Der Anfechtungsprozess



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Transkript:

Der Anfechtungsprozess Aktuelle Entwicklungen Prof. Dr. Florian Jacoby (Bielefeld) E-Mail: florian.jacoby@uni-bielefeld.de Insolvenzanfechtung in der Praxis 20. Juni 2007 Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 1

Im Überblick Teil 1: Der Anfechtungsprozess eine Systematisierung Teil 2: Aktuelle Entscheidungen zum Anfechtungsprozess Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 2

Teil 1 Der Anfechtungsprozess eine Systematisierung Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 3

Das System 1. Die Anfechtungsklage aus 143 InsO 2. Die Verteidigung mit der Anfechtungseinrede 3. Die Klage aus einer Masseforderung (verbunden mit der Anfechtungsgegeneinrede) 4. Beteiligung Dritter Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 4

Wirkungen der Insolvenzanfechtung I Rückgewähranspruch ( 143 Abs. 1 InsO) Insolvenzverwalter (Kläger) 143 InsO Anfechtungsgegner (Beklagter) Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 5

Wirkungen der Insolvenzanfechtung II Einrede der Anfechtbarkeit ( 146 Abs. 2 InsO) Anfechtungsgegner (Kläger) Anspruch aus z. B. 170 I 2 InsO (Erlösauskehr nach Einziehung) Anfechtungseinrede: (z. B. Sicherungszession anfechtbar) Insolvenzverwalter (Beklagter) Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 6

Wirkungen der Insolvenzanfechtung III Gegeneinrede der Anfechtbarkeit ( 96 I Nr. 3 InsO) Insolvenzverwalter (Kläger) Masseforderung Einwendung der Aufrechnung Anfechtungsgegeneinrede: Aufrechnungslage anfechtbar Anfechtungsgegner (Beklagter) Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 7

Drei Wirkungen der Insolvenzanfechtung Einrede der Anfechtbarkeit ( 146 Abs. 2 InsO) Rückgewähranspruch ( 143 Abs. 1 InsO) Gegeneinrede der Anfechtbarkeit ( 96 I Nr. 3 InsO) Anfechtbar erlangte Forderung: Schenkung 170 I S. 2 InsO Regelfall Anfechtbar erlangte Einrede/Einwendung: Aufrechnung Erlass (Vergleich) Beklagter Kläger Kläger Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 8

1. Die Anfechtungsklage ( 143 InsO) Grundsatz: Leistungsklage Ausnahme: Drittwiderspruchsklage ( 771 ZPO analog) Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 9

Leistungsklage aus 143 InsO Klage wie jede Leistungsklage aus Masseforderung: Streitgegenstand Unterscheide Rückgewähr ( 143 I 1 InsO) Zahlung ( 143 I 2 InsO, 818 f. BGB) Geltendmachung Hilfsweise (bei Ungewissheit) Klageänderung (bei Veränderung) Zusätzlich: Auskunft Auskunftsanspruch ( 242 BGB) Ggf. Stufenklage ( 254 ZPO) Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 10

Drittwiderspruchsklage ( 771 ZPO) Insolvenzverwalter (Kläger) Beispiele: 771 ZPO analog: Sicherungsrecht im Wege der Zwangsvollstreckung anfechtbar erlangt. Pfändungspfandrecht (bewegliche Sache, Forderung, Recht ) Grundstücksbeschlagnahme Gründe für die Analogie: Tenor: Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung Folge: Einstellung der Zwangsvollstreckung ( 775 f. ZPO) Anfechtungsgegner (Beklagter) Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 11

2. Berufung auf Anfechtungseinrede Grundsatz: Insolvenzverwalter als Beklagter beruft sich zur Verteidigung auf Anfechtungseinrede Ausnahme: Vollstreckungsabwehrklage ( 767 ZPO) des Insolvenzverwalters, wenn Vorgehen gegen Titel notwendig. Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 12

Beispiel 1: BGH, Urt. v. 8.3.2007 Bank (Anfechtungsgegner) Konto auf Guthabenbasis Insolvenzschuldner Sachverhalt: Kunde bezahlt mit Scheck. Späterer Insolvenzschuldner reicht Scheck ein. Kaufpreisforderung geht auf Bank über (AGB-Banken). Bank lässt Schuldner über Schecksumme verfügen. Scheckeinlösung scheitert an Formfehler. Vorläufiger Verwalter zieht Kaufpreis ein. Kunde 433 BGB Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 13

Prozesssituation (Beispiel 1) Bank (Kläger) Klage aus 816 BGB (Ersatzabsonderung wg. Zession) Anfechtungseinrede: (AGB-Zession anfechtbar) Insolvenzverwalter (Beklagter) Entscheidung: Klage wird abgewiesen, da: I. Zwar war Bank als Forderungsinhaberin Berechtigte. II. Aber Forderungserwerb war nach 129, 131 InsO anfechtbar: 1. Gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung, 129 InsO. 2. Inkongruente Deckung, 131 InsO. 3. 142 InsO ist auf inkongruente Deckung nicht anwendbar. Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 14

3. Leistungsklage ( 96 I Nr. 3) Streitgegenstand Kein Anspruch aus 143 InsO, Sondern Anspruch aus Masseforderung. Prozessuale Auswirkungen Insbesondere: Rechtsweg Nicht stets bürgerlich-rechtliche Streitigkeit wg. 143 InsO, Sondern einzelfallabhängig (ggf. Steuererstattung, Arbeitsverhältnis, Sozialrecht). Materielle Auswirkungen Zur Verjährung siehe sogleich Beispiel 2. Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 15

Beispiel 2: BGH, Urt. v. 28.9.2006 Insolvenzschuldner 407, 439 HGB 812 BGB Kunde Sachverhalt: Kunde hat Anspruch gegen Insolvenzschuldner. Schuldner führt Speditionsleistung für Kunde aus. Vergütung des Schuldners unterliegt einjähriger Verjährung. Kunde rechnet mit seiner Forderung auf. Insolvenzverfahren wird eröffnet. Ein Jahr verstreicht. Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 16

War die Aufrechnungslage anfechtbar, 129, 131 InsO? 1. Rechtshandlung vor Verfahrenseröffnung (+) Frachtvertrag wurde vorher geschlossen. 2. Gläubigerbenachteiligung (+) Masse verliert Forderung gegen Insolvenzforderung. 3. Anfechtungsgrund (+) Deckung durch Aufrechnung ist inkongruent. Aufrechnungslage entstand während Krise. Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 17

Prozesssituation (Beispiel 2) Insolvenzverwalter (Kläger) 407, 439 HGB Einwendung: 812, 389 BGB Anfechtungsgegeneinrede: 96 I Nr. 3, 129, 131 InsO Kunde (Beklagter) Entscheidung: Beklagte wird verurteilt, da: 1. 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO erfasst auch die von einem Gläubiger vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärte Aufrechnung. 2. ( ) 3. Eine Hauptforderung, gegen die gemäß 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO insolvenzrechtlich unwirksam aufgerechnet worden ist, unterliegt der Verjährung analog 146 Abs. 1 InsO a. F. Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 18

4. Beteiligung Dritter Werden Dritte von Insolvenzanfechtung betroffen? Grundsatz: Nein Schuldrechtliche Wirkung des 143 InsO, Keine dingliche Wirkung (Beispiel 3). Ausnahme: Haftungsrechtliche Qualität Drittwiderspruchklage ( 771 ZPO) bei Zugriff auf anfechtbar erlangten Gegenstand, Aussonderung ( 47 InsO) in der Doppelinsolvenz. Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 19

Beispiel 3: BGH, Urt. v. 21.9.2006 Zessionar Drittschuldner 143 InsO 398 BGB Insolvenzschuldner Sachverhalt: Insolvenzschuldner hat Forderung gegen Drittschuldner. Er tritt Forderung an Zessionar ab. Insolvenzverfahren wird eröffnet. Insolvenzverwalter verlangt von Zessionar Rückabtretung aus 143 InsO. Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 20

Prozesssituation (Beispiel 3) Zessionar (Kläger) Klage aus abgetretenem Recht Anfechtungseinrede: Abtretung anfechtbar Drittschuldner (Beklagter) Entscheidung: Beklagte wird verurteilt, denn: 1. Die Anfechtung einer Abtretung nach 129 ff. InsO führt nicht zur Nichtigkeit des angefochtenen Rechtsgeschäfts; vielmehr entsteht ein Rückgewähranspruch in Form eines schuldrechtlichen Verschaffungsanspruchs. 2. Der Zessionar einer nach 129 ff. InsO angefochtenen Abtretung bleibt so lange aktivlegitimiert, bis der Anspruch an den Insolvenzverwalter zurückabgetreten ist oder infolge Verurteilung des Zessionars als zurückabgetreten gilt. Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 21

Haftungsrechtliche Qualität Insolvenzverwalter (Kläger) Anspruch auf Rückübertragung des anfechtbar erlangten Gegenstandes aus 143 InsO Anfechtungsgegner Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 22

Haftungsrechtliche Qualität Insolvenzverwalter (Kläger) Gläubiger des Anfechtungsgegners (Beklagter) Anspruch auf Rückübertragung des anfechtbar erlangten Gegenstandes aus 143 InsO Vollstreckung in anfechtbar erlangten Gegenstand Anfechtungsgegner Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 23

Haftungsrechtliche Qualität Insolvenzverwalter (Kläger) Anspruch auf Rückübertragung des anfechtbar erlangten Gegenstandes aus 143 InsO Drittwiderspruchsklage, 771 ZPO: Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung in den anfechtbar erlangten Gegenstand Gläubiger des Anfechtungsgegners (Beklagter) Vollstreckung in anfechtbar erlangten Gegenstand Anfechtungsgegner Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 24

Teil 2 Aktuelle Entscheidungen zum Anfechtungsprozess Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 25

Aktuelle Entscheidungen 1. Zur anfechtbaren Aufrechnungslage 2. Zur internationalen Zuständigkeit 3. Zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit 4. Zur Nebenforderung auf Zinsen 5. Zur Prozesskostenhilfe 6. Zur Kostenhaftung des Insolvenzverwalters Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 26

1. Anfechtbare Aufrechnungslage (BGH v. 14.6.2007) Insolvenzschuldner Inkassoauftrag Vergütungsansprüche Rechtsanwalt Sachverhalt: Der Insolvenzschuldner war bei seinem Anwalt in Zahlungsrückstand. Vor dem Dreimonatszeitraum der Deckungsanfechtung beauftragte der spätere Insolvenzschuldner den Anwalt mit dem Inkasso. Nach und nach zieht der Insolvenzschuldner Forderungen ein. Der Rechtsanwalt möchte den eingezogenen Betrag nicht auskehren, sondern mit seinen Vergütungsansprüchen aufrechnen. Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 27

Prozesssituation (14.6.2007) Insolvenzverwalter (Kläger) 667, 675 BGB Einwendung: 611, 389 BGB Anfechtungsgegeneinrede: 96 I Nr. 3, 129, 131 InsO Rechtsanwalt (Beklagter) Entscheidung: Klage hat Erfolg, da: I. Hauptforderung aus 667, 675 BGB besteht. II. Aufrechnungsmöglichkeit des RA ist anfechtbar ( 129, 131 InsO): 1. Gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung, 129 InsO 2. Inkongruente Deckung, 131 InsO 3. Zeitpunkt ( 140 Abs. 1 InsO, nicht Abs. 3): Einzug ist maßgeblich!!! Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 28

2. Internationale Zuständigkeit Nach welchen Regelungen bestimmt sich die internationale Zuständigkeit, wenn der Anfechtungsgegner im Ausland beheimatet ist? Möglichkeiten: EuInsVO: Ort des Insolvenzgericht, Art. 3 I analog Brüssel I-VO = EuGVO: Grundsatz: beim Beklagten ZPO : Grundsatz: beim Beklagten Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 29

Beispiel 4 (OLG Frankfurt v. 26.1.2006) 1. Der Begriff des Konkursverfahrens im Rahmen des den Anwendungsbereich der EuGVO einschränkenden Art. 1 Abs. 2 Buchst. b EuGVO ist eng auszulegen. Dieser Ausnahmetatbestand gilt nur für die insolvenzrechtlichen Sammelverfahren. Die enumerativen Aufzählungen dieser Vorschrift erfassen hingegen keine insolvenzrechtlichen Annexverfahren wie z.b. die Insolvenzanfechtung. Auf solche Annexverfahren ist die EuGVO uneingeschränkt anwendbar. 2. Für Insolvenzanfechtungsklagen des Insolvenzverwalters begründen die Regelungen der EuInsVO keine internationale Zuständigkeit. Mangels einer planwidrigen Regelungslücke scheidet eine analoge Anwendung des Art 3 Abs. 1 EuInsVO zur Begründung der internationalen Zuständigkeit für insolvenzrechtliche Annexverfahren aus. Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 30

3. Feststellung der Zahlungsunfähigkeit Relevanz der Zahlungsunfähigkeit 130 Abs. 1 InsO 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO 132 Abs. 1 InsO Darlegung im Prozess Darlegung der Zahlungseinstellung ( 17 II 2 InsO) Sonstige Grundlage der Darlegung Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 31

Beispiel 5: BGH, Urt. v. 12.10.2006 Zahlungseinstellung ist dasjenige äußere Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise eine Zahlungsunfähigkeit ausdrückt. Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus. Dies gilt auch dann, wenn tatsächlich noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind ( ) Durch die Nichtzahlung der Sozialversicherungsbeiträge, der Löhne und der sonst fälligen Verbindlichkeiten über einen Zeitraum von mehr als drei Wochen nach Fälligkeit ist für die beteiligten Verkehrskreise hinreichend erkennbar geworden, dass die Nichtzahlung auf einem objektiven Mangel an Geldmitteln beruhte. Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 32

Beispiel 5: BGH, Urt. v. 12.10.2006 Liquiditätsbilanz Ferner (im Anfechtungsprozess): Haben im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, ist regelmäßig von der Zahlungsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt auszugehen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn auf Grund konkreter Umstände, die sich nachträglich geändert haben, damals angenommen werden konnte, der Schuldner werde rechtzeitig in der Lage sein, die Verbindlichkeiten zu erfüllen. Dass nicht lediglich eine Zahlungsstockung vorlag, ist im Nachhinein ohne weiteres feststellbar. Es bedarf insoweit keiner Prognose. Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 33

4. Zinsanspruch Ist Leistungsklage aus 143 InsO Zahlungsklage fragt sich für Nebenforderung: In welcher Höhe können Zinsen verlangt werden? Gesetzlicher Zinssatz ( 246 BGB): 4 % Verzugszinssatz ( 288 Abs. 1 BGB): 5 % über Basiszinssatz Tatsächlich gezogene Zinsen Ab welchem Zeitpunkt greift Zinsanspruch? Insolvenzeröffnung (Anspruchsentstehung) Ab anfechtbarem Erwerb Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 34

Der Verweis des 143 InsO 143 Abs. 1 S. 2 Prozesszinsen ( 819 I, 818 IV, 291, 288 BGB) Nutzungsherausgabe 987, 292, 819 I, 818 IV oder 818 I Fälligkeit = Eröffnung ist Voraussetzung. Habenzinsen oder ersparte Sollzinsen ab Erwerb Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 35

Beispiel 6: BGH, Urt. v. 1.2.2007 1. Bei anfechtbarem Erwerb von Geld hat der Anfechtungsgegner Prozesszinsen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entrichten. 2. Gezogene oder schuldhaft nicht gezogene Zinsen sind als Nutzungen ab dem Zeitpunkt der Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung herauszugeben. Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 36

5. Prozesskostenhilfe Beschränken sich auch bei Insolvenz juristischer Personen die Voraussetzungen auf 116 Nr. 1 ZPO? Umfasst die Prozesskostenhilfe auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts, wenn Insolvenzverwalter selbst Rechtsanwalt ist? Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 37

Beispiel 7: BGH, Urt. v. 15.2.2007 Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe an den Verwalter in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person setzt nicht voraus, dass die Unterlassung der Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen i. S. von 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO zuwiderlaufen würde. Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 38

Beispiel 8: BGH Urt. v. 23.3.2006 1. Der für Insolvenzverfahren allgemein entwickelte Rechtssatz, dass ein Insolvenzverwalter, auch wenn er selbst Volljurist ist, Aufgaben, die er ohne volljuristische Ausbildung im Allgemeinen nicht lösen kann, auf einen Rechtsanwalt übertragen darf, gilt für die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Parteiprozess in gleicher Weise. 2. Die Führung eines Insolvenzanfechtungsprozesses wird der Insolvenzverwalter, der über keine volljuristische Ausbildung verfügt, in aller Regel einem Rechtsanwalt übertragen; deshalb ist bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe dem Antrag auf Anwaltsbeiordnung auch dann zu entsprechen, wenn der Anfechtungsgegner nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 39

6. Kostenhaftung des Verwalters Haftet Insolvenzverwalter für Prozesskosten persönlich, wenn Prozess gegen Anfechtungsgegner verloren geht und Massearmut eintritt? Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 40

BGH, Urt. v. 2.12.2006 61 InsO (-) Nur bei Rechtsgeschäften einschlägig! 60 InsO (-) Keine insolvenzspezifische Pflicht! 826 BGB Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 41

Herzlichen Dank für Ihr Interesse! Frankfurt 2007 Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 42