Müssen Vorlesungsaufzeichnungen didaktisch konzipiert sein? Das kommt darauf an

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Transkript:

Müssen Vorlesungsaufzeichnungen didaktisch konzipiert sein? Das kommt darauf an Workshop lecture recording Jena, 5. Oktober 2010

Agenda zum Verhältnis von Technik und Didaktik technische Möglichkeiten und Vorteile von Vorlesungsaufzeichnungen Technik als Rationalisierungsinstrument Ziele des IMT als (technische) Infrastruktureinrichtung Vorlesungsaufzeichnungen an der Uni Paderborn

Das Lilienthal-Syndrom... Auch ich habe mir die Beschaffung eines Kulturelementes zur Lebensaufgabe gemacht, welches Länder verbindend und völkerversöhnend wirken soll.... Die Grenzen der Länder würden ihre Bedeutung verlieren, weil sie sich nicht mehr absperren lassen, die Unterschiede der Sprachen würden mit der zunehmenden Beweglichkeit der Menschen sich verwischen. Die Landesverteidigung, weil zur Unmöglichkeit geworden, würde aufhören, die besten Kräfte der Staaten zu verschlingen, und das zwingende Bedürfnis, die Streitigkeiten der Nationen auf andere Weise zu schlichten als den blutigen Kämpfen um die imaginär gewordenen Grenzen, würde uns den ewigen Frieden verschaffen. Otto Lilienthal in einem Brief an Moritz von Egidy, 1894

Technik Didaktik Mit Technik kann man nur technische Probleme lösen didaktische Probleme erfordern didaktische Lösungen. Die Bereiche hängen oft zusammen, doch besitzen sie jeweils spezifische Möglichkeiten und Qualitätsmerkmale. Häufig werden Technik und Didaktik bei der Betrachtung von Lernprozessen nicht genügend voneinander getrennt. -> Implementierte didaktische Szenarien (bspw. programmierte Unterweisungen) können die Nutzungsmöglichkeiten und -vielfalt einschränken. -> Materialien elektronisch miteinander in Beziehung setzen und verknüpfen zu können, bietet ein Nutzungspotenzial, das frei von didaktischen Vorannahmen und der Einbettung in eine Lerntheorie ist.

Technikeinsatz in der Lehre und zur Aufzeichnung von Vorlesungen generell: Was sind die eigentlich technische Probleme / Unzulänglichkeiten im Lernprozess? speziell: Welche technischen Probleme lassen sich durch den Einsatz von Vorlesungsaufzeichnungen lösen / reduzieren? -> Vorhandensein von Materialien (Uni ist kein Ort zur Vermittlung von Standardwissen sondern der Wissensproduktion, daher oft keine aktuellen Bücher, Skripte, etc.) -> Authoring-on-the-Fly (Ottmann) -> Dokumentation der Vorlesung mit geringem Aufwand -> Nacharbeiten im eigenen Lerntempo (sprachliche Schwierigkeiten ausländischer Studierender; Nachbearbeiten schwieriger Passagen der Vorlesung) -> Rezeption auf nicht vorhergesehene Arten (MP3- Dateien im Bus oder bei der Hausarbeit anhören)

didaktikneutral Vorlesungsaufzeichnungen können (technischen) Zusatznutzen für Lehrende und Lernende bieten. Lehrende lassen sich über Rationalisierungspotenziale ins Boot holen und nicht über einen Mehraufwand, der nur den Lernenden etwas bringt. -> die Aufzeichnung als Abfallprodukt der Vorlesung -> Angebote für Vorlesungsaufzeichnungen bereits ohne lerntheoretische Rechtfertigung -> im Vordergrund steht dabei nicht die Produktion von Hochglanz- Multimedia (Frage: Ist bei hohem Produktionsaufwand die Vorlesungsaufzeichnung das geeignete Mittel?) -> nicht den konkreten Einsatz ohne didaktische Überlegungen planen sondern einen flexiblen Einsatz in unterschiedlichen didaktischen Szenarien ermöglichen

Ist eine didaktikneutrale Technik möglich? (K&K-Diskussion verkürzt) Prof. Kerres (Mediendidaktik) Nutzen neuer Technologien hängt von der gesamten Prozesskette der Nutzbarmachung ab eine mediendidaktische Konzeption technologiebasierter Lernszenarien ist notwendig erst dadurch erlangt die Technik Mehrwerte der Begriff didaktikfreie Medien verleugnet diese Notwendigkeit Prof. Keil (Informatik und Gesellschaft) Technik rationalisiert und vereinfacht in erster Linie (Instrument zur Arbeitserleichterung) Identifikation und Realisierung technischer Nutzungspotenziale für einen alltagstauglichen und flächendeckenden Einsatz erzwingt man mit dem Technikeinsatz einen didaktischen Mehraufwand führt dies eher zu Widerstand und Ablehnung didaktikneutrale Einsatzvielfalt -> lernförderliche Infrastrukturen

zwei grundsätzlich verschiedene Herangehensweisen Standardisierung des Lernprozesses, weil auf der Basis von Lerntheorien didaktische Überlegungen und Untersuchungen bei diesem Vorgehen den optimalen Lernerfolg aufzeigen Web Based Training, Pyramidendiskussion ( Zusammenführen von Thesen ), Thesen-Kritik-Replik- Verfahren, -> didaktische Lernszenarien Flexibilisierung Bereitstellung flexibel nutzbarer Werkzeuge, Medien und einer Infrastruktur die in unterschiedlichen Kontexten eingesetzt werden Materialbereiche, Wikis, Blogs, Foren, -> technische Bausteine -> bspw. auch Vorlesungsaufzeichnungen 8

letztendlich Die Qualität der Vorlesungsaufzeichnung und was die Studierenden daraus machen können, hängt maßgeblich von der Qualität der Vorlesung ab (Motivation des Dozenten, Vorbereitung des Dozenten, Erzählstil, Fachdidaktik, methodisches Vorgehen, ). Die Mediendidaktik der Aufzeichnung selbst spielt eine untergeordnete Rolle, entscheidender ist die didaktische Gesamtkonzeption. Vorlesung und Aufzeichnung werden zusammen geplant und wer sich Gedanken über seine Vorlesung macht erhält auch bessere Aufzeichnungen. Die Aufzeichnung kann zeit- und ortsabhängig genutzt, mit anderem Lernmaterial verknüpft, annotiert, diskutiert, werden. Bei einer unvorbereiteten schlechten Aufzeichnung ist ggf. das klassische Skript / Lehrbuch das bessere Lernmittel für die Studierenden.

dezentrale Ansätze zur Vorlesungsaufzeichnung an der Uni Paderborn klassische Videoaufzeichnung (AVMZ/IMT: VHS-Kassette, DVD oder Streaming-Server) Audioannotationen (Informatik: Audioaufzeichnung; in einzelne Schnipsel zerteilt und an die Folien geknüpft (nachträgliche Bearbeitung durch eine Hilfskraft) Camtasia-Aufzeichnung der Vorlesung in der Mathematik; Bereitstellung über Webserver ScreenFlow-Aufzeichnung (Hilfskraft führt die Kamera und entscheidet online, ob der Bildschirm oder das Video groß dargestellt wird) abonnierbare Vorlesungsaufzeichnungen -> Podcasting (auch Verteilung von PDFs) -> Anregungen für ein zentrales Angebot des IMT

Ziele des IMT als (technische) Infrastruktureinrichtung nachfragebasiertes Angebot aufbauen Einsatz unter alltagspraktischen Bedingungen ermöglichen Integration in die Infrastruktur und das Dienstleistungsangebot abgestuftes Einsatzkonzept ( behutsame Strukturerneuerung ) Kooperation mit der Hochschuldidaktik (hier werden Dozenten zu didaktischen Einsatzszenarien und Lernarrangements beraten und geschult) abgestimmte Beratungen und gemeinsame Veranstaltungen: Paderborner Lernpause ; Rahmen zur Vorstellung der technischen Möglichkeiten und Diskussion des didaktischen Einsatzes und Nutzens

Literatur Keil-Slawik, R., Brennecke, A., Hohenhaus, M.: ISIS Installationshandbuch für lernförderliche Infrastrukturen. HNI-Verlagsschriften-reihe, Bd. 131, Heinz Nixdorf Institut, Universität Paderborn, 2003 Keil-Slawik, R.: Denkmedien - Mediendenken: Zum Verhältnis von Technik und Didaktik. In: it+ti - Informationstechnik und Technische Informatik, 44(4),181-186 (2002) Kerres, M.: Bunter, besser, billiger? Zum Mehrwert digitaler Medien in der Bildung. In: it+ti - Informationstechnik und Technische Informatik, 44(4), 187-192 (2002) Krüger, M.: Pädagogische Betrachtungen zu Vorlesungsaufzeichnungen (electures). i-com Zeitschrift für interaktive und kooperative Medien, 4(3), 56-60 (2005) Ottmann Th., Bacher, Ch.: Authoring on the fly. Journal of Universal Computer Science, 1(10), 706-717 (1995)