JURISTISCHE ASPEKTE RUND UMS ARZTZEUGNIS

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JURISTISCHE ASPEKTE RUND UMS ARZTZEUGNIS Prof. Dr. iur. Roland Müller, Rechtsanwalt und Notar, ME Advocat AG Titularprofessor Universität St.Gallen und Lehrbeauftragter Universität Bern

Zielsetzungen des Referates Überblick verschaffen über die Rechtsgrundlagen bezüglich Arztzeugnissen Aufzeigen der Bedeutung von Arztzeugnissen in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten Empfehlungen abgeben zum Umgang mit Arztzeugnissen in der Arbeitsrechtspraxis Folie 2

Gliederung des Referates I. Problematik und Gesetzesgrundlagen II. Form, Qualifikation und Inhalt III. Beweisfunktion des Arztzeugnisses IV. Spezialfragen zum Arztzeugnis 1. Rückfragen beim Arzt 2. Vertrauensärztliche Untersuchung 3. Rückwirkendes Arztzeugnis 4. Gefälligkeitszeugnis 5. Arbeitsleistung trotz Arbeitsunfähigkeit 6. Teilarbeitsunfähigkeit V. Empfehlungen zum Umgang www.advocat.ch Prof. Dr. Roland Müller Folie 3

Probleme mit Arztzeugnissen Keine oder verspätete Vorlage Inhalt unklar oder nicht verständlich Inhalt falsch oder verfälscht Rückwirkende Ausstellung Beweisproblematik Arbeitsunfähigkeit Eventuell Nichtigkeit einer Kündigung Anwendbarkeit des Rechtsmissbrauchs www.advocat.ch nur Bestätigung einer Behandlung nur teilweise Arbeitsunfähigkeit bestätigt Arzt gibt keine Auskunft auf Fragen Schrift des Arztes schlicht unleserlich Rückdatierung oder Vordatierung Bestätigung ohne Konsultation Gefälligkeitszeugnis nach Wunsch Datum oder Unterschrift gefälscht Prof. Dr. Roland Müller Folie 4

Überblick über Gesetz, Literatur und Judikatur Keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage vorhanden, nur in Art. 28 Abs. 5 AVIG Hinweis Spezialliteratur zum Arztzeugnis ist teilweise vorhanden; es fehlt eine umfassende Monographie Zahlreiche kantonale und eidg. Entscheide im Zusammenhang mit Arztzeugnissen vorhanden Folie 5

Form und Bedeutung des Arztzeugnisses Keine gesetzliche Form vorgeschrieben grundsätzlich kann Arztzeugnis auch mündlich abgegeben werden, doch ergeben sich damit Beweisproblem Arztzeugnis ist strafrechtlich relevante Urkunde die vorsätzliche Ausstellung eines unwahren Zeugnisses erfüllt Tatbestand von 251 StGB www.advocat.ch Empfehlungen der Aerzte Gesellschaft des Kantons Zürich(AGZ) vom 7. Juni 2000: "Ein Arbeitszeugnis ist generell nur gültig, wenn es Datum, Stempel und eigenhändige Unterschrift des behandelnden Arztes aufweist. " Prof. Dr. Roland Müller Folie 6

Inhalt eines Arztzeugnisses im Allgemeinen Art. 34 FMH Standesregeln Ärztliche Zeugnisse, Berichte und Gutachten sind Urkunden. Bei deren Ausstellung haben Arzt und Ärztin alle Sorgfalt anzuwenden und nach bestem Wissen ihre ärztliche Überzeugung auszudrücken. Der Zweck der Schriftstücke, das Ausstellungsdatum und ihre Empfänger sind anzugeben. Die Ausstellung von Gefälligkeitszeugnissen ist unzulässig. Folie 7

Muster eines einfachen Arztzeugnisses Folie 8

Muster eines detaillierten Arztzeugnisses Folie 9

Beweislastverteilung gemäss Art. 8 ZGB AN muss Arbeitsunfähigkeit beweisen, aber Pflicht besteht nur bei vertraglicher Vereinbarung (EAV/GAV) AG hat das Recht, ab dem 1. Tag der Verhinderung ein Arztzeugnis zu verlangen, sofern nicht vertraglich ausgeschlossen (EAV/GAV) Beibringen des Arztzeugnisses ist nur Ordnungsvor-schrift, Berufung auf andere Beweismittel möglich Arztzeugnis ist Anscheinsbeweis, bewirkt keine Beweislastumkehr! Arztzeugnis wird i.d.r. nicht vom Gericht eingeholt, deshalb ist es keine schr. Auskunft, sondern nur Parteibehauptung (freie Beweiswürdigung) Folie 10

Gliederung des Referates I. Problematik und Gesetzesgrundlagen II. Form, Qualifikation und Inhalt III. Beweisfunktion des Arztzeugnisses IV. Spezialfragen zum Arztzeugnis 1. Rückfragen beim Arzt 2. Vertrauensärztliche Untersuchung 3. Rückwirkendes Arztzeugnis 4. Gefälligkeitszeugnis 5. Arbeitsleistung trotz Arbeitsunfähigkeit 6. Teilarbeitsunfähigkeit V. Empfehlungen zum Umgang www.advocat.ch Prof. Dr. Roland Müller Folie 11

Rückfragen des AG beim behandelnden Arzt Arzt darf vor Auskunft Identifikation des AG verlangen (z.b. durch Rückruf) Arzt darf Ausstellung bestätigen oder verneinen (bei Zweifel über Fälschung) Arzt darf die gleichen Auskünfte geben wie im Arztzeugnis (Schrift wird verständlich) Arzt darf teilweise Arbeitsunfähigkeit konkretisieren (welche Tätigkeiten sind noch möglich) Arzt darf noch weitere Auskünfte geben, wenn ihn AN vom Berufsgeheimnis entbindet Arzt muss überhaupt keine Auskünfte geben, da nur Auftrag von AN und zudem Strafdrohung von Art. 321 Ziff. 1 StGB Folie 12

Recht auf vertrauensärztliche Untersuchung Keine Regelung im Gesetz Bisher keine wissenschaftliche Abhandlung AG kann auf eigene Kosten vertrauensärztliche Untersuchung verlangen Es bedarf keiner beso. vertraglichen Abmachung Aus Treuepflicht des AN folgt Pflicht zum Besuch des Vertrauensarztes (CA GE in JAR 1982 113) Empfohlen wird entspr. Klausel in EAV oder GAV Frage: Darf also ein AG vom AN verlangen, dass er sich von einem Psychiater vertrauensärztlich untersuchen lässt oder verletzt das die Persönlichkeitsrechte des AN? Folie 13

Vertrauensarzt und Persönlichkeitsverletzung BGE 125 III 70 vom 13. Oktober 1998 Die Arbeitnehmerin war 8 Jahre als Sachbearbeiterin tätig. Nach ihren Angaben wurde sie dabei systema-tisch zurückgesetzt, gemobbt und einem Psycho-terror ausgesetzt. Der Arbeitgeber verlangte eine vertrauensärztliche Untersuchung durch einen Psychiater. Die Arbeitnehmerin weigerte sich und wurde in der Folge ordentlich gekündigt. Das Bundesgericht sieht in der Weisung zur Untersuchung durch einen Psychiater keine Persönlichkeitsverletzung und weist Klage ab! Folie 14

Schranken der vertrauensärztl. Untersuchung Vertrauensarzt darf nur diejenigen Angaben machen, die für Arbeitsverhältnis nötig sind, i.d.r. also keine Diagnose Bei verbleibender Teilarbeitsfähigkeit ist Frage nach Ansteckungsgefahr zulässig Anzugeben sind Tatsache, Dauer und Grad der Arbeitsunfähigkeit Bei Teilarbeitsunfähigkeit ist Frage nach Art der noch möglichen Tätigkeit zulässig Achtung: Auch Vertrauensarzt untersteht der ärztlichen Schweigepflicht, zudem Strafdrohung von StGB 321 Ziff. 1 Folie 15

Weitere Probleme mit Vertrauensarzt Bestimmung des Vertrauensarztes durch AG verletzt freie Arztwahl des AN nicht (Auswahl wäre besser) Vertrauensärzte machen i.d.r. keine Hausbesuche, bei Transportunfähigkeit des AN muss Diagnose auf Grund von Akten erfolgen Ausnahmsweise kann Verweigerung der vertrauensärztlichen Untersuchung zur fristlosen Entlassung berechtigen (BGer. 14.7.1997 in JAR 1998 217 und AGer. BE in JAR 1992 119) Bei Widerspruch zwischen Hausarzt und Vertrauens-arzt ist pers. Konsultation ausschlaggebend Empfehlung: Meldung an IV und Gespräch mit Wiedereingliederungsberater/in der IV Folie 16

Rückwirkendes Arztzeugnis Rückwirkung ist im Gegensatz zu Rückdatierung zulässig, bleibt aber problematisch Gemäss Empfehlungen der AGZ nur in Ausnahme-fällen gerechtfertigt Rückwirkungsdauer sollte 1 Woche nicht über-schreiten, sonst eingeschränkte Beweisfunktion Folgende Mindestangaben können verlangt werden: - Datum des Beginns der Arbeitsunfähigkeit - Datum der ersten Ausstellung - Datum der ersten Behandlung Achtung: Die Widerlegung eines rückwirkenden Arztzeugnisses bleibt aber dennoch schwierig! Folie 17

Problematik von Gefälligkeitszeugnissen Gemäss Art. 34 FMH-Standesregeln eigentlich nicht zulässig, kommt aber trotzdem vor Gemäss SÄZ führen krankheitsbedingte Absenzen durchschn. zu 53 Ausfallstd. p.a. und Mitarbeiter Nachweis eines Gefälligkeitszeugnisses genügt strafrechtlich noch nicht; zudem Vorsatz oder Fahrlässigkeit erforderlich Anzeige bei der FMH möglich, sofern Arzt dort Mitglied ist; strenge Sanktionen vorgesehen AN macht sich nach 318 StGB selbst strafbar Achtung: Anzeige bei der FMH kann Ehrverletzung sein! Folie 18

Arbeitsleistung trotz Arbeitsunfähigkeit Ausgangslage: AN ist zu 50% arbeitsunfähig, arbeitet aber 100%. Ist die Mehrarbeit mit Überstundenzuschlag zu entlöhnen? Arbeit widerlegt Arbeitsunfähigkeit nicht per se Arbeitsfähigkeit ist im Einzelfall zu prüfen Vertraglich wurden 100% vereinbart; nur was über die vereinbarte Zeit hinausgeht gibt Anrecht auf einen Überstundenzuschlag (kein Zuschlag!) BGE 4A_227/2009 zeigt, dass eine Kündigung trotz geringfügiger Krankheit zulässig ist, wenn AN selbst 100% arbeitet Achtung: Im Zweifelsfall Kündigung wiederholen! Folie 19

Umschreibung einer Teilarbeitsunfähigkeit Ausgangslage: AN ist nur zu 70% teilzeitbeschäftigt. Nun wird er zu 50% arbeitsunfähig geschrieben. Wie viel kann er arbeiten? Primär bezieht sich Prozentangabe auf die zeitliche Einschränkung der Arbeitsfähigkeit bei gleicher Leistung Ohne zusätzliche Angabe des Arztes ergibt sich eine Arbeitsfähigkeit von 35% Eine Rückfrage beim behandelnden Arzt lohnt sich, um Klarheit zu schaffen Achtung: Gerichte entscheiden i.d.r. bei Unklarheit zu Gunsten der Arbeitnehmer! Folie 20

Gliederung des Referates I. Problematik und Gesetzesgrundlagen II. Form, Qualifikation und Inhalt III. Beweisfunktion des Arztzeugnisses IV. Spezialfragen zum Arztzeugnis 1. Rückfragen beim Arzt 2. Vertrauensärztliche Untersuchung 3. Rückwirkendes Arztzeugnis 4. Gefälligkeitszeugnis 5. Arbeitsleistung trotz Arbeitsunfähigkeit 6. Teilarbeitsunfähigkeit V. Empfehlungen zum Umgang www.advocat.ch Prof. Dr. Roland Müller Folie 21

Zusammenfassung und Empfehlungen Arbeitsrechtliche Streitigkeiten im Zusammenhang mit Arztzeugnissen sind relativ häufig (vgl. Judikatur) Arztzeugnis ist nur eine Parteibehauptung und kann widerlegt werden, so dass auch Kündigung möglich ist Weisung zum vertrauensärztlichen Untersuch muss befolgt werden und widerspricht nicht der freien Arztwahl Bei Widerspruch zwischen Hausarzt und Vertrauensarzt geht Hausarzt vor, wenn nur er den Patienten pers. untersuchte Rückwirkendes Arztzeugnis ist möglich, doch müssen zusätzliche Angaben gemacht werden www.advocat.ch Prof. Dr. Roland Müller Folie 22