TOURISMUS & STADTENTWICKLUNG Ansätze der Planung in Berlin



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Transkript:

TOURISMUS & STADTENTWICKLUNG Ansätze der Planung in Berlin Dr. Cordelia Polinna I TU Berlin I Polinna Hauck Landscape + Urbanism Stadtentwicklung und Tourismus

Enorme Bedeutung des Städtetourismus in Berlin, aber auch vielen anderen Städten Europas: wachsende Anzahl von Besuchern, von Sehenswürdigkeiten und Attraktionen, von touristischen Infrastrukturen wie Fahrradverleihen Der Tourismus übt einen starken Einfluss auf die Entwicklung der Innenstadt aus, der die Auseinandersetzung der Stadtentwicklungsplanung mit dem Thema erfordert.

Funktionale und räumliche Grenzen zwischen touristischer Nutzung und den Aktivitäten der normalen Stadtbewohner lassen sich nicht klar ziehen. Potenzial: Maßnahmen der Stadtplanung, die dem Tourismus zugute kommen, können auch die Lebensqualität für die BewohnerInnen erhöhen.

Grundsätzliche Herausforderung des Themenkomplexes Stadtentwicklung und Tourismus : Tourismus lässt sich wegen der vielfältigen Akteure nur eingeschränkt steuern. Viele touristische Unternehmen investieren beträchtliche Summen. Diesen Unternehmen ist daran gelegen, dass die Stadt auch langfristig eine attraktive Tourismusdestination bleibt.

Synergien mit bestehenden stadtentwicklungsplanerischen Konzepten finden, Tourismus als Faktor der Stadtentwicklungsplanung nutzen Die polyzentrale Stadt als ein zentrales Ziel der Stadtentwicklung kann durch Tourismus gestärkt werden.

Überblick Tourismusentwicklung Berlins Quelle: Jana Richter Übernachtungen in Berlin 1900-2010

Quelle: Jana Richter Sehenswürdigkeiten nach Baedecker Berlin 1987 Tourismus-Boom nach der Hauptstadtwerdung Berlins 1998 und nach der Fußball WM 2006

Quelle: Jana Richter Rückverschiebung des touristischen Zentrums in die historische Mitte, Schwächung der polyzentralen Struktur (Karte Zustand 2008) Tourismus und Stadtentwicklung: Herausforderungen

Für viele Aufgabenbereiche der Tourismusplanung fehlen Zuständigkeiten in der Verwaltung, viele Fragen sind ressortübergreifend und durch verschiedene Akteure zu betrachten. Der Tourismus konzentriert sich in Berlin erwartungsgemäß auf einige besondere Lagen in der Stadt: Das Zentrum...

... spezielle Zonen der Innenstadt, z.b. Kollwitzplatz, Kastanienallee, Oranienstraße, Simon-Dach-Straße... Highlights in der Außenstadt und der Region, z.b. Pfaueninsel, Gärten der Welt/Marzahn, Schlösser in Potsdam, Strandbad Wannsee

Angst vor Überlastungserscheinungen : überfüllte öffentliche Räume, Straßensperrungen und Lärm durch Großveranstaltungen, mangelnde Sauberkeit und Ruhestörungen in Ausgehvierteln Nutzung öffentlicher Räume durch touristische Events: hohe Anziehungskraft, Belastung des Grünflächenetats

Mangelnde gestalterische Qualität touristischer Service-Nutzungen: Bildung von Budendörfern und mehr oder weniger legale Nutzung öffentlichen Straßenlandes Verkehrsprobleme und Staus durch Reisebusse I Reisebusse als visuelles Problem

Verkehrsprobleme und Staus durch Spaßgefährte z.b. Trabi-Touren mit 3-7 Trabis, Bierbikes, Tuk Tuks etc. Angst vor Aufwertung der Kieze und damit verbundene Preissteigerungen I Umwandlung von Wohnungen in Ferienapartments

Notwendig wurde eine Betrachtung des Themas Stadtentwicklung & Tourismus nach Debatten in Politik und Medien, die Tourismus mit Verdrängung in Verbindung brachten. Sondierungsstudie als eine Reaktion auf zunehmende Problematisierung des Tourismus durch Politik und Medien Tourismus spielt auch eine Rolle im Stadtentwicklungskonzept 2030

10 Handlungsfelder Tourismus & Stadtentwicklung Zehn Handlungsfelder Tourismus & Stadtentwicklung 1. Räumliche Diversifizierung

touristische Löcher im oder am Rande des Stadtzentrums aufwerten

Quartiere am Innenstadtstand können ein erweitertes touristisches Netz ausbilden. Unkonventionelle Nutzungen ziehen in den Szene-Vierteln vor allem ein jüngeres Publikum an.

Restaurant- und Clubbesuche oder das Chillen in ungewöhnlichen Orten sind zu einem wichtigen touristischen Faktor geworden. Solche Freiräume müssen geschützt werden. Besucher wollen vermehrt das alltägliche Leben in Berlins Szenekiezen erleben, was Chancen für lokale Gastronomie und Einzelhandel bietet.

Wien: Museumsquartier als äußerst erfolgreiches Beispiel für räumliche und thematische Diversifizierung des Tourismus Zehn Handlungsfelder Tourismus & Stadtentwicklung 2. Thematische Diversifizierung

Club- und Musiktourismus spielen eine große Rolle für Berlin, ist jedoch durch Lärmkonflikte und schwindende Räume bedroht. Architekturtourismus: nicht nur die Schlösserlandschaft, sondern auch die Siedlungen der Berliner Moderne, das DDR-Erbe als touristische Attraktionen etablieren

Yppenplatz: Mögliche Tourismusdestination für BesucherInnen, die das alltägliche Leben in Wien beobachten wollen. Zehn Handlungsfelder Tourismus & Stadtentwicklung 3. Touristische Routen verbessern

South Bank Centre Vorbild London: Weg am Südufer der Themse, das bis ca. 2000 kaum erschlossen war. South Bank Centre Verknüpfung mit bestehenden Attraktionen durch die Millennium Bridge

Highlight Tate Modern und touristisches Wegeleitsystem zur U-Bahn South Bank Centre Attraktive öffentliche Räume für Fußgänger...

...flankiert mit touristischen Infrastrukturen, Restaurants etc.

Vergleichbare Routen könnten in Berlin das Tempelhofer Feld...... mit dem Bergmannkiez...

... und dem Jüdischen Museum verknüpfen. Bislang ist die räumliche Nähe dieser Attraktionen den meisten Touristen nicht klar. Die Wasserlagen entlang der Spree und der Kanäle bieten ein großes Potenzial als Tourismusdestination, als Naherholungsgebiet und als fußgänger- und radfahrerfreundliche Wegeverbindung.

Hier besteht jedoch noch großer Handlungsbedarf. Zudem müssen Eigentümer von den positiven Aspekten einer öffentlichen Nutzung überzeugt werden. Foto: Thomas Hauck Auch in Wien ist den Wasserlagen zusätzliches touristisches Potenzial zu attestieren, wodurch sich auch die Aufenthaltsqualität für Wienerinnen und Wiener steigern lassen könnte.

Zehn Handlungsfelder Tourismus & Stadtentwicklung 4. Injektion von Entwicklungsimpulsen

Museum des Kalten Krieges am Checkpoint Charlie, Mitte zur Qualifizierung einer stark touristifizierten Zone. Vorbild New York: Das Kunstzentrum MoMA PS1trug zur Aufwertung eines benachteiligten Stadtquartiers in Queens bei.

Foto: Tobias Goevert Das Technologiezentrum Siemens Crystal lockt BesucherInnen in die Royal Docks weit im Londoner Osten. Foto: C. Polinna Wie kann der neue Bahnhof in dieser Hinsicht optimal genutzt werden?.

Zehn Handlungsfelder Tourismus & Stadtentwicklung 5. Problemgebiete als Potenzialgebiete & Experimentierfelder sehen Zwischennutzungen an der Spree und auf ehemals industriell genutzten Flächen begründen den Ruf Berlins als Partyhauptstadt und sollen geschützt werden.

Beispiel Prinzessinnengärten: Projekte von Raumpionieren auf Brachflächen haben sich schnell zu Anziehungspunkten für Touristen entwickelt. Ethnisch gemischte Quartiere locken Kreative und Touristen und können von der zusätzlichen Kaufkraft profitieren.

Ob diese Strategie auch in der Außenstadt funktioniert, ist fraglich. In New York wurde diese Strategie eingesetzt, um Touristen nach Little Italy in die Bronx zu locken.

Auch wenn eine Touristifizierung migrantisch geprägter Gebiete wie in London übertrieben erscheint, können einzelne Aspekte übertragen werden. Zehn Handlungsfelder Tourismus & Stadtentwicklung 6. Gestaltungsqualität verbessern

Diskussionsbedarf: Gestaltung von preisgünstigen Hotels und Hostels in Top-Lagen in Berlin wenig Sinn für Baukultur. Diskussionsbedarf: Mit besserer Gestaltung einem Trash-Charakter touristischer Destinationen entgegen wirken.

Diskussionsbedarf: Umgang mit historisch bedeutsamen Orten: ernsthafte Auseinandersetzung mit der Geschichte oder Disneyland-Charakter? Beispiel London: Hochwertige Gestaltung eines Pavillons samt Imbiss und Toiletten am Südufer der Themse

Zehn Handlungsfelder Tourismus & Stadtentwicklung 7. Tourismus und Nachhaltigkeit zusammen denken Stadtweites touristisch-attraktives Radwegenetz mit Radstationen sowie Service- und Ankernutzungen umsetzen und weiterentwickeln.

Beispiel London: Markantes Fahrrad-Verleih-System, das sich jedoch nicht in erster Linie an Touristen richtet. Ein gutes Radwegenetz kommt Touristen und Einheimischen gleichermaßen zugute.

Zehn Handlungsfelder Tourismus & Stadtentwicklung 8. Lokalspezifisches fördern Unabhängige Kultureinrichtungen vor Luxussanierungen oder Verdrängung durch Filialisten schützen

Wertschöpfungskraft aus Kultur, Kreativ- und Tourismuswirtschaft steigern und die lokale Ökonomie fördern. Wien: Nicht nur kulinarische Angebote, sondern auch exzellente Infrastruktur- und Erholungseinrichtungen bewerben.

Zehn Handlungsfelder Tourismus & Stadtentwicklung 9. Netzwerke zur Steuerung & Kommunikation Netzwerke von Akteuren der Tourismuswirtschaft bzw. formelle und informelle Verknüpfungen mit der Verwaltung schaffen, etwa nach dem Vorbild der Clubcommission Berlin.

Neue Instrumente der Zusammenarbeit und planerischen Steuerung müssen entwickelt werden. Zehn Handlungsfelder Tourismus & Stadtentwicklung 10. Lokale Tourismuskonzepte

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Dr. Cordelia Polinna