Beilage 1.1 zur Sitzung des Sozialausschusses vom 26.04.2013 Armutsgefährdung in Nürnberg Die vorgelegten Ergebnisse basieren auf Daten der aktuellen Bürgerbefragung Wohnungs- und Haushaltserhebung Leben in Nürnberg 2011 des Amtes für Stadtforschung und Statistik (vgl. Studiendesign). Ausgewertet wurden dazu die Angaben zu den Haushaltsnettoeinkommen in ca. 10 000 ausgefüllten Fragebögen. Hier sollten sich die Befragten eigenständig in eine von 24 Einkommensgruppen zuordnen. Jede Angabe wurde aufgrund der jeweiligen Haushaltsstruktur in ein sogenanntes (ein bedarfsgewichtetes Pro-Kopf-Einkommen) umgerechnet. Aus den aller Befragten (aus 9.550 Einkommensangaben) wurde ein Mittelwert (Median) für Nürnberg ermittelt. Nach der gängigen EU-Definition ist armutsgefährdet, wer weniger als 60 % des mittleren s hat, weniger als 50 % bedeuten Armut und weniger als 40 % strenge Armut. Wer über 150 % des mittleren Einkommens hat, hat ein höheres Einkommen, mehr als 200 % bedeuten Reichtum. Für Nürnberg ergaben sich folgende Einkommensgrenzen: Tab. 1: Einkommenseinteilung Nürnberg 2011 in Euro (monatliches Haushaltsnettoeinkommen, Stadtmedian) nach Haushaltstyp 1-Personen- Haushalte 1 Erwachsener Familien mit Kind/ern 2 Erwachsene, 2 Kinder <14 Jahre Alleinerziehende 1 Erwachsener, 1 Kind <14 J. Bedarfsgewicht neue OECD-Skala 1) 1 2,1 1,3 bedarfsgewichtetes mittleres Haushaltsnettoeinkommen (100%) 1417 2976 1842 strenge Armut: bis 40% bis 567 1190 737 Armut: bis 50% bis 709 1488 921 unter Armutsgefährdungsgrenze: bis 60% bis 850 1785 1105 über Armutsgefährdungsgr.: 60-100% bis 1417 2976 1842 über : 100-150% bis 2126 4464 2763 höheres Einkommen: 150-200% bis 2834 5951 3684 Reichtum: über 200% ab 2835 5952 3685 1) 1. erwachsene Person=1; weitere Person 14 Jahre und älter=0,5; Kind unter 14 Jahre=0,3 Werte in Euro Lesebeispiel für 1 Erwachsenen: Einem in Nürnberg lebenden Einpersonenhaushalt steht monatlich ein durchschnittliches Netto-Einkommen von 1417 zur Verfügung. Mit einem monatlichen Einkommen ab 710 und bis einschließlich 850 gilt der Haushalt als armutsgefährdet. Armutsgefährdungsquote: Anteil der Personen mit einem von weniger als 60% des Medians der der Bevölkerung in Privathaushalten Seite 1 von 5
Bei Anwendung dieser Einkommensgrenzen ergeben sich aus den Ergebnissen der Bürgerumfrage Leben in Nürnberg 2011 folgende Anteile: Im Jahr 2011 waren etwa 19% der Nürnberger Haushalte armutsgefährdet, ein etwa ebenso großer Bevölkerungsanteil - nämlich 20% - lässt sich dem hohen Einkommen zuordnen. 61% der Bevölkerung liegt beim Einkommen in der Mitte (vgl. Tabelle 2). Tab. 2: Einkommensverteilung Nürnberg 2011 in Prozent 2) Einkommensgruppen Einkommensverteilung in Prozent armutsgefährdetes Einkommen (insg. 19%) mittlere Einkommensgruppe (insg. 61%) hohes Einkommen (insg. 20%) strenge Armut 8% Armut 7% unter Armutsgefährdungsgrenze 4% über Armutsgefährdungsgrenze 34% über 27% höheres Einkommen 10% Reichtum 10% 2) Anteilswerte bezogen auf gültige Antworten (ohne keine Angaben); n=9 550 Vergleicht man die Ergebnisse von 2011 mit den Ergebnissen der Wohnungs- und Haushaltserhebung 2009, lässt sich feststellen, dass der Anteil der Armutsgefährdeten nahezu konstant blieb und der Anteil der Personen mit hohem Einkommen leicht abgenommen hat. Im November 2012 hat das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut in der Hans-Böckler- Stiftung einen Report zur Armut in den 15 größten Städten vorgelegt, über den auch in der Nürnberger Presse berichtet wurde. Für diesen Report wurden Ergebnisse des Mikrozensus, einer Umfrage der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder, ausgewertet. Die dort festgestellte Armutsgefährdungsquote für Nürnberg liegt gemessen am Bundesmedian bei 19,6%, gemessen am Stadtmedian bei 18,2%. Die aus der Nürnberger Wohnungs- und Haushaltserhebung 2011 (mit größerer Stichprobe) gewonnenen Ergebnisse werden also bestätigt.. Unterschiedliche Betroffenheit der Bevölkerungsgruppen 3) Frauen waren häufiger (19%) armutsgefährdet als Männer (16%), das galt insbesondere in der Altersklasse 35-44 Jahre (Frauen: 20%; Männer: 14%). Ältere Bürgerinnen und Bürger ab 65 Jahre waren seltener (15%) von Armutsgefährdung betroffen als der Nürnberger Durchschnitt (19%). In der Gruppe der Haushalte von Alleinerziehenden lag bei 36% eine Armutsgefährdung vor. 22% der Familien mit Kind/ern und 19% der Mehrpersonenhaushalte (ohne Kinder) verfügten über ein Einkommen unterhalb des Schwellenwertes. Dagegen waren lediglich 15% der allein lebenden Menschen armutsgefährdet. Ausländer und Nürnberger mit Migrationshintergrund gehörten mit einer Quote von 40% bzw. 25% zu den stärker von Armutsgefährdung betroffenen Bevölkerungsgruppen. Das galt auch für Personen --------------- 3) Anteilswerte bezogen auf alle Antworten (inkl. keine Angaben) Seite 2 von 5
ohne abgeschlossene Schul- (48%) bzw. Berufsausbildung (38%). Diese Tendenz zeigte sich auch bei Befragten mit atypischen Beschäftigungsverhältnissen (25%), un-/angelernten Arbeiterinnen und Arbeitern (37%) sowie Arbeitslosen (68%). Ein Vergleich der Armutsgefährdungsquoten in unterschiedlichen Teilen der Stadt (betrachtet wurden die 18 Umfragegebiete, für kleinere Gebietseinheiten sind die Fallzahlen zu niedrig; vgl. Abbildung 1) ließ hingegen keine allzu starken Segregationseffekte der Einkommensverteilung erkennen. Leicht überdurchschnittliche Armutsgefährdungsquoten zeigten sich nur in Schweinau/St. Leonhard (32%), Gostenhof/Kleinweidenmühle (29%), Eberhardshof/Muggenhof (25%) und der Südstadt (24%). Hohes Einkommen d.h. höheres Einkommen und Reichtum, in Nürnberg insgesamt ca. 20% hingegen wurde in Nürnberg eher begünstigt durch eine hohe Bildung (mit Abitur 35%; Fach- /Hochschulabschluss 41%) sowie Vollzeit-Erwerbstätigkeit (32%) in mittlerer (35%) oder leitender/wissenschaftlicher Position (60%) bzw. Selbständigkeit (37%). Bei Männern (25%) liegt der Anteil höher als bei Frauen (15%), insbesondere in der Altersklasse 35-44 Jahre (Männer: 31%; Frauen: 18%). Grundsätzlich wiesen überdurchschnittlich oft Zwei-Personen- Haushalte zwischen 18-64 Jahren (33%), Ledige (24%) und innerhalb der letzten zwei Jahre Zugezogene (28%) sowie deutsche Mitbürgerinnen und Mitbürger (23%) hohe Einkommen auf. Leicht überdurchschnittlich oft zeigten sich hohe Einkommen darüber hinaus in der östlichen (32%) und nordwestlichen (27%) Außenstadt, Hafen/Katzwang/Kornburg (27%) bzw. der Altstadt sowie St. Johannis (25%). Seite 3 von 5
Abb. 1: Armutsgefährdung Nürnberg 2011 nach Stadtteilen Seite 4 von 5
Anhang Erläuterungen Das ist ein bedarfsgewichtetes Pro- Kopf-Einkommen je Haushaltsmitglied, das ermittelt wird, indem das Haushaltsnettoeinkommen durch die Summe der Bedarfsgewichte der im Haushalt lebenden Personen geteilt wird. Nach EU-Standard wird zur Bedarfsgewichtung die neue OECD-Skala verwendet. Danach wird der ersten erwachsenen Person im Haushalt das Bedarfsgewicht 1 zugeordnet, für die weiteren Haushaltsmitglieder werden Gewichte von < 1 eingesetzt (0,5 für weitere Personen im Alter von 14 und mehr Jahren und 0,3 für jedes Kind im Alter von unter 14 Jahren), weil angenommen wird, dass sich durch gemeinsames Wirtschaften Einsparungen erreichen lassen. Als relativ einkommensarm gelten nach Definition der Europäischen Union Personen, deren weniger als 60% des Medians der der Bevölkerung (in Privathaushalten) beträgt. Als relativ einkommensreich gelten hier Personen, deren mehr als 200% des Medians der der Bevölkerung (in Privathaushalten) beträgt. Der Median ist ein Mittelwert. Ober- bzw. unterhalb des Medians liegt jeweils die Hälfte der Fälle. Haushaltsnettoeinkommen: Welcher Einkommensgruppe ist Ihr Haushalt nach seinem gesamten monatlichen Nettoeinkommen zuzuordnen? + Einkommen aus Erwerbstätigkeit (Gehalt, Lohn usw.), Rente, Pension + Kindergeld, Arbeitslosengeld, Grundsicherung für Arbeitssuchende (ALGII)/im Alter oder bei voller Erwerbsminderung, Sozialhilfe, Wohngeld, Unterhalt + Einkünfte aus Lebensversicherung, Vermietung und Verpachtung sowie Kapitaleinkünfte - (abzüglich) Steuern und Sozialversicherung Quellen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, http://www.amtliche-sozialberichterstattung.de, Zugriff: 8.11.12 Stadt Nürnberg, Amt für Stadtforschung und Statistik, Studiendesign Die Wohnungs- und Haushaltserhebungen Leben in Nürnberg finden seit 1985 regelmäßig, mit wechselnden Schwerpunkthemen, als Bürgerbefragungen statt. Von September bis Dezember 2011 befragte das Amt für Stadtforschung und Statistik im Auftrag des Oberbürgermeisters 20 000 zufällig ausgewählte Einwohner ab 18 Jahre mit Hauptwohnsitz in Nürnberg. 10 130 Bürger beantworteten freiwillig den achtseitigen Fragebogen zu ihren Lebens-, Arbeits- bzw. Wohnverhältnissen mit dem Schwerpunktthema Lebensstile, den sie per Post zugesandt bekamen. Alle Teilnehmer erhielten ein kleines Dankeschön in Form eines Gutscheines für ein städtisches Hallen- bzw. Freibad oder einen Gutschein der VAG. Weitere Umfrageergebnisse sind unter http://www.nuernberg.de/internet/statistik/umfrageergebnisse.html zu finden. Hier ist auch die Ergebniszusammenfassung als Sonderbericht Leben in Nürnberg 2011-19% sind armutsgefährdet (S230 vom 12. November 2012) herunterzuladen. Seite 5 von 5