Fallbeispiel 1 Ein lokaler Konflikt Eine europäische Unternehmensgruppe hat Tochtergesellschaften in Deutschland, Polen, Frankreich und Spanien. Die zentrale Leitung der Gruppe hat ihren Sitz in Frankreich. Die Unternehmensführung hat bekannt gegeben, dass die Produktivität der deutschen und spanischen Tochterunternehmen unzufriedenstellend ist. Eine Reihe von Abteilungen, die in beiden Niederlassungen vorhanden sind, werden in dem Tochterunternehmen zentralisiert, das im laufenden Jahr das bessere Produktivitätswachstum vorweisen kann. Angesichts dieser unverhohlenen Schaffung einer Wettbewerbssituation zwischen den Tochterunternehmen hat das Management des spanischen Tochterunter-nehmens eine Reihe der geltenden Vergünstigungen der Arbeitnehmer infrage gestellt : Kaffeepausen gelten nicht mehr als Arbeitszeit ; Die Stechuhren zur Erfassung der Arbeitszeiten wurden von den Umkleideräumen zum Arbeitsplatz-Eingangsbereich verlegt. Diese Vergünstigungen wurden in anderen Standorten nicht infrage gestellt. Die spanischen Vertreter des Europäischen Betriebsrats bringen dieses Problem auf dem Vorbereitungstreffen zur Sprache. Sie sind Arbeitnehmervertreter des Europäischen Betriebsrats und versuchen, einen gemeinsamen Standpunkt zu erarbeiten.
Fallbeispiel 2 Schließung und Standortverlagerung In einem deutschen multinationalen Unternehmen mit Standorten in Frankreich, Großbritannien, der Niederlande, Schweden und der Türkei hat der Verwaltungsrat einen strategischen Entwicklungsplan angenommen, der die Zentralisierung von einigen der Computer Daten Verarbeitung Standorte vorsieht. Bezüglich der Verlagerung oder Schließung von Unternehmensstandorten wurde keine endgültige Entscheidung getroffen. Die Arbeitnehmervertreter, die im Verwaltungsrat in der Minderheit sind und der Geheimhaltungspflicht unterliegen, haben keine Vorbehalte gegen diesen Plan angemeldet. Nur die EU-Mitgliedstaaten sind im EBR vertreten. Auf der ordentlichen Sitzung des EBR stellt die zentrale Leitung den strategischen Entwicklungsplan immer noch ohne nähere Angaben zu den Auswirkungen einer möglichen Schließung oder Verlagerung des Unternehmensstandortes vor. Die vom Management weiter ausgeführten Argumente bezüglich der Notwendigkeit des strategischen Entwicklungsplans haben nur in eine allgemeine Diskussion gemündet. Einen Monat später entscheidet der Aufsichtsrat, den CDV-Standort in Groß- Britannien zu schließen und diese Abteilungen nach Schweden und Frankreich zu verlegen. Die britischen Kollegen, die nicht im engeren Ausschuss sitzen, treten an diesen heran, um eine außerordentliche Sitzung einzuberufen. Sie verlangen in einem Schreiben, den britischen Standort zu verschonen und stattdessen den türkischen zu schließen. Sie sind die französische, deutsche und schwedische Vertreter des engeren Ausschusses. Wie würden Sie entscheiden?
Fallbeispiel 3 Gewinnbeteiligung Ein multinationaler Konzern hat seinen eingetragenen Sitz in Belgien und Tochter- Unternehmen in Frankreich, Luxemburg, Großbritannien, Deutschland, Polen und den Niederlanden. Die Arbeitnehmervertreter in den zuletzt genannten Ländern erfahren, dass in dem Land, wo die Gesamtleitung der Gruppe ihren Sitz hat, ein Gewinnbeteiligungsplan für die Belegschaft eingeführt wurde. Die Rentabilität der Standorte in Belgien liegt weiter unter den niederländischen und luxemburgischen Standorten. 75 % der Gesamtbelegschaft des Konzerns entfallen jedoch auf belgische Standorte. Der Gewinnbeteiligungsplan bewirkt abhängig von der Arbeitnehmerkategorie eine Gehaltssteigerung in der Höhe von 5 bis 10 %. Wie sollte der EBR Ihrer Meinung nach dieses Problem behandeln?
Fallbeispiel 4 Gewerkschaftliche Anerkennung Auf der Plenarsitzung des Europäischen Betriebsrats mit Arbeitnehmervertretern und der Gesamtleitung des Konzerns kommt Ihnen folgender Wortwechsel zwischen dem irischen Arbeitnehmervertreter und dem Personaldirektor des Konzerns zu Ohren : - Als Personaldirektor wissen Sie sicherlich, dass das irische Tochter- Unternehmen vor kurzem ein Kunden-Callcenter für Irland und Großbritannien eingerichtet hat. Dieses Callcenter wird ganz vom irischen Tochter- Unternehmen des Konzerns kontrolliert. Für das eingesetzte Personal gelten auch nicht die gleichen Bedingungen wie für die anderen Konzernmitarbeiter. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass das Leitungsgremium des Callcenters die Gewerkschaften an diesem Standort nicht anerkannt hat. Schlimmer wiegt die Erklärung, dass sie keine Absicht haben, dies zu tun. Ist diese Haltung Ihrer Meinung nach mit der Personalpolitik des Konzerns vereinbar? - Ich muss gestehen, von Ihrer Reaktion ziemlich überrascht zu sein. Ich möchte Sie an die Bestimmung unserer Vereinbarung erinnern, die besagt, dass auf unseren Sitzungen nur Angelegenheiten behandelt werden können, welche die Arbeitnehmerinteressen von zumindest zwei Ländern betreffen, in denen die Gruppe tätig ist. Es scheint jedoch, dass Sie etwas zur Diskussion stellen möchten, das nur die Irischen Arbeitnehmer betrifft. Ich würde Sie stattdessen bitten, diese Angelegenheit bei Ihrer Rückkehr mit dem Leitungsgremium vor Ort zu besprechen. Welche Reaktion des anderen Arbeitnehmervertreters auf diese Diskussion wäre angebracht : - während der Sitzung; - auf der Nachbesprechungssitzung?
Fallbeispiel 5 Berufliche Weiterbildung Während der Vorbereitung der Tagesordnung für die ordentliche Sitzung des Europäischen Betriebsrats erwägt die zentrale Leitung, Informationen über einen Plan für berufliche Weiterbildung für bestimmte Arbeitnehmerkategorien auf die Tagesordnung zu setzen. Der EBR erhält eine kurz gefasste schriftliche Mitteilung zu diesem Vorschlag vom Personaldirektor des Konzerns. Darin steht: Die Teilnehmer dieses Berufsfortbildungsprogramms werden von den Personalchefs vor Ort ausgewählt ; Die Hightech-Weiterbildung wird von einem international renommierten Institut durchgeführt ; Diese Fortbildung dauert zwei Jahre und umfasst vier einwöchige Seminare auf Teilzeitbasis ; Zwischen den Seminaren werden die Teilnehmer unter Einsatz von asynchronen Computerkonferenzen Fernlernkurse absolvieren ; Die technischen Ressourcen (Computer, Modems, Software usw.) werden den Teilnehmern zur Verfügung gestellt und bei ihnen zu Hause installiert. Nach Abschluss der Weiterbildung können diese für 30 % des Anschaffungswertes erworben werden ; Die Teilnahme an der Fernweiterbildung wird auf 10 Arbeitsstunden pro Woche veranschlagt, im Gegenzug wird den Teilnehmern eine Reduzierung ihrer Wochenarbeit von 5 Stunden gewährt ; Arbeitnehmer, die an dieser Fortbildung teilgenommen haben, werden in besser bezahlte Stellen befördert (10-15 %). Auf dem Vorbereitungstreffen müssen Sie Ihren Standpunkt bezüglich dieser Informationen darlegen und eine Strategie zur Umsetzung Ihrer eventuellen Gegenvorschläge ausarbeiten.
Fallbeispiel 6 Managementtraining Der engere Ausschuss Ihres EBR erhält eine Mitteilung von der zentralen Leitung, dass sie in nächster Zeit ein neues Weiterbildungsprogramm für Führungskräfte aus aller Welt starten werden. In einem Zeitraum von zwei Jahren werden alle 820 Topmanager in Gruppen zu 10 Teilnehmern zu einem einwöchigen All-inclusive-Training in einem Château-Hotel der 5-Sterneklasse bei Paris eingeladen, das vom Konzern für den gesamten Zeitraum exklusiv gemietet wurde. Das Programm umfasst einen Karate-Schnupperkurs, eine Abendveranstaltung mit Champagner-Verkostung, Vorträge über Persönlichkeitstraining und Selbsteinschätzung sowie eine Einführung in die neuen Unternehmenswerte. Dieses Training wird von der Personalabteilung zusammen mit einem renommierten externen Berater organisiert. Damit sich der engere Ausschuss ein Bild davon machen kann und als Zeichen der Anerkennung ihres Stellenwerts innerhalb des Unternehmens werden alle Mitglieder des engeren Ausschusses eingeladen, bei einer speziellen Sitzung des Managementtrainings teilzunehmen. Sie sind Mitglieder des engeren Ausschusses. Wie werden Sie gegenüber der Unternehmensführung und ihren Kollegen im EBR auf diese Information und die Einladung reagieren?
Fallbeispiel 7 Lohnstopp oder Schließung Ein amerikanisches multinationales Unternehmen mit 15 Produktionsstandorten in 10 EU-Ländern und rasant nachlassender Rentabilität unterbreitet auf der jährlichen Sitzung des Europäischen Betriebsrats folgenden Vorschlag : Lohnstopp für drei Jahre in allen Produktionseinheiten ; Im Gegenzug werden den Arbeitnehmern 10 % der Unternehmensanteile 50 % unter ihrem Wert zum Kauf angeboten ; Das multinationale Unternehmen gibt zu verstehen, dass im Falle der Nichtannahme des Vorschlags, die Schließung von 1 oder 2 EU-Standorten in Betracht gezogen wird. Sie sind der EBR mit Vertretern aus allen 10 Ländern. Versuchen Sie, einen gemeinsamen Standpunkt des Europäischen Betriebsrats zu erarbeiten.
Fallbeispiel 8 Sachverständige Die Tagesordnung der Plenarsitzung des Europäischen Betriebsrats eines Unternehmens mit Hauptsitz in den Niederlanden sieht vor, Informationen der Geschäfts- Leitung zur neuen Konzernstrategie zu verlautbaren. Während der Kaffeepause, unmittelbar vor der Behandlung des Themas, fordert der Personaldirektor den Sachverständigen des europäischen Gewerkschaftsverbands auf, die Sitzung zu verlassen. Und zwar, weil die Diskussion als streng vertraulich gilt, also nur Konzernmitarbeiter zur Teilnahme berechtigt sind. Es wird schnell klar, dass die nicht organisierten Mitglieder des EBR, die rund 1/3 der Arbeitnehmervertreter ausmachen, sich diesem Standpunkt anschließen. Sie sind Mitglieder des engeren Ausschusses dieses Europäischen Betriebsrats. Wie reagieren Sie auf diese Situation? Bestimmen Sie Ihre Strategie und Sprachregelung: - gegenüber der Geschäftsleitung; - gegenüber den Arbeitnehmervertretern des EBR; - gegenüber dem Sachverständigen und dem europäischen Gewerkschaftsverband.
Fallbeispiel 9 Übernahmen Der Vorsitzende des EBR eines multinationalen Unternehmens mit Sitz in Deutschland erhält eine Pressemitteilung, worin die Übernahme einer neuen Niederlassung in Rumänien angekündigt wird. Um zusätzliche Informationen einzuholen, wendet er sich an den Personaldirektor, der drängt jedoch darauf, jegliche Kontaktaufnahme mit dem rumänischen Unternehmen zu unterbinden, da das Geschäft erst von den Aktionäre gebilligt werden muss. Außerdem wird es in dieser neuen Niederlassung keine Arbeitnehmervertretung bzw. gewerkschaftliche Präsenz geben, folglich besteht auch keine Notwendigkeit für Initiativen vonseiten des EBR. Sie sind Mitglieder des engeren EBR-Ausschusses. Wie gehen Sie mit dieser Information um?
Fallbeispiel 10 Umstrukturierungen Eine kleine italienische Niederlassung eines multinationalen Unternehmens mit Sitz in Frankreich ist von weitreichenden Umstrukturierungsmaßnahmen betroffen. Dazu gehört auch ein drastischer Entlassungsplan, wofür der Geschäftsführung vor Ort jedoch keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stehen. Die italienischen Arbeitnehmervertreter, die selbst nicht im Europäischen Betriebsrat vertreten sind, wenden sich an den engeren Ausschuss und bitten um die Unterstützung des EBR. Sie sind Mitglieder des engeren Ausschusses. Wie werden Sie auf diese Bitte der italienischen Kollegen reagieren?