Einleitung Traditionsgebundenheit, Weltverbreitung und zahlenmäßige Bedeutung des Berufsstandes der Versicherungsvermittler machen es erklärlich, dass es sich um einen Organismus handelt, der nicht leicht zu umschreiben und noch schwerer zu zergliedern ist. Wie alles geschichtlich Gewordene, alles überstaatlich Bedeutungsvolle und alles in großer Zahl Verbreitete widersetzt sich der Berufsstand der Versicherungsvermittler einer schematisch-logischen Erfassung, er spottet den Bemühungen, das Leben in säuberlich etikettierten Begriffsschachteln verschwinden zu lassen. 1 Diese Beschreibung von Hans Möller, die sich auf den Berufsstand der Versicherungsvermittler im Allgemeinen bezieht, trifft insbesondere auf den Versicherungsmakler zu. Das Zitat stammt aus der Zeit vor der Umsetzung der EU- Vermittlerrichtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.12.2002 über die Versicherungsvermittlung. 2 Bis dahin existierte in Deutschland kein geschriebenes Versicherungsmaklerrecht. Zwar hatte der Gesetzgeber den Versicherungsmakler bereits mit Inkrafttreten des HGB in 93 HGB erwähnt und in das Handelsmaklerrecht eingeordnet. Die Rechtsstellung des Versicherungsmaklers wurde jedoch im Wesentlichen durch Gewohnheitsrecht, Handelsbräuche und Konkretisierungen durch die Rechtsprechung geprägt. Wenn auch das bedeutsame Sachwalterurteil des BGH die einzigartige, historisch gewachsene Rolle als Bundesgenosse des Versicherungsnehmers herausstellte, 3 bestanden die Schwierigkeiten einer schematisch-logischen Erfassung der Tätigkeit des Versicherungsmaklers fort. Es ergaben sich Probleme, den Versicherungsmakler im Einzelfall von dem weiteren Vermittlertypus, dem Versicherungsvertreter, abzugrenzen. Zudem wurde nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Einordnung des Versicherungsmaklers in das Handelsrecht über die dogmatische Einordnung seiner Rechtsbeziehungen zu den Parteien des Versicherungsvertrages gestritten. Seit der Umsetzung der EU-Vermittlerrichtlinie existiert ein eigenes Berufsrecht für die Versicherungsvermittlung, durch das die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Tätigkeit des Versicherungsmaklers nicht unerheblich erweitert wurden. Neben bislang nicht vorhandenen gewerberechtlichen Berufszugangs- und Berufsausübungsregelungen ist auch das Verhältnis des Versicherungsmaklers zu den Parteien des Versicherungsvertrages betroffen. 1 Zitat von Hans Möller (Möller, S 16. f.). 2 Amtsblatt Nr. L 009 vom 15/01/2003, S. 3-10. 3 BGH, Urteil vom 22.05.1985, Az.: IVa ZR 190/83 (= NJW 1985, 2595 f.). 1
Das Rechtsverhältnis zwischen Versicherungsmakler und Versicherungsnehmer ist, was nicht erst seit dem Sachwalterurteil feststeht, von intensiven Pflichten des Versicherungsmaklers gegenüber dem Versicherungsnehmer und somit von einer besonderen Nähebeziehung geprägt. Doch wie ist der Versicherungsmaklervertrag rechtlich genau einzuordnen? Welche Pflichten und Rechte existieren gegenüber dem Versicherungsnehmer und wie wirkt sich dabei die Sonderstellung des Versicherungsmaklers aus? Neben einer Legaldefinition des Versicherungsmaklers in 59 Abs. 3 VVG wurden mit den 59 ff. VVG gesetzliche Regelungen geschaffen, die sich auf einen bedeutsamen Teil der Vermittlungstätigkeit beziehen. Die Neuregelungen bringen zahlreiche bislang ungeklärte Fragen für die Rechtsauslegung und -anwendung mit sich. Was hat sich an dem vormals bestehenden Rechtszustand geändert? Nicht nur zum Versicherungsnehmer, sondern auch zum Versicherer steht der Versicherungsmakler in einer rechtlichen Beziehung. (Auch) deren dogmatische Einordnung ist mit gewissen Schwierigkeiten 4 verbunden. Seit langem wird in diesem Bereich trefflich gestritten. Ein Ende dieses Streits ist bislang nicht absehbar, jüngst wurde diese Diskussion um einen weiteren Lösungsansatz bereichert, der die rechtliche Beziehung des Versicherungsmaklers zum Versicherer als eigenen Kooperationsvertrag einordnet. 5 Die schematisch-logische Erfassung der Rechtsbeziehung gestaltet sich bei der dogmatischen Einordnung als besonders schwierig. Schließlich stellt sich Frage nach dem Inhalt dieser Rechtsbeziehung. Wie wirkt sich zudem dabei die besondere Verbundenheit des Versicherungsmaklers zum Versicherungsnehmer aus? Der Versicherungsmakler steht in einer rechtlichen Beziehung zu beiden Parteien des Versicherungsvertrages. Die zuweilen gegenläufig gerichteten Interessen von Versicherungsnehmer und Versicherer bewirken die Entstehung eines Spannungsfeldes, in dem sich der Versicherungsmakler bewegt. Wie sind Konfliktsituationen zu lösen, die aus diesem Doppelrechtsverhältnis resultieren? In der jüngeren Zeit messen zudem viele Versicherer den Versicherungsmaklern eine zunehmende Bedeutung als Vertriebskanal für ihre Produkte bei. 6 Auch die sog. Maklerpools spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle. Sie erfreuen sich großer Beliebtheit sowohl bei einer Vielzahl der Versicherungsmakler als auch bei Versicherern, die sich zudem oftmals direkt oder indirekt an Poolgesellschaften beteiligen. 7 Ist die dadurch enger werdende Verbindung zwi- 4 Canaris, Handelsrecht, S. 327. 5 Dörner in Prölss/Martin VVG, 59, Rn. 68. 6 Vgl. die Ausführungen auf S. 8 ff. 7 Vgl. die Ausführungen auf S. 235 ff. 2
schen Versicherungsmakler und Versicherer mit der Sonderrolle des Versicherungsmaklers und seinem Vermittlerstatus vereinbar? Man mag insofern die Kapitelüberschriften und die weiteren Untergliederungen der vorliegenden Arbeit als jene von Möller erwähnten Begriffsschachteln verstehen, wobei der Verfasser bestrebt ist, diese mit Leben zu füllen, um so zur Weiterentwicklung einer fortdauernd lebhaften Diskussion rund um die Rechtsstellung des Versicherungsmaklers beizutragen. 3