Informationen zum aktuellen Stand beim Regress von Mietsachschäden (Stand: 10.10.2008) Von RA Dr. Dirk-Carsten Günther, Büro Köln Anmerkung: Ausführlich zum Mieterregress und zahlreichen weiteren Regresskonstellationen in der neuen Auflage von Günther, Der Regress des Sachversicherers, 3. Auflage, Karlsruhe 2008, XIII und 389 Seiten, Verlag Versicherungswirtschaft, 39 Euro, ISBN 978-3-89952-345-4, zu bestellen z. B. bei www.vvw.de). 1. Regress des Sachversicherers gegen den Mieter (bei grober Fahrlässigkeit) 1.1. Durch drei Entscheidungen des BGH vom 13.9.2006 (IV ZR 26/04; IV ZR 378/02; IV ZR 116/05, veröffentlicht in VersR 2006, 1398; VersR 2006, 1530; VersR 2006, 1534) ist in Verbindung mit dem Urteil des BGH vom 8.11.2000 bis auf weiteres Folgendes geklärt: - Der Gebäudeversicherer kann gegen den Mieter nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz regressieren; wenn der Nachweis der groben Fahrlässigkeit geführt ist, haftet der Mieter dann gegenüber dem Sachversicherer allerdings in Höhe von 100 % des Zeitwertschadens. - Auf die Umlage der Gebäudeversicherungsprämie im Mietvertrag kommt es nicht an. - Die Beschränkung gilt nicht nur für die angemieteten Räume, sondern für das gesamte Gebäude sowie für alle versicherten Gefahren. - Sie findet auch bei unentgeltlichen Nutzungsverhältnissen Anwendung, wenn diese von einiger Dauer und Gewicht sind. - Die Regressbeschränkung ist auf den Mietausfallschaden anwendbar (BGH VersR 2006, 1530). - Der Mieter muss sich das Verschulden dritter Personen (insbesondere von Kindern, Ehegatten) nicht zurechnen lassen. Eine Ausnahme ist dann zu machen, wenn es sich bei diesen Dritten um einen Repräsentanten, wie er von der versicherungsvertragsrechtlichen Rechtsprechung hergeleitet wurde, handelt.
- Diese Regressbeschränkung gilt auch dann, wenn der Mieter haftpflichtversichert ist. 1.2. Die Mieterregressrechtsprechung greift jedoch nicht ein, also unbeschränkte Regressnahme, in folgenden Konstellationen: - Keine Regressbeschränkung gilt, also Regress auch bei einfacher Fahrlässigkeit in voller Höhe möglich, wenn nicht der Gebäude-, sondern der Hausratversicherer des Vermieters bezüglich dessen Hausratschaden regressiert (noch jüngst vom BGH bestätigt, BGH mit Beschluss vom 12.3.2008 - IV ZR 348/07). - Gleichfalls keine Regressbeschränkung bei Regress des Gebäudeversicherers gegen den Mieter, wenn schadenursächlich ein Schaden ist, der von dem Pkw des Mieters ausgeht (LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 12.6.2008-11 O 10402/07; bestätigt durch Hinweisbeschluss gemäß 522 ZPO des OLG Nürnberg vom 25.8.2008-4 U 1393/08). 2. Ausgleichsanspruch des Gebäude- gegen den Haftpflichtversicherer (bei einfacher Fahrlässigkeit) Mit einem weiteren Urteil vom 13.9.2006 (IV ZR 273/05 - VersR 2006, 1536) hat der BGH eine Lösung in Form der entsprechenden Anwendung einer Doppelversicherung und damit eines Ausgleichsanspruchs aus 59 Abs. 2 VVG a. F. analog hergeleitet. Danach ist nunmehr höchstrichterlich geklärt, dass dem Gebäudeversicherer bei einfacher Fahrlässigkeit des Mieters ein interner Ausgleichsanspruch gegenüber dem Haftpflichtversicherer entsprechend 59 Abs. 2 VVG a. F. zusteht. Es schließen sich allerdings Folgeprobleme an, die zum Teil bislang nicht abschließend geklärt sind: 2.1. Wie verjährt der Ausgleichsanspruch? Die Verjährungsfrage wurde vom BGH nicht angesprochen. Denkbar ist eine Übertragung der kurzen Verjährungsfrist des 548 BGB im Rahmen des 59 Abs. 2 VVG (sechs Monate), die Zwei-Jahres-Frist bzw. künftig Drei- Jahres-Frist gemäß 12 Abs. 1 VVG in der bisherigen Fassung oder die allgemeine, kenntnisabhängige Drei-Jahres-Frist gemäß 195, 199 BGB. Soweit ersichtlich gehen alle bisherigen Veröffentlichungen und Entscheidungen von der dreijährigen Verjährungsfrist der 195, 199 BGB aus (Staudinger VersR 2007, 10; Günther VersR 2006, 1542 sowie OLG Köln r+s 2007, 377; OLG Karlsruhe r+s 2008, 108; vgl. auch Felsch r+s 2008, 265, Fn. 35)).
2.2. Wie ist der Ausgleichsanspruch zu berechnen? Die Auffassung der Haftpflichtversicherer geht dahin, dass man pauschal von 50 % des Zeitwertschadens auszugehen habe. Diese Auffassung stützt sich insbesondere auf einige Formulierungen im Urteil des BGH. Diese Auffassung wird vertreten von OLG Karlsruhe, Urteil vom 7.2.2008 12 U 126/07; OLG Koblenz VersR 2007, 687; OLG Köln r+s 2007, 377; Neugebauer VersR 2007, 623; Schwickert VersR 2007, 773; Grommelt VersR 2007, 230. Die Auffassung der Gebäudeversicherer orientiert sich an dem Wortlaut des 59 Abs. 2 VVG und auf die zu dieser Vorschrift vorliegende Rechtsprechung und Literatur. Danach ist die Berechnung in zwei Schritten vorzunehmen, die sog. relative Berechnungsmethode. Diese Berechnungsmethode führt, wenn der Gebäudeversicherer den Neuwertschaden ersetzt hat, regelmäßig zu einer höheren Quote als 50 % des Zeitwertschadens. Diese Auffassung wird vertreten von LG Kassel VersR 2007, 986; LG Karlsruhe, Urteil vom 29.6.2007-8 O 634/06; Günther VersR 2006, 1542 und Wälder r+s 2007, 381. Der BGH hat sich in einer Folgeentscheidung der ersten Auffassung angeschlossen, d. h. den Regress auf 50 % des Zeitwertschadens beschränkt (Urteil vom 18.6.2008 - IV ZR 108/06). 2.3. Hat das RVA Auswirkungen auf diesen Ausgleichsanspruch? Strittig ist ferner, ob das Feuerregressverzichtsabkommen Auswirkungen auf die Entscheidung des BGH vom 13.9.2006 hat, d. h. ob der Doppelversicherungsausgleich, wenn der geschädigte Mieter über eine Hausratversicherung verfügt, womöglich ins Leere läut. 2.3.1. Die Auffassung der Haftpflichtversicherer ist, dass Mietsachschäden zwar durch die übliche Mietsachschadenklausel in der Haftpflichtversicherung versichert seien; in den besonderen Bedingungen, Risikobeschreibungen und Zusatzbedingungen für die Haftpflichtversicherung gibt es aber einen Rückausschluss, wonach die unter den Regressverzicht nach dem RVA bei übergreifenden Versicherungsfällen im Falle der Rückgriffsansprüche [ausgeschlossen] seien. Es würde dann keine Haftpflichtdeckung bestehen, sodass dann auch keine analoge Anwendung einer Doppelversicherung gegeben sein kann. Nach dieser Auffassung wären die Schäden innerhalb der gemieteten Wohnung nicht zu übernehmen, sondern nur die Schäden außerhalb dieser Wohnung. Diese Auffassung wird vertreten von Schwickert in VersR 2007, 773 und von Siegel in r+s 2007, 498. 2.3.2. Die Auffassung der Gebäudeversicherer ist, dass das RVA bei dem Ausgleichsanspruch aus 59 Abs. 2 VVG schon dem Grunde nach nicht anwendbar sei und zudem der Rückausschluss nicht eingreife, dieser vielmehr nur deklaratorisch sei (Grommelt r+s 2007, 231; Günther VersR 2006, 1339). 2.3.3. Erste Gerichtsentscheidungen zu dieser Frage liegen mittlerweile vor. Das LG Coburg hat sich mit Urteil vom 8.5.2007-23 O 869/06 - r+s 2007, 421 der Auffassung der Gebäudeversicherer angeschlossen. Das
OLG Bamberg als Berufungsgericht bestätigt mit Urteil vom 11.10.2007 1 U 114/07 VersR 2007, 1651 mit Anm. Günther diese Entscheidung. Das LG Wiesbaden hat sich mit Urteil vom 6.2.2008-5 O 89/07 (VersR 2008, 1064) und das LG Köln mit Urteil vom 10.10.2007-20 O 68/07 gleichfalls der Auffassung angeschlossen, dass das Regressverzichtsabkommen in diesen Fällen nicht eingreift (die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung wurde nach Hinweisen des OLG Köln 9 U 207/07 zurückgenommen). 2.4. Wie ist die Beweislast bei dem Ausgleichsanspruch aus 59 Abs. 2 VVG analog? Beim Mieteregress unmittelbar gegen den Mieter trägt der Sachversicherer nach der Rechtsprechung des BGH zum Mieterregress - insoweit abweichend vom normalen Mietrecht mit seiner sog. Sphärentheorie - die volle Beweislast für die Schadenursache und das grobe Verschulden des Mieters. Offen ist die Frage, ob der Ausgleichsanspruch aus 59 Abs. 2 VVG analog dazu führt, dass bei diesem Anspruch auf die Rechtsprechung zum Mietrecht zurückgegriffen werden kann. Dieser Auffassung ist offenbar das LG Köln mit Urteil vom 2.4.2008-20 O 212/07. Es führt aus, dass die Beweislast für die Voraussetzungen des 59 VVG grundsätzlich der Anspruchsteller trage, da es sich um eine für ihn günstige Norm handele, führt aber weiter aus, dass eine Übertragung der Beweislastverteilung nach der Sphärentheorie entsprechend dem allgemeinen Mietrecht (im Anschluss an BGH, Urteil vom 3.11.2004 - VIII ZR 28/04, Rn. 9-11) in Betracht komme, wenn die Schaden stiftende Handlung in einem durch den Mietgebrauch begrenzten Bereich stattgefunden hat (im Falle LG Köln a.a.o. war dies nicht anzunehmen, da eine Schadenursache ernsthaft in Betracht kommt, die nicht in die Risikosphäre von Mieter und Vermieter fällt, und zwar ein Materialfehler für das Lösen einer Schlauchklemme rund neun Monate nach deren Anbringung war mindestens so wahrscheinlich wie ein Montagefehler durch den Mieter). 2.5. Gelten beim Ausgleichsanspruch die Schutzvorschriften des 67 VVG? Ebenfalls ungeklärt ist die Frage, ob die Schutzvorschriften des 67 VVG beim Ausgleichsanspruch aus 59 Abs. 2 VVG analog gelten. Praktische Bedeutung hat diese insbesondere für das Quoten- und Befriedigungsvorrecht des Versicherungsnehmers oder für das Familienprivileg bzw. jetzige Hausgemeinschaftsprivileg. Literatur und Rechtsprechung zu dieser Problematik liegt, soweit ersichtlich, so gut wie keine vor. Allerdings hat das LG Köln mit Urteil vom 10.10.2007 a.a.o. ausgeführt, dass das Quotenvorrecht nicht eingreife, da 59 VVG a. F. als spezielle Regelung den 67 VVG a. F. verdränge. 3. Mieterregress und VVG 2008 3.1. Regress gegen den Mieter (bei grober Fahrlässigkeit) Beim unmittelbaren Regress gegen den Mieter bei grober Fahrlässigkeit wird zum Teil vorgeschlagen, dass dieser nur quotal entsprechend 81 Abs. 2
VVG 2008, also nach der Schwere des Verschuldens haftet. Bei dritten Personen wäre gleichfalls eine Quote vorzunehmen, und zwar auch für dritte Personen, wenn es sich um Familienangehörige im Sinne von 67 Abs. 2 VVG a. F. handelt oder nur um Personen, die mit dem Mieter in einer Haushaltsgemeinschaft im Sinne von 86 Abs. 3 VVG 2008 leben (Staudinger/Kassing VersR 2007, 10; Looschelders JR 2007, 424). Diese Fragen sind allerdings streitig. Außer einigen Stimmen in der Literatur gibt es hier keine weiteren Aussagen. 3.2. Ausgleichsanspruch gegen den Haftpflichtversicherer (bei einfacher Fahrlässigkeit) Es wird diskutiert, ob aufgrund der Neufassung des VVG noch von einer planwidrigen Gesetzeslücke ausgegangen werden kann. Dagegen wird eingewandt, dass bei Verabschiedung des VVG 2008 zwar die Entscheidung des BGH vom 13.9.2006 schon vorlag, jedoch das Gesetz nebst Begründung zu diesem Zeitpunkt nahezu vollständig fertig gestellt war und offenbar den ausführenden Personen des Gesetzgebungsverfahrens das Urteil nicht zur Kenntnis gelangt ist. Eine weitere Kürzung vorzunehmen entsprechend dem Rechtsgedanken des 81 Abs. 2 VVG 2008 wird abgelehnt. Der Ausgleichsanspruch sei ein eigenständiger Anspruch und der Haftpflichtversicherer sei hier uneingeschränkt eintrittspflichtig (Staudinger/Kassing VersR 2007, 10). Dies kann in der Praxis zur Folge haben, dass für den Sachversicherer die anteilige Haftung aus 78 VVG 2008 gegen den Haftpflichtversicherer günstiger sein kann als eine quotale Haftung gegen die Mieter entsprechend 81 Abs. 2 VVG 2008 (Beispiel: Liegt beim Mieter einfache Fahrlässigkeit vor, erhält der Sachversicherer mindestens 50 % des Zeitwertschadens bzw. bei Anwendung der Berechnung aus 59 Abs. 2 VVG a. F. einen noch höheren Betrag. Wenn der Mieter nur einfach grob fahrlässig gehandelt hat, wird die Quote dann jedoch unter 50 % liegen). 4. Teilungsabkommen zwischen Sach- und Haftpflichtversicherer Zwischen Sach- und Haftpflichtversicherer werden zurzeit Gespräche über ein Teilungsabkommen geführt. BLD begrüßt dies ausdrücklich. Ein entsprechendes Abkommen ist aber noch nicht endgültig verabschiedet. Sobald dies in rechtsfester Form vorliegt, werden wir Sie hierüber unverzüglich informieren.