Statement. Ist eine EU-Finanztransaktionssteuer gerecht und sinnvoll gegen neue Finanzkrisen?



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Transkript:

Statement Dr. Rolf Kroker Leiter Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik Ist eine EU-Finanztransaktionssteuer gerecht und sinnvoll gegen neue Finanzkrisen? Die Befürworter einer Finanztransaktionssteuer versprechen sich gleich mehrere volkswirtschaftliche Dividenden: 1. Sie mache Finanzkrisen unwahrscheinlicher. 2. Sie verringere die Volatilität an den Finanzmärkten. 3. Sie beteilige die Verursacher der jüngsten Finanzkrise an den Kosten der Rettungsaktionen. 4. Sie generiere zusätzliches Steueraufkommen, das für volkswirtschaftlich sinnvolle Dinge verwendet werden könne. Ein Instrument und vier Ziele: Ökonomen müssen stutzig werden. Denn seit Jan Tinbergen, dem niederländischen Mathematiker und Ökonomen, kennen wir die Grundregel für erfolgreiche Politik: Die Zahl der Instrumente darf nicht kleiner sein als die Zahl der Ziele. Wird diese Grundregel verletzt, dann ist ein solches System unbestimmt und Enttäuschungen sind die zwangsläufige Folge. 1

Enttäuschungen wären auch im Fall der Einführung einer EU- Finanztransaktionssteuer zu erwarten. Zwei prinzipiell konkurrierende Ziele werden gleichzeitig angestrebt: Zum einen will man Verhalten lenken, zum anderen Einnahmen erzielen. Je erfolgreicher die Verhaltenslenkung gelingt, desto geringer fallen die Einnahmen aus. Wer hohe Einnahmen erzielen will, muss eine möglichst breite Bemessungsgrundlage wählen, also alle Geschäfte an den Finanzmärkten einbeziehen, und den Steuersatz sehr niedrig ansetzen, damit er kaum merklich ist. Folge: Die Verhaltensweisen der Akteure an den Finanzmärkten ändern sich fast nicht. Es bleibt nahezu alles wie es ist, und das Steueraufkommen bleibt sehr groß. Wer aber wirklich der Meinung ist, dass bestimmte Finanztransaktionen die Auslöser von teuren Finanzmarktkrisen sind, muss gezielt diese mit einem hohen Satz besteuern, damit sie unattraktiv werden und damit unterbleiben. Der Erfolg ist dann gerade an sehr niedrigen Steuereinnahmen ablesbar. Der Vorschlag der EU-Kommission ist umfassend angelegt: Breite Bemessungsgrundlagen mit wenigen Ausnahmen. Nach eigenem Bekunden wählt sie einen niedrigen Steuersatz, um Ausweichreaktionen zu minimieren. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Einnahmeziel ganz klar höchste Priorität genießt, die anderen Ziele somit nur eine rationale Begründung liefern sollen. Soviel zum grundsätzlichen Zielkonflikt. 2

Lassen wir die Steuereinnahmen außen vor, unterstellen der Politik also etwas weltfremd, dass es ihr nicht in erster Linie um die Erzielung zusätzlicher Einnahmen geht, und fragen, ob eine Finanztransaktionssteuer die Lenkungsziele erreichen kann. Ist eine Finanztransaktionssteuer das richtige Instrument, um Finanzkrisen zu verhindern? Hinsichtlich zukünftiger potenzieller Finanzkrisen wissen wir es nicht, denn wir kennen noch nicht die Ursachen. Was wir aber sicher sagen können ist: Die jüngste Finanz- und Bankenkrise hätte sie wohl nicht verhindert. Die Krise wurde nicht durch traditionelle Finanzprodukte verursacht, die jetzt der Besteuerung unterworfen werden sollen. Ursache waren vielmehr hochkomplexe Verbriefungsprodukte, unterschätzte systemische Risiken und das Auseinanderfallen von Eigenverantwortung und Haftung, gepaart mit gehörigem Versagen der Geld- und Finanzpolitik in den USA. Eine Finanztransaktionssteuer hätte daran nichts Wesentliches geändert. Um diese Probleme zu lösen, bedarf es einer effizienten Bankenregulierung und einer effektiven Finanzmarktaufsicht. Eine passgenaue Regulierung ist in diesem Fall das überlegene Instrument: Sie kann Eigenverantwortung und Haftung zur Deckung bringen. Höhere Eigenkapitalpuffer, mehr Transparenz, Selbstbehaltsvorgaben und Durchgriffsrechte der Aufsicht bezüglich Restrukturierung und Abwicklung adressieren das Moral-Hazard- Problem wirksam und setzen die richtigen Anreize. Hier sind wir zum Beispiel mit Basel III bereits auf dem richtigen Weg. 3

Kann eine Finanztransaktionssteuer die Volatilität an den Finanzmärkten reduzieren? Die Antwort lautet hier: Es kommt darauf an. Sicher ist, dass eine solche Steuer die kurzfristige Spekulation an den Finanzmärkten verringert, weil sie sie verteuert. Keineswegs sicher ist aber, dass sich auch die Volatilität an den Finanzmärkten verringert. Die wissenschaftliche Literatur ist uneinig darüber, ob die Steuer stabilisierendes oder destabilisierendes Verhalten begünstigt allerdings kommt die Mehrzahl der Analysen zum Ergebnis, dass eine Finanztransaktionssteuer die Volatilität eher erhöht statt senkt oder bestenfalls neutral ist. Die Höhe des Steuersatzes spielt dabei eine wichtige Rolle: Bei relativ hohen Steuersätzen kann das Handelsvolumen so stark sinken, dass die Preisausschläge sogar zunehmen, weil der Markt nicht mehr liquide genug ist. Bei geringer Handelsaktivität können einzelne Kauf- oder Verkaufsorders zu höheren Preisreaktionen führen. Berechnungen zeigen (Schröder, ZEW, in: Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 131, März 2012, S. 11), dass der Vorschlag der EU-Kommission die Transaktionskosten zum Teil erheblich in die Höhe treibt und dadurch die Wahrscheinlichkeit zunehmender Volatilität an den Finanzmärkten erhöhen würde. Hinzu kommt: Spekulation, auch kurzfristige, ist nicht per se schlecht, sondern kann zur korrekten Preisfindung und zur Minderung von Risiken an den Finanzmärkten beitragen. Der Kommissionsvorschlag unterscheidet aber nicht zwischen guter und schlechter Spekulation und kann es realistischerweise auch nicht. 4

Ist die Finanztransaktionssteuer eine sinnvolle Maßnahme zur Beteiligung der Banken an den Kosten der Finanzkrise? Eine grundsätzliche Vorbemerkung: Wenn dies tatsächlich die wichtigste Zielsetzung der Einführung dieser Steuer wäre, müsste sie von vornherein zeitlich befristet sein, denn je nach Höhe des generierten Steueraufkommens wären die Rettungskosten ja früher oder später bezahlt. Die eigentliche Frage aber ist: Wer trägt diese Steuer letztlich wirklich? Denn bekanntlich können Zahllast und Traglast auseinanderfallen. So dürfte es auch bei der EU- Finanztransaktionssteuer der Fall sein. Es ist zu erwarten, dass die Finanzinstitute versuchen, die Steuerlast an den Endkunden weiterzugeben. Es sollte auch weitgehend gelingen, denn die Überwälzungschancen sind wegen des breiten Ansatzes günstig. Das heißt aber, weniger die Finanzinstitute tragen die Steuer, sondern in erster Linie die Kunden der Banken, also die Unternehmen und die Bürger. Die Folge wären also verteuerte Unternehmensfinanzierungen und Zusatzbelastungen für die privaten Haushalte. Da durch die Finanztransaktionssteuer auch Versicherungsunternehmen und Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge betroffen wären, würde sie die private und betriebliche Altersvorsorge treffen. Ersparnis würde steuerlich bestraft. Das widerspricht der Praxis in Deutschland, private Altersvorsorge mit viel Steuergeld zu fördern. Das Ziel, die Banken künftig an den Kosten ihrer Rettung zu beteiligen, wird mit der Bankenabgabe besser erreicht als mit einer 5

Finanztransaktionssteuer. Zwar stellt sich auch die Frage danach, wer sie am Ende wirklich trägt. Aber der Vorteil ist, dass mit der Bankenabgabe ein Fonds gespeist wird, mit dessen Mittel im Krisenfall problembehaftete Banken direkt rekapitalisiert werden können. Die Mittel der EU-Finanztransaktionssteuer sollen nach dem Willen der EU- Kommission hingegen in den allgemeinen EU-Haushalt fließen. Die nationalen Finanzminister werden die Einnahmen für ihre eigenen Haushalte verwenden wollen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat sich diesbezüglich schon unmissverständlich geäußert. Fazit: Die EU-Finanztransaktionssteuer ist nicht das Mittel der Wahl, um die noch nicht überwundene jüngste Finanzkrise zu meistern und künftige Krisen zu vermeiden. Zum einen adressiert sie nicht zielgenau die Fehlentwicklungen an den Finanzmärkten, zum anderen gibt es passgenauere Alternativen. Die EU-Kommission räumt selbst ein, dass ihr Vorschlag mit Wachstumseinbußen verbunden sein wird. Allein dies ist ein klarer Beleg dafür, dass die EU-Finanztransaktionssteuer alles andere als eine optimale Lösung darstellt. Denn, wenn sie die Ordnung der Finanzmärkte wirklich nachhaltig verbessern würde, sollte sich dies in höherem und nicht geringerem Wirtschaftswachstum niederschlagen. Köln, den 18. Februar 2013 6