Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg Prof. Dr. Hartmut Schmidt Seminar zur Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre und Bankbetriebslehre Wintersemester 1999/2000 Zuständiger Mitarbeiter: Dipl.-Kfm. Dirk Niedereichholz Generalthema: Ausgewählte Fragen der Fremdfinanzierung Thema III: Neue Anreizstrukturen durch Insolvenz und Insolvenzordnung Gliederung A. Einführung I. Def. Insolvenz II. Konkursordnung, Vergleichsordnung, Gesamtvollstreckungsordnung und die neue Insolvenzordnung III. Begriffe und Vokabeln der Insolvenzliteratur Maike Balzer 5 min B. Funktionen einer Insolvenzregelung I. Prävention und Disziplinierung II. Schadensbegrenzung III. Effizienzsicherung 1. Kostenminimale Abwicklung und Vermeidung von Verteilungskämpfen 2. Erlösmaximale Verwertung Nils Menge 10 min C. Die neue Insolvenzordnung I. Gründe für das neue Gesetz und Ziele des Gesetzgebers II. Insolvenztatbestände 1. Überschuldung 2. Zahlungsunfähigkeit 3. Drohende Zahlungsunfähigkeit 4. Würdigung der Tatbestände Agniezka Gleb 10 min III. Wesentliche Neuerungen 1. Abschaffung bevorrechtigter Gläubiger 2. Behandlung von gesicherten Gläubigern 3. Der Insolvenzplan a) Funktion und Zielsetzung b) Ablauf des Verfahren Isabel Hahner 20 min D. Neue Anreizstrukturen durch Insolvenz gegenüber gesellschafts- und handelsrechtlichem Normalzustand I. Strukturen bei einem Gläubiger 1. Was sind das für Strukturen? 2. Veränderung der Anreize beim Schuldner 3. Veränderung der Anreize beim Gläubiger II. Strukturen bei mehreren Gläubigern 1. Wer bekommt welche Position? 2. Welche Anreize ergeben sich daraus? Mark Vaassen 30 min E. Neue Anreizstrukturen durch die Insolvenzordnung gegenüber dem alten Insolvenzrecht Maike Balzer 10 min 90 min
Insolvenz Insolvenzmasse Massegläubiger Insolvenzgläubiger Zahlungsunfähigkeit rechtl.oberbegriff für die Insolvenz(Eröffnungs-)gründe, erfaßt jede wirtschaftliche Notlage eines Schuldners, die es ermöglicht, ein Insolvenzverfahren auszulösen. Gesamtes Vermögen, das Schuldner bei Eröffnung des Verfahrens gehört u. das er während des Verfahrens erlangt. Ihre Ansprüche entstehen erst nach Verfahrenseröffnung, sie haben direkten Anspruch ggb. der Masse. Entsprechend der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung ( par conditio creditorum ) dient Insolvenzmasse der gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger
Regelinsolvenzverfahren ausreichend Insolvenzmasse Eröffnungsgrund Berichtstermin wirtschaftliche Lage Lage des des Schuldners Möglichkeit eines eines Insolvenzplans Entscheidung der der GV GV über über Verwertungsart Allg. Verfügungsverbot Abräumverbot Einleitung Insolvenzverfahren Insolvenzfähigkeit Insolvenzplanverfahren Sanierung Liquidation übertragende Sanierung
D. Neue Anreizstrukturen durch Insolvenz gegenüber gesellschafts- und handelsrechtlichem Normalzustand I. Strukturen bei einem Gläubiger II. Strukturen bei mehreren Gläubigern Optionstheoretische Betrachtung. Optionsprämien bleiben unberücksichtigt. Es wird von Kapitalgesellschaften ausgegangen; also von Unternehmen, die einer beschränkten Haftung unterliegen. Die Insolvenz kann nur zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderungen eintreten. Optionen: Es werden zwei Optionstypen unterschieden: Call: Kaufoption Put: Verkaufsoption Europäische Optionen
Plusposition Call (Long Call) Plusposition Put (Long Put) V V 20 20 20 Kurs 20 Kurs - 20-20 Basispreis = 20 Basispreis = 20 Minusposition Call (Short Call) Minusposition Put (Short Put) V V 20 20 20 Kurs 20 Kurs - 20-20 Basispreis = 20 Basispreis = 20
Bull Spread Gesamtergebnisfunktion (untere Abb.) aus einem Long Put (Call) und einem Short Put (Call) mit einem höheren Basispreis: V 40 20 2020 40 Kurs - 20-40 V 40 20 2020 40 Kurs - 20-40
Optionstheoretische Betrachtung I. Strukturen bei einem Gläubiger V U 0-Linie des S = F F S V U = Forderung des Gläubigers = Schuldner = Vermögensplusposition (Wert des Vermögens des Unternehmens) SP = Short Put LP = Long Put LC = Long Call GE = Geldeinheit GE V U GE LP Gesamtposition des Schuldners (LC) 0-Linie des S = F Plusposition Verkaufsoption (LP) Minusposition Verkaufsoption (SP) V U SP GE
II. Strukturen bei mehreren Gläubigern GE V U Position des Schuldners F 1 +F 2 +F 3 Position des letztrangigen Gläubigers F 1 +F 2 Position des zweitrangigen Gläubigers F 1 Position des erstrangigen Gläubigers F 1 F 1+ F 2 F 1+ F 2 +F 3 GE
V U Position des Schuldners F 1 +F 2 +F 3 Position des letztrangigen Gläubigers F 1 +F 2 Position des zweitrangigen Gläubigers F 1 Position des erstrangigen Gläubigers F 1 F 1+ F 2 F 1+ F 2 +F 3 V U
Zusammenfassung: Die Positionen von Gläubigern und Schuldner: Beim Abschluß eines Kreditvertrages erwirbt der Schuldner neben dem vereinbarten Kredit eine Verkaufsoption auf sein Unternehmen (Plusposition Put/Long Put). Der Basispreis ist die Höhe der Schulden. Entsprechend besitzt der Gläubiger eine Minusposition im Put. Bei mehreren Gläubigern besitzt jeder Gläubiger ebenfalls eine Plusposition im Put zu einem niedrigeren Basispreis, sofern es noch einen Gläubiger gibt, der ihm im Rang vorgeht. Dieser besitzt wiederum die Gegenposition (Minusposition) zu dem entsprechenden Put. Bei Eintritt der Insolvenz übt der Schuldner die Option aus und das Vermögen geht zusammen mit den evtl. vorhandenen weiteren Verbindlichkeiten auf den (letztrangigen) Gläubiger über. Reicht das Vermögen nicht aus um die anderen Gläubiger auszuzahlen, übt der letztrangige Gläubiger ebenfalls seine Verkaufsoption aus und das Vermögen (inkl. verbleibender Verbindlichkeiten) geht auf den im Rang vorangestellten Gläubiger über. Dieser Prozeß setzt sich solange fort, bis ein Gläubiger die verbliebenen Verbindlichkeiten mit dem Vermögen ausgleichen kann.
Die neuen Anreize: Sinkt der Vermögenswert vor Fälligkeit unter die Verbindlichkeiten des Schuldners (und somit unter dessen 0-Linie), so ergibt sich für ihn der Anreiz, das Risiko seiner Aktivitäten zu erhöhen, da er nichts mehr zu verlieren hat. Daraus ergibt sich für die Gläubiger der Anreiz, den Schuldner zu kontrollieren, damit dieser nicht auch noch das restliche Vermögen durch risikoreiche Geschäfte gefährdet. Dieser Anreiz verliert zunehmend an Bedeutung, je besser die Rangstellung des jeweiligen Gläubigers ist - also je besser seine eigene Position besichert ist.
Anreizstrukturen für die Erreichung der Ziele der neuen Insolvenzordnung Def.: Anreize: Motivationsvariablen, die wichtig sind für die Ausführung von Handlungen Anreizstrukturen: Strukturen, die Anreize schaffen für die Ausführung von Handlungen Anreizstrukturen, die auf das Gläubigerverhalten wirken: Abräumverbot Masseverbindlichkeiten Obstruktionsverbot Kostenbeitrag für Absonderungsberechtigte Anreizstrukturen, die auf das Schuldnerverhalten wirken: Abräumverbot verschärfte Anfechtung Eigenverwaltung und Erstellung eines Sanierungsplans Ziel der Unternehmensfortführung