Immobilienwertermittlung nach der Sachwertrichtlinie 2012



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Transkript:

Immobilienwertermittlung nach der Sachwertrichtlinie 2012 Bachelor Thesis Natalia Stercer Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen - technische Fachrichtung Bauingenieurwesen

Natalia Stercer Matrikelnummer: 1466627 Studiengang: Wirtschaftsingenieurwesen - technische Fachrichtung Bauingenieurwesen Bachelor Thesis Thema: Immobilienwertermittlung nach der Sachwertrichtlinie 2012 Eingereicht: 23. September 2014 Betreuer: Dipl.-Ing. M. Röder-Sorge Prof. Dr.-Ing. H. J. Linke Fachgebiet Landmanagement Fachbereich Bauingenieurwesen und Geodäsie Technische Universität Darmstadt Franziska-Braun-Straße 7 64287 Darmstadt

Ehrenwörtliche Erklärung Ich erkläre hiermit ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig angefertigt habe. Sämtliche aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommene Gedanken sind als solche kenntlich gemacht. Die Arbeit wurde bisher keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und noch nicht veröffentlicht. Darmstadt, den 18. September 2014

Inhaltsverzeichnis 1 Motivation und Gang der Untersuchung... 1 2 Grundlagen der Verkehrswertermittlung... 4 2.1 Gesetzliche Grundlagen... 4 2.2 Geschichtlicher Hintergrund der ImmoWertV... 6 2.3 Geschichtlicher Hintergrund und Gründe für die Novellierung der WertR 06... 8 3 Theorie der Sachwertrichtlinie... 11 3.1 Zweck und Anwendungsbereich... 11 3.2 Begriffsklärung... 12 3.3 Abgrenzung zu anderen normierten Verfahren... 13 3.4 Markt- und modellkonforme Sachwertermittlung... 14 4 Grundsätzlicher Verfahrensablauf... 19 4.1 Verfahrensablauf des Sachwertverfahrens nach ImmoWertV... 19 4.2 Gegenüberstellung des Ablaufschemas zum bisherigen Sachwertverfahren... 22 4.3 Integrierte Marktanpassung... 23 4.4 Einhaltung des Modellkonformitätsgrundsatzes... 24 5 Sachwertverfahren nach ImmoWertV i. V. m. SW-RL... 28 5.1 Bodenwert... 28 5.1.1 Vorläufiger mit dem Sachwertfaktor kompatibler Bodenwert... 29 5.2 Vorläufiger Sachwert der baulichen Anlage... 30 5.2.1 Normalherstellungskosten 2010... 32 5.2.1.1 Einhaltung des Modellkonformitätsgrundsatzes... 33 5.2.1.2 Unterschiede zu den NHK 2000... 34 5.2.2 Baunebenkosten... 35 5.2.2.1 Unterschiede zum bisherigen Sachwertverfahren... 37 5.2.3 Brutto-Grundfläche... 37 5.2.3.1 Grundsätze bei der Ermittlung der BGF nach DIN 277... 38 5.2.3.2 Grundsätze bei der Ermittlung der red. BGF... 39 5.2.3.3 Anrechenbarkeit der Dachgeschossflächen... 40 5.2.3.4 Unterschiede zum bisherigen Sachwertverfahren... 42 I

5.2.4 Ermittlung maßgeblicher Normalherstellungskosten... 43 5.2.4.1 Gebäudeart nach Anlage 1 SW-RL... 43 5.2.4.2 Gebäudestandard nach Anlage 2 SW-RL... 44 5.2.4.3 Ermittlung gewichteter NHK und des gewichteten Gebäudestandards... 46 5.2.4.4 Sonderfälle Gebäudemix... 47 5.2.4.5 Korrekturfaktoren... 48 5.2.4.6 Umrechnung mit dem Baupreisindex... 49 5.2.4.7 Nicht erfasste Bauteile, Einrichtungen und Vorrichtungen sowie c-flächen 50 5.2.4.8 Ermittlung gewöhnlicher Herstellungskosten... 51 5.2.4.9 Unterschiede zum bisherigen Sachwertverfahren... 53 5.2.5 Alterswertminderung... 55 5.2.5.1 Übliche Gesamtnutzungsdauer bei ordnungsgemäßer Instandhaltung... 56 5.2.5.2 Wirtschaftliche Restnutzungsdauer Modifizierte Restnutzungsdauer... 57 5.2.5.3 Verlängerung der Restnutzungsdauer durch Modernisierung... 58 5.2.5.4 Verkürzung der Restnutzungsdauer durch unterlassene Instandhaltung sowie Baumängel und Bauschäden... 62 5.2.5.5 Lineare Alterswertminderung... 63 5.2.5.6 Unterschiede zum bisherigen Sachwertverfahren... 64 5.3 Vorläufiger Sachwert der baulichen Außenanlagen und sonstigen Anlagen... 66 5.3.1 Ermittlung des Wertanteils nach Erfahrungssätzen... 68 5.3.2 Ermittlung nach gewöhnlichen Herstellungskosten... 69 5.4 Vorläufiger Sachwert... 69 5.4.1 Unterschiede zum bisherigen Sachwertverfahren... 69 5.5 Marktangepasster vorläufiger Sachwert... 70 5.5.1 Unterschiede zum bisherigen Sachwertverfahren... 71 5.6 Besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale... 73 5.6.1 Wirtschaftliche Überalterung... 73 5.6.2 Überdurchschnittlicher Erhaltungszustand... 74 5.6.3 Baumängel und Bauschäden... 74 5.6.4 Besondere Ertragsverhältnisse... 75 5.6.5 Freilegungskosten und Bodenverunreinigungen... 75 5.6.6 Grundstücksbezogene Rechte und Belastungen... 76 II

5.6.7 Unterschiede zum bisherigen Sachwertverfahren... 77 5.7 Verkehrswert (Marktwert)... 77 5.7.1 Unterschiede zum bisherigen Sachwertverfahren... 78 6 Beispiel zur Bewertung eines freistehenden Einfamilienhauses... 79 6.1 Beispiel nach dem Sachwertmodell der SW-RL mit den NHK 2010... 80 6.2 Beispiel nach dem Sachwertmodell der WertR 06 mit den NHK 2000... 88 6.3 Vergleich der Ergebnisse... 91 7 Kritische Würdigung... 93 8 Fazit... 101 Literaturverzeichnis... 102 III

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Rechtsgrundlage der Verkehrswertermittlung... 6 Abbildung 2: Ermittlung des Sachwertfaktors... 16 Abbildung 3: Beispielhafte Darstellung der Preis/ Sachwert Funktion... 17 Abbildung 4: Sachwertverfahren nach ImmoWertV... 21 Abbildung 5: Gegenüberstellung des Sachwertverfahrens nach der WertV und ImmoWertV. 22 Abbildung 6: Modellkonforme Sachwertermittlung... 25 Abbildung 7: Ablaufschema zur Ermittlung der Herstellungskosten... 31 Abbildung 8: Brutto-Grundfläche nach der Sachwertrichtlinie... 40 Abbildung 9: Anrechenbarkeit der Dachgeschossflächen... 41 Abbildung 10: Ausschnitt aus Tabellenwerk der NHK 2010... 43 Abbildung 11: Ausschnitt aus NHK 2000... 53 Abbildung 12: Ursprüngliches Baujahr ohne Modifizierung der RND... 61 Abbildung 13: Ursprüngliches und fiktives Baujahr bei Modifizierung der RND... 62 Abbildung 14: Verlauf bei Verkürzung der RND... 63 Abbildung 15: Verlauf der Alterswertminderung, linear und nach Ross... 65 Abbildung 16: Verlauf der linearen Alterswertminderung bei einer GND von 100 und 80 Jahren... 66 Abbildung 17: Darstellung der Sachwertfaktorkurven für ein Borichtwertniveau von 120 /m²... 72 IV

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Ersetzte Regelungen der WertR 2006... 9 Tabelle 2: Modellparameter nach Anlage 5 der SW-RL... 27 Tabelle 3: Gebäudearten nach NHK 2010... 44 Tabelle 4: Wägungsanteile der Kostengruppen... 45 Tabelle 5: Berechnungsschema zur Ermittlung eines gew. Standards und gew. NHK 2010... 47 Tabelle 6: Mischkalkulation bei Gebäudemix... 48 Tabelle 7: Auszug aus der Tabelle für Orientierungswerte nach Anlage 3 der SW-RL... 56 Tabelle 8: Modernisierungselemente mit maximal zu vergebender Punktzahl... 58 Tabelle 9: Modernisierungsgrad nach der Gesamtpunktzahl... 59 Tabelle 10: Formelwerte zur Ermittlung der Verlängerung der Restnutzungsdauer... 59 Tabelle 11: Matrix für modifizierte RND bei üblicher GND von 80 Jahren... 60 Tabelle 12: Pauschaler Ansatz zu Ermittlung des Wertanteils von Außenanlagen... 68 Tabelle 13: Bewertungsrelevante Daten... 79 Tabelle 14: Gebäudeart 1.01 Freistehende Einfamilienhäuser... 80 Tabelle 15: Gebäudeart 14.1 Einzelgaragen/Mehrfachgaragen... 81 Tabelle 16: Berechnung des gewichteten Gebäudestandards und gew. NHK... 81 Tabelle 17: Übliche Gesamtnutzungsdauer... 82 Tabelle 18: Modernisierungsgrad des Einfamilienhauses... 83 Tabelle 19: Berechnung der modifizierten Restnutzungsdauer... 83 Tabelle 20: Gebäudetyp 1.01: Freistehendes Einfamilienhaus... 88 V

Abkürzungsverzeichnis Abs. BauGB BauNVO BBauG BelWertV BewG BGB BGB BGF BGH BKI BMF BMVBS DG dgl. DIN 277 DIN ebf. ebp. EG EW-RL ff. gew. ggf. GND Absatz Baugesetzbuch Baunutzungsverordnung Bundesbaugesetz Beleihungswertverordnung Bewertungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bürgerliches Gesetzbuch Brutto-Grundfläche Bundesgerichtshof Baukosteninformationszentrum Bundesministerium für Finanzen Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Dachgeschoss dergleichen DIN 277-1:2005-02: Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken im Hochbau - Teil 2: Gliederung der Netto-Grundfläche (Nutzflächen, Technische Funktionsflächen und Verkehrsflächen) Deutsches Institut für Normung Erschließungsbeitragsfrei Erschließungsbeitragspflichtig Erdgeschoss Ertragswertrichtlinie fortfolgende gewichtet gegebenenfalls Gesamtnutzungsdauer i. d. R. in der Regel i. V. m. in Verbindung mit II. BV ImmoWertV KG mod. NHK II. Berechnungsverordnung Immobilienwertermittlungsverordnung Kellergeschoss modifiziert Normalherstellungskosten VI

Nr. Nummer OG Obergeschoss red. BGF reduzierte Brutto-Grundfläche RND Restnutzungsdauer S. Seite sog. sogenannte SW-RL Sachwertrichtlinie TUD Technische Universität Darmstadt u. a. unter anderem Vgl. vergleiche VW-RL Vergleichswertrichtlinie WertR Wertermittlungsrichtlinien WertV Wertermittlungsverordnung WoFIV Wohnflächenverordnung VII

1 Motivation und Gang der Untersuchung Die klassischen Wertermittlungsverfahren befinden sich im Wandel. Die geänderten Bedingungen auf dem Grundstücksmarkt haben in den letzten Jahren zu der Notwendigkeit geführt, die bisher angewandte Wertermittlungsrichtlinie WertR 06 zu aktualisieren. Bis heute wurden bereits die Bodenrichtwertrichtlinie (BRW-RL), die Sachwertrichtlinie (SW-RL) und die Vergleichswertrichtlinie (VW-RL) novelliert. Mit der Aktualisierung der Ertragswertrichtlinie (EW-RL), die bisher als Entwurf vorliegt, sind schließlich alle Einzelrichtlinien die der Ermittlung der Verkehrswerte (Marktwerten) von Grundstücken dienen auf dem neuesten Stand. Damit wäre eine Reihe von Novellierungen beendet und die Einzelrichtlinien können wieder zu einem Gesamtwerk zusammengefasst werden. Das Augenmerk dieser Arbeit liegt auf der Richtlinie zur Ermittlung des Sachwerts (Sachwertrichtlinie SW-RL), auf der das Sachwertverfahren beruht. Es ist eins der drei normierten Wertermittlungsmethoden, die aktuell in der ImmoWertV geregelt werden. Trotz vieler Kritiken ist dieses Verfahren, vor allem bei selbstgenutzten Eigenheimen bzw. nicht ertragsorientierten Objekten, eine häufig angewandte Wertermittlungsmethode. Das bisherige Sachwertverfahren wurde u. a. wegen des kostenorientierten Modellansatzes und unzeitgemäßer Datengrundlage kritisiert. 1 Dem Erfordernis zur Novellierung des Sachwertverfahrens kam das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) nach. Vor fast genau zwei Jahren, im Oktober 2012, wurde die Richtlinie zur Ermittlung des Sachwerts (Sachwertrichtlinie SW-RL) mit den NHK 2010 veröffentlicht. Die Neuregelungen basieren u. a. auf den Ergebnissen des Forschungsprojekts Aktuelle Gebäudesachwerte in der Verkehrswertermittlung. Dieses Forschungsprojekt wurde vom BMVBS mit dem Ziel vergeben, die Akzeptanz des Sachwertverfahrens durch eine Aktualisierung der Datengrundlage zu erhöhen. 2 Die Sachwertrichtlinie dient dem Zweck detaillierte Hinweise und Empfehlungen zum Sachwertverfahren nach den 21 bis 23 ImmoWertV und für die Ableitung der Sachwertfaktoren zu geben. Nach der Veröffentlichung der SW-RL 2012 wurde das Fehlen aktueller und einheitlicher Marktdaten, die gerade bei der Sachwertermittlung erforderlich sind, von der Fachwelt beanstandet. Diese standen zum Zeitpunkt der Einführung der Richtlinie nicht zur Verfügung. Somit blieb abzuwarten, bis die Gutachterausschüsse für Grundstückswerte die relevanten Daten, nach dem neuen 1 2 Vgl. Habath, A. 2008: Die neuen Normalherstellungskosten (NHK 2005) im Praxistest. Artikel in der AIZ. www.trendimmobilien.de/dateien/die%20neuen%20nhk%202005_teil%201.pdf (Abgerufen am 01.09.14). Vgl. www.sprengnetter.de/open/view_shop/0/action/standard%3bdetail/article/292/menu/219/m/irz4ha (Abgerufen am 26.07.14). 1

Sachwertmodell, abgeleitet und veröffentlicht hatten. Mittlerweile hat Sprengnetter aktuelle adress- und regionsbezogene Marktanpassungsfaktoren für typische Sachwertobjekte wie Einund Zweifamilienhäuser, Doppel- und Reihenhäuser flächendeckend zur Verfügung gestellt. Auch viele Gutachterausschüsse arbeiten bereits mit dem neuen Sachwertmodell nach der SW-RL und den NHK 2010 (z. B. Gutachterausschuss im Kreis Paderborn, in Schleswig- Holstein usw.). Dementsprechend steht der Sachwertermittlung von Immobilien, nach einheitlichen und marktgerechten Grundsätzen, nichts mehr im Wege. Diese Arbeit befasst sich mit der Frage was sich mit der Einführung der Sachwertrichtlinie 2012 im Vergleich zum Vorgängermodell geändert hat. Das Ziel hierbei ist die umfassende Beschreibung des Sachwertmodells nach der Sachwertrichtlinie 2012 mit den NHK 2010, in Verbindung mit den Vorschriften der ImmoWertV und eine Ausarbeitung der Unterschiede des bisherigen Modells nach der WertR 06. Zu Beginn dieser Arbeit erfolgt die rechtliche Einordnung der Verkehrswertermittlung. Diese Ausführungen bewegen sich von den gesetzlichen Grundlagen des Baugesetzbuches (BauGB), über die Vorschriften der ImmoWertV, bis hin zu den Hinweisen der Sachwertrichtlinie (SW- RL). Darüber hinaus enthält dieser Abschnitt die Eckdaten zum geschichtlichen Hintergrund der ImmoWertV und der WertR 06. Zum Ende des Kapitels werden die Gründe, die zur Novellierung der Wertermittlungsrichtlinie WertR 06 geführt haben, aufgezeigt. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit den allgemeinen Grundlagen sowie dem Zweck und Anwendungsbereich der Sachwertrichtlinie, die zu einem besseren Verständnis des Sachwertmodells führen sollen. Des Weiteren findet eine Abgrenzung der normierten Wertermittlungsverfahren nach Objektzuordnung statt. Anschließend erfolgt die Beschreibung von markt- bzw. ertragswirtschaftlichen Überlegungen im Sachwertverfahren und dem besonderen Stellenwert von modellkonformer Sachwertermittlung. Der grundsätzliche Verfahrensgang der Sachwertmethode nach den Vorschriften der ImmoWertV und eine Gegenüberstellung des Ablaufschemas mit dem bisherigen Sachwertverfahren nach der WertV 88 werden in Kapitel vier dargestellt. Darüber hinaus enthält dieser Abschnitt Ausführungen zur integrierten Marktanpassung und zur Einhaltung des Modellkonformitätsgrundsatzes im Sachwertverfahren. Nach den dargelegten Grundlagen in den ersten vier Kapiteln, folgt die ausführliche Beschreibung des Sachwertverfahrens nach der Sachwertrichtlinie 2012 mit den NHK 2010. Dabei werden die Grundzüge des Modells und die Modellparameter zur Ermittlung des vorläufigen Sachwerts nach der SW-RL beschrieben. Die Unterschiede, die sich aus dem bisherigen Sachwertmodell ergeben, werden parallel zu den Ausführungen erläutert. Um die entsprechenden Änderungen zu veranschaulichen und die Einordnung in den 2

Verfahrensablauf zu erleichtern, sind die Unterschiede unter dem jeweiligen Abschnitt dargestellt. Für ein besseres Verständnis des Sachwertverfahrens nach der SW-RL 2012 und zur Verdeutlichung der ausgearbeiteten Unterschiede ist in Kapitel sechs die Sachwertermittlung eines fiktiven Bewertungsobjekts dargelegt. Anschließend werden die Ergebnisse des aktuellen und bisherigen Modells zusammengefasst und verglichen. Im vorletzten Kapitel erfolgt die kritische Würdigung des Sachwertmodells nach der neuen Richtlinie. Abschleißend wird in einem Fazit geklärt, ob die vorgenommenen Änderungen sinnvoll sind und ob sie zu größerer Marktnähe des Sachwertverfahrens geführt haben. 3

2 Grundlagen der Verkehrswertermittlung In diesem Kapitel werden zunächst einige rechtliche Grundlagen aufgeführt, die bei der Verkehrswertermittlung zur Anwendung kommen. Anschließend wird der gesetzliche Rahmen, welcher für die Verkehrswertermittlung ausschlaggebend ist, umrissen. Der gesetzliche Rahmen bewegt sich hierarchisch von den Vorschriften des Baugesetzbuches über die Regelungen der Immobilienwertermittlungsverordnung bis hin zur Wertermittlungsrichtlinie. Als Nächstes wird die historische Entwicklung der Immobilienwertermittlungsverordnung dargestellt. Zuletzt folgen der geschichtliche Hintergrund und die Gründe für die Novellierung der Wertermittlungsrichtlinie. 2.1 Gesetzliche Grundlagen Den Rahmen für die Verkehrwertermittlung von Immobilien bilden eine Reihe von Gesetzen, Verordnungen und Normen. Diese gesetzlichen Grundlagen müssen vom Sachverständigen, welcher sich mit der Wertermittlung von Bauobjekten befasst, besonders beachtet werden. Einige der gesetzlichen Grundlagen sind: Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): z. B. Sachrecht 854 ff. BGB und Mietrecht 535 ff. BGB Baugesetzbuch (BauGB): z. B. Drittes Kapitel enthält Regelungen zur Wertermittlung Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV): Grundsätze für die Verkehrswertermittlung Wertermittlungsrichtlinien (WertR): soweit noch nicht abgelöst Sachwertrichtlinie (SW-RL): Richtlinie zur Sachwertermittlung Baunutzungsverordnung (BauNVO): z. B. Art und Maß der baulichen Nutzung DIN 277: z. B. Berechnungsgrundlage für die Brutto-Grundfläche DIN 276: Kosten im Bauwesen Diese Aufzählung ist nicht vollständig und dient nur der Veranschaulichung. 3 3 Petersen, H., Schnoor, J., Seitz, W., Vogel, R. 2013: Verkehrswertermittlung von Immobilien Praxisorientierte Bewertung. S 53 ff. 4

Das Baugesetzbuch (BauGB) bildet die maßgebliche gesetzliche Grundlage für die Verkehrswertermittlung von Immobilien. Es enthält, somit neben den Bestimmungen zu dem allgemeinen und besonderen Städtebaurecht, gesetzliche Vorschriften zu den Grundsätzen der Wertermittlung von Immobilien. Die Vorschriften des BauGB dienen dazu, die Wertermittlung von Immobilien rechtssicher, bundeseinheitlich und marktkonform zu gestalten. Diese Anforderungen erfüllt das BauGB durch die Regelungen der 192 bis 199 BauGB. 4 Diese enthalten u. a. die Anweisungen zur Bildung der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte und deren Aufgaben und Befugnisse. Darüber hinaus werden bereits hier die Begriffe Verkehrswert ( 194), Kaufpreissammlung ( 195) und Bodenrichtwerte ( 196) definiert. Anschließend legt 199 BauGB die Ermächtigungsgrundlagen dar. Die, durch den 199 Abs. 1 BauGB ermächtige Bundesregierung erließ die Vorschriften der ImmoWertV, welche die Anwendung gleicher Grundsätze bei der Ermittlung des Verkehrswertes festlegen und die Ableitung der für die Wertermittlung erforderlichen Daten, einschließlich der Bodenrichtwerte, regeln. Die Richtlinien zur Wertermittlung (Sachwertrichtlinie) sind bundesministerielle Verwaltungsanweisungen die weitergehende Hinweise zur Verkehrswertermittlung geben. Ferner ermächtigt 199 Abs. 2 BauGB die Landesregierungen dazu, die Tätigkeit der Gutachterausschüsse, ergänzend zu den Vorschriften des BauGB, zu regeln. 5 Dem BauGB nachgeordnet sind die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) und die Wertermittlungsrichtlinien (WertR 06). Die Regelungen der WertR 06 beziehen sich auf die Wertermittlungsverordnung (WertV 88/98), diese wurde jedoch zum 19.05.2010 von der ImmoWertV abgelöst. Erhalten blieb die WertR 06, die nach und nach durch die aktualisierten Richtlinien ersetzt werden soll. Die zentralen gesetzlichen Grundsätze der Verkehrswertermittlung sind somit in der ImmoWertV und den Wertermittlungsrichtlinien verankert. Im Folgenden sollen daher diese beiden Regelwerke in Bezug auf ihren geschichtlichen Hintergrund erläutert werden. 4 5 Sprengnetter, H. O. 2013: Immobilienwertermittlung - Kommentar und Handbuch. Band 5. S. 1/3/2.1/5. Vgl. 192 bis 199 BauGB. 5

Abbildung 1: Rechtsgrundlage der Verkehrswertermittlung Eigene Darstellung 2.2 Geschichtlicher Hintergrund der ImmoWertV Die heutige ImmoWertV entstammt der Wertermittlungsverordnung aus dem Jahr 1961 (WertV 61). Die WertV wurde seit dem mehreren Aktualisierungen unterzogen. Die WertV 61 war die erste bundeseinheitliche Wertermittlungsverordnung und wurde auf der Grundlage des Bundesbaugesetztes 1960 (BBauG 60) ermächtigt. Sie enthielt Vorschriften zu Bodenwertermittlung mittels des Vergleichswertverfahrens, Regelungen zum Ertrags- und Sachwertverfahren sowie erste Begriffsdefinitionen zur Wertermittlung von Immobilien. Das Ziel der WertV 61 lag in erster Linie in der Realisierung einer bundeseinheitlichen und marktkonformen Wertermittlung auf Basis gesetzlicher Grundlagen. Diese Wertermittlung sollte außerdem die Markttransparenz sicherstellen sowie eine Normung der Begriffe und Vereinheitlichung der Ermittlungsmethoden darstellen. Bis heute haben diese Ziele nicht an Aktualität verloren. 6

In den darauf folgenden Jahren wurde die Verordnung mehrmals aktualisiert. Die letzte Novellierung begann im Jahr 2008 und führte zur heutigen Immobilienwertermittlungsverordnung ImmoWertV. 6 Die ersten Entwürfe der ImmoWertV entstanden auf der Grundlage des vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) einberufenen Sachverständigengremiums. Diese hatte die Aufgabe eine unabhängige Überprüfung der Regelungen zur Grundstückswertermittlung im BauGB und insbesondere der Wertermittlungsverordnung (WertV) durchzuführen. Anhand der Überprüfung wurden entsprechende Empfehlungen zu möglichen Änderungen der WertV ausgesprochen. 7 Die in der Fachwelt über die Zeit entstandenen Verbesserungs- und Modernisierungsvorschläge wurden bei der Arbeit des Sachverständigengremiums ebenfalls berücksichtigt. Nach weiteren Beteiligungsverfahren konnte die ImmoWertV im Jahr 2010 eingeführt werden und ersetzt seither die WertV 88/98. Zusammenfassend lassen sich folgende Neuregelungen aufführen: 8 Verwaltungsvereinfachung und Anwendungsfreundlichkeit durch systematischen Aufbau der Vorschriften und Straffung einzelner Regelungen Transparenz und Vergleichbarkeit der Verkehrswertermittlung Berücksichtigung künftiger Entwicklungen in der Verkehrswertermittlung Berücksichtigung des Entwicklungszustands (besondere Flächen) eines Grundstücks Die Marktanpassung findet bei der Verkehrswertermittlung vor Berücksichtigung besonderer objektspezifischer Grundstücksmerkmale statt Aufnahme der Regelungen zu Bodenrichtwerten und Markanpassungsfaktoren in die Vorschriften zu den erforderlichen Daten Eigenständige Vorschrift zur Ermittlung des Bodenwerts Aufnahme weiterer Varianten des Ertragswertverfahrens Anpassung der Vorschriften zum Sachwertverfahren Am 19. Mai 2010 wurde die ImmoWertV erlassen und bildet die Basis für die Wertermittlung von Immobilien. Die Verfahrensvorschriften, auf denen die ImmoWertV aufgebaut ist, haben 6 7 8 Kleiber, W. 2014: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. S. 494 ff. Bericht des Sachverständigengremiums zur Überprüfung des Wertermittlungsrechts, 2008. S. 9 ff. Kleiber, W. 2014: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. S. 498. 7

sich seit langem in der Bewertungspraxis bewährt und genießen auch in der Rechtssprechung eine breite Zustimmung. Gutachterausschüsse und stattliche Bewertungsstellen sind dazu verpflichtet die ImmoWertV bei Wertermittlungen heranzuziehen. Für private Sachverständige ist ihre Anwendung zwar nicht zwingend, es wird jedoch empfohlen die Verordnung als Grundlage ihrer Arbeit heranzuziehen. Die normierten Begriffe und Verfahren, die die ImmoWertV beinhaltet haben den Zweck die Wertermittlungen von Immobilien untereinander vergleichbar, verständlich und transparent zu gestalten. 9 2.3 Geschichtlicher Hintergrund und Gründe für die Novellierung der WertR 06 Die ersten Wertermittlungsrichtlinien wurden bereits im Jahr 1955, vom Bundesministerium für Finanzen (BMF) herausgegeben und haben den Bereich der Bundesvermögens- und Bauverwaltung betroffen. Die Richtlinien waren in erster Linie an die Bundesvermögensverwaltung adressiert und stellten eine verbindliche Verwaltungsanweisung des Bundes dar. Die Wertermittlungsrichtlinien wurden im Jahr 1976 (WertR 76) an die Wertermittlungsverordnung von 1961 (WertV 61) angepasst. Im weiteren Zeitverlauf wurden die Richtlinien im Jahr 1991 (WertR 91) und 2002 (WertR 02) erneut überarbeitet und veröffentlicht. Im Zuge der Bekanntmachung der WertR 02 wurden die Normalherstellungskosten, nach dem Preisstand 2000 (NHK 2000) in die Wertermittlungsrichtlinien integriert. Damit wurden die Normalherstellungskosten von 1913 abgelöst. 10 Eine weitere Aktualisierung der WertR fand im Jahr 2006 statt. Bei dieser Aktualisierung wurde der erste Teil der Richtlinien (Verkehrswertermittlung von Grundstücken) lediglich redaktionell novelliert. Die Regelungen des zweiten Teils (Verkehrswertermittlung von Rechten und Belastungen an Grundstücken) wurden neu überarbeitet. Mit Inkrafttreten der ImmoWertV 2010 wurde die WertR 06 nicht aufgehoben und auch nicht an die neue Verordnung angepasst. Die WertR 06 hat so lange Bestand und kann angewandt werden, bis sie formell aufgehoben oder durch aktualisierte Richtlinien ersetzt worden ist. 11 Vor dem Erlass der Sachwertrichtlinie mit den NHK 2010 im Oktober 2012, wurde das Sachwertverfahren in der WertR 2006 geregelt. Mit dem Forschungsprojekt Aktuelle 9 10 11 Petersen, H., Schnoor, J., Seitz, W., Vogel, R. 2013: Verkehrswertermittlung von Immobilien Praxisorientierte Bewertung. S 56 ff. Kleiber, W. 2014: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. S. 509. Kleiber, W. 2014: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. S. 504 ff. 8

Gebäudesachwerte in der Verkehrswertermittlung, welches im Jahr 2005 vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) an das Baukosteninformationszentrum deutscher Architektenkammern (BKI) vergeben wurde, sollten sowohl das Tabellenwerk der NHK 2000 als auch sonstige für die Sachwertermittlung erforderliche Daten überarbeitet werden. 12 Die Ergebnisse des Projekts sind im 2008 veröffentlichten Abschlussbericht einzusehen. In die Regelungen der WertR 06 wurden die entwickelten Vorschläge jedoch nicht übernommen. Auch das überarbeitete Tabellenwerk zu den NHK 2005 war fachlich umstritten und fand keine Akzeptanz. Basierend auf den Forschungsergebnissen des Projekts und unter Berücksichtigung von Vorschlägen und Kritikpunkten aus der Fachwelt, wurden in den nachfolgenden Jahren sowohl die Sachwertrichtlinie, als auch die NHK 2010 erarbeitet. 13 Die Regelungen der SW-RL ersetzten einige Nummern der WertR 06 vom 1. März 2006 (siehe Tabelle 1). Tabelle 1: Ersetzte Regelungen der WertR 2006 Von der SW-RL ersetzte Nummern der WertR 06 Richtliniennummern der WertR 2006 Bezeichnung Nr. 1.5.5 Abs. 4 Nr. 3.1.3 Nr. 3.6 Nr. 3.6.1 bis Nr. 3.6.2 Anlagen der WertR 2006 Anlage 4 Anlage 6 Allgemeines zu den Wertermittlungsrichtlinien Sachwertverfahren Sachwert Wert der baulichen Anlagen am Wertermittlungsstichtag bis Wert der sonstigen Anlagen Bezeichnung Durchschnittliche wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer bei ordnungsgemäßer Instandhaltung (ohne Modernisierung) Ermittlung der Brutto-Grundfläche (BGF) Anlage 7 Normalherstellungskosten 2000 (NHK 2000) Anlage 8 Tabelle zur Wertminderung wegen Alters von Gebäuden Die Notwendigkeit zur Anpassung der Richtlinie folgte bereits aus der Tatsache, dass diese sich auf die Regelungen der WertV 88 bezog, die jedoch im Jahr 2010 von der ImmoWertV abgelöst wurden. Somit mussten die Vorschriften der ImmoWertV im Sachwertverfahren umgesetzt werden. Mit der WertR 06 nicht konform war beispielsweise die lineare Alterswertminderung oder die Berücksichtigung besonderer objektspezifischer 12 13 Abschlussbericht: Aktuelle Gebäudesachwerte in der Verkehrswertermittlung 2008. S. 4 ff. Sprengnetter, H. O. 2013: Sachwertrichtlinie und NHK 2010: Kommentar zu der neuen Wertermittlungsrichtlinie zum Sachwertverfahren. S. 69 ff. 9

Grundstücksmerkmale nach der Anpassung an die Lage auf dem Grundstücksmarkt (Marktanpassung). Darüber hinaus enthielt die Wertermittlungsrichtlinie zum Teil änderungsund ergänzungsbedürftige Ausführungen und Daten. Vor allem das veraltete Tabellenwerk der NHK 2000, welches Kennwerte basierend auf den NHK 1995 enthielt, war als problematisch anzusehen. Das System und die Kostenkennwerte der NHK 2000 waren somit über 15 Jahre alt und reformbedürftig. Auch die unzeitgemäßen Ausstattungsstandardtabellen enthielten Beschreibungsmerkmale, die nicht mehr aktuell waren und heutigen Anforderungen weder im Wert noch per Definition genügen konnten. Die Sachwertrichtlinie wurde im September 2012 erlassen und ersetzt die bis dahin gültigen Regelungen zum Sachwertverfahren aus der Wertermittlungsrichtlinie (WertR 06). Die der WertR 06 zugrunde liegenden Normalherstellungskosten (NHK) 2000 wurden mit der Einführung der Sachwertrichtlinie durch NHK 2010 ersetzt. 14 Nach der Einführung der Sachwertrichtlinie geht das Sachwertverfahren im Gleichschritt mit den Rechtsgrundlagen, zugleich hat man die Richtlinie an die neue Kostenentwicklung und den aktuellen Stand der Bautechnik angepasst. 15 14 15 Renner, U., Sohni, M. 2012: Ermittlung des Verkehrswertes (Marktwertes) von Immobilien. S. 186. Petersen, H., Schnoor, J., Seitz, W., Vogel, R. 2013: Verkehrswertermittlung von Immobilien Praxisorientierte Bewertung. S 195 ff. 10

3 Theorie der Sachwertrichtlinie Um den Zugang zum Sachwertverfahren nach der Sachwertrichtlinie zu erleichtern, werden nachfolgend der Zweck und Anwendungsbereich des Sachwertverfahrens beschrieben. Neben einer Klärung der Begriffe Ersatzbeschaffungs- und Reproduktionskosten sowie Kosten und Wert, findet eine Abgrenzung der normierten Wertermittlungsverfahren nach Objektzuordnung statt. Im Anschluss daran werden die markt- bzw. ertragswirtschaftlichen Überlegungen im Sachwertverfahren sowie der besondere Stellenwert modellkonformer Sachwertermittlung beschrieben. 3.1 Zweck und Anwendungsbereich Das Sachwertverfahren wird angewendet, wenn im gewöhnlichen Geschäftsverkehr die Herstellungskosten und nicht die Erzielung von Mietrenditen für die Preisbestimmung des Bewertungsobjekts ausschlaggebend sind. Das kann z. B. damit begründet werden, dass der Käufer eines Eigenheims die Wahl hat, das Haus selber zu errichten oder zu erwerben. Er wird also die Herstellungskosten eines Neubaus im Auge behalten und diese mit dem Kaufpreis eines fertig errichteten Hauses vergleichen. Vor der Durchführung des Sachwertverfahrens muss zunächst geklärt werden, ob die zu bewertende Immobilie ein Sachwertobjekt ist. Typische Sachwertobjekte sind vor allem Einund Zweifamilienhäuser sowie Villen, die zur Eigennutzung gekauft oder errichtet werden. Da hier die individuelle Nutzung des Eigenheims und nicht der erzielbare Ertrag im Vordergrund steht, ist das Ertragswertverfahren nicht geeignet. Wegen fehlender Vergleichspreise kann auch das Vergleichswertverfahren oftmals nicht durchgeführt werden. Sachwertverfahren kommt daher vor allem bei selbstgenutzten Objekten wie Ein- und Zweifamilienhäusern zur Anwendung. Hieraus sollte allerdings nicht abgeleitet werden, dass auch eigen genutzte Gewerbe- oder Industrieobjekte mit Hilfe des Sachwertverfahrens bewertet werden sollten. In diesen Fällen geht es nämlich den Nutzern dieser baulichen Anlagen vordergründig um die erzielbare Rendite. 17 Neben der Bewertung von Sachwertobjekten kann das Sachwertverfahren zur Überprüfung der Ergebnisse anderer Wertermittlungsverfahren herangezogen werden. Im Rahmen der Beleihungswertermittlung und der steuerlichen Bewertung kommt das Sachwertverfahren ebenfalls zur Anwendung. Die 16 Das 16 17 Kleiber, W. 2014: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. S. 1871. Kleiber, W. 2014: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. S. 943. 11

Vorschriften dazu sind in der Beleihungswertverordnung (BelWertV) und in dem Bewertungsgesetz (BewG) geregelt. Die Anwendung der Sachwertrichtlinie ist nur für Behörden verbindlich, denen diese vorgeschrieben wird. Sie wird aber allen in der Grundstückswertermittlung tätigen (Sachverständige, Gutachterausschüsse) zur Anwendung empfohlen. 18 3.2 Begriffsklärung Wichtige Begriffe in Bezug auf die Anwendung des Sachwertverfahrens sind die Ersatzbeschaffungs- und Reproduktionskosten. Neben diesen beiden Begrifflichkeiten sollen im Folgenden auch die Begriffe Kosten und Wert erläutert werden. Als Grundlage für die Ermittlung des Sachwerts einer baulichen Anlage dienen die gewöhnlichen Herstellungskosten, welche unter Beachtung der marktüblichen Gegebenheiten am Wertermittlungsstichtag für den Neubau eines entsprechenden Objekts aufzuwenden wären. Bei älteren Objekten werden nicht die Rekonstruktionskosten für den Wiederaufbau alter Techniken angesetzt, sondern die Herstellungskosten, die den aktuellen Stand der Technik und die wirtschaftlichen Gesichtspunkte am Wertermittlungsstichtag berücksichtigen. Somit sind die zeitgemäßen Ersatzbeschaffungskosten, für die Ermittlung des Sachwerts von baulichen Anlagen, ausschlaggebend. Der Sachwert eines Grundstücks stimmt mit dessen Verkehrswert (Marktwert) meist nicht überein. Ein an Kosten orientierter Sachwert bedarf einer Anpassung an den Grundstücksmarkt. Der (vorläufige) Sachwert wird mit Hilfe von Sachwertfaktoren an die jeweilige Grundstücksmarktlage angepasst. 19 Daraus ergibt sich ein marktangepasster (vorläufiger) Sachwert, der nach der Berücksichtigung besonderer objektspezifischer Grundstücksmerkmale i. d. R. dem Verkehrswert (Marktwert) entspricht. Dieser gibt den Preis wieder, welchen ein potentieller Käufer bereit wäre zu zahlen. In Zahlen ausgedrückt kann dieser Preis höher oder niedriger sein als der berechnete Wert der baulichen Anlage. Das hängt u. a. von der Angebots- und Nachfragesituation auf dem Immobilienmarkt ab. 20 18 19 20 Petersen, H., Schnoor, J., Seitz, W., Vogel, R. 2013: Verkehrswertermittlung von Immobilien Praxisorientierte Bewertung. S 196. Vgl. 8 Abs. 2 ImmoWertV 2010. Kleiber, W. 2014: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. S. 1874. 12

3.3 Abgrenzung zu anderen normierten Verfahren Die ImmoWertV unterscheidet zwischen drei normierten Wertermittlungsverfahren: das Vergleichswertverfahren das Ertragswertverfahren das Sachwertverfahren Grundsätzlich sind diese drei Verfahren gleichrangig. 21 Bei der Wahl des Wertermittlungsverfahrens sind jedoch die Art des Grundstücks und die preisbestimmenden Mechanismen auf dem jeweiligen Grundstücksmarkt ausschlaggebend. Vor dem Einsatz eines der Wertermittlungsverfahren ist die Wahl des entsprechenden Verfahrens zu begründen. Das Vergleichswertverfahren kann zur Verkehrswertermittlung bebauter und unbebauter Grundstücke herangezogen werden. Dabei muss eine hohe Anzahl von Kaufpreisen vergleichbarer Grundstücke vorliegen, die in ihren Eigenschaften direkt mit dem Bewertungsobjekt vergleichbar sind. Ferner ist auf die Aktualität der Vergleichspreise zu achten. Diese sind nur geeignet, wenn die Verkäufe zeitnah zum Wertermittlungsstichtag liegen. Aufgrund dieser Vorgaben kommt das Vergleichswertverfahren nur bei marktgängigen Objekten, wie Eigentumswohnungen und Einfamilienhausgrundstücken zur Anwendung. 22 Das Ertragswertverfahren wird zur Verkehrswertermittlung von Renditeobjekten herangezogen, z. B. Mietwohnhäuser und gewerblich bzw. industriell genutzte Grundstücke. Dabei geht es in erster Linie darum, welche nachhaltig erzielbaren Erträge vom Bewertungsobjekt erwirtschaftet werden. 23 Das Sachwertverfahren kommt vor allem dann zur Anwendung, wenn der Sachwert des Bewertungsobjekts und nicht die Ertragserzielung preisbestimmend ist. Das ist in erster Linie bei Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Villen der Fall, die zur Eigennutzung erworben werden. 24 21 22 23 24 Kleiber, W. 2014: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. S. 923. Gablenz, K. B. 2005: Grundstückswertermittlung leicht verständlich. S. 41. Kleiber, W. 2010: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. S. 961. Kleiber, W. 2014: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. S. 941. 13

3.4 Markt- und modellkonforme Sachwertermittlung Im folgenden Abschnitt werden die markt- und modellkonformen Prinzipien der Sachwertermittlung aufgezeigt. Im Zuge der Anwendung der Sachwertrichtlinie soll darauf geachtet werden, dass die Ermittlung der Sach- bzw. Verkehrswerte von Immobilien, nach einheitlichen markt- und modellkonformen Grundsätzen erfolgt. Marktkonformes Sachwertverfahren Die Sachwertermittlung nach der ImmoWertV i. V. m. SW-RL darf nicht nur als eine reine Rechenmethode verstanden werden, die sich allein an Baukosten orientiert. Zwar stellen die gewöhnlichen Herstellungskosten die Grundlage für die Ermittlung des Sachwertes einer baulichen Anlage dar, im weiteren Verlauf werden jedoch sowohl der Markt, als auch die ertragswirtschaftlichen Überlegungen in das Sachwertverfahren integriert. 25 Die Vorschriften der ImmoWertV sehen eine zwingende Berücksichtigung der Lage auf dem Grundstücksmarkt vor. Folgender Abschnitt zeigt nun, an welchen Stellen im Verfahrensablauf die ertragswirtschaftlichen Überlegungen des Grundstücksmarktes berücksichtigt werden. Besonders die Bezugnahme des 8 Abs. 3 ImmoWertV, auf die Berücksichtigung von erheblich abweichenden Erträgen, ist an dieser Stelle hervorzuheben. In dieser Vorschrift wird darauf hingewiesen, dass sonstige objektspezifische Grundstücksmerkmale zu berücksichtigen sind, soweit es marktüblich ist und diese den Verkehrswert beeinflussen. Eine ähnliche Formulierung befand sich in der WertV 88/98. Nach Maßgabe des 25 WertV 88/98 mussten auch hier sonstige wertbeeinflussende Umstände bei der Sachwertermittlung berücksichtigt werden. Die explizite Nennung, zur Beachtung von besonders abweichenden Erträgen in den Angaben der ImmoWertV, ist als eine Konkretisierung bisheriger Regelungen zu verstehen. Die Forderungen des 8 Abs. 2 und 3 ImmoWertV, wonach die Marktlage vor den besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmalen zu berücksichtigen ist, zeigt die Bemühungen des Gesetzgebers das Sachwertverfahren auf eine marktkonforme Verkehrswertermittlung auszurichten. 26 Neben den besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmalen gehen auch andere Größen in die Berechnungen mit ein, wie z. B. die Gesamt- und Restnutzungsdauer und die daraus 25 26 Kleiber, W. 2014: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. S. 1875. Kleiber, W. 2014: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. S. 1875. 14

abgeleitete Alterswertminderung. Diese Größen tragen dazu bei, die ertragswirtschaftlichen Sichtweisen des Grundstücksmarktes in die Sachwertermittlung zu integrieren. Die Restnutzungsdauer einer baulichen Anlage ist ein prognostizierter Zeitraum, in dem das Objekt noch voraussichtlich wirtschaftlich nutzbar ist, also wirtschaftlichen Ertrag abwirft. 27 Auch der Hinweis in 21 Abs. 1 ImmoWertV macht deutlich, dass die Nutzbarkeit der baulichen und sonstigen Anlagen bei der Ermittlung des Sachwerts wichtig ist. Das bedeutet, dass eine technisch einwandfreie Bauanlage keinen Sachwert hat, wenn diese nicht wirtschaftlich nutzbar ist. Aus dem Verhältnis der Rest- zur Gesamtnutzungsdauer wird die Alterswertminderung abgeleitet. Diese gibt an, welche Wertminderung eine bauliche Anlage bei ordnungsgemäßer Instandhaltung erfährt. Die Wertminderung kann u. a. aus den über die Zeit wachsenden Anforderungen an Gebäude erklärt werden. Je mehr ein Objekt hinter die aktuellen Standards fällt, desto geringer ist die wirtschaftliche Nutzungsfähigkeit dieses Gebäudes. Folglich kann die Alterswertminderung als eine Marktsanpassung verstanden werden. 28 Modellkonformes Sachwertverfahren In der Sachwertermittlung ist besonders auf das modellkonforme Vorgehen zu achten. 29 Insbesondere, wenn der Sachwertfaktor auf einer von der Sachwertrichtlinie abweichenden Datengrundlage abgeleitet wurde. 30 Das Prinzip der Modellkonformität zieht sich im Idealfall durch das gesamte Sachwertverfahren. Kleiber äußert sich in seinem Buch Verkehrswertermittlung von Grundstücken wie folgt zum Modellkonformitätsgrundsatz: Überspitzt formuliert müssen die Normalherstellungskosten noch nicht einmal richtig sein. Die angewandte Methode der Sachwertermittlung kann falsch oder richtig sein. Eine methodisch falsche Sachwertermittlung kann gleichwohl zum richtigen Verkehrswert führen, wenn der Sachwertfaktor das falsche (vorläufige) Sachwertergebnis richtet, d. h. an den Verkehrwert (Marktwert) justiert. Die Frage was methodisch der richtige oder falsche Sachwert ist, kann bei alledem unbeantwortet bleiben, wenn man nur in demselben System bleibt. 31 27 28 29 30 31 Vgl. 6 Abs. 6 Satz 1 ImmoWertV 2010. Kleiber, W. 2014: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. S. 1875. In Nr. 1 Abs. 2 SW-RL 2012 ausdrücklich gefordert. Linke, H. J. 2014: Skript: Bodenordnung und Bodenwirtschaft IV Sachwertverfahren. S. 3. Kleiber, W. 2014: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. S. 504. 15

Aus diesem Grund ist die Marktanpassung durch den passenden Sachwertfaktor sehr wichtig. Die Sachwertfaktoren werden nach Maßgabe des 14 ImmoWertV von den Gutachterausschüssen abgeleitet. Der Gutachterausschuss für Grundstückswerte hat u. a. die Aufgabe eine Kaufpreissammlung zu führen, sie auszuwerten und zu veröffentlichen sowie Bodenrichtwerte zu ermitteln. Auch die Bereitstellung anderer, für die Wertermittlung erforderlicher Daten gehört zu seinem Aufgabenbereich. 32 Für aussagekräftige Sachwertfaktoren wird eine hohe Anzahl von Daten benötigt. Die Grundlage der Ermittlung bilden die tatsächlichen Kaufpreise von üblichen Grundstücken, die nach der jeweiligen Gebäudeart unterschieden werden. Dabei werden auf dem Markt erzielbare Kaufpreise ihren vorläufigen Sachwerten gegenüber gestellt (siehe Abbildung 2). Abbildung 2: Ermittlung des Sachwertfaktors Quelle: vgl. Kleiber, W. 2014: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. S. 1878 32 Vgl. 193 Abs. 5 BauGB. 16

Dieses Verhältnis aus dem erzielbarem Preis und dem vorläufigen Sachwert gibt den Sachwertfaktor wieder und kann wie folgt dargestellt werden: Abbildung 3: Beispielhafte Darstellung der Preis/ Sachwert Funktion Quelle: vgl. Sommer, G. 2012: Das Sachwertverfahren nach Sachwertrichtlinie. S. 23 Anhand dieser Grafik kann man erkennen, dass: bei einem erzielbaren Kaufpreis von 200.000 der vorläufige Sachwert ebenfalls 200.000 beträgt. In diesem Punkt (SP) schneidet die Preis/Sachwert Funktion die Winkelhalbierende. Der Sachwertfaktor ist 1,00 Links vom Schnittpunkt (SP): die erzielbaren Kaufpreise sind meist höher als die vorläufigen Sachwerte. Der Sachwertfaktor ist > 1,00 Rechts von Schnittpunkt (SP): die erzielbaren Kaufpreise sind meist niedriger als die vorläufigen Sachwerte. Der Sachwertfaktor ist < 1,00 Trägt man diese Informationen in einer Tabelle zusammen, erhält man die Sachwertfaktoren für die jeweilige Gebäudeart und dem entsprechenden vorläufigen Sachwert. 33 33 Vgl. Sommer, G. 2012: Das Sachwertverfahren nach Sachwertrichtlinie. S. 23. 17

Zur Ableitung erforderlicher Daten für die Wertermittlung (Liegenschaftszinssätze, Sachwertfaktoren, Vergleichsfaktoren bebauter Grundstücke, Umrechnungskoeffizienten) verwenden die Gutachterausschüsse bestimmte Modelle. Um den Grundsatz der Modellkonformität zu wahren, sind die bei der Ermittlung von Vergleichsdaten angewandten Methoden, einschließlich eingesetzter Modellparameter auch für den jeweiligen Bewertungsfall anzuwenden. Hierbei müssen die Grundstücksmerkmale des Referenzgrundstücks Beachtung finden. Zu diesem Zweck ist es Empfehlenswert den entsprechenden Bericht des Gutachterausschusses für Grundstückswerte auszuwerten. Dieser enthält u. a. das Modell, welches bei der Ableitung der Sachwertfaktoren herangezogen wurde. Erfolgt die Ermittlung des Sachwerts nicht nach genau diesem Modell, so ist das Ergebnis der Wertermittlung (Verkehrswert) mit hoher Wahrscheinlichkeit fehlerhaft. 34 Das modellkonforme Vorgehen bei der Verkehrswertermittlung ist kein neues Phänomen der Sachwertrichtlinie, sondern war auch im bisherigen Sachwertmodell praxisrelevant. Nur eine modellkonforme Anwendung der für die Wertermittlung erforderlichen Daten, kann zu einem fehlerfreien Ergebnis, dem Verkehrswert führen. Der Modellkonformitätsgrundsatz gewinnt mit dem Erlass der ImmoWertV und der SW-RL jedoch mehr an Bedeutung. Die Vorschriften der SW-RL konkretisieren in Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 SW-RL die Forderung, den Grundsatz der Modellkonformität bei der Sachwertermittlung zu wahren. Des Weiteren heißt es im Richtlinientext, dass die verwendete Ableitungsmethode und die herangezogenen Daten bei der Anwendung der Sachwertfaktoren zu beachten sind (Nr. 5 Abs. 3 SW-RL). 34 Kleiber, W. 2014: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. S. 1878. 18

4 Grundsätzlicher Verfahrensablauf Dieses Kapitel enthält den grundsätzlichen Verfahrensablauf des Sachwertverfahrens nach den Vorschriften der ImmoWertV und eine Gegenüberstellung des Ablaufschemas mit dem bisherigen Sachwertmodell. Darüber hinaus werden die Grundlagen, die eine konsequente Einbindung der Lage auf dem Grundstücksmarkt sicherstellen, beschrieben. Anschließend folgen praktische Hinweise zur Einhaltung des Modellkonformitätsgrundsatzes im Sachwertverfahren. 4.1 Verfahrensablauf des Sachwertverfahrens nach ImmoWertV Der Verfahrensablauf des Sachwertverfahrens ist in der ImmoWertV und der SW-RL geregelt. Der vorläufige Sachwert eines Grundstücks setzt sich nach 21 Abs. 1 ImmoWertV zusammen aus: dem vorläufigen Sachwert der nutzbaren baulichen Anlagen (ohne Außenanlagen) dem vorläufigen Sachwert der nutzbaren baulichen Außenanlagen sowie sonstigen Anlagen aus dem vorläufigen Bodenwert, welcher mit Hilfe des Vergleichswertverfahrens (gemäß 16 ImmoWertV) ermittelt wird Die Ermittlung dieser Werte erfolgt zunächst getrennt. Erst bei der Anpassung an den Grundstücksmarkt durch den Sachwertfaktor werden die vorläufigen Sachwerte zusammen geführt. 35 Der Begriff vorläufiger Sachwert ist in der ImmoWertV nicht gebräuchlich. Dennoch hilft er dabei deutlich zu machen, dass bisher weder eine Marktanpassung noch die Berücksichtigung besonderer objektspezifischer Grundstücksmerkmale statt fand. Die Bezeichnung als vorläufiger Sachwert ist in der Wertermittlung üblich und dient einer besseren Verständlichkeit sowie einer Unterscheidung der Sachwertbegriffe. Somit ergibt sich nach Maßgabe der 21 bis 23 ImmoWertV nur der vorläufige Sachwert. 36 Der vorläufige Sachwert der nutzbaren baulichen Anlagen, ohne bauliche Außenanlagen oder sonstiger Anlagen, wird auch als Gebäudesachwert bezeichnet. Zur Ermittlung des Gebäudesachwertes werden die gewöhnlichen Herstellungskosten der baulichen Anlage 35 36 Kleiber, W. 2014: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. S. 2043. Kleiber, W. 2014: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. S. 1883 ff. 19

(Normalherstellungskosten) herangezogen. Diese werden auf der Grundlage der Brutto- Grundfläche (BGF) und den Kostenkennwerten der NHK 2010 errechnet und anhand von Baupreisindizes an die aktuellen Preisverhältnisse angepasst. Die gewöhnlichen Herstellungskosten geben an, welche Kosten für die Errichtung eines gleichwertigen Neubaus am Wertermittlungsstichtag aufzubringen wären. Anschließend sind die Herstellungskosten einer linearen Alterswertminderung zu unterziehen. Der Gebäudesachwert enthält weder die Markanpassung noch besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale im Sinne des 8 Abs. 3 ImmoWertV. Soweit der vorläufige Sachwert von Außenanlagen und sonstigen Anlagen noch nicht vom Bodenwert oder vom Sachwertfaktor miterfasst worden ist, findet die Ermittlung nach Erfahrungssätzen oder mit Hilfe der 22 und 23 ImmoWertV nach den zeitangepassten gewöhnlichen Herstellungskosten statt. Durch die Marktanpassung gemäß 8 Abs. 2 Nr. 1 ImmoWertV wird, unter Beachtung der Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt, der vorläufige marktangepasste Sachwert aus der Summe der vorläufigen Sachwerte ermittelt. Anschließend folgt nach 8 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 ImmoWertV die Berücksichtigung besonderer objektspezifischer Grundstücksmerkmale. Der so ermittelte Sachwert, der gegebenenfalls noch durch die Ergebnisse der beiden übrigen Wertermittlungsverfahren (Vergleichs- und Ertragswertverfahren) zu korrigieren ist entspricht in der Regel dem Verkehrswert des Bewertungsobjekts (siehe Abbildung 4). 37 37 Linke, H. J. 2014: Skript: Bodenordnung und Bodenwirtschaft IV Sachwertverfahren. S. 6 ff. 20

Abbildung 4: Sachwertverfahren nach ImmoWertV Eigene Darstellung 21

4.2 Gegenüberstellung des Ablaufschemas zum bisherigen Sachwertverfahren Stellt man das Sachwertverfahren nach den Regelungen der WertV 88 dem Sachwertverfahren nach der ImmoWertV gegenüber, so lassen sich wesentliche Unterschiede im Ablaufschema erkennen (siehe Abbildung 5). Abbildung 5: Gegenüberstellung des Sachwertverfahrens nach der WertV und ImmoWertV Quelle: vgl. Kleiber, W. 2014: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. S. 1876 Gemäß den Vorschriften der 21 bis 25 WertV 88 stand die Beurteilung des Substanzwerts der baulichen Anlage an erster Stelle. Unter dem Substanzwert versteht man die Summe aus dem Bodenwert, dem Gebäudezeitwert und dem Wert baulicher Außenanlagen sowie sonstiger Anlagen unter Berücksichtigung besonderer wertbeeinflussender Umstände. Nach der entsprechenden Ermittlung des kostenorientierten Sachwerts wurde der Verkehrswert 22

nach Maßgabe des 7 Abs. 1 Satz 2 WertV 88, durch Anpassung an den Grundstücksmarkt abgeleitet. Dazu wurde der Sachwert bzw. Substanzwert des Bewertungsobjekts mit dem passenden Sachwertfaktor multipliziert. 38 Im Gegendsatz zur WertV 88 sieht die ImmoWertV eine integrierte Marktanpassung vor. 39 Dazu wurde das Ablaufschema des Sachwertverfahrens um zwei Schritte ergänzt. Die Marktanpassung erfolgt durch Anwendung passender Sachwertfaktoren direkt nach der Ermittlung des vorläufigen Sachwerts. Der vorläufige Sachwert setzt sich gemäß 21 bis 23 ImmoWertV aus dem vorläufigen Bodenwert, dem vorläufigen Gebäudezeitwert und dem vorläufigen Sachwert der baulichen Außenanlagen sowie sonstigen Anlagen zusammen. Die besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale werden erst nachträglich durch Zu- und Abschläge berücksichtigt. Dieser Verfahrensablauf soll u. a. die Modellkonformität des Sachwertverfahrens sicherstellen. Somit ergibt sich der Verkehrswert nach 8 ImmoWertV aus dem marktangepassten vorläufigen Sachwert unter Berücksichtigung besonderer objektspezifischer Grundstücksmerkmale. 40 4.3 Integrierte Marktanpassung Die ImmoWertV sieht eine konsequente Einbindung der Lage auf dem Grundstücksmarkt im Sachwertverfahren vor, d. h. die Marktanpassung ist in die Sachwertermittlung integriert. Somit entspricht der vorläufige Sachwert nach der ImmoWertV dem marktangepassten vorläufigen Sachwert. Dies wird bei der Betrachtung des 8 Abs. 2 ImmoWertV deutlich: In den Wertermittlungsverfahren nach Absatz 1 sind regelmäßig in folgender Reihenfolge zu berücksichtigen: 1. die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt (Marktanpassung), 2. die besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale des zu bewertenden Grundstücks. 41 Diese Reihenfolge ist u. a. der Tatsache geschuldet, dass die Gutachterausschüsse für Grundstückswerte überwiegend unbelastete, also schadensfreie Referenzgrundstücke zur 38 39 40 41 Kleiber, W. 2014: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. S. 1875. Kleiber, W. 2014: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. S. 1881. Petersen, H., Schnoor, J., Seitz, W., Vogel, R. 2013: Verkehrswertermittlung von Immobilien Praxisorientierte Bewertung. S 187. 8 Abs. 2 ImmoWertV 2010. 23