St.Galler Tagung zum Arbeitsrecht. Grand Casino Luzern (1116.) 29. November 2013



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Transkript:

St.Galler Tagung zum Arbeitsrecht Grand Casino Luzern (1116.) 29. November 2013

Cybermobbing am Arbeitsplatz Dr. Roger Rudolph, Rechtsanwalt, Fachanwalt SAV Arbeitsrecht, Streiff Pellegrini & von Kaenel, Wetzikon

Zwei Fallbeispiele zum Einstieg Bezirksgericht Zürich, Urteil GG110138 vom 30. September 2011; vgl. auch Praxiskommentar Streiff/von Kaenel/Rudolph, 7. Auflage 2012, N 17 zu Art. 328 OR (S. 562) Arbeitsgericht Duisburg, Urteil 5 Ca 949/12 vom 26. September 2012 www.kununu.com Dr. Roger Rudolph 3

A. Übersicht - Begriff und Erscheinungsformen - Cybermobbing zum Nachteil des Arbeitnehmers - Cybermobbing zum Nachteil des Arbeitgebers Unterlagen Dr. Roger Rudolph 4

B. Begriff und Erscheinungsformen I. Kein gesetzlicher Begriff II. Allgemeiner Mobbingbegriff: Definition in der Literatur: Systematisches, über längere Zeit andauerndes und ohne begründeten Anlass erfolgendes Ausgrenzen eines Gruppenmitglieds durch die eigene Gruppe oder einzelne von deren Mitgliedern. (Praxiskommentar Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.o., N 17 zu Art. 328 OR) Dr. Roger Rudolph 5

B. Begriff und Erscheinungsformen (2) Definition des Bundesgerichts: Systematisches, feindliches, über einen längeren Zeitraum anhaltendes Verhalten, mit dem eine Person an ihrem Arbeitsplatz isoliert, ausgegrenzt oder gar von ihrem Arbeitsplatz entfernt werden soll. (z.b. in BGE 8C_446/2010 vom 25.01.2011 E.4.1) Dr. Roger Rudolph 6

B. Begriff und Erscheinungsformen (3) III. Bis heute kaum vorhandene wissenschaftliche Durchdringung des Cybermobbings am Arbeitsplatz IV. Typische Elemente des Cybermobbings: Einsatz moderner Kommunikationsmittel (insbesondere Internet/soziale Netzwerke) Tatort: virtuelle Welt, losgelöst vom Arbeitsplatz Tatwerkzeug: Text, Bilder Anonymität (sowohl auf Täter- wie Zuschauerebene) Dr. Roger Rudolph 7

B. Begriff und Erscheinungsformen (4) Herabgesetzte Hemmschwelle (häufig beleidigende/ ehrverletzende Äusserungen) Enträumlichung/Entzeitlichung, Dauerdelikt Grosse, kaum mehr kontrollierbare Verbreitung Schwierige Beseitigung von Verletzungshandlungen Fehlende Rückzugsmöglichkeit des Mobbingopfers Weiterführend: Julia Förster, Cybermobbing am Arbeitsplatz, Hamburg 2013 Dr. Roger Rudolph 8

B. Begriff und Erscheinungsformen (5) III. Relativierung der Qualifikation als Mobbing: vgl. BasK-Portmann, 5. Auflage 2011, N 19 zu Art. 328 OR IV. Zwei Haupterscheinungsformen: Cybermobbing zum Nachteil des Arbeitnehmers (durch den Arbeitgeber, Vorgesetzte, Arbeitskollegen oder evtl. auch Kunden) Cybermobbing zum Nachteil des Arbeitgebers (durch den Arbeitnehmer) Dr. Roger Rudolph 9

C. Cybermobbing zum Nachteil des Arbeitnehmers I. Schutzpflichten des Arbeitgebers Rechtsgrundlage: Art. 328 OR (Fürsorgepflicht), Art. 6 Abs. 1 ArG, evtl. Diskriminierungsverbot nach GlG Unterlassen von eigenem Mobbing (inkl. Organpersonen, Art. 55 ZGB) Dr. Roger Rudolph 10

C. Cybermobbing zum Nachteil des (2) Arbeitnehmers Schutz vor Mobbing durch Vorgesetzte und Mitarbeiter z.b. durch Schlichtungsbemühungen z.b. durch Verhaltensregeln/Weisungen z.b. durch Versetzungen z.b. durch Einschränkung/Sperrung Mediennutzung am Arbeitsplatz z.b. durch Tracking z.b. durch Kündigung (ordentlich/fristlos) Weiterführend: Julia Förster, a.o.o., S. 23 ff. Dr. Roger Rudolph 11

C. Cybermobbing zum Nachteil des (3) Arbeitnehmers II. Rechtsansprüche des Mobbingopfers Art. 28a ZGB (z.b. Klage auf Unterlassung oder Feststellung) Schadenersatz/Genugtuung (aus Vertrag: Art. 97 i.v.m. Art. 328 OR, Art. 99 Abs. 3 i.v.m. Art. 47 und 49 OR; aus Delikt: Art. 41, 47 und 49 OR) Schutz gegen missbräuchliche Kündigung (Art. 336 OR) Dr. Roger Rudolph 12

C. Cybermobbing zum Nachteil des (4) Arbeitnehmers Einstellung der Arbeit unter Aufrechterhaltung des Lohnanspruchs (Art. 324 OR, Arbeitgeberverzug) In schweren Fällen: fristlose Kündigung Evtl. Ansprüche nach GlG Gegen Mobbingtäter (wenn nicht Arbeitgeber): Art. 41 OR, eventuell Strafrecht (z.b. Ehrverletzungsdelikte) Dr. Roger Rudolph 13

C. Cybermobbing zum Nachteil des (5) Arbeitnehmers III. Probleme der Rechtsdurchsetzung Kein Bestandesschutz (Ausnahme: Art. 10 GlG) Hilfspersonenhaftung des Arbeitgebers? Vgl. Streiff/ von Kaenel/Rudolph, a.a.o., N 17 zu Art. 328 OR Beweisfragen Dr. Roger Rudolph 14

D. Cybermobbing zum Nachteil des Arbeitgebers I. Rechtsgrundlage: 321a OR (Treuepflicht) II. Spannungsfelder Persönlichkeitsrecht/Privatsphäre des Arbeitnehmers ( berechtigte Interessen des Arbeitnehmers ) Grundrechte (insbesondere Meinungsäusserungsfreiheit, Art. 16 BV) Whistleblowing Dr. Roger Rudolph 15

C. Cybermobbing zum Nachteil des (2) Arbeitgebers Art. 328b OR (wie weit reichen IT-Kontrollrechte des Arbeitgebers?) Vgl. Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.o., N 5 und N 14 zu Art. 321a OR und N 18 zu Art. 328b OR Dr. Roger Rudolph 16

C. Cybermobbing zum Nachteil des (3) Arbeitgebers III. Rechtsansprüche des Arbeitgebers (Auswahl) Erfüllungs- bzw. Unterlassungsanspruch (Art. 321a OR, Art. 28a ZGB) Schadenersatz (Art. 321e OR), evtl. Genugtuung Ansprüche aus DSG / Art. 28 ff. ZGB (z.b. Datenlöschung oder Bestreitungsvermerk, vgl. Art. 15 DSG, evtl. Auskunftsanspruch nach Art. 8 DSG) Dr. Roger Rudolph 17

C. Cybermobbing zum Nachteil des (4) Arbeitgebers Ansprüche aus UWG (z.b. Art. 3 Abs. 1 lit. a UWG) ordentliche Kündigung in schweren Fällen: fristlose Kündigung evtl. Strafrecht Dr. Roger Rudolph 18