Stellungnahme vor dem Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments zur Einführung einer Europäischen Privatgesellschaft ( Europa-GmbH ) vom



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Transkript:

Stellungnahme vor dem Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments zur Einführung einer Europäischen Privatgesellschaft ( Europa-GmbH ) vom 22. Juni 2006 Im Mittelpunkt meiner Stellungnahme steht angesichts des begrenzten Zeitrahmens die Notwendigkeit, für die Europäische Privatgesellschaft (EPG) ein einheitliches und abschließendes europäisches Statut zu konzipieren. I. Betrachten wir zunächst die wichtigsten Einsatzformen einer Europäischen Privatgesellschaft: Das Hauptinteresse von kleinen und mittleren Unternehmen liegt nicht in einer Verschmelzung mit ausländischen Gesellschaften (dadurch würden sie ihre Selbständigkeit verlieren) und auch nicht in einer Sitzverlegung über die Grenze. Die Richtlinien zur grenzüberschreitenden Verschmelzung und zur Sitzverlegung sind daher auf die aktuellen Bedürfnisse der KMU keine Antwort. An erster Stelle steht das Bedürfnis kleiner und mittlerer Unternehmen, eine Tochtergesellschaft im Ausland zu gründen, dies vor allem als Vertriebs- oder Servicegesellschaft. Diese Tochtergesellschaften sollen in allen Mitgliedstaaten nach denselben Regeln gegründet und geleitet werden. Eine zweite Einsatzmöglichkeit wäre die Verwendung für Gemeinschaftsunternehmen (Joint- Venture). Die EPG erlaubt es, eine gegenüber den nationalen Rechtsformen neutrale Form zu verwenden, in der keiner der beiden Geschäftspartner einen Startvorteil auf Grund besserer Rechtskenntnisse genießt und jeder von seinem ihm vertrauten Rechtsberater betreut werden kann. 1

II. Um diese Ziele zu erreichen, kann man inzwischen auch an den Einsatz von rein nationalen Rechtsformen denken. Denn die Niederlassungsfreiheit erlaubt es, Gesellschaften zu gründen, deren Verwaltungssitz nicht im Staat der Gründung liegt. Der Einsatz nationaler Rechtsformen hat aber mehrere Nachteile: 1. Die Verwendung einer ausländischen Rechtsform als Briefkastengesellschaft (pseudo foreign company) weckt bei Geschäftspartnern naturgemäß besonderes Misstrauen. Es steht unausgesprochen immer die Frage im Raum, ob es möglicherweise unredliche Gründe dafür gibt, dass nicht die nationale Rechtsform des Inlandes verwendet wurde. 2. Viele Mitgliedstaaten haben außerdem den Nachteil, dass ihre Rechtsformen in anderen Staaten kaum bekannt sind. Dies gilt insbesondere für die neu beigetretenen Staaten. Damit erleiden die kleinen und mittleren Unternehmen aus den Beitrittsstaaten einen Wettbewerbsnachteil, denn sie sind faktisch gezwungen, die Rechtsform eines der alten Mitgliedstaaten zu verwenden, um deren Bekanntheitsgrad nutzen zu können. Sie müssen damit eine für sie fremde Rechtsordnung anwenden, was zu höheren Beratungskosten führt. 3. Auch wenn ein Auseinanderfallen von Verwaltungssitz und Registersitz unter dem Schutz der Niederlassungsfreiheit möglich ist, ist europarechtlich noch nicht geklärt, wo genau Grenze zwischen dem Heimatrecht der Gesellschaft und dem Recht am Tätigkeitsort verläuft. Die Mitgliedstaaten können einer ausländischen Gesellschaft Beschränkungen im Interesse des Gläubigerschutzes auferlegen, soweit sie geeignet und erforderlich sind. Wie nationale Gesetzgeber und Gerichte mit dieser Öffnungsklausel jeweils umgehen, ist ungewiss. Die Gefahr einer Überlagerung des Heimatrechts durch unterschiedliche nationale Schutzregeln ist jedenfalls durchaus real und schafft Rechtsunsicherheit. 4. Selbst wenn ausländische Gerichte das Heimatrecht der Gesellschaft respektieren und anwenden, bleibt offen, ob sie es richtig anwenden. Die Interpretation fremder Rechtsregeln durch ein Gericht, das mit diesen Regeln nicht vertraut ist, birgt immer ein erhöhtes Risiko von Fehlentscheidungen. Das konkrete Ergebnis von Gerichtsentscheidungen ist damit nur schwer vorhersehbar. Noch weniger ist sichergestellt, dass die Gerichte in allen Mitgliedstaaten ein und dieselbe Frage auch einheitlich entscheiden. Gegen die möglicherweise fehlerhafte Interpretation des Heimatrechts durch ausländische Gerichte gibt es aber keine prozessualen Mittel. Ein Rekurs zu den Gerichten des Heimatstaates existiert nicht. Auch der Weg zum Europäischen Gerichtshof ist versperrt; denn für die Auslegung nationalen Rechts ist dieser nicht zuständig. 2

III. Kleine und mittlere Unternehmen, die einen verlässlichen Rechtsrahmen mit positiver europäischer Reputation suchen, benötigen daher im Wettbewerb der Rechtsordnungen eine Alternative. Die Europäische Privatgesellschaft kann diese Alternative sein, wenn es gelingt, sie mit einem originär europäischen und in sich abgeschlossenen Statut auszustatten. Um die Einheitlichkeit zu gewährleisten, sollte das Statut der Europäischen Privatgesellschaft in einer europäischen Verordnung geregelt werden. Diese findet automatisch in allen Mitgliedstaaten Anwendung und stellt damit sicher, dass überall derselbe Rechtstext gilt. Bei Auslegungszweifeln kann der Europäische Gerichtshof angerufen werden. Die europäische Verordnung sollte allein Fragen des Gesellschaftsrechts regeln. Andere Materien, wie etwa Arbeitsrecht oder Steuerrecht können derzeit nicht vereinheitlicht werden, weil die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten zu groß sind. Eine Rechtsform, deren innere Struktur überall einheitlich ist, wäre aber schon ein erster großer Schritt zur Erleichterung der grenzüberschreitenden Tätigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen. Für die innere Struktur der Gesellschaft sollte der Grundsatz der Gestaltungsfreiheit gelten. Auf diese Weise können die Gründer der Gesellschaft ihre internen Angelegenheiten frei regeln und zugleich in einem Netz von Tochtergesellschaft europaweit einheitliche Strukturen schaffen. Zur inneren Struktur, die der Gestaltungsfreiheit überlassen bleiben sollte, gehören das Verhältnis der Gesellschafter untereinander (z.b. Einberufung von Gesellschafterversammlungen, Beschlussfassung) und das Verhältnis der Gesellschafter zu den Geschäftsführern (z.b. Weisungsrechte). Häufig wird befürchtet, die Verhandlung des Statuts einer EPG könne genauso lange dauern wie bei der Europäischen (Aktien-)Gesellschaft (Societas Europaea SE). Die Konzeption der Europäischen Privatgesellschaft hat allerdings gegenüber der SE einen entscheidenden Vorteil: Sie ist nur für einen kleinen Kreis von Gesellschaftern gedacht, der seine Rechtsverhältnisse autonom regeln kann. Diese Voraussetzung ist bei einer Aktiengesellschaft mit ihrem typischerweise sehr großen Kreis von Gesellschaftern nicht gegeben. Der einzelne Aktionär hat auf die Gestaltung der Satzung faktisch keinen Einfluss. Um die Aktionäre zu schützen, treffen daher viele Rechtsordnungen sehr detaillierte Regelungen über Aktiengesellschaften. Diese Komplexität des nationalen Rechts ist einer der wesentlichen Gründe dafür, dass auf europäischer Ebene lange Zeit keine Einigung gelang. Für die EPG steht der Grundsatz der Gestaltungsfreiheit im Vordergrund. Sich auf diesen Grundsatz zu einigen, sollte wesentlich leichter fallen als die detaillierten Regeln des Aktienrechts zu vereinheitlichen. Ungeachtet der Gestaltungsfreiheit muss das Statut der EPG auch Rechtssicherheit bieten. Hierzu muss sichergestellt werden, dass die Gesellschafter zu den typischen Konfliktpunkten von kleinen Gesellschaften in ihrem Gesellschaftsvertrag eine Regelung treffen. Dies kann erreicht werden durch Regelungsaufträge, die in die europäische Verordnung aufgenommen werden. Beispielsweise sollte die Verordnung den Regelungsauftrag enthalten, die Formalien der Einberufung der Gesellschafterversammlung und der Beschlussfassung im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich zu regeln. Alle Regelungsaufträge der Verordnung bilden in der Summe eine Art Checkliste für das Handelsregister. Dieses prüft bei Eintragung der Gesellschaft, ob sich zu jedem Punkt eine Regelung im Gesellschaftsvertrag findet. Eine inhaltliche Prüfung findet nicht statt, denn für die inhaltliche Ausgestaltung gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit. 3

Damit die EPG schnell und einfach gegründet werden kann, bietet sich eine zweite Erleichterung an. Die europäische Verordnung sollte als Annex eine oder mehrere Mustersatzungen anbieten, die von den Gründern übernommen werden können. Wer sich für eine Mustersatzung entscheidet, genießt ein hohes Maß an Rechtssicherheit. Denn die Mustersatzung gibt Auskunft zu allen regelungsbedürftigen Punkten. Weiterhin kann kraft der Autorität des europäischen Rechts von keinem nationalen Gericht angezweifelt werden, dass die Regelungen der Mustersatzung rechtlich zulässig und wirksam sind. IV. Es gibt auch Bereiche, die nicht der Gestaltungsfreiheit überlassen bleiben können. Dazu gehört der Gläubigerschutz. Möglicherweise ist auch ein gewisser Schutz von Minderheitsgesellschaftern notwendig; darauf soll hier aus Zeitgründen nicht näher eingegangen werden. Jedenfalls ist auch über die Frage der Mitbestimmung nachzudenken. Hinsichtlich der Regelungen zum Gläubigerschutz bestehen in den Mitgliedstaaten noch erhebliche Unterschiede. Es verspricht wohl am meisten Erfolg, wenn man in der EPG verschiedene Systeme kombiniert. Damit erreicht die EPG ein höheres Schutzniveau als manche nationale Rechtsform. Dies ist aber nicht von Nachteil. Denn der Vorteil der EPG liegt in ihrer europäisch einheitlichen Anwendung, nicht in einem niedrigen Niveau des Gläubigerschutzes. Wer möglichst geringe Anforderungen an den Gläubigerschutz wünscht, hat im Wettbewerb der Rechtsformen genügend Auswahl unter den nationalen Rechtsformen. Die EPG als europäische Rechtsform kann gerade dadurch eine besondere Reputation erlangen, dass sie verschiedene nationale Gläubigerschutzregeln kombiniert. Diese Kombination von nationalen Gläubigerschutzregeln könnte folgendermaßen aussehen: 1. Die EPG verfügt über ein Mindestkapital, dessen Betrag aber nicht allzu hoch sein sollte. Das Mindestkapital ist in bar zu erbringen. Weitere Einlagen können als Sacheinlage erbracht werden; die Werthaltigkeit der Sacheinlage wird nicht überprüft, denn es genügt, dass das Mindestkapital in bar vorliegt. 2. Ausschüttungen von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter sind zulässig, wenn sie das Mindestkapital nicht angreifen. Damit verfügen Gesellschafter und Geschäftsführer über einen Bereich, in dem sie sicher vor persönlicher Haftung geschützt sind ( safe harbour ). 3. Die Bindung an die Kapitalziffer wird häufig kritisiert, weil sie keine Flexibilität bei den Ausschüttungen erlaubt. Daher sollten für eine EPG auch Ausschüttungen auf Basis eines Liquiditätstests ( solvency test ) erlaubt werden. Die Ausschüttung ist dann allerdings an eine persönliche Haftung der Geschäftsleiter geknüpft, falls die Liquiditätsprüfung fehlerhaft gewesen sein sollte. Geschäftsführer und Gesellschafter können demnach wählen, ob sie den sicheren Weg gehen und sich bei Ausschüttungen an der Kapitalziffer orientieren oder ob sie flexibel ausschütten wollen, wenn sie der begründeten Auffassung sind, die Gesellschaft werde liquide bleiben. 4

4. Die Wirksamkeit von Haftungsbeschränkung erweist sich letztlich erst im Fall der Insolvenz. Die europäische Verordnung zur EPG muss daher die Ausnahmefälle einer persönlichen Haftung der Geschäftsleiter und Gesellschafter in der Insolvenz abschließend regeln. Andernfalls kämen über die Europäische Insolvenzverordnung gerade im Insolvenzfall doch wieder nationale Haftungsregeln zum Zuge. Inhaltliches Vorbild könnte das englische wrongful trading sein; es ist allerdings in seinen Voraussetzungen relativ streng und in seiner praktischen Wirksamkeit umstritten. Möglicherweise genügt es auch, eine Haftung nur für diejenigen Fälle vorzusehen, in denen die Geschäftsleiter oder Gesellschafter durch den Entzug von Vermögen zur Entstehung der Insolvenz beigetragen haben. Bloße Geschäftsführungsfehler sollten keine Haftung auslösen. Die Frage der Mitbestimmung der Arbeitnehmer hat die Verhandlungen über die Europäische Gesellschaft (SE) jahrzehntelang blockiert. Das Problem entstand vor allem dadurch, dass die SE aus aktiven Unternehmen gebildet wird, in denen häufig bereits eine Form der Mitbestimmung existiert. Dieser Besitzstand sollte bei Gründung einer SE nicht verloren gehen. Die EPG ist in ihren beiden zentralen Einsatzformen Tochtergesellschaft und Joint-Venture eine Neugründung. Es gibt also noch keine Arbeitnehmer, die geschützt werden müssen. Im Gründungsverfahren ist daher keine Arbeitnehmerbeteiligung erforderlich. Wenn die Gesellschaft errichtet ist, unterliegt sie dem nationalen Arbeitsrecht und soweit vorhanden auch der unternehmerischen Mitbestimmung. Dies sollte durch einen Verweis in der europäischen EPG-Verordnung klargestellt werden. Auf diese Weise bleiben nationale Arbeitnehmerrecht gewahrt, ohne die Gründung der EPG zu behindern. 5