Band 8 LEITFADEN FÜR DIE BILDUNGSPRAXIS. Schlüsselqualifikation Interkulturelle Kompetenz Arbeitsmaterialien für die Ausund Weiterbildung



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Transkript:

Band 8 LEITFADEN FÜR DIE BILDUNGSPRAXIS Schlüsselqualifikation Interkulturelle Kompetenz Arbeitsmaterialien für die Ausund Weiterbildung

Inhalt Einleitung Herausforderung Strategie Umsetzung Impressum Leitfaden für die Bildungspraxis Schriftenreihe der Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (bfz) gemeinnützige GmbH Band 8 Schlüsselqualifikation Interkulturelle Kompetenz. Ein Handbuch für die Aus- und Weiterbildung Autoren Heidemarie Hofmann, Birgit Mau-Endres, Bernhard Ufholz Für die Unterstützung bei der Erstellung dieses Handbuchs bedanken wir uns bei Sybille Bausch- Kamu, Ulrike Gaidosch-Nwankwo, Margit Gotzler, Dr. Doris Fetscher, Jasmin Mahadevan, Andrea Mittermeier, Dr. Brigitte Moser-Weithmann, Dr. Edwin Semke, Mascha Sidorova-Spilker, Vera Ufholz und Lisa Waas. Herausgeber Herbert Loebe, Eckart Severing Förderung Dieser Leitfaden wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit im Bundesprogramm XENOS aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert. Verlag W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG Bielefeld, 2005 Gesamtherstellung W. Bertelsmann Verlag Bielefeld Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany ISBN 3-7639-3225-9 Bestell-Nr. 60.01.521 Bibliografische Informationen Der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet <http://dnb.ddb.de> abrufbar. Checkliste Wichtig! Vorteil 2

Einleitung 5 Interkulturelles Training wozu? 5 Zum Aufbau des Handbuchs 6 Herausforderung 9 Konfliktpotenzial Kulturunterschiede 9 Kultur bietet Orientierung 10 Kulturstandards 12 Kulturdimensionen 13 Kulturelle Programmierung 14 Kulturschock 15 Was heißt Interkulturelle Kompetenz 16 Strategie 19 Training interkultureller Kompetenz 19 Didaktische Grundlagen 20 Methoden 21 Die Rolle des Trainers 24 Vorbereitung des Trainings 25 Durchführung des Trainings 25 Umsetzung 27 Die Trainingsmodule 27 Modul A: Kennenlernen 28 Modul B: Sensibilisierung 31 Modul C: Was bedeutet eigentlich Kultur? 33 Modul D: Meine Wurzeln 36 Modul E: Stereotype und Vorurteile 38 Modul F: Ausgrenzung und Diskriminierung 42 Modul G: Kommunikation im interkulturellen Kontext 45 Modul H: Handeln im interkulturellen Kontext 48 Literatur 53 3

Einleitung Interkulturelles Training wozu? Experten sind sich einig: Nicht nur international agierende Unternehmen brauchen interkulturelle Kompetenz. Zunehmend erforderlich ist sie auch in der Sozialarbeit, in der schulischen sowie in der beruf lichen Bildung. Das alltägliche Zusammentreffen von Deutschen und Zugewanderten ist längst Realität. Wir leben - insbesondere in den städtischen Ballungsräumen - in einer multikulturellen Gesellschaft. Dies wirkt sich überproportional in der Berufspädagogik aus. So betreute beispielsweise das Arbeitsamt München im Jahr 2002 in so genannten berufsvorbereitenden Maßnahmen im Durchschnitt über 36 % Teilnehmer mit ausländischer Herkunft, während der Ausländeranteil in der Landeshauptstadt bei knapp 23 % liegt. In den Maßnahmen zur Verbesserung der beruflichen Bildungs- und Eingliederungschancen ist sogar fast die Hälfte aller Teilnehmer nicht deutscher Herkunft. Interkulturelles Training sollte deshalb zu einem festen Bestandteil in der pädagogischen Arbeit mit Jugendlichen, aber auch mit Erwachsenen aller Altersstufen werden. Menschen mit und ohne Migrationshintergrund begegnen sich täglich im privaten, schulischen und beruflichen Alltag. Solche Begegnungen sind nicht immer spannungsfrei und stellen Berufspädagogen vor besondere Herausforderungen. Unser 8. Band der Reihe Leitfaden für die Bildungspraxis möchte Pädagogen dabei unterstützen, in ihrer Gruppe einen vorurteilsfreien und offenen Umgang miteinander zu erreichen. Dazu haben wir eine Reihe von Übungen zusammengestellt, die wir für die pädagogische Praxis in Kursen zur Be- Aus der Praxis für die Praxis 5

Interkulturelles Training wozu? rufsvorbereitung sowie zur beruf lichen Reintegration erprobt und adaptiert haben. Wir können uns dabei auf eine breite Erfahrungsbasis stützen: In den Jahren 2003 und 2004 haben in unserem Projekt Interkulturelles Kompetenz- und Konflikttraining für den Beruf insgesamt fünfzehn Trainerinnen und Trainer für interkulturelle Kompetenz unterschiedlichste Übungen und Curricula eingesetzt und ihre Erfahrungen bei der Umsetzung dokumentiert. In 85 Lehrgängen wurden meist dreitägige interkulturelle Trainings durchgeführt und evaluiert. Sie bilden die Basis für unser Handbuch und geben uns die Sicherheit, eine praxisorientierte Anleitung für Pädagogen anbieten zu können. Übrigens haben wir zur Erleichterung des Leseflusses auf die explizite Unterscheidung von männlicher und weiblicher Form verzichtet. Natürlich sind immer beide Geschlechter angesprochen. Zum Aufbau des Handbuchs Das Handbuch besteht aus zwei Teilen: dem vorliegenden Leitfaden und einer CD-ROM. Der Leitfaden bietet zum Verständnis der praktischen Implikationen interkultureller Begegnungen eine kurze Einführung in die theoretischen Grundlagen sowie Grundsätzliches zur Didaktik und Methodik im interkulturellen Training. Im dritten Kapitel findet der Leser einen komprimierten Überblick über Trainingsmaterialien, die sich in unserem Projekt bewährt haben. Diese und weitere Materialien finden Sie auf der beiliegenden CD: In thematischen Modulen sind verschiedene Übungen zusammengefasst, gegebenenfalls ergänzt durch Arbeitsblätter 6

Zum Aufbau des Handbuches und/oder weitere Materialien für den Trainer. Letztere können auch, so sie allgemeine Hintergrundinformationen zur gesamten Modulthematik beinhalten, direkt dieser Ebene als Materialien zum Modul zugeordnet sein. Im Kapitel Didaktik befinden sich Beschreibungen zentraler Methoden sowie Instrumente und Hilfestellungen zu Vorbereitung, Durchführung und Abschluss des Trainings. Der Abschnitt Länderkunde bietet Hintergrundinformationen zu Russland, Türkei und zu Deutschland aus der Außenperspektive. Im Service-Teil sind Literaturangaben und Filme aufgelistet sowie nützliche Adressen und Links. Dem erfahrenen Pädagogen sollte es mit Hilfe der vorliegenden Module gelingen, ohne aufwändiges Aufbaustudium sein eigenes interkulturelles Training anzubieten. Wir sind davon überzeugt, dass es eine idealtypische Vorgehensweise interkulturellen Trainings nicht geben kann. Deshalb dokumentieren wir innerhalb der einzelnen Module unterschiedliche Übungen, die jeweils dem gleichen pädagogischen Lernziel dienen. Sie können sich hinsichtlich der Methode, des Feinziels, der inhaltlichen Tiefe sowie ihres Zeitbedarfs unterscheiden. Die einzelnen Bausteine innerhalb eines Moduls sind je nach Zielgruppe, Seminardauer und inhaltlicher Schwerpunktsetzung ebenso frei kombinierbar wie die Zusammensetzung von Übungen aus verschiedenen Modulen. Der Trainer kann so aus der Fülle der Bausteine ein bedarfsnahes Curriculum erstellen. Dies trägt auch dem Umstand Rechnung, dass jede Gruppe anders ist, verschiedene Bedürfnisse hat und auf handlungsorientierte Trainingsformen verschieden reagiert. Und auch jeder Trainer hat eigene Präferenzen und kann nur jene Übungen selbstsicher vertreten und anleiten, die seinem Naturell und seinen Vorlieben adäquat sind. 7

8

Herausforderung Konfliktpotenzial Kulturunterschiede Die fatalen Folgen von Missverständnissen bei der Begegnung mit fremden Kulturen werden gerne anhand von Beispielen aus der Geschäftswelt bebildert: Nach erfolgreichem Verhandlungsverlauf streckt der deutsche Manager seinem sudanesischen Gastgeber beim gemütlichen Plaudern am Kaminfeuer die Fußsohlen entgegen oder erkundigt sich nach dem Befinden von dessen Frau aufgrund solchen kulturspezifischen Fehlverhaltens im interkulturellen Umgang ist im internationalen Business schon manches Millionengeschäft geplatzt (Ufholz 2004, S. 243). 9

Konfliktpotenzial Kulturunterschiede Doch nicht nur in der Sphäre des großen Geschäfts zeitigen solche faux pas negative Wirkungen. Auch und gerade im beruf lichen und privaten Alltag häufen sich Situationen, in denen es aufgrund der kulturellen Brille der Beteiligten zu Fehlinterpretationen kommt. Bei einem deutschen Arbeitnehmer kann der japanische Kollege, der ihm bei der Teambesprechung nie in die Augen schaut, leicht Misstrauen erwecken. Umgekehrt mag ein Brite den ständigen Blickkontakt seines deutschen Gegenübers in der Straßenbahn als offensiv und unhöf lich empfinden. Solche Missverständnisse stellen sich in ihrer praktischen Wirkung meist weniger spektakulär dar, häufig bleiben sie daher unbeachtet und damit unerkannt. In dem Eingangsbeispiel führt das Misslingen interkultureller Kommunikation zu handfestem geschäftlichen Misserfolg. Im Alltag sind die Konsequenzen von interkulturellem Fehlverhalten eher im Persönlichen angesiedelt und damit meist weniger deutlich sichtbar: Menschen fühlen sich missverstanden oder nicht geachtet, man redet aneinander vorbei; Rückzug, Ghettobildung, Rivalitäten und manchmal auch gewaltsame Konfliktlösungen sind die Folgen. Bevor wir uns der Frage stellen, was wir dem im interkulturellen Training entgegensetzen können, wollen wir einen Blick auf die Hintergründe werfen. Kultur bietet Orientierung In der Wissenschaft finden sich unzählige Ansätze, Kultur zu definieren. Bereits in den 50er Jahren haben Kulturforscher über 150 Definitionen zusammengetragen. Da es uns weniger um die wissenschaftliche oder philosophische Auseinandersetzung mit dem Phänomen Kultur geht, sondern um die Verbesserung der Interaktion und Kommunikation von Menschen 10

Kultur bietet Orientierung mit unterschiedlicher kultureller Herkunft, beziehen wir uns auf die eher pragmatisch ausgerichtete Definition des Psychologen Alexander Thomas: Kultur ist ein universelles, für eine Gesellschaft, Organisation und Gruppe aber sehr typisches Orientierungssystem. Dieses Orientierungssystem wird aus spezifischen Symbolen gebildet und in der jeweiligen Gesellschaft usw. tradiert. Es beeinflusst das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller Mitglieder und definiert somit deren Zugehörigkeit zur Gesellschaft. Kultur als Orientierungssystem strukturiert ein für die sich der Gesellschaft zugehörig fühlenden Individuen spezifisches Handlungsfeld und schafft damit die Voraussetzungen zur Entwicklung eigenständiger Formen der Umweltbewältigung (Thomas 1993, S. 380). Zur Veranschaulichung wird häufig das Bild des Eisbergs herangezogen, dessen hauptsächlicher Bestandteil unter der Wasseroberfläche liegt: Das Eisbergmodell Sprache Aussehen materielle Artefakte Verhalten - Interaktionen Erwartungen - Einstellungen - Vorschriften Werte - Normen - Sitten - Gebräuche Umwelt - Klima - Geschichte - Weltbild - Philosophie wissenschaftlicher Erkenntnisstand - Religion 11

Kulturstandards Jede Kultur entwickelt eigene Standards als Orientierungshilfen für die ihr Zugehörigen, für ihr Denken und Handeln, für ihr Fühlen, Wahrnehmen und Werten. Sie prägen das Arbeits- und Kommunikationsverhalten ebenso wie Bekleidungs- und Essgewohnheiten, zwischenmenschliche und familiäre Beziehungen, Sitten und Gebräuche. Was also an der Oberfläche im Auftreten und Verhalten eines Menschen sichtbar wird, ist Ausdruck seines darunter liegenden Orientierungssystems. In kulturellen Überschneidungssituationen kann dies zu Irritationen wie den eingangs geschilderten führen, denn die jeweiligen Kulturstandards werden von der Mehrheit der Mitglieder einer Kultur als normal, selbstverständlich, typisch und verbindlich angesehen (Thomas 1993, S. 381). 12

Kulturdimensionen In der Forschung finden sich verschiedene Ansätze, solche Kulturstandards in Verhaltensdimensionen zu kategorisieren: Kluckhohn und Strodtbeck definieren beispielsweise fünf solcher Kulturdimensionen, innerhalb derer verschiedene Ausprägungen bestimmter Werthaltungen und Überzeugungen unterschieden werden können: menschliche Natur, Verhältnis Mensch/Natur, Zeitempfinden, Aktivität und soziale Bezie- hungen. Der Sozialpsychologe Hofstede beschreibt die vier Dimensionen Individualismus versus Kollektivismus, Unsicherheitsvermeidung, Machtdistanz, Femininität versus Maskulinität. Trompenaars wiederum hat auf Grundlage der Arbeiten von Hofstede und anderen ein Modell entwickelt, in dem er die drei Hauptdimensionen Verhältnis zur Zeit, Verhältnis zur Natur, Verhältnis zu anderen Menschen unterscheidet, die er in weitere Unterdimensionen aufgliedert. 13

Wesentlich für unsere praktische Arbeit ist, ein Bewusstsein dafür zu wecken, wo wichtige kulturelle Unterschiede liegen können, die sich in der Kommunikation hinderlich bemerkbar machen, und dass bestimmte Verhaltensweisen auf ihnen zugrunde liegende kulturelle Muster zurückgeführt werden können. Kulturelle Programmierung Denn jeder Mensch trägt in seinem Inneren Muster des Denkens, Fühlens und potenziellen Handelns, die er ein Leben lang erlernt hat (Hofstede 1997, S. 2). Die spezifischen Ausprägungen dieser Muster sind durch sein soziales Umfeld bestimmt, insbesondere das, in dem er seine frühe Kindheit verbringt und seine ersten Lebenserfahrungen sammelt. Im Zuge seiner Sozialisation findet eine Enkulturation statt, die darin besteht, die Welt so zu verstehen und mit ihr so umgehen zu können, wie es die Mitmenschen in der jeweiligen sozialen Gemeinschaft auch tun, verstehen und akzeptieren (Thomas 2003, S. 23). Hofstede nennt solche verfestigten Muster eine mentale Software, die das unmittelbare Denken, Fühlen und Handeln des Individuums zwar steuern kann, aber nicht notwendig determiniert. Denn die Analogie zur Computerprogrammierung endet bei der Möglichkeit des Menschen, von seinem Programm abweichend zu reagieren. Dies ist jedoch nicht immer einfach, wie Hofstede betont: Sobald sich bestimmte Denk-, Fühl- und Handlungsmuster im Kopf eines Menschen gefestigt haben, muss er diese erst ablegen, bevor er in der Lage ist, etwas anderes zu lernen; und etwas abzulegen ist schwieriger, als etwas zum ersten Mal zu lernen. Dies ist die Herausforderung, der wir uns im interkulturellen Training stellen müssen. Dabei kann es nicht darum gehen, unsere Teilnehmer umzuprogrammieren oder ihre kulturelle 14

Identität in Frage zu stellen. Wir wollen ihre Bereitschaft und Fähigkeit fördern, solche Muster zu erkennen, sie einerseits zu akzeptieren und andererseits gegebenenfalls auch zu modifizieren. Dies gilt für nach Deutschland Eingewanderte ebenso wie für Einheimische, die in ihrem Alltag mit Migranten zusammen arbeiten und leben. Kulturschock Migranten sind nicht nur Wanderer zwischen Staaten und Wirtschaftsräumen, sondern auch Wanderer zwischen Kulturen. Das Zurechtfinden selbst in verwandten Kulturen führt zunächst zu einer Verunsicherung, die in der Literatur als culture shock, als Kulturschock, gekennzeichnet wird. Pädagogen und Maßnahmen, die sich die Integration von Migranten zum Ziel gesteckt haben, kommen nicht umhin, ihren Teilnehmern über diesen Kulturschock hinwegzuhelfen. Dabei 15

ist es weder das Ziel, Einwanderer zur vollständigen Anpassung an die deutsche Kultur heranzuführen, noch wäre es wünschenswert, wenn sie in der subkulturellen Abschottung ihrer eigenen Kultur verharrten. Vielmehr liegt ihre Chance gerade darin, in ihrer eigenen Persönlichkeit das Beste aus ihrer Herkunftskultur mit dem zu einer neuen Synthese zu führen, was sie aus der Kultur ihres Ziellandes aufzunehmen in der Lage sind. Auch den deutschen Trainingsteilnehmern bietet die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen nicht nur die Möglichkeit, ihrerseits Kulturschocks, d.h. Verunsicherungen und Ängste im Umgang mit Angehörigen anderer Kulturen, abzubauen oder zu vermeiden. Darüber hinaus lernen auch sie, ihre eigenen kulturellen Hintergründe zu erkennen und kritisch zu reflektieren. Wie die Evaluation unserer Seminare gezeigt hat, empfinden sowohl die Trainer als auch das Gros der Teilnehmer interkulturelle Trainings als Bereicherung für ihre persönliche Entwicklung. Was heißt Interkulturelle Kompetenz? Kompetenz soll hier, knapp zusammengefasst, als Konstrukt verstanden werden, das die Fähigkeit und Bereitschaft zum selbstorganisierten, situationsangemessenen Management persönlicher Ressourcen bezeichnet. So definiert, ist sie die Grundlage individueller Handlungsfähigkeit, zeigt sich in konkreten Situationen und resultiert in Handlungen (Reglin/ Hölbling 2004). Interkulturelle Kompetenz kann also als die Fähigkeit verstanden werden, in Situationen, an denen Menschen unterschiedlicher Herkunft beteiligt sind, effektiv zu kommunizieren und zu handeln. Doch ist der Begriff der interkulturellen Kompetenz nicht unumstritten. Kritiker warnen davor, dass sozial und politisch ver- 16

Was heißt Interkulturelle Kompetenz ursachte Konflikte nur zu leicht fälschlich als ethnisch verursacht gedeutet werden könnten und dass interkulturelle Pädagogik erst Unterschiede schaffe, indem sie sie herbeirede (Vgl. Diehm/Radke 1999). Fest steht für uns, dass interkulturelle Kompetenz nicht als ein Kanon fester Eigenschaften und Kenntnisse umrissen werden kann. Sie ist neben konkretem Wissen über andere Kulturen vor allem eine Grundhaltung mit sehr unterschiedlichen Ausprägungen. Christoph Barmeyer beschreibt sie in Anlehnung an Milton Bennet in zwei Dimensionen, der kulturellen Sensibilität und der Handlungskompetenz, und unterscheidet dabei sechs Stufen zunehmender Kompetenz (vgl. Barmeyer 1996). Wir meinen, dass vor allem kulturelle Sensibilität als tolerante, abwägende Einstellung und vorurteilsfreie Wahrnehmung gefördert werden und somit den Schwerpunkt eines Trainings bilden sollte. 17

Strategie Training interkultureller Kompetenz Gemäß dieser Schwerpunktsetzung sind unsere Trainings nicht darauf angelegt, möglichst umfassende kulturspezifische Kenntnisse zu vermitteln. Wir nutzen sie als Anschauungsmaterial. Uns geht es in erster Linie darum, ein Bewusstsein von den kulturellen Hintergründen des Fühlens, Denkens, Handelns sowie von der Relativität von Weltinterpretationen zu wecken und die Bereitschaft und Fähigkeit zu fördern, vor diesem Hintergrund eigenes und fremdes Verhalten zu reflektieren. Ist diese Grundlage geschaffen, können im Trainingsverlauf exemplarisch adäquate Handlungs- und Konfliktlösungsstrategien abgeleitet und erprobt werden. Förderung der Fähigkeit, mit Ungewissheiten und Unklarheiten im interkulturellen Handlungsfeld umzugehen Erwerb von Wissen über fremde Kulturen Erkennen und Vermeiden von Stereotypen Reflexion der kulturellen Gebundenheit eigenen Verhaltens und Handelns Zielkategorie Interkulturelle Kompetenz Vermeidung von Diskriminierung und Ausgrenzung Förderung des Einfühlungsvermögens in fremde Kulturen Einsicht in die Relativität von Weltinterpretationen Entwicklung von Konfliktlösungsstrategien (Abgewandelt nach: Ostendorf 1998, S. 44) 19

Didaktische Grundlagen Im interkulturellen Training werden Anstöße zur Auseinandersetzung mit kulturell bedingten Unterschieden von Individuen oder Gruppen über die ständige Anregung zum Perspektivenwechsel gegeben. Die Kontexte, in denen wir interkulturellen Begegnungen ausgesetzt sind, liefern das Material dazu, für kulturspezifische Aspekte der Alltagskommunikation und -interaktion zu sensibilisieren, kulturtypische Eigenschaften, Einstellungen und Verhaltensweisen bewusst zu machen, Stereotypisierung und Vorurteilen entgegenzutreten. Kleine Aha -Erlebnisse gehören hier zum täglichen Lernerfolg. In Anlehnung an Milton Bennett (1996) haben wir in unseren dreitägigen Trainings alle Phasen des interkulturellen Lernens durchlaufen und thematisiert: Phase Drückt sich aus durch Im Training Ignoranz Die Menschen sind doch alle Kritische Interaktionen gleich! Kaum affektives und bewusst/erlebbar kognitives Bewusstsein über machen, sensibilisieren Eigenes und Fremdes Realisation/ Die sind anders als wir. Stereotypen hinterfragen Feststellung Vorurteile abbauen Verstehen Ich lerne mehr über die Kulturstandards Unterschiede. Analyse von Gemeinsamkeiten Ich mache mir die Unter- und Unterschieden schiede bewusst. Kulturschock Synthese Erfahrungswissen Brücken bauen, Es gibt Verbindungsmög- Eigenes und Fremdes integrieren lichkeiten. Umgang mit Konf likten im inkulturellen Kontext Selektive Anpassung Ich weiß, was ich machen Sich bewusst für Eigenes werde. entscheiden, Fremdes bewusst tolerieren Vertiefung Integration des Erkannten Perspektivenwechsel Anpassung Empathiefähigkeit 20

Bennett unterscheidet dabei zwischen dem ethnozentristischen Stadium des Lernens und dem ethnorelativistischen. Je besser kulturelle Unterschiede kritisch in die eigene Persönlichkeitsbildung einbezogen werden können, desto besser gelingt der Wechsel zwischen eigener und fremder Perspektive. Deshalb basiert jedes interkulturelle Lernen auf angeleiteter Selbsterfahrung und kritischer Selbstref lexion. Dieser Trainingsansatz richtet sich vor allem auch an Teilnehmer deutscher Herkunft. Gerade bei dieser Zielgruppe stellen wir fest, dass der Schritt zur Wahrnehmung und damit zum Verstehen interkultureller Überschneidungssituationen sehr groß ist. Ihnen fehlt die Erfahrung, die Migranten durch ihre ständige Gratwanderung zwischen den Kulturen tagtäglich erleben. Die Bebilderung kultureller Unterschiede birgt immer die Gefahr in sich, in die Ethnisierungsfalle zu geraten. Der Trainer muss sich dessen bewusst sein und darauf aufmerksam machen. Nicht nur nationale Kulturen verändern sich vor dem Hintergrund der ökonomischen, technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Individuen mögen sich grundsätzlich einer bestimmten Kultur zugehörig fühlen und dabei zahlreiche Momente anderer Kulturen in ihre Persönlichkeit integriert haben. Dies gilt insbesondere für Immigranten der zweiten und dritten Generation. Ein türkischer Jugendlicher hat das so formuliert: Wir, Ümit, Duhan und ich, haben mehrere Identitäten. Wir sind Deutsche, Europäer, Türken. Münchner. Vielleicht sogar Bayern (vgl. Ufholz 2004, S. 247). Ethnisierungsfalle! Methoden Für interkulturelle Trainings sind Methoden des experimentell-partizipativen Lernens besonders geeignet. Experimentelles Lernen ist erfahrungs- und erlebnisorientiert und zielt auf die Verbindung von affektivem und kognitivem Lernen, indem 21

Methoden konkrete Situationen erfahrbar gemacht werden. Partizipativ heißt in diesem Zusammenhang, dass die Erfahrung und Kompetenz der Teilnehmer einen wichtigen Bestandteil des Trainings ausmachen. Erlebnisorientierte Methoden verdanken sich der Annahme, dass die rein theoretische Aneignung von Wissen über andere kulturelle Orientierungssysteme für die Herausbildung von Handlungskompetenz nicht ausreicht. Sie bieten den Vorteil, dass durch affektive Erfahrungen Gefühle ausgelöst und somit bearbeitbar werden, darüber ein tiefer greifendes Bewusstsein über Kultur entwickelt und damit tatsächliche Handlungskompetenz für den interkulturellen Kontext erworben werden kann. Erlebnisorientierte Methoden eignen sich auch besonders für Teilnehmer, die in der Erfassung theoretischer Konzepte ungeübt sind. Als zentrale Methoden kommen dabei Spiele und Simulationen zum Einsatz, vor allem Interaktions- und Rollenspiele. Die Grundlage vieler Übungen bilden Critical Incidents, das sind kritische kulturelle Überschneidungssituationen, die, vom Trainer vorgestellt oder auch aus der Erfahrung der Teilnehmer abgerufen, auf vielfältige Weise aufbereitet und bearbeitet werden können: als Tests, Fallbeispiele, geschlossene oder offene Dialoge, Rollenspiele. 22

Methoden Natürlich haben im interkulturellen Training neben den eher komplexen Methoden des experimentellen Lernens auch die klassischen didaktischen Instrumente und Methoden ihren Platz: Lektüre, Vorträge, Diskussionen, audiovisuelle Medien, Metaplan etc. Eine gute Anknüpfung an die Lebens- und Erfahrungswelt der Teilnehmer bietet das Assoziogramm und seine Sonderform Analograffiti sowie die Collage. Die assoziative Annäherung an ein Thema hat sich insbesondere für den Einstieg in das Training oder in ein bestimmtes Themengebiet bewährt. Die verschiedenen verbalen und bildhaften Verknüpfungen mit Begriffen wie Ehre, Familie, Freundschaft etc. lassen nicht nur individuelle sondern in der Regel auch bereits (sub-)kulturelle Unterschiede der Assoziierenden aufscheinen. Alle Methoden dienen der Wahrnehmungsschulung. Sie sollen den Blick schärfen und dem Trainee helfen, seine Empfindungen zu artikulieren. Viele Übungen sind so angelegt, dass vor allem für nonverbale Aspekte der Kommunikation sensibilisiert wird. Auf der CD finden Sie Informationen und Materialien zu den einzelnen Methoden. Es empfiehlt sich, fremdsprachige Teilnehmer so häufig wie möglich in ihrer Muttersprache sprechen zu lassen. Zum einen befördert das ihre Motivation und ihr Selbstbewusstsein im Sinne eines psychologischen Empowerment. Zum andern macht dies für die deutschen Teilnehmer immer wieder die für Migranten alltägliche Situation erfahrbar, in einem fremdsprachlichen Umfeld zurechtkommen zu müssen. 23

Die Rolle des Trainers Man trifft immer wieder auf die Annahme, dass umfangreiche Kenntnisse über andere Kulturen oder vielfältige Auslandserfahrungen die Qualifikation eines interkulturellen Trainers ausmachten. Sie mögen nützlich sein, reichen aber bei weitem nicht aus. Auch eine pädagogische oder psychologische Ausbildung ist sicher von Vorteil, aber nicht unabdingbar. Gerade der erfahrungsbezogene Ansatz weist dem Trainer eine zentrale Rolle als Kulturmittler und Mediator zu. Er sollte in der Lage sein, gruppendynamische Prozesse zu steuern, heikle Situationen zu erkennen und zu beleuchten, er muss, wie die Chinesen sagen, den Ton auf der Hand spüren. Fingerspitzengefühl benötigt der Trainer vor allem, wenn es darum geht, auch heftige Emotionen der Teilnehmer zu kanalisieren und für seine didaktischen Zwecke produktiv werden zu lassen. Wesentliche Voraussetzungen, die ein interkultureller Trainer mitbringen muss, sind daher soziale Kompetenzen: Kommunikationsfähigkeit Konfliktfähigkeit Motivationsfähigkeit Empathie Ambiguitätstoleranz Prozesse der Sensibilisierung und Bewusstwerdung sind häufig konfliktbeladen. Manchmal sind Konflikte sogar nötig, um solche Prozesse auszulösen. Der Trainer muss solche Konf likte aufspüren, transparent machen und gemeinsam mit seinen Trainees bearbeiten können. Häufig trifft er auch auf Widerstände der Teilnehmer gegen das Training, besonders bei verordneter Teilnahme. Ablehnung kann aber auch entstehen, wenn Persönliches thematisiert, Emotionen artikuliert werden sollen. Auch hoch motivierte Teilnehmer sträuben sich dagegen, sehen sich oft in der Erwar- 24

tung enttäuscht, im interkulturellen Training konkrete Handlungs- und Verhaltenanweisungen, eine Art interkulturellen Duden an die Hand zu bekommen, in dem sie bei Bedarf nachschlagen und adäquate Lösungen abrufen können. Im interkulturellen Lernen gibt es jedoch kein richtig oder falsch, sondern immer eine Vielzahl möglicher Perspektiven, in denen sich kulturelle und individuelle Muster überlappen. Interkulturelle Kompetenz bedeutet auch, solche Ambiguitäten zu akzeptieren und auszuhalten. Kurz gesagt: Alle oben genannten Voraussetzungen des Trainers sind gleichzeitig auch Zielsetzungen seines interkulturellen Kompetenztrainings. Vorbereitung des Trainings Sehr wichtig ist die sorgfältige Vorbereitung des Trainings. Je mehr der Trainer im Vorfeld über den Kontext des Trainings, die Gruppenzusammensetzung sowie über die individuellen Voraussetzungen der Teilnehmer weiß vor allem über ihre kulturelle Herkunft, desto zielgruppenspezifischer und genauer kann er sein Curriculum gestalten. Besonders bei Trainings mit einem sehr engen Zeitbudget, das wenig Raum für wechselseitiges Kennenlernen lässt, sind solche Vorabinformationen unerlässlich. Auf der CD finden Sie dazu Materialien und Checklisten. Durchführung des Trainings Der partizipative Ansatz verlangt nicht nur, dass zu Beginn des Trainings und einzelner Seminartage der Ablauf und die Zielsetzungen für die Teilnehmer transparent gemacht werden. Sie werden auch während des Trainingsverlaufs ständig in seine Gestaltung mit eingebunden. Kurze Blitzlichter zwischendurch und zum Ende eines Seminartags geben ein aktuelles 25

Durchführung des Trainings Stimmungsbild wieder und ermöglichen dem Trainer, Probleme, Konflikte und Erwartungen aufzugreifen und zu bearbeiten. Jedes Training sollte aus einem Methodenmix bestehen, so auch die meisten unserer Übungseinheiten, die Sie auf der CD finden. Kreative und kooperative Phasen wechseln sich mit theoretischen Inputs oder stiller Einzelarbeit ab. Eine Mischung aus verschiedenen Formen der Selbst- und Fremdreflexion ermöglicht den Teilnehmern den Perspektivenwechsel. Die sorgfältige Auswertung der einzelnen Übungen ist von zentraler Bedeutung. In unseren Trainings sind wir in der Regel nach folgender Struktur vorgegangen: Emotionalen Dampf ablassen Analytische Distanz einnehmen Austausch über die verschiedenen Wahrnehmungen Hypothesen aufstellen Überprüfung an der Realität Überprüfung der Relevanz für die eigene Person Ermittlung von Alternativen Zum Schluss des gesamten Trainings werden im Rückblick auf den Verlauf die wesentlichen Ergebnisse noch einmal zusammengefasst und mit den anfangs genannten Erwartungen abgeglichen. Es empfiehlt sich, in einer Feedbackrunde die Teilnehmer auch formulieren zu lassen, was sie von dem Training mit nach Hause nehmen. 26

Umsetzung Die Trainingsmodule Wir haben die Übungen, die sich in unseren interkulturellen Trainings bewährt haben, in acht thematischen Modulen zusammengefasst: Modul A: Kennenlernen Modul B: Sensibilisierung für interkulturelle Aspekte Modul C: Was heißt Kultur? Modul D: Meine Wurzeln Modul E: Stereotype und Vorurteile Modul F: Ausgrenzung und Diskriminierung Modul G: Kommunikation im interkulturellen Kontext Modul H: Handeln im interkulturellen Kontext Unsere Trainer haben bewusst darauf verzichtet, einheitliche Curricula zu erstellen, um eine größtmögliche Gestaltungsflexibilität hinsichtlich der Trainingsvoraussetzungen und Rahmenbedingungen zu ermöglichen. Die Übungen sind daher je nach Zielgruppe, Zeitbudget und inhaltlicher Schwerpunktsetzung auch modulübergreifend frei kombinierbar. Die einzelnen Übungsblätter enthalten Beschreibung der Durchführung Hinweise zur Auswertung, Erfahrungen bei der Durchführung eventuelle Varianten ggf. Quellen- /Literaturangaben ggf. Arbeitsblätter ggf. Materialblätter für den Trainer. Allgemeine Materialien zum übergeordneten Modulthema sind als eigener Baustein auf der Modulebene angesiedelt. 27