Sortenschutz & Patente auf Pflanzen



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Transkript:

Sortenschutz & Patente auf Pflanzen FAQ Die wichtigsten Fragen und Antworten aus Perspektive der Sortenvielfalt Was ist der Sortenschutz? Sortenschutzrechte schützen das geistige Eigentum an neuen Pflanzenzüchtungen. Eine Sorte gilt als schutzfähig, wenn sie neu, unterscheidbar, homogen und beständig ist. Werden diese Kriterien erfüllt, halten ZüchterInnen für 25 oder 30 Jahre das exklusive Recht an der Produktion von Vermehrungsgut (z. B. Saatgut, Knollen) und dem Verkauf des Vermehrungsguts der jeweiligen Sorte. Sie können jedoch Lizenzen für die Nutzung der neuen Sorte an Dritte vergeben. Ausgenommen vom Sortenschutz ist die Verwendung einer geschützten Sorte für die Entwicklung neuer Sorten durch ZüchterInnen ( Züchterprivileg ). Zudem dürfen Bauern und Bäuerinnen das Saatgut für den Eigenbedarf und die Wiederaussaat nachbauen ( Landwirteprivileg ). Allerdings werden in einigen europäischen Ländern Gebühren für den Nachbau erhoben. In Österreich ist dies aber bislang nicht der Fall. Was sind Patente auf Pflanzen? Ein Patent ist ein gewerbliches Schutzrecht und schützt demnach das geistige Eigentum an Produkten und Verfahren. Solche gelten als patentierbar, wenn sie folgende Kriterien erfüllen: Neuheit, erfinderische Tätigkeit und gewerbliche Anwendbarkeit. Wird ein Patent erteilt, haben PatentinhaberInnen das Recht, anderen die Nachbildung, die Nutzung, den Verkauf und den Vertrieb der Erfindung für 20 Jahre zu verbieten. Sie können anderen jedoch die Verwendung der Erfindung gegen Bezahlung von Lizenzgebühren erlauben. ZüchterInnen, die das patentierte Saatgut für die Entwicklung neuer Sorten nutzen möchten, können dies nicht ungefragt tun - es gibt im Patentrecht kein Züchterprivileg. LandwirtInnen in Österreich wird die Vermehrung und Verwendung des Ernteguts in ihren eigenen Betrieben mit gewissen Einschränkungen gestattet (siehe Tabelle: Ausnahmen vom Anwendungsbereich). Sortenschutz und Patente auf Pflanzen die Unterschiede auf einen Blick: Gesetzliche Grundlagen 1 ARCHE NOAH ZVR 907994719 Sortenschutz - International: UPOV- Übereinkommen - EU: Übertragung des UPOV Patente - Europa: Europäisches Patentübereinkommen (EPÜ) - EU: Richtlinie 98/44/EG über

Voraussetzungen Systems in die EU per Verordnung (EG) Nr. 2100/94 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz - Ö: Sortenschutzgesetz 2001, BGBl. I Nr. 109/2001 () - Unterscheidbarkeit - Homogenität - Beständigkeit - Neuzüchtung den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen - Ö: Patentgesetz 1970 BGBl. 1970/259 idf BGBl. I 2013/126 (PatG) - Neuheit - Erfindungseigenschaft - industrielle Anwendbarkeit Was genau wird geschützt? Eine Sorte - Biologisches Material, das aufgrund der Erfindung mit bestimmten Eigenschaften ausgestattet ist, d.h. die Eigenschaft muss sortenunabhängig und somit technisch auf mehrere Sorten übertragbar sein (inkl. Vermehrung) - Züchtungsverfahren, das die Gewinnung eines aufgrund der Erfindung mit bestimmten Eigenschaften ausgestatteten biologischen Materials ermöglicht (inkl. Vermehrung) Wichtig: Schutzumfang grundsätzlich abhängig von Ansprüchen des individuellen Patents Welche Rechte werden zugesprochen? Exklusivrechte Exklusivrechte Anwendungsbereich bzw. Wirkung des Rechtschutzes Ausnahmen vom Anwendungsbereich in Österreich - die Erzeugung oder Vermehrung - die Aufbereitung zum Zwecke der Vermehrung - das Anbieten zum Verkauf - der Verkauf oder das sonstige In-Verkehr-Bringen - die Ausfuhr - die Einfuhr - die Aufbewahrung zu obigen Zwecken - Handlungen im privaten Bereich zu nicht gewerblichen Zwecken sowie zu Versuchszwecken - Verwendung der Sorte für Neuzüchtungen und deren Vermarktung ( Züchterprivileg ) - berechtigt Inhaber, Dritte davon auszuschließen, den Gegenstand der Erfindung gewerbemäßig herzustellen, in Verkehr zu bringen, feilzuhalten oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen - Studien und Versuche - Lizenzvergaben - Nachbau ( Landwirteprivileg ) mit Einschränkungen gestattet: 1) wenn die Patentansprüche nicht das Erntegut umfassen 2) wenn die patentrechtlich 2 ARCHE NOAH ZVR 907994719

Gilt das geistige Eigentumsrecht auch gegenüber Privaten, oder nur gegenüber Betrieben? Welche Institutionen in Österreich vergeben diese Rechte? - Nachbau ( Landwirteprivileg ) geschützte Art in der EU- Sortenschutzverordnung 2100/94, Artikel 14, Abs. 2 als vom Landwirteprivileg mit einbezogene Art aufgeführt ist gilt nur gegenüber Gewerbe gilt nur gegenüber Gewerbe Bundesamt für Ernährungssicherheit Österreichisches Patentamt Wer setzt diese Rechte in Österreich bei Verletzung durch? Oberster Gerichtshof (OGH) Fachsenat für Patent-, Markenund Musterschutzsachen (4. Senat) Oberster Gerichtshof (OGH) Fachsenat für Patent-, Markenund Musterschutzsachen (4. Senat) Sind Patente auf Pflanzen in Österreich/ Europa/ der EU erlaubt? Dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) nach sind Patente auf Pflanzen in Europa gesetzlich weitgehend verboten. Artikel 53b des EPÜ legt fest, dass europäische Patente für Pflanzensorten oder Tierrassen sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren nicht erteilt werden dürfen. Neue Interpretationen des EPÜ haben eine solche Patentierung dennoch ermöglicht. Die Europäische Patentorganisation (EPO) hat 1999 eine Regel in die Ausführungsordnung des EPÜ übernommen, nach welcher Patente erlaubt sind, wenn sie technisch nicht auf eine Pflanzensorte beschränkt sind, sondern auf eine Vielzahl von Sorten angewendet werden können. Das österreichische Patentgesetz folgt diesbezüglich dem Wortlaut des EPÜ. Zudem wurde im März 2015 von der Großen Beschwerdekammer des EPA die widersprüchliche Entscheidung gefällt, dass Verfahren der konventionellen Züchtung zwar nicht patentiert werden dürfen, aber Pflanzen (und Tiere), die aus einer solchen Züchtung stammen, dennoch patentiert werden können. Was ist ein europäisches Patent? Das Europäische Patent (EP) ist ein Bündel nationaler Patente und wird auf der rechtlichen Grundlage des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) vom Europäischen Patentamt (EPA) erteilt. Das EPÜ ist ein multilaterales Abkommen und hat 38 Vertragsstaaten, darunter alle EU-Mitgliedsstaaten sowie Norwegen, Island, Schweiz, Liechtenstein, San Marino, die Türkei, Mazedonien, Albanien und Serbien. Der Kern des EPÜ ist die Schaffung eines einheitlichen bzw. zentralen Patenterteilungsverfahrens. Der Patentinhaber muss bei der Anmeldung des Patents beim EPA diejenigen Vertragsstaaten benennen, für die er einen Patentschutz haben möchte. Entgegen der irreführenden Bezeichnung Europäisches Patent entsteht also mit der Patenterteilung durch das EPA kein einheitliches europäisches Patent, sondern ein Bündel nationaler Patente. Deren Wirkung und Durchsetzung im Patentverletzungsprozess untersteht derzeit noch den jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften und Gerichtsbarkeiten. 3 ARCHE NOAH ZVR 907994719

Wie wirken sich Patente auf Saatgut auf Züchterbetriebe aus? Die Vielfalt der Kultur- und Wildpflanzen stellt eine wesentliche Grundlage für die Arbeit von ZüchterInnen und somit für die Entwicklung neuer Sorten dar. Sofern Patente auch auf Entdeckungen erteilt werden, schränken sie den Zugang zur Kulturpflanzenvielfalt für ZüchterInnen stark ein. Diese dürfen das patentierte Saatgut dann nicht frei, sondern bestenfalls nach Vertragsabschluss und gegen Bezahlung von Lizenzgebühren, verwenden. Dies stellt ein Hindernis für Innovationen in der Züchtung sowie für den Wettbewerb dar. Darüber hinaus fördern Patente die Konzentration des Saatgutmarkets auf einige wenige Unternehmen, da meist nur große Konzerne die finanziellen Mittel für die Anmeldung von Patenten sowie für die Durchsetzung der daraus folgenden Rechte haben. Kleine und mittelständische Saatgutunternehmen werden so vom Wettbewerb ausgeschlossen und schließlich vom Markt verdrängt. Mangelnde Transparenz darüber, welchen Schutzrechten bestimmtes Saatgut unterliegt, führt zu rechtlicher Unsicherheit beim züchterischen Mitbewerb und schlimmstenfalls zu hohen Kosten aufgrund von ungewollten Patentrechtsverletzungen. Auf Verpackungen sind eventuell geltende Sortenschutz- und Patentrechte für das jeweilige Saatgut in keiner Weise angegeben. Zudem ist es beinahe unmöglich, anhand eigener Recherchen geltende Patentrechte auf ein Produkt herauszufinden. Wie wirken sich Patente auf Saatgut auf die Vielfalt aus? Die Behinderung von Innovationen in der Pflanzenzüchtung sowie die gleichzeitig voranschreitende Monopolbildung auf dem Saatgutmarkt führen dazu, dass die Kulturpflanzenvielfalt weiter unter Druck gerät. Fortschreitende Angebotsverarmung ( more of the same ) wäre die Folge. Bestimmen nur wenige Saatgutkonzerne darüber, welche patentierten Sorten angebaut werden (Monopolbildung), wird die Wahlfreiheit von ZüchterInnen, LandwirtInnen, NahrungsmittelproduzentInnen und KonsumentInnen stark eingeschränkt. Der Rückgang der Kulturpflanzenvielfalt gefährdet folglich nicht nur die Nachhaltigkeit der Öko- und Agrarsysteme, sondern in Zuge dessen auch die globale Ernährungssicherheit und regionale Ernährungssouveränität. Wie wirken sich Patente auf Saatgut auf Bauern aus? LandwirtInnen in Österreich dürfen das Erntegut aus patentiertem Saatgut zwar mit Einschränkungen zur Verwendung und Vermehrung auf dem eigenen Betrieb verwenden (siehe Tabelle: Ausnahmen vom Anwendungsbereich), nicht aber als Basis für die Weiterzucht im gewerblichen Rahmen. Dies gilt auch für ggf. patentierte Eigenschaften traditioneller Landsorten, obwohl diese über Generationen hinweg in bäuerlicher Hand waren. Hier wird klar erkennbar: Die Grenzen zwischen Erfindungen und Entdeckungen verschwimmen. Die Monopolbildung auf dem Saatgutmarkt führt zu höheren Preisen und lässt LandwirtInnen zudem befürchten, dass ihre Wahlfreiheit eingeschränkt wird und dass keine Sorten entwickelt werden, die speziell ihren Ansprüchen entsprechen. Unbeabsichtigte Patentrechtsverletzungen können zudem eine hohe finanzielle Belastung von LandwirtInnen verursachen, z. B. aufgrund der aktuell mangelnden Transparenz darüber, welche Schutzrechte mit 4 ARCHE NOAH ZVR 907994719

einer Sorte verbunden sind (Patent oder Sortenschutz). Zudem besteht die Gefahr einer genetischen Verunreinigung herkömmlicher Pflanzen durch Pflanzen mit patentierten Eigenschaften durch natürlichen Pollenflug. In Österreich sowie in den meisten anderen europäischen Ländern können in diesem Fall laut Patentgesetz zwar keine Patentansprüche geltend gemacht werden, aber in manchen Ländern herrscht diesbezüglich keine rechtliche Klarheit. Kann man alte Sorten patentieren? Patente werden nicht direkt für Sorten erteilt, sondern für bestimmte Eigenschaften einer Pflanze. Sind nun bestimmte Eigenschaften einer alten Sorte für Unternehmen interessant und werden diese in weiterer Folge und entsprechend der Voraussetzungen für eine Patenterteilung patentiert, fallen auch alte Sorten - nämlich all jene, die die patentierten Eigenschaften aufweisen - in den Schutz des entsprechenden Patents. Zusammengefasst bedeutet dies, dass theoretisch ausnahmslos jede Sorte von einer Patentierung betroffen sein kann. Züchter- und Nachbauprivileg: Muss man eine Betriebsnummer haben, um es in Anspruch nehmen zu können? Für die Inanspruchnahme des Züchter- und Nachbauprivilegs ist in Österreich keine Betriebsnummer erforderlich. Die Pflanzenzüchtung unterliegt in Österreich keiner gesetzlichen Regelung, d.h. jede natürliche oder juristische Person kann Züchtungstätigkeiten mit patentiertem Saatgut oder den Nachbau von patentiertem Saatgut ausüben, sofern keine Erwerbsabsicht vorliegt. Sobald die Ergebnisse aus solchen Aktivitäten vermarktet werden sollen, sind die jeweils geltenden gesetzlichen Regelungen einzuhalten. LandwirtInnen gelten in Österreich als UnternehmerInnen und können Erntegut aus patentiertem Saatgut nur dann auf dem eigenen Betrieb weiter vermehren, wenn dieses nicht von den Patentansprüchen umfasst wird und die betroffene Art in der EU- Sortenschutzverordnung als vom Landwirteprivileg mit einbezogene Art aufgeführt ist. Welche Möglichkeiten gibt es, Patente auf Saatgut zu stoppen? Um Patente auf Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung zu stoppen, müssen alle Verfahren, Züchtungsmaterialien und Produkte als nicht patentierbar klassifiziert werden, die von konventionellen Züchtern erzeugt oder genutzt werden. Derzeit ermöglicht die Rechtsprechung der Europäischen Patentorganisation (EPO), das Verbot von Patenten auf Pflanzensorten aus konventioneller Züchtung zu umgehen, indem diese ein bestimmtes Merkmal von Pflanzen beanspruchen und die Formulierung der Ansprüche so wählen, dass alle Pflanzen sowie alle Verfahren zur Herstellung des Merkmals eingeschlossen sind. Eine Änderung der Interpretation des Patentrechts könnte dies verhindern. Dazu beitragen würde außerdem ein whole content approach - nämlich der Zugang, bei dem es hinsichtlich der Gewährung eines Patents nicht wesentlich auf eine schlaue Formulierung der Ansprüche ankommt, sondern auf den tatsächlichen Inhalt und Kontext der Patentschrift. Kann man Patente auf EU-Ebene stoppen? Die EU-Richtlinie 98/44/EG Rechtlicher Schutz biotechnologischer Erfindungen wurde 1998 vom Europäischen Parlament sowie den EU-Mitgliedstaaten verabschiedet und 1999 vom Verwaltungsrat 5 ARCHE NOAH ZVR 907994719

der Europäischen Patentorganisation (EPO) in die Ausführungsordnung des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) übernommen. Im Kern lässt die EU-Richtlinie die Patentierung von Pflanzen und Tieren zu, das Europäische Parlament fordert aber in einer Resolution von 2012, dass die Verbote der Patentierung strikter angewendet werden müssen (betrifft alle Verfahren der konventionellen Züchtung sowie alle damit erzeugten Produkte und Züchtungsmaterialien) als es gegenwärtig durch das Europäische Patentamt (EPA) der Fall ist. Ansatzpunkte wären hier eine Änderung der Ausführungsordnung (= Interpretation) des EPÜ sowie eine Änderung der EU-Biotech- Richtlinie und europäischer Patentgesetze (eindeutiger Ausschluss von Patenten auf Pflanzen und Tiere). Kann Österreich auf nationaler Ebene die Patentierung von Pflanzen (und Tieren) verbieten? Grundsätzlich sind Verbote auf nationaler Gesetzesebene möglich. So hat etwa der Deutsche Bundestag 2013 beschlossen, dass konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere sowie herkömmliche Züchtungsverfahren nicht patentiert werden können. Dieses Patentgesetz bietet allerdings große Schlupflöcher, denn es ist nicht ausreichend definiert, um vom Europäischen Patentamt (EPA) erteilte Patente in Deutschland rechtsunwirksam zu machen. Besonders angesichts des EU-Patentpakets Verordnungen zum sog. EU-Patent bzw. Einheitspatent sowie einem internationalen Übereinkommen zur Schaffung einer einheitlichen Patentgerichtsbarkeit werden nationale Patentverbote zunehmend unerheblich. Das einheitliche Patentgericht wird nicht nur für einheitliche Patente, sondern auch für klassische europäische Patente zuständig sein. Trotz der Möglichkeit eines opt-out aus dem System des Einheitlichen Patentgerichts und der Wahl zwischen den heutigen zuständigen nationalen Gerichten und dem Einheitlichen Patentgericht während einer (verlängerbaren) 7-jährigen Übergangszeit, ist nur eine europäische Lösung wirklich erfolgversprechend. Wie viele Pflanzen wurden in Europa patentiert? Laut Angaben des Europäischen Patentamtes (EPA) wurden seit dessen Gründung in den 1980er Jahren bis 1.960 europäische Patente auf transgene Pflanzen erteilt und 6.750 ebensolche angemeldet. Die Zahl der erteilten europäischen Patente auf Pflanzen aus konventioneller Züchtung liegt, laut EPA, derzeit bei 72 und die Zahl der eingereichten Patentanmeldungen, in dieser Kategorie bei 724. Diese Zahlen spiegeln den Stand gemäß der Klassifizierungspraxis und Zählweise des EPA wieder. Führende NGOs, wie No Patents on Seeds, gehen aber davon aus, dass bis zu 1000 Patentanmeldungen in der Warteschleife sind. Wie viele Pflanzen wurden in Österreich patentiert? Laut Angaben des Österreichischen Patentamtes (ÖPA) wurden seit 2005 bis drei Patente auf transgene Pflanzen erteilt. Weitere Patentanmeldungen und -erteilungen - auch im Bereich der konventionellen Pflanzenzüchtung - gibt es in Österreich nicht. 6 ARCHE NOAH ZVR 907994719