahmen der Föderalismusreform geändert hat, die Gemeinschaftsaufgabe (GA) Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur und den Wissenschaftsrat. CIRAC, Oktober 2008 3

Die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft In Frankreich beträgt die öffentliche Forschung zwar 1% des BIP, aber sie ist nur auf einige Hauptsektoren konzentriert (Atomkraft, Verteidigung, Luft- und Raumfahrt, Transportwesen) ohne welche sie kaum mehr als 0,6% des BIP erreicht. Es ist zu bedauern, dass in Zukunftssektoren wie Biotechnologie, Informatik oder Elektronik sowie im Hochschulwesen zu wenig investiert wird. In diesem Zusammenhang hat Thierry Weil (Ecole des Mines, Paris / Observatoire des pôles de compétitivité) darauf hingewiesen, dass Forschung und Innovation nicht automatisch verbunden waren. Das Leistungspotential der akademischen Forschung kann durch angemessene Maßnahmen aufgewertet werden, wie Forschungsaufträge, Patentlizenzen, Unternehmensgründungen, oder Anreize zur Mobilität der Forscher. Dennoch neigen die jetzigen Reformmaßnahmen in Bezug auf Forschung dazu, diese Teilung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft aufrechtzuerhalten, wie die Steuerungsmechanismen der Forschung in Frankreich es beweisen. Das Gesetz über Innovation und Forschung von 1999 hat jedoch Fortschritte gebracht: Dadurch wurden Inkubatoren für innovative Unternehmen gegründet, unter denen einige zu einer Erfolgsgeschichte geworden sind, wie der des Instituts Pasteur. Allerdings sind die Erfolge zu stark lokalisiert: 75% der Auftragsforschung wird durch 3% der Labore durchgeführt. Im bayerischen Cluster Sensorik, der vom Bundesministerium für Wirtschaft das Label Kompetenznetz bekommen hat, wird der Humanfaktor als Kernpunkt des Technologietransfers definiert. Das hat sein Geschäftsführer, Hubert Steigerwald (Sensorik Bayern GmbH, Regensburg) betont. Mit einem Umsatz von 22 Mrd. und einer Exportquote von 40% im Bereich Mess- und Regelungstechnik, hat sich Sensorik seit 2002-2003 kontinuierlich entwickelt. Wie jeder Cluster wird er von einem Manager geleitet und verfolgt klare Ziele, deren Umsetzung 2008 durch das Fraunhofer Institut in Zusammenarbeit mit VDI/VDE evaluiert worden ist. Durch eine Initiative des Landes Bayern zur Innovationsförderung hat Sensorik 1,2 Mio. erhalten. Da große Unternehmen zum Teil verlagert worden sind, zielt dieses Programm besonders auf die KMU ab, die stark in der lokalen und regionalen Wirtschaft verankert sind. Innovation gilt nunmehr als ein Schlüsselfaktor zur Aufrechterhaltung und zur Entwicklung von Arbeitsplätzen in der Region: Infolgedessen hat Bayern 19 Clustern einen Betrag von insgesamt 50 Mio. über fünf Jahre zur Verfügung gestellt. Diese Finanzierung ist zeitlich begrenzt, denn unter den Zielen für die Cluster ist die Herausforderung, innerhalb von fünf Jahren eine gewisse Autonomie zu erreichen. Anfangs beträgt die externe Finanzierung 80 % bis 90% der Gesamtfinanzierung, um dann nach und nach auf 35% zu fallen. Alternative Finanzierungen sind außerdem zu finden, z. B. durch Veranstaltungen zur Clusterförderung. Die Funktion des Mittelstands in den Clustern: Ein deutsch-französischer Vergleich Emmanuel Leprince (Richelieu-Komitee, Paris) hat erklärt, worin der KMU-Pakt (Pacte PME), eine Art französischer Small Business Act besteht. Diese Initiative wird zugleich von einer privaten Organisation (dem Richelieu-Komitee) und einer öffentlichen Organisation (OSEO) gesteuert, um freiwillig den Austausch zwischen Großkunden (privaten Unternehmen, Ministerien, öffentlichen Großunternehmen und Gebietskörperschaften) und innovativen KMU zu fördern. Der KMU-Pakt umfasst zurzeit 20 Wettbewerbspole, 2 340 KMU mit durchschnittlich 55 Mitarbeitern sowie 50 Großkunden. Letztere verpflichten sich, den Anteil der innovativen KMU an ihrem Einkaufsvolumen (2007 ca. 40 Mrd. ) zu steigern. Die Großunternehmen haben den Pakt unterschrieben, weil nur beschränkten Zugang zu den CIRAC, Oktober 2008 4

oft von den Einkaufsmanagern als Risikofaktor betrachteten KMU haben. Regelmäßige Treffen zwischen KMU und Großbetrieben, die im Rahmen dieser Initiative stattgefunden haben, haben dazu geführt, dass 2007 306 neue Verträge unterschrieben wurden. Innerhalb von einem Jahr wurden fünfzehn Projekte im Rahmen des Paktes finanziert, in deren jeder Akteur (KMU, Großkunde und OSEO) ein Drittel der Finanzierung übernimmt. In den Mitgliedspolen wurde festgestellt, dass für die Finanzierung von FuE die KMU in Wettbewerb mit den Großunternehmen traten, und dass Letztere zudem weitgehend die Pole regierten. Infolgedessen ist es eine große Herausforderung, in den nächsten Jahren den Entscheidungsprozess in den Polen zu ändern: Nur vier von 20 am KMU-Pakt teilnehmenden Clustern wiesen befriedigende Kooperationsbedingungen für die KMU auf. Für Deutschland wurde die Funktion der KMU in den Clustern durch eine Analyse der optischen Industrie in Thüringen veranschaulicht, in der das Kompetenznetzwerk OptoNet Dienstleistungen für die Unternehmen anbietet. Christoph Thieme (Institut für praxisorientierte Sozialforschung & Beratung IPRAS, Universität Jena) hat darauf hingewiesen, dass diese Industrie, in der zwei Drittel der insgesamt 162 Unternehmen weniger als 50 Mitarbeiter beschäftigt, 60% ihres Umsatzes durch den Export erwirtschaftet. Diese Unternehmen, die meist auf der unteren Stufe der Wertschöpfungskette zu finden sind, stellen aus mehreren Gründen Innovationsträger dar: Sie verfügen über eine lange Tradition in der Optik (Carl Zeiss war schon im 19. Jahrhundert in Jena angesiedelt), über ein erhebliches Fachkräftepotential, das aus der Auflösung der Großkombinate in der DDR resultiert, über den stetigen Druck auf einem innovativen und wettbewerbsintensiven Markt, über Forschungsinfrastrukturen und Inkubatoren sowie über die regionale Struktur des Sektors in Cluster. Die gute Entwicklung der KMU im Optik-Cluster Thüringen ergibt sich aus einer starken Tradition der Verbindung zwischen Wirtschaft und Wissenschaft (Forschungseinrichtungen und Hochschulen) sowie aus dem Humankapital und der soliden Erfahrungs- und Bildungshintergrund der Gründungsakteure. Trotz guter Zukunftsperspektiven wird sich in den nächsten fünf oder zehn Jahren die Frage der Nachfolge der Wissens- und Erfahrungsträger stellen. Der Nachwuchs wird dann darauf achten müssen, dass dieser stark regional orientierte Cluster sich nicht abschottet. Podiumsgespräch: Die europäische Einbettung der nationalen Strategien Der letzte Teil des Kolloquiums war Anlass für einen Ausblick auf das Europa der Lissabon- Agenda, was die Auswirkungen der nationalen Innovationsstrategien anbelangt: Welches sind die Konvergenzprozesse, die zur Bildung europäischer Cluster führen können? Alain Quévreux (ANRT, Paris) hat zuerst daran erinnert, dass eine nationale Innovationsstrategie schon seit 2006 in Deutschland existiert, und dass eine äquivalente Initiative in Frankreich im April 2009 angekündigt werden wird. Die Instrumente zur Implementierung sind zwar anders, aber auf beiden Seiten des Rheins besteht das Hauptziel darin, Exzellenz zu schaffen und die besten Hochschulen, die besten Forschungseinrichtungen, die leistungsfähigsten Unternehmen und die dynamischsten KMU zusammenzubringen. In den europäischen Verträgen ist Forschung eine geteilte Zuständigkeit, die zum großen Teil durch die Mitgliedstaaten finanziert wird. Aber das System bleibt zu disparat, um effizient zu sein. Die Europäische Kommission hat im Juni 2008 eine gemeinsame Programmierung vorgeschlagen, um die Politik der Mitgliedstaaten zu koordinieren. Dabei handelt es sich um eine Abstimmung der europäischen Länder mit CIRAC, Oktober 2008 5

variabler Geometrie und der Beibehaltung nationaler Gestaltungsfreiräume, um komplementär zu arbeiten und verbesserte Verbindungen zwischen den Strategien zu schaffen. Ziel sei, die künftigen Spezialisierungen in der wissensbasierten Volkswirtschaft zu erkennen. Eine europäische Finanzierung bleibe jedoch ausgeschlossen: Nach Ansicht der Kommission selbst würde es zuviel Bürokratie verursachen. Allerdings wird heute die Bedeutung einer europäischen Kooperation im Bereich Energie anerkannt, um Grenzen und Gefahren identifizieren zu können: So entsteht allmählich eine internationalisierte öffentliche Forschung. Obwohl Innovation als ein wichtiger Wohlstandsfaktor gilt, müssen andere, ebenso wichtige Faktoren wie Arbeitskosten und Besitz von Rohstoffen berücksichtigt werden. Gemäß Dieter Rehfeld, (Institut Arbeit und Technik IAT, Gelsenkirchen), muss man einen Bottom-Up-Ansatz verfolgen: Die erfolgreichen Cluster entstehen in den Regionen und erst danach kann die Politik eingreifen. Nun aber haben wir heute zu wenig Distanz gegenüber den Auswirkungen der Innovationspolitik. Sein Beitrag war in fünf Hauptpunkte gegliedert: Es ist verkehrt, allen Branchen ein einheitliches Innovationsmodell überzustülpen, Die Region, in der der Cluster sich ansiedelt, soll nicht als abgegrenzter Ort angesehen werden, sondern sie soll eine gewisse Offenheit zeigen, um sich nach Außen zu entwickeln. Eine Bottom-Up-Regionalisierung (wo die Akteure vor Ort handeln) unterscheidet sich vom Konzept der Top-Down-Dezentralisierung, wo die Zuständigkeit des Staates den unteren Entscheidungsebenen übertragen wird, In der Hightech-Strategie für Deutschland ist die Idee, die bestehenden Kräfte zu stärken, mit der Tradition verbunden, aber zu berücksichtigen ist es, dass radikale Innovationen von Außen herkommen. Man muss den Bruch mit dem Alten wagen, Die Cluster brauchen Zeit, um sich zu entwickeln; trotzdem kann man sie nicht über dreißig Jahre finanzieren. So sind Evaluierungen und Indikatoren nötig. Aber dann taucht ein Widerspruch auf: Die KMU sind zwar innovativ, aber man muss ihnen helfen, Der Cluster ist nicht für jede Region angepasst, weil sie nicht unbedingt über die entsprechenden Mittel verfügen. Er bleibt die Ausnahme, und man muss andere Wege finden, damit die Region innovativ ist, z. B. durch Infrastruktur oder Dienstleistungen. Aus der Analyse der Innovationspolitik auf beiden Seiten des Rheins geht hervor, dass die Entscheidungsträger aus Politik in den letzten Jahren sich zunehmend der künftigen Herausforderungen bewusst geworden sind. Deutschland wie Frankreich treffen Maßnahmen mit ähnlichen Zielen, deren Umsetzung sich aber wegen verschiedener struktureller Kontexte voneinander unterscheiden. Während der Hauptteil der französischen Cluster vom Staat geschaffen wurde, bevorzugt Deutschland einen Bottom-Up-Ansatz aus einem schon bestehenden Netzwerk. Dieses Kolloquium hat es ermöglicht, die Bedeutung der Innovationsbedingungen zu betonen, die nicht nur die Innovationspolitik betreffen, sondern auch Innovationen in den Bereichen Soziales, Bildung, und Raumordnung. Was die internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit anbelangt, ebnen die durch das Euregio- Programm entwickelten grenzüberschreitenden Netze den Weg im Hinblick auf einen multinationalen Austausch, den man in den nächsten Jahren fördern sollte. Die Beiträge zum Kolloquium und den beiden Studientagen werden 2009 in einem Sammelband veröffentlicht. Solène Hazouard CIRAC, Oktober 2008 6